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Intersektionalität aus marxistischer Perspektive

Das vor allem in kritisch-akademischen Kreisen viel diskutierte Konzept der Intersektionalität geht davon aus, dass Menschen im Kapitalismus nicht nur aufgrund ihrer sozialen Position (Klasse), sondern auch aufgrund ihres Geschlechts (Englisch: gender) und ihrer Ethnie (Englisch: race) diskriminiert werden. Als häufiges Beispiel werden afro-amerikanische Frauen in den USA genannt, die als weibliche und schwarze Arbeiterinnen mit vielfältigen Ausbeutungsformen konfrontiert sind. Einige marxistische Strömungen stehen dem Konzept der Intersektionalität kritisch gegenüber, weil sie es für notwendig erachten, (lediglich) die soziale Frage in den Vordergrund zu stellen und ansonsten einen klassenkämpferischen Ansatz verwässert sehen. Sharon Smith, Autorin des Buches „Frauen und Sozialismus: Klasse, Rasse und Kapital“ (Women and Socialism: Class, Race and Capital) beleuchtet die Ursprünge der Intersektionalität und zeigt auf, inwiefern wir als marxistische Linke vom Ansatz der Intersektionalität lernen können. (Red.)

von Sharon Smith*; aus socialistworker.org

Viele linke Aktivist*innen, die vom Begriff der „Intersektionalität“ gehört haben, bekunden bis heute Mühe damit, ihn genau zu definieren. Vor allem deswegen, weil er oft unterschiedlich ausgelegt wird und somit zu gegensätzlichen Positionen führt. Auch wenn der Intersektionalität für viele etwas Abstraktes und schwer Verständliches anhaftet, wäre es ein Fehler, das Konzept einfach von der Hand zu weisen. Tatsächlich gibt es zwei unterschiedliche Interpretationslinien von Intersektionalität: Die eine geht auf den sogenannten Black Feminism zurück, die andere ist Teil einer poststrukturalistischen Tradition. In diesem Artikel möchte ich die Unterschiede dieser beiden Richtungen erklären und darlegen, dass der Black Feminism – im Gegensatz zum poststrukturalistischen Ansatz – dazu beitragen kann, eine gemeinsame Bewegung gegen alle Formen von Unterdrückung aufzubauen. Gerade dies ist für ein sozialistisches Projekt zentral.

Ein Konzept, keine Theorie

Ich möchte damit beginnen, einige Dinge zu klären. Erstens ist Intersektionalität ein Konzept und keine Theorie. Sie beschreibt, wie verschiedene Formen von Unterdrückung – Rassismus, Sexismus, Unterdrückung von LGBTQ und alle anderen Formen – miteinander interagieren und zu einer einzigen Erfahrung werden. In einer intersektionalen Perspektive sind schwarze Frauen nicht einfach „doppelt unterdrückt“, erfahren also nicht einerseits Rassismus (wie auch schwarze Männer) sowie Sexismus (wovon auch weisse Frauen betroffen sind). Vielmehr beeinflusst Rassismus die Art und Weise, wie schwarze Frauen als solche Unterdrückung erfahren. Intersektionalität geht also von einer Gleichzeitigkeit verschiedener Ausbeutungsformen aus, die vom Black Feminism als Überschneidung von Ethnie, Klasse und Geschlecht (race, class, gender) beschrieben werden. Weil Intersektionalität lediglich ein Konzept ist, beschreibt es zu allererst die Erfahrung multipler Unterdrückungsformen, ohne dabei – wie dies eine Theorie machen würde – auch ihre Ursachen und Hintergründe zu erklären. So wird auch verständlich, dass Intersektionalität sowohl mit marxistischen also auch mit poststrukturalistischen Ansätzen kombiniert werden kann.
Marxistische Ansätze analysieren alle Formen von Unterdrückung als Teil der Klassengesellschaft, während poststrukturalistische Ansätze diese Idee in der Regel als vereinfachend zurückweisen. Dies hat dazu geführt, dass einige Marxist*innen das Konzept der Intersektionalität ablehnen, ohne dabei zwischen den verschiedenen Richtungen zu unterscheiden.

