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L'état, c'est nous: Wer wird den ägyptischen Staat kontrollieren?

Nach 887 Protesttagen, Tränengas, Panzern, Kamelen, Pferden, Zeltstädten, Märschen, Schrot, scharfer Munition, Ultras, guter Musik, Vergewaltigungen, Entäuschung, Speeren, Messern, Facebook-Kampagnen, undercover Verbrechern, militärischem Arrest, Männern mit Krummsäbeln, Schauprozessen, Wahlen, Referenden, Annulierungen, Brandstiftung, Polizeibrutalität, Verhandlungen, Inntrigen, Komitees, Streiks, Strassenschalachten, Bailouts, revolutionären Gafitis, Fernsehdramen, Lenin-Lesekreisen und Salafistischen sit-ins, haben Ägyptische junge Revolutionäre das nahezu Unmögliche geschafft: Das nizzam – das System – muss den zutiefst fehlerhaften Prozess der Revolution neu starten.


revolution
Zwischen 17 und 30 Millionen Menschen waren in Ägypten auf der Strasse.

Aus der englischen Aljazeera, Artikel von Mark LeVine. (unvollständige Übersetzung)

Sollten die Proteste fortgeführt werden, um das Militär zu zwingen, einem zivil-kontrollierten Übergang zuzustimmen? Oder sollten sich die Protestierenden einem militärisch geleiteten Übergang fügen und Vertrauen setzen in ein Wohlwollen der Militärspitze gegenüber der jetzt klar bewährten Macht der Bevölkerung?
Dies waren die Entscheidungen, die die jungen, meist unbeabsichtigten (unbeabsichtigt weil kaum jemand sich am 25. Januar 2011 vorstellen konnte, das ihre Proteste die Geschichte verändern würden) Revolutionär_innen zu treffen hatten. Kein_e Ägyptische_R Aktivist_in, die ich getroffen habe, hatte irgendeine Illusion über die autoritäre Natur, die strategischen Ziele oder Intentionen des Militärapparats, der seit 1952 das Land regiert. Hunderttausende mögen skandiert haben: „Das Volk und das Militär sind eine Hand“, aber die Tahrir-Organisator_innen, wie so viele Ägypter_innen, wussten es besser. Sie waren sich im klaren, dass das Militär sie genau so benutzten würde wie sie das Militär benutzten, eine Vernunftehe, welche es erlaubte, Geschichte zu schreiben, di sich aber jeden Moment auflösen konnte.
[…]
Die Muslim-Bruderschaft war gut aufgestellt, um ein führender Akteur in der post-Mubarak-Periode zu werden. Nicht wegen ihrer gut bekannten Geschichte, Popularität und Organistationsstärke, sondern weil ihre Führer, wenn auch zögernd, in der vorhergegangen Epoche so in das Ökonomische System integriert wurden, um ihnen genug Beteiligung am System zu geben, so dass bei einem politischen Machtzuwachs damit gerechnet werden konnte, dass sich ihre Bewegung an die Regeln halten werde.
[…]
Die jetzige Situation, in der das Militär den Präsidenten der Muslim-Bruderschaft absetzte, war nicht unvermeidbar. Wenn Moursi nicht so einen katastrophalen Job als Präsidenten gemacht hätte, hätte sich das Militär und die Eliten gut mit einem verfassungsmässigen System arrangiert, dass ihre Budgets unangetastet lässt. Das religiöse begründete politische System mit einer konservativen Vision der Gesellschaft diente der gesamten Elite, genauso wie der Konservativismus in den USA den ökonomischen Eliten behilflich ist.
Aber das wäre nur möglich gewesen, wenn Moursis Regierung erfolgreich darin gewesen wäre, genügend anderen politischen Kräften eine Stimme im neuen System zu geben, so dass sie einen Anteil am Erfolg des Systems gehabt hätten. Aber Moursi und die Bruderschaft scheiterten mit ihrer engen Sichtweise auf soziale Themen spektakulär an der Aufgabe. Die Inkompetenz im Staatsmanagement und die Verfassung brachten einen grossen Teil der ägyptischen Bevölkerung gegen sie auf.
[…]
Das Ägyptische Militär steht der Revolution im Weg, und früher oder später müssen die Revolutionäre es mit ihm aufnehmen. Die Frage ist: Wem gehört der ägyptische Staat: Dem Militär und den Eliten, oder den Menschen. Wenn die Revolutionär_innen, die zwei aussergewöhnliche Siege in weniger als 3 Jahren erzielten, einen Weg finden, die Millionen von Ägypter_innen, die auf die Strasse kamen, um Moursi abzulösen, auf der Seite der Revolution im Ring zu halten, könnten sie den Kampf gewinnen. Aber dafür müssen sie eine fortschrittliche Ideologie entwickeln und artikulieren, eine Ideologie, die seit Jahrzehnten von ökonomischen, politischen und religiösen Eliten auf dem ganzen Globus bekämpft und delegitimiert wird. Es ist ein Kampf, der uns alle an geht.

Artikel in voller Länge lesen:

http://www.aljazeera.com/indepth/opinion/2013/07/201374131418638208.html

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1 Kommentar

  1. Cedric

    Zu erwähnen wäre noch die Schliessung mehrerer Aljazeera Büros, und der Shutdown der live Berichterstattung von Aljazeeara, als klares Zeichen wohin die Reise mit der Militärregierung geht.

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