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Agrochemie: Gentechnik ist nicht gleich Monsanto und Syngenta

Das Thema Gentechnik beinhaltet mehr als nur die Verbrechen der Agrochemie-Konzerne Monsanto und Syngenta an Mensch und Umwelt. Dieser Beitrag möchte eine Diskussion über die Positionierung bezüglich neuen Technologien, wie zum Beispiel Gentechnik, aus einer progressiven und antikapitalistischen Perspektive anregen.

von BFS Jugend Zürich

Am Samstag, 23. Mai 2015 fand weltweit der March against Monsanto statt. In der Schweiz nahmen über 3‘000 Teilnehmer*innen an den Protesten teil. Monsanto ist Marktführer im Bereich der Gentechnik in der Landwirtschaft. Der Agrochemie-Konzern vertreibt das Totalherbizid Glyphosat (ein Mittel, um alle ungewollten Pflanzen zu eliminieren) und dazu gentechnisch verändertes Saatgut, welches gegen Glyphosat tolerant ist.
Die Proteste richteten sich in der Schweiz neben Monsanto auch gegen Syngenta, welche ihren Hauptsitz in Basel hat. An der Demonstration in Basel, welche vom Barfüsserplatz zum Hauptsitz von Syngenta beim Badischen Bahnhof zog, nahmen ca. 1‘000 Demonstrant*innen teil.[1] Hauptorganisatior*in in Basel war MultiWatch, deren „Ziel [die] Beobachtung und Veröffentlichung von Menschenrechtsverletzungen bei Schweizer multinationalen Konzernen“[2] ist. Die BFS Basel unterzeichnete den Aufruf mit. In Bern nahmen ebenfalls 1‘000 Demonstrant*innen teil, in Morges, wo sich der Monsanto-Hauptsitz für die Region Europa, Afrika und den Mittleren Osten befindet, waren es 1‘600 Personen.[3]

Domestizierung und Züchtung

Mit der Domestizierung (innerartlicher Veränderungsprozess von einer Wild- zur Nutzart durch deren Isolierung) und Züchtung (gesteuerte Fortpflanzung, um gewünschte genetische Eigenschaften zu fördern) hat der Mensch begonnen, die Gene (Erbanlage) der von ihm genutzten Pflanzen, Tiere und anderen Organismen nach seinen Bedürfnissen zu selektionieren und dadurch gewünschte Eigenschaften zu bevorzugen und ungewollte zu beseitigen. Die Domestizierung des Hundes vom Wolf setzte wahrscheinlich vor ungefähr 100‘000 Jahren ein[4] und somit noch weit vor der neolithischen Revolution (dem Aufkommen einer Wirtschaftsform, welche auf Vorrat produziert, Ackerbau und Viehhaltung betreibt, und die es somit ermöglicht hat, sesshaft zu werden) vor rund 11‘000 bis 12‘000 Jahren.[5]
Durch die Züchtung wurden aus wilden Pflanzen und Tieren Produktionsmittel. Beim Weizen beispielsweise wurde der Ertrag im Vergleich zur Wildform um mehr als den Faktor zehn gesteigert. Doch ein wissenschaftlich fundiertes Verständnis der Vererbung und deren gezielte Beeinflussung entstand erst neulich. Die DNS (Desoxyribonukleinsäure, eng.: DNA) wurde im Jahr 1871 entdeckt. Erst 1944 wurde aber herausgefunden, dass die DNS die chemische Substanz ist, aus welcher Gene bestehen. Der erste gentechnisch veränderte Organismus war das Bakterium Escherichia coli, welchem 1973 zwei Antibiotika-Resistenz-Gene eingesetzt wurden.[6]