Die Tradition des Black Feminism

Es ist wichtig zu verstehen, dass das Konzept der Intersektionalität zuerst vom Black Feminism entwickelt wurde. Die Geschichte des in den USA entstandenen Black Feminism ist äusserst komplex. Sie basiert auf der Feststellung, dass die dortige Sklaverei insbesondere des 19. Jahrhunderts sowie die damit verbundenen Phänomene (Rassentrennung, moderner Rassismus) schwarze Frauen als Sklavinnen auf eine Art leiden lies, die von weissen Frauen nicht erfahren werden konnte.
1851 hielt die ehemalige Sklavin Sojourner Truth an einer Versammlung in Akron (Ohio) ihre berühmte Rede „Bin ich keine Frau?“ (Ain‘t I a Woman?). Darin brachte sie zum Ausdruck, dass die Unterdrückung, die sie als schwarze Sklavin erlebt hatte, nichts mit den Erfahrungen weisser Frauen der Mittelschicht gemeinsam hat. Truth beschrieb ihre eigene Unterdrückung, die physische Brutalität, die Degradierung, die stundenlange Zwangsarbeit. Das Gebären von Kindern, nur um zu sehen, wie diese ebenfalls versklavt wurden. Erst 1989, weit über hundert Jahre danach prägte die schwarze Feministin Kimberlé Williams Crenshaw den Begriff der Intersektionalität. Doch dass Unterdrückungsverhältnisse verschränkt sind und also nicht alle Frauen „im gleichen Boot“ sitzen, brachte schon Sojourner Truth im 19. Jahrhundert zum Ausdruck.

Da die Mehrheit der schwarzen Bevölkerung der Arbeiter*innenklasse zuzuordnen ist und bis heute überdurchschnittlich häufig an Armut leidet, gehört es auch zum theoretischen Erbe des Black Feminism, stark auf die Klassenunterschiede zwischen Frauen hinzuweisen.

Angela Davis hat mit ihrem Werk “Woman, Race and Class” eine der wichtigsten Beiträge des linken Black Feminism publiziert.

