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OSZE: Solidarität von unten statt Gipfeltreffen

Am 4. und 5. Dezember dieses Jahres findet auf dem Messeareal in Basel das Ministerratstreffen der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) statt. Worum es bei dieser Konferenz wirklich geht und warum Widerstand gegen die Konferenz nötig und legitim ist, soll im Folgenden dargelegt werden. (Red.)

von BFS Basel

Basels Elite freut sich über den bisher “grössten politischen Anlass, den Basel je gesehen hat” (Guy Morin) [1]. Die Stadt will beweisen, dass sie ein idealer Austragungsort für die herrschende Klasse ist, wenn es darum geht, kapitalistische Politik zu besprechen und zu gestalten. Mit einem militärischen und polizeilichen Grossaufgebot sowie einer “Roten Zone” soll dafür jeder Widerstand gegen das Gipfeltreffen verhindert werden. Die OSZE versucht den Anschein zu erwecken, sie setze sich für Frieden und Stabilität ein. Dass ihre Mitgliedsstaaten für Sozialabbau und Sparpolitik, Aufrüstung und Krieg – kurz für die kapitalistische Politik der letzten Jahre hauptverantwortlich sind, geht dabei vergessen. Für die systemkritische und antikapitalistische Linke sollte hingegen klar sein: Nachhaltige Lösungen für die gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit (Armut, Diskriminierung, Gewalt, Umweltzerstörung) werden nicht an Gipfeltreffen erarbeitet, sondern müssen von unten und jenseits kapitalistischer Perspektiven kommen.

Worum geht es?

Im Gegensatz zu anderen supranationalen Organisationen (NATO, WEF usw.) hat die OSZE dank Imagepflege und blumiger Friedensrhetorik einen guten Ruf und ruft wenig Protest hervor. Mit Begriffen wie „Rüstungskontrolle“, „Demokratisierung“ und „Menschenrechte“ erweckt sie den Eindruck, sie sei dem Dialog und der internationalen Kooperation verpflichtet. Indessen stellt sich die Frage: Wer „kontrolliert“ und „demokratisiert“ wen, mit welcher Legitimation, mit welchen Absichten und mit welchen Mitteln? Schlussendlich ist die OSZE vor allem Eines: Eine Plattform und ein Instrument einflussreicher Politiker und Vertreter der herrschenden Klasse, um ihre aktuelle „Sicherheits-“ und Wirtschaftspolitik zu gestalten.

Sicherheit und Stabilität am Beispiel Syrien

Am Beispiel Syrien lässt sich unmissverständlich zeigen, wie der Begriff von Stabilität und Friede von den in Basel anwesenden Regierungen interpretiert und umgesetzt wird. Im März 2011 begannen grosse Teile der syrischen Bevölkerung, zunächst friedlich gegen die seit 40 Jahren an der Macht stehende Assad-Diktatur aufzubegehren. Während den folgenden drei Jahren haben die westlichen Mächte mehr oder minder zugeschaut, wie ein beispiellos brutales Regime Zentausende Menschen umgebracht und unzählige gefoltert und inhaftiert hatte. Unter dem Vorwand, die syrische Opposition bestünde nur aus „Islamisten“, hat man die mörderische Politik eines selbsternannt „laizistischen“ Regimes als kleineres Übel hingenommen. Dabei hat ein Grossteil der sogenannt revolutionären Linke eine beschämende Rolle gespielt. Dass diese Haltung zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung geworden ist, hat sich mit dem Vormarsch des IS (Islamischer Staat) bestätigt.
Erst als im diesem Jahr über Syrien hinaus die ganze Region in einen brutalen Bürgerkrieg zu fallen drohte, haben sich die westlichen Mächte entschieden, militärisch einzugreifen. Dass dabei Forderungen nach Demokratie und sozialer Gerechtigkeit keine Rolle spielen, wurde spätestens dann unmissverständlich klar, als John Allen (US-Beauftragter für die Militärkampagne gegen den IS) behauptete, dass das militärische Eingreifen in Syrien nicht den Umsturz des Assad-Regimes zu Ziel habe, sondern eine Verbesserung des Kräfteverhältnisses zwischen Regierung und Oppositionellen zu Gunsten letzterer bezwecke, damit ein „geregelter Übergang“ verhandelt werden könne. Im Vokabular der Grossmächte muss dies im Sinne einer einfachen Auswechslung des Staatsoberhaupts verstanden werden, bei der die sektiererische und mörderische Logik des syrischen Staatapparats nicht in Frage gestellt wird.
Die kämpfenden Frauen und Männer in Syrien haben gezeigt, dass die Lösung des Konflikts nicht bei einer Konferenz von Spitzendiplomaten am Genfersee oder sonst wo liegt. Lokale Experimente der Selbstorganisation in Städten wie Aleppo oder in den nordsyrischen Gebieten (Rojava u.a.) haben gezeigt, dass nur durch aktive Beteiligung der Bevölkerung eine Alternative möglich ist.