Neue Technologien, Kapitalismus und bürgerlicher Staat

Im Jahre 2005 wurde in der Schweiz die Initiative „für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft“ mit einer Mehrheit von 57.5% angenommen.[7] In einer deutschlandweiten Studie gaben nur 15% der Befragten an zu glauben, dass sie gut informiert seien über grüne Gentechnik.[8] Grüne Gentechnologie steht für die Agrogentechnik und steht im Gegensatz zur roten (medizinischen) und weissen (industriellen) Biotechnologie. In der Schweiz sieht das wohl ziemlich ähnlich aus. In der VOX-Analyse nach der Abstimmung gaben 68% an, dass sie für ein generelles Verbot von grüner Gentechnik abgestimmt hätten. 13% stimmten Nein, weil sie dachten, dass sie über eine Legalisierung der Gentechnik entscheiden würden. Konkret ging es um ein fünfjähriges Moratorium, d.h. um einen gesetzlich angeordneten Aufschub des Einsatzes von gentechnisch veränderten Pflanzen in der Landwirtschaft. Nur ein Drittel kannte die Details der Initiative. Viele, die der Initiative zugestimmt haben, glaubten traditionelle Züchtungen wären gesünder und würden besser schmecken.[9] Die verwendete Züchtungsmethode hat aber herzlich wenig Einfluss auf diese Faktoren. Im Falle des Geschmackes ist es gar absurd, da diese Eigenschaften meistens nicht verändert werden, oder sogar konträr, wie das später aufgeführte Beispiel des Gala-Apfels aufzeigen wird.
Viele Menschen haben eine ablehnende Haltung gegenüber neuen Technologien, weil sie diese nicht verstehen. Ein Verständnis der Wissenschaften ist aber wichtig für eine funktionierende Demokratie, in welcher die Menschen die Gesellschaft mitgestalten können. In einem bürgerlichen Staat, in welchem die Wissenschaften zu einem grossen Teil durch das Kapital kontrolliert werden und der Staat mit den Interessen des Kapitals verwoben ist, kann keine Diskussion auf gleicher Ebene stattfinden. Dafür braucht es politisches Bewusstsein und Bildung. In einem bürgerlichen Staat, in welchem einzig ‘Volksvertreter’ gewählt und wenn überhaupt Ja- und Nein-Entscheidungen gefällt werden können, ist keine wirkliche Mitbestimmung gegeben. Denn solange nur auf der Ebene des Staates eine minimalistische Form der Demokratie herrscht, sich die Wirtschaft jedoch unter der Kontrolle weniger befindet, hat die Mehrheit der Bevölkerung keinen Einfluss auf die Produktion. Die Produktion muss zuerst unter die Kontrolle der Menschen gestellt werden, um eine echte Diskussion über neue Technologien und Wissenschaften zu ermöglichen. Denn die Gesellschaftsform (oder: Produktionsweise) bestimmt darüber, wie Technologien verwendet werden. Im Fall des Kapitalismus, in welchem die Bourgeoisie die herrschende Klasse darstellt, heisst das, dass nur nach den Profitinteressen entschieden wird und nicht im Interesse der Menschen.
Neue Technologien grundsätzlich zu verdammen, ohne diese zu verstehen, scheint trotzdem unsinnig. Eine Technologie kann an und für sich weder gut oder schlecht sein. Die Frage, die sich stellt, ist viel mehr, wie diese Technologien verwendet werden und somit die Frage nach der Kontrolle über die Produktion. Das gentechnisch veränderte Saatgut Roundup Ready von Monsanto ist dadurch, dass es einen höheren Einsatz von Glyphosat ermöglicht, ein negatives Beispiel bezüglich Nachhaltigkeit und Gesundheit der Menschen, welche damit arbeiten. Es gibt auch Beispiele, mit welchen Produzent*innen die Profitrate erhöhen können, indem der Arbeitskrafteinsatz reduziert werden kann und gleichzeitig der Einsatz von Pestiziden (chemische Substanzen zur Bekämpfung von Schädlingen) reduziert werden kann. Ein solches Beispiel ist der später erwähnte Gala-Apfel mit Apfelschorf-Resistenz.[10]