Linker Black Feminism

Black Feminism ist seit seiner Entstehung mit einer linken Gesellschaftsanalyse verbunden. Dies wurde unter anderem in der Beteiligung einiger Feministinnen in der Kommunistischen Partei (KP) der USA deutlich. Wichtige Mitglieder der KP, wie Claudia Jones und Angela Davis, entwickelten das Konzept der Unterdrückung schwarzer Frauen als Ergebnis einer Wechselwirkung von Klasse, Ethnie und Geschlecht.
1949 schrieb Claudia Jones einen bahnbrechenden Essay mit dem Namen „Ein Ende der Missachtung der Probleme der schwarzen Frau!“ (An End to the Neglect of the Problems of the Negro Woman!), in dem sie festhielt: „Schwarze Frauen – als Arbeiterinnen, als Schwarze und als Frauen – sind die am stärksten unterdrückte Schicht der ganzen Bevölkerung.“ In ihrem Aufsatz thematisierte Jones auch sexuelle Gewalt gegenüber schwarzen Frauen als Problem, welches sehr wohl mit der Rassenfrage verbunden ist:
„Nichts illustriert die Unterdrückung schwarzer Frauen besser als der Fall von Rosa Lee Ingram. Als Witwe und Mutter von 14 Kindern wurde sie im Bundesstaat Giorgia zu einer lebenslangen Gefängnishaft verurteilt, weil sie sich gegen unangebrachte Annäherungsversuche eines weissen Suprematisten verteidigt hatte. Ihr Fall ist bezeichnend für ein System, in dem weisse Rassisten ihr Gesicht mit den Tüchern ihrer Frauen bedecken und Schwarze lynchen. Natürlich immer in der tugendhaften Absicht, die weissen Frauen zu beschützen.“
Dass sexuelle Gewalt insbesondere in den USA nicht nur eine Geschlechterfrage, sondern auch eine Frage der ethnischen Zugehörigkeit ist, wurde auch von Angela Davis aufgegriffen. 1981 veröffentlichte sie ihr Buch „Frauen, Rasse und Klasse“ (Women, Race and Class), in dem sie Vergewaltigungen als „giftig rassische Komponente” bezeichnete, “die in den USA seit der Sklaverei als Schlüsselwaffe für den Erhalt der weissen Suprematie diente.“ Davis beschrieb Vergewaltigungen als „eine Herrschaftswaffe, deren verstecktes Ziel es war, den „Widerstandswillen versklavter Frauen zu zerstören und gleichsam ihre Männer zu demoralisieren“. Die institutionalisierte Vergewaltigung schwarzer Frauen überlebte die Abschaffung der Sklaverei und nahm ihre moderne Form an: „Gruppenvergewaltigungen, die vom Ku Klux Klan und von anderen Terrororganisationen in der Zeit nach dem Bürgerkrieg begangen wurden, entwickelten sich zu einer offensichtlich politischen Waffe im Kampf gegen die Bewegung für Gleichheit aller Ethnien.“ Die Karikatur des schwarzen, männlichen Sexualtäters, der ständig danach trachtet, weisse Frauen zu überfallen, fand ihre Entsprechung im Mythos der „chronisch promiskuitiven schwarzen Frau, deren Schreie bei Vergewaltigungen nicht ernst gemeint sein konnten.“
Die Art und Weise, wie sexuelle Gewalt in den USA aussieht, ist nur ein Beispiel dafür, wie Frauenunterdrückung je nach Klasse und Ethnie variiert. Der Mainstream der feministischen Bewegung der 60er und 70er Jahre forderte das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ein. Dies war (und ist) natürlich eine zentrale Frage, denn ohne dieses Recht ist eine Gleichstellung zwischen Männern und Frauen undenkbar. Zu dieser Zeit jedoch war die Fokussierung des Mainstream-Feminismus auf diese Frage so stark, dass die zahlreichen anderen Probleme im Zusammenhang mit den reproduktiven Rechten vor allem der nichtweissen Frauen vergessen gingen. So wurde von der (weissen) feministischen Bewegung kaum thematisiert, dass schwarze und farbige Frauen in den USA zu Hundertausenden Opfer rassistisch motivierter Sterilisierungen wurden.

Das Combahee River Kollektiv

Während der 1960er und 1970er Jahre war das Combahee River Kollektiv, eine Gruppe schwarzer lesbischer Feministinnen aus Boston, ein wichtiger Akteur des Black Feminism. 1977 legten sie in einer Erklärung dar, dass sie sich in einer marxistischen Perspektive bewegten:
„Wir sind Sozialistinnen, weil wir glauben, dass Arbeit für den kollektiven Nutzen derer organisiert werden muss, die die Arbeit verrichten und Produkte herstellen. (…) Materielle Ressourcen müssen gleichmässig unter denjenigen verteilt werden, die sie schaffen. Wir sind jedoch nicht überzeugt, dass eine sozialistische Revolution, die nicht gleichzeitig auch feministisch und antirassistisch ist, unsere Befreiung garantieren kann. (…) Obwohl wir grundsätzlich mit Marx‘ Theorie und den spezifisch ökonomischen Beziehungen, die er analysiert, einverstanden sind, wissen wir, dass seine Analyse weiterentwickelt werden muss, damit wir unsere spezielle ökonomische Situation als schwarze Frauen verstehen können.“
Diese Betrachtungsweise werden heute die meisten Linken für selbstverständlich halten. Das Combahee River Kollektiv stand nicht für Separatismus, wie einige Marxist*innen fälschlicherweise annahmen. Barbara Smith, eine der Gründerinnen, sprach sich in einem Interview für eine Strategie des „Brückenbauens“ anstatt des „ethnischen Separatismus“ aus. Sie argumentierte, dass „jede Art von Separatismus eine Sackgasse ist. (…) Auf keinen Fall wird eine unterdrückte Gruppe ein System alleine stürzen. Bündnisse in bestimmten Fragen zu schliessen, ist zentral.“
Die Tradition des Black Feminism war immer eng mit dem kollektiven Kampf gegen Unterdrückung verbunden – gegen Sklaverei, Segregation, Rassismus, Polizeigewalt, Armut, Sterilisation, Missbrauch, die (systematische) Vergewaltigung schwarzer Frauen und das systematische Lynchen schwarzer Männer.
Vielleicht ist die wichtigste Lektion, die wir vom Combahee River Kollektiv lernen können, jene, dass wir die nächste Massenbewegung für die Frauenbefreiung, die hoffentlich bald kommen wird, nicht auf den Bedürfnissen der am wenigsten Unterdrückten, sondern vielmehr auf den Bedürfnissen der am meisten Unterdrückten aufbauen müssen – das ist sozusagen der Kerngehalt von Solidarität.