Grenzregime im Dienste der Wirtschaft

Das Jahr des Schweizerischen OSZE-Vorsitzes steht unter dem Motto „Eine Sicherheitsgemeinschaft im Interesse der Menschen schaffen“. Wer zu dieser „Gemeinschaft“ gehört und wer nicht, zeigt sich etwa an der Beteiligung der OSZE an der Grenzschutzagentur Frontex. Mit Überwachungssystemen und einem riesigen Militäraufgebot aller Waffengattungen ist Frontex seit Jahren darum bemüht, Europa vor „unerwünschter“ Migration abzuschotten. Dass sie dadurch jährlich den Tod Tausender Flüchtlinge in Kauf nimmt und gar fördert, wird weitgehend akzeptiert.

Sparpolitik und Sozialabbau

Die Bevölkerungen zahlreicher OSZE-Mitgliedstaaten – allen voran die Länder Südeuropas – sind seit 2009 einem beispiellosen Angriff auf ihre Arbeits- und Lebensbedingungen ausgesetzt. Mit Hilfe erpresserischer und undemokratischer Methoden hat die Europäische Union, in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfond sowie der Europäischen Zentralbank, Ländern wie Griechenland ihre neoliberale Agenda aufgezwungen. Die Folgen sind eine enorme Zunahme der Arbeitslosigkeit und der Armut, massive Lohnsenkungen, Kaufkraftverlust und Neuverschuldung der betroffenen Regionen. Die unsoziale Wirtschafts- und Sozialpolitik, die in ganz Europa vorangetrieben wird und vor allem zum Ziel hat, die sozialen und politischen Errungenschaften der Lohnabhängigen anzugreifen, hat nicht nur zu Protesten, Streikbewegungen und Besetzungen geführt, sondern leider auch rechten und rechtsextremen Organisationen Aufwind verliehen. Die Regierungen der Mitgliedsstaaten der OSZE ignorieren ausnahmslos, dass „Sicherheit und Stabilität“ ohne soziale Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung nicht zu erreichen sind. Wenn wir uns gegen die Ministerratskonferenz der OSZE zur Wehr setzen, so protestieren wir nicht in erster Linie gegen die offiziellen Verlautbarungen ebendieser, sondern gegen die Politik der jeweiligen Regierungen.

Stadtaufwertung

Die Basler Elite sieht die OSZE-Konferenz als Gelegenheit, sich international als Kongress- und Eventstandort zu positionieren. In Zukunft sollen im neuen Messeplatzareal regelmässig internationale Kongresse im Bereich Wirtschaft, Politik und Forschung stattfinden. Damit verbunden sind Massnahmen zur sogenannten „Stadtaufwertung“ zu Gunsten regional ansässiger Grosskonzerne wie Novartis, Roche oder Syngenta. Das Nachsehen haben dabei die Lohnabhängigen, die mit steigenden Mietpreisen und einer Verknappung des Wohnangebotes zu kämpfen haben. Standortpromotion kostet: Für die OSZE-Konferenz werden vom Kanton rund 3 Millionen Schweizer Franken bereit gestellt, wovon zwei Drittel in Sicherheitsmassnahmen investiert werden. Während Obdachlose und prekär lebende Menschen zunehmend verdrängt werden, scheint der geplante gross angelegte Armeeeinsatz mit rund 5000 Soldaten im Stadtzentrum für die Regierung kein Problem darzustellen.

Die Lösung kommt von unten!

Die OSZE-Ministerratskonferenz ist bei weitem nicht das einzige Gipfeltreffen, an dem selbsternannte Expert*innen und Politiker*innen verkünden, die Probleme der Menschheit lösen zu wollen. Im September 2000 verkündete das Millennium-Gipfeltreffen der Vereinten Nationen, es wolle die „extreme“ Armut und den „extremen“ Hunger bis zum Jahr 2015 halbieren. Schon heute wissen wir, dass selbst dieses bescheidene – um nicht zu sagen zynische Vorhaben – gescheitert ist. Die UN-Klimakonferenz verkündet Jahr für Jahr – zuletzt im Dezember 2013 in Warschau – Massnahmen gegen die globale Erderwärmung treffen zu wollen. Dass dazu eine weitgehende Neusausrichtung und Umgestaltung der aktuellen Produktionsverhältnisse nötig wäre, haben sie bis heute nicht verstanden. Das systematische Versagen solcher und anderer Gipfeltreffen ist kein Zufall und auch nicht auf den „mangelnden Willen“ der Beteiligten zurückzuführen. Gipfeltreffen bewegen sich im Rahmen der aktuell vorherrschenden politischen, sozialen und ökonomischen Verhältnisse – anders gesagt: in kapitalistischer Perspektive. Wir sind der Ansicht, dass Gewalt, Diskriminierung, Armut und Umweltzerstörung logische und zwangsläufige Erscheinungen des Kapitalismus sind. Sich gegen sie zu wehren bedeutet für uns, Alternative gesellschaftliche Ansätze jenseits des Kapitalismus zu erarbeiten und zu erkämpfen.
Solidarität von unten statt Gipfeltreffen von oben!
[1] Siehe Interview in der Tageswoche vom 3. Februar 2014: http://www.tageswoche.ch/de/2014_05/basel/635615/

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