Gefahren der Gentechnik

Um eine vernünftige Position zu GVOs (genetisch veränderte Organismen, eng.: GMO) einzunehmen, ist ein Verständnis davon nötig. Darum: Was sind genetisch veränderte Organismen und was für Gefahren für Mensch und Umwelt gehen von ihnen aus? Bei GVOs wird zwischen Cis- und Transgenetik unterschieden. Bei der Transgenetik werden artfremde Gene transferiert, d.h. Gene, welche nicht durch generative Vermehrung (sexuelle Vermehrung durch Bestäubung) und somit der klassischen Züchtung in den Organismus gelangen können. Bei der Cisgenetik werden nur arteigene resp. sehr nah verwandte Gene verwendet, d.h. Gene aus Sorten, welche sich generativ vermehren können.
Für die Produktion von einer cisgenetischen oder transgenetischen Pflanze wird ansonsten die gleiche Technik verwendet. Das Ziel besteht darin, ein spezifisches Gen in diese Pflanze zu transferieren. Um eine Eigenschaft von Interesse (z.B. eine Resistenz) zu finden, werden Organismen, welche diese Eigenschaften aufweisen, zu deren Identifizierung sequenziert (Bestimmung der Nukleotid-Abfolge). Nukleotid-Abfolgen können wie Buchstaben verstanden werden, welche durch ihre Aneinanderreihung Informationen zur Verfügung stellen. Das gesuchte Gen wird danach isoliert und mit einem Promotor (Nukleotid-Sequenz, die regelt, wie die genetischen Information zum Ausdruck kommt und in Erscheinung tritt) verknüpft. Weiter wird ein Reporter-Gen, wie z.B. eine Antibiotika-Resistenz, gebraucht, welches nach dem Gentransfer darüber informiert, ob dieser Transfer erfolgreich war. Für den Transfer gibt es eine direkte oder eine indirekte Methode. Bei der indirekten wird das Genkonstrukt über den Einbau in einem Bakterium in die Zelle infiziert.[11]
Als Promotor wie auch als Reporter-Gen wird praktisch immer ein Bakterium verwendet, wodurch es keine ‘echten’ cisgenen Pflanzen gibt. Im später erwähnten Beispiel mit den Gala-Äpfeln wurden die Promotoren und Reporter-Gene mit einem fragwürdigen Mehraufwand nachträglich entfernt, damit die Pflanzen als ‘echte’ cisgene Pflanzen angepriesen werden konnten. Damit erhofft man sich, die Akzeptanz für Gentechnik zu steigern. Das Resultat an sich ist aber das gleiche.[12][13] Eine Methode für den Gentransfer durch die direkte Übertragung besteht darin, mit DNS beschichtete Gold- oder Wolframkügelchen in die Zelle hineinzuschiessen.[14]
Eine Kritik an der Gentechnologie ist, dass die Einbaustelle des fremden Gens nicht gesteuert werden kann und das Gen dadurch anders wirken könnte (Positionseffekt).[15] Diese Kritik hatte anfangs noch Gültigkeit, doch unterdessen ist es möglich, Gene mit Zinkfingerproteinen (nucleinsäurebindende Proteine) an einer bestimmten Stelle einzubauen.[16]
Eine vermeintliche ‘Verletzung der Artgrenzen’ ist oft mit dem Vorwurf des ‘Gottspielens’ verbunden. Doch wie bereits erwähnt, ist es nicht neu, dass der Mensch die Gene anderer Arten selektioniert. Alle Lebewesen sind aus denselben Nukleotiden aufgebaut; sie sprechen sozusagen die gleiche Sprache. Der Aufbau gewisser Gene mit einer vergleichbaren Funktion ist oft auch bei relativ weit entfernten Arten ziemlich ähnlich, so dass es keine grosse Rolle spielt, woher das Gen kommt, also ob die Pflanze cis- oder transgenetisch produziert wurde. Die Gentechnik ermöglicht es auch nicht völlig neue Kreaturen zu erschaffen. Es finden (wie auch in der Evolution) nur Veränderungen statt, welche auf dem Bestehenden aufbauen. Aus nichts entsteht nichts.
Neu ist hingegen die Möglichkeit der transgenen Züchtung, d.h. die Möglichkeit Gene von Interesse über die Artgrenzen hinaus in Kulturformen zu transferieren. Diese Möglichkeit birgt in den meisten Fällen keine grösseren Risiken wie andere Züchtungsformen. Doch steht damit ein viel grösseres Spektrum an Genen zur Verfügung, welche genutzt werden können und somit auch Eigenschaften, welche wahrscheinlich nie auf ‘natürlichem’ Weg in den Organismus gelangen würden. Dadurch wird die Technik unberechenbar. Die Gefahr besteht darin, dass das Kapital diese Möglichkeit unvernünftig nutzt und damit Risiken in Kauf nimmt, welche nicht kontrollierbar sind. Doch ergeben sich dadurch auch viele interessante Möglichkeiten, wie z.B. die Transferierung von Salzverträglichkeiten, wodurch ehemalige Landwirtschaftsflächen, welche durch eine übermässige Bewässerung versalzen wurden, wieder nutzbar gemacht werden könnten.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Gefahr der Auskreuzung (Vererbung von Eigenschaften von GV-Pflanzen auf andere Kultur- oder Wildformen) und der Konkurrenzstärke und dadurch der Durchsetzungskraft gegenüber anderen Organismen. Dabei sollte daran erinnert werden, dass viele heute als Kulturpflanzen verwendete Sorten durch Mutationszüchtung zustande gekommen sind. Bei der Mutationszüchtung werden künstlich herbeigeführte Mutationen (Veränderung von Genen) produziert, und somit die Variabilität (Anzahl der Ausprägung von Eigenschaften in einer Population) erhöht. Um diese Mutationen herbeizuführen, wurden oft Röntgenstrahlen oder chemische Substanzen verwendet.[17] Gentechnische Verfahren laufen relativ kontrolliert ab, dadurch dass bewusst nach nützlichen Genen gesucht wird und diese isoliert und transferiert werden. Die Mutationszüchtung funktioniert nach einem umgekehrten Prinzip: es werden möglichst viele Mutationen erzeugt und darauf gehofft, eine dieser würde die gewünschte Eigenschaft erzeugen. Auch fand bei diesem Verfahren keine Diskussion statt, welche dieselbe Breitenwirkung hatte wie jene über die Gentechnik. Die Gefahr von einer Auskreuzung mag bestehen, jedoch kann diese auch bei anderen Verfahren (beispielsweise Mutationszüchtung) nicht ausgeschlossen werden. Die Konkurrenzstärke von GV-Pflanzen wird bewusst gestärkt. Es besteht immer die Gefahr, dass diese verwildern. Arten, welche sich invasiv verhalten, sind in dem Lebensraum, in den sie eindringen, nicht ‘heimisch’. Sie verfügen über eine höhere Konkurrenzstärke als die heimischen Arten und sind diesen überlegen. Dadurch besitzen sie durchaus das Potenzial, andere Arten auszurotten. Die heimischen Arten benötigen oft eine gewisse Zeit, bis sie an die neue Konkurrenzsituation angepasst sind. Invasive Arten sind im Normalfall Neophyten oder Neozoen (Pflanzen resp. Tiere, welche nach 1492 eingewandert resp. eingeschleppt wurden). Auch bei GV-Pflanzen besteht die Gefahr, dass diese invasiv wirken, da sie bewusst konkurrenzstark gezüchtet wurden. Da diese normalerweise Kulturpflanzen sind, sind diese von den Landwirt*innen gewollt und keine Bedrohung für ihre Kultur, sondern die Kultur selbst. Weiter gehören GVOs zu den am stärksten untersuchten Organismen überhaupt. Es ist wichtig, die Ausbreitung neuer Arten und Kulturen im Auge zu behalten, doch finden solche Entwicklungen meist bei Arten statt, von denen dies nicht erwartet wurde. Es kommt nicht selten vor, dass es sich um Arten handelt, welche unwissend durch den Transport verbreitet wurden. Die meisten Kulturformen sind in ‘freier Natur’ nicht durchsetzungsfähig.