Unterdrückung vs. Ausbeutung

Intersektionalität ist in erster Linie ein Konzept, um Unterdrückung zu verstehen und fokussiert weniger auf den Begriff der Ausbeutung (1). Viele Anhänger*innen des Black Feminism anerkennen die systemischen Wurzeln von Rassismus und Sexismus, gewichten aber die Zusammenhänge von Ausbeutung und Unterdrückung weniger als Marxist*innen. Marxistische Theorie und Praxis sind notwendig, weil sie einen Rahmen bieten, um die Beziehung zwischen Unterdrückung und Ausbeutung zu verstehen und sie die Akteur*innen identifiziert, die die materiellen und sozialen Bedingungen schaffen können, um sowohl Unterdrückung als auch Ausbeutung zu beenden: die Klasse der Lohnabhängigen (2). Die lohnabhängige Bevölkerung hat nicht nur die Kraft, das System stillzulegen, sondern auch, es durch eine sozialistische Gesellschaft zu ersetzen, die auf kollektivem Besitz der Produktionsmittel basiert. Obwohl auch andere gesellschaftliche Gruppen unterdrückt werden und sich gegen diese Zustände zur Wehr setzen, besitzt nur die Klasse der Lohnabhängigen insgesamt die kollektive Kraft, einen Systemwechsel herbeizuführen. So gesehen braucht das Konzept der Intersektionalität die marxistische Theorie, um die vereinte Bewegung, die fähig ist, alle Formen von Unterdrückung zu beenden, zu realisieren. Gleichzeitig kann der Marxismus nur profitieren, wenn er den linken Black Feminism in seine eigene Theorie und Praxis integriert.