Aggressivere Pestizide durch Gentechnik …

Eines der Versprechen der grünen Gentechnologie ist, dass damit der Einsatz von Pestiziden reduziert werden könnte. Heute sind 80% der genetisch veränderten Pflanzen gegen das Totalherbizit Glyphosat tolerant gezüchtet. Somit ist das Gegenteil eingetreten. Die Gentechnik ermöglicht einen noch intensiveren Einsatz von Pestiziden.[18] Die Toleranz (Verträglichkeit) kommt durch das Bodenbakterium Agrobacterium tumefaciens zustande. Es sind viele verschiedene Kulturen wie Soja, Mais usw. mit dieser Toleranz auf dem Markt.
Glyphosat wird neben Monsanto als Roundup auch von Syngenta unter dem Markennamen Touchdown und von vielen anderen Herstellern vertrieben. Totalherbizide vernichten praktisch alle Pflanzen, ausser jene mit der Toleranz. Früher wurden diese nur vor der Saat eingesetzt, da sie die Kultur ebenfalls zerstören würden. Durch die Gentechnik wurde es möglich, auch nach der Saat noch zu spritzen.
Glyphosat hat bereits in kleinen Dosen eine schädliche Wirkung auf menschliche Zellen und führt zu Krebserkrankungen wie dem Non-Hodkins-Lymphom. Weiter wirkt es mutagen (erbgutverändernd und dadurch krebsauslösend), umwelttoxisch und schädigt somit nicht nur die Gesundheit der in der Landwirtschaft tätigen Personen, sondern auch die Umwelt.[19]