Die postmoderne Ablehnung von „Totalität“

Nun möchte ich mich mit dem Postmodernismus befassen und dessen Interpretation von Intersektionalität dem älteren Konzept des Black Feminism gegenüberstellen. Grundsätzlich steht ausser Frage, dass der Postmodernismus den Kampf gegen Formen der Unterdrückung erweitert hat; unter anderem um die Unterdrückung von Transmenschen, Menschen mit Behinderung oder Altersdiskriminierung. Der britische Literaturtheoretiker Terry Eagleton beschrieb als zentralen Fortschritt des Postmodernismus „eine starke Gewichtung der Thematisierung von Sexualität, Gender und Ethnizität innerhalb der politischen Agenda, die nicht mehr wegzudenken ist“.
Gleichzeitig etablierte sich mit dem Postmodernismus aber auch eine grundsätzliche Ablehnung politischer Verallgemeinerungen: Begriffe wie „Wahrheit“, „Totalität“ und „Universalität“, mit denen Marxist*innen die Gesellschaft und die materielle Realität beschreiben, werden im Namen eines „Antiessentialismus“ zurückgewiesen. (Es gehört zu den inhärenten Widersprüchen des Postmodernismus, dass die pauschale Zurückweisung jeglicher Verallgemeinerungen selbst eine Verallgemeinerung darstellt.) Postmodernistische Ansätze fokussieren stattdessen auf die begrenzte, individuelle Form der menschlichen Wahrnehmung und verneinen gleichzeitig Strategien des kollektiven Kampfs gegen Institutionen der Unterdrückung und Ausbeutung.
Es ist kein Zufall, dass sich der Postmodernismus innerhalb der akademischen Kreise nach dem Niedergang der klassenkämpferischen und sozialen Bewegungen der 1960er und 1970er Jahren verbreitete. Dies geschah im Kontext des neoliberalen Aufstiegs und der Angriffe der herrschenden Klasse. Einige Vertreter*innen kamen aus den radikalen Bewegungen der 1960er, verloren jedoch den Glauben an die Möglichkeit einer Revolution. Mit dabei war eine weitere Gruppe von Radikalen, welche vom allgemeinen Pessimismus dieser Zeit getragen wurde. In diesem Kontext wurden marxistische Ansätze weitgehend als reduktionistisch oder essentialistisch verunglimpft.
Zu Beginn der 1980er Jahre schuf der Postmarxismus innerhalb des breiten Feldes des Postmodernismus einen neuen theoretischen Rahmen. 1985 publizierten die Postmarxist*innen Ernesto Laclau und Chantal Mouffe das Werk „Hegemonie und radikale Demokratie. Zur Dekonstruktion des Marxismus.” (Hegemony and Socialist Strategy: Towards a Radical Democratic Politics). Laclau und Mouffe erklären ihre Theorie als eine Negation der sozialistischen „Totalität“ (3): Demnach gibt es keine notwendige Verbindung zwischen Antisexismus und Antikapitalismus, eine Verbindung kann sich lediglich aus einer hegemonialen Deutung herausentwickeln. Dies bedeutet in der Konsequenz auch, dass der Kampf gegen verschiedene Unterdrückungsformen getrennt geführt werden muss. Als in sich abgeschlossene Kämpfe finden Auseinandersetzungen – weil nicht von einer gesellschaftlichen Totalität ausgegangen wird – lediglich im Bereich der Politik und Kultur statt und unterlassen eine Hinwendung zur sozioökonomischen Basis der Gesellschaft. Laclau und Mouffe gehen auch davon aus, dass in ebendiesen isolierten Auseinandersetzungen Individuen eine entscheidende Rolle spielen. Explizit halten sie fest: „Viele dieser Formen des Widerstands zeigen sich nicht im kollektiven Kampf, sondern im verstärkten Individualismus.“
Poststrukturalistische Theorien übernahmen Begriffe wie „Identitätspolitik“ oder „Differenz“, welche aus dem „Black Feminism“ der 1970er stammten. Als das Combahee River Collective auf die Notwendigkeit von Identitätspolitik Bezug nahm, beschrieben sie die Gruppenidentität von schwarzen Frauen. Als sie die Wichtigkeit hervorhoben, Unterschiede zwischen Frauen anzuerkennen, bezogen sie sich auf den dominierenden Feminismus der weissen Mittelklasse, welcher schwarze Frauen als Kollektiv ignorierte. Jedoch gibt es eine Unterscheidung zwischen sozialer Identität – sich als Teil einer sozialen Gruppe identifizieren – und der individuellen Identität. Das poststrukturalistische Konzept von „Identität“ basiert auf dem von Individuen, während sich „Differenz“ gleichermassen auf irgendein Charakteristikum beziehen kann, welches ein Individuum von anderen unterscheidet.
Demgegenüber betonte Kimberlé Williams Crenshaw in den 1990er Jahren: „Wir sollten zuerst anerkennen, dass die Identitätsgruppen, zu denen wir uns zugehörig fühlen, tatsächlich Bündnisse darstellen oder mindestens potentielle Bündnisse, die darauf warten, gebildet zu werden.“

Individuelle vs. Soziale Identität

Obwohl Black Feminism und einige postmoderne Strömungen bestimmte Begriffe und Annahmen teilen, sind die Differenzen zwischen beiden Konzepten weitaus grösser. Dies umso mehr wenn es darum geht, Unterdrückung zu bekämpfen.
Die jüngste Entwicklung poststrukturalistischer Ansätze hin zu Identitätspolitik und Intersektionalität hat die heutige Generation von Aktivist*innen stark geprägt. Stark verankert ist etwa die Idee, dass es vor allem darum gehe, sein individuelles Verhalten zu ändern, um Unterdrückung zu bekämpfen. Es wird viel Wert daraufgelegt, zwischenmenschliche Handlungen, die als unterdrückerisch empfunden werden, offen zu artikulieren und dies als wichtige politische Handlung zu verstehen.
Der marxistische Soziologe Kevin Anderson stellte kürzlich fest: Im späten 20. Jahrhundert hat sich in vielen radikalen Denkrichtungen ein theoretischer Diskurs über Intersektionalität durchgesetzt. In diesem Diskurs, der sich um soziale Fragen, Migration, Geschlecht, Klasse, Sexualität und andere Bereiche der Unterdrückung dreht, gilt es immer als wichtig, alle Vereinfachungen hin zu einem Klassendenken, welches andere Kategorien unterordnet, zu vermeiden. Vor allem wird betont, dass einzelne Bewegungen zwar gemeinsame Schnittpunkte haben, sich aber nicht einfach zu einer einzigen Bewegung vereinen können, um gegen Machtstrukturen und den Kapitalismus – der aus marxistischer Sicht all diesen Bereichen zugrunde liegt – zu kämpfen. Wer dieses Prinzip in Frage stellt, wird schnell des „Reduktionismus“ bezichtigt.
Ich teile Andersons Ansicht in diesem Punkt, denke aber, dass er damit nicht Intersektionalität an sich, sondern lediglich den postmodernen Zugang zu diesem Konzept kritisiert. Es wäre falsch, wenn Marxist*innen die Tradition des Back Feminism aus den Augen verlieren würden. Denn zu letzterem gehört nicht nur die Intersektionalität, sondern auch das Potential, gegen die Unterdrückung farbiger Frauen und von Frauen aus der Arbeiter*innenklasse anzukämpfen und somit marxistische Theorie und Praxis voranzubringen.
Marxist*innen haben die Beiträge von Aktivist*innen links-nationaler Unabhängigkeitsbewegungen – unter ihnen Malcolm X und Franz Fanon – ebenso zu schätzen gewusst wie die sozialistische Orientierung der Black Panther Party. Sie haben darüber hinaus versucht, einige Aspekte dieser Beiträge in ihre eigene politische Tradition zu integrieren. Die oben genannten Beispiele verdeutlichen, warum wir ebendies auch in Bezug auf den Black Feminism versuchen sollten. Die Rolle der Rassentrennung in den USA hat tatsächlich verhindert, dass eine vereinigte Frauenbewegung entstehen konnte, welche die Folgen der Rassentrennung hätte verstehen können. Keine Bewegung kann für ALLE Frauen sprechen, solange es nicht gelingt, farbigen Frauen innerhalb der Bewegung der Armen und der Lohnabhängigen eine zentrale Stellung einzuräumen. Rasse und Klasse müssen zentral sein, wenn es um die Befreiung der Frauen geht – nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis!
* Der hier abgedruckte Artikel basiert auf einer freien Übersetzung, wurde gekürzt und stellenweise umformuliert. Die originale Version findet sich auf Englisch socialistworker.org.  Übersetzung BFS Basel.
1. Während Unterdrückung einen Zustand beschreibt, bei dem Individuen oder Gruppen in ihrer Entwicklung gehindert oder ihrer Rechte beraubt werden, beschreibt Ausbeutung, wie sich in einem gesellschaftlichen Kontext eine Gruppe auf Kosten einer anderen Gruppe bereichert. (Anm. Red.)
2. Mit Arbeiter*innenklasse sind keinesfalls nur „klassische Industriearbeiter“, sondern die Gesamtheit aller Lohnabhängigen, welche ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, gemeint. (Anm. Red.)
3. Mit Totalität ist gemeint, dass alle Bereiche des Lebens – Ökonomie, Politik, Kultur usw. – zusammenhängen. (Anm. Red.)

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