… und Reduktion von Pestiziden durch Gentechnik

Es gibt auch Beispiele, mit denen der Einsatz von Pestiziden resp. in diesem Fall konkret von Fungiziden (Mittel zur Bekämpfung von ungewollten Pilzen) reduziert werden konnte.
Der Schädling mit den stärksten Auswirkungen auf den Anbau von Äpfeln (Malus domestica) ist der Apfelschorf, welcher durch den Pilz Venturia inacqualis verursacht wird.[20] Äpfel haben eine Selbstunverträglichkeit und sind stark heterozygot (d.h. mischerbig). Bei der generativen Vermehrung entsteht eine neue Apfelsorte. Die Vermehrung einer Sorte – wie Gala in diesem Beispiel – ist nur durch die vegetative Vermehrung (ungeschlechtliche Vermehrung, aus welcher ein genetisch identische Pflanze hervorgeht) möglich. Es findet also bei der generativen Vermehrung eine Kreuzung statt, aus welcher eine neue Sorte mit anderen Merkmalen, wie z.B. Form und Geschmack der Frucht, hervorgeht.[21]
Der erste Apfel, welcher eine Apfelschorf-Resistenz hatte, war Florina. Diese Resistenz wurde mit traditioneller Züchtung erlangt. Bis die Sorte gezüchtet war, vergingen 60 Jahre, da die erste Kreuzung von einer Kultursorte mit einer Wildform noch keinen geniessbaren Geschmack aufwies.[22] Bis eine neue Kreuzung in die generative Phase kommt, in der diese erneut kreuzbar ist, vergehen vier bis fünf Jahre. Mit gentechnischen Verfahren kann die Entwicklung eines cisgenen Apfelbaums mit dem gleichen Geschmack wie die ursprünglich verwendete Sorte auf circa zehn Jahre reduziert werden.[23]

Kapitalismuskritik und Gentechnik

80% der heute verwendeten gentechnisch veränderten Pflanzen wurden gegen das Totalherbizit Glyphosat tolerant gezüchtet. Dieses ist für den Mensch gesundheitsschädigend und hat einen negativen Einfluss auf die Ökosysteme. Ein Verbot des Glyphosat ist unterstützenswert, doch wenn dieses verboten würde, würde sich in diesem Fall das Verbot des genetisch veränderten Saatguts wie Roundup Ready erübrigen, da das Saatgut nutzlos wird.
Auf der anderen Seite gibt es auch Beispiele, in welchen der Einsatz von Pestiziden durch Gentechnik reduziert werden kann. So erlaubt es der gegen Apfelschorf-resistente cisgenetisch veränderte Gala-Apfel, den Einsatz von Fungiziden zu reduzieren. Auch in der biologischen Landwirtschaft muss gespritzt werden, da aber chemische Pestizide nicht erlaubt sind, wird Kupfer verwendet. Kupfer ist in grossen Mengen für alle Organismen schädlich. Dadurch wird es vor allem in Dauerkulturen (Kulturen wie Reben oder Apfelbäume, in denen keine Fruchtfolge, d.h. Wechsel der angebauten Kultur nach einem Jahr, möglich ist) sehr problematisch. Kupfer ist vor allem für die Bodenlebewesen wie Regenwürmer sehr schädlich, obwohl die biologische Landwirtschaft vorgibt, diese schützen und fördern zu wollen. Eine mögliche Lösung bietet die Gentechnologie.
Ein Verbot von Gentechnik würde Konzernen wie Monsanto und Syngenta kurzfristig wirtschaftlichen Schaden zufügen. Mit einem Verbot von Gentechnik – und somit der Einstellung der Forschung in diesem Bereich – besteht jedoch auch die Gefahr, dass gute Lösungsansätze für dringliche Probleme verunmöglicht werden. Solange die wirtschaftliche Produktion kapitalistisch organisiert ist, werden neue Technologien nie primär zum Vorteil der lohnabhängigen Bevölkerung eingesetzt werden. Eine Schonung von Boden, Luft und Wasser ist erstrebenswert, wodurch eine Reduktion von chemischen Pestiziden wünschenswert ist. Robuste und resistente Züchtungen sind dazu wohl die beste Lösung, da durch Vorbeugung Probleme vermieden werden können, bevor sie entstehen. Unter anderem die Gentechnik eröffnet Möglichkeiten in diese Richtung. Insbesondere bietet sie eine schnellere Reaktionszeit.
Die dominierenden Konzerne in dieser Branche verfolgen jedoch andere Interessen. In einer anderen Gesellschaftsform, in welcher die Produktion unter Kontrolle der Menschen steht und nicht unter derjenigen des Kapitals, würde wahrscheinlich langfristiger gewirtschaftet werden und nicht nur bis zum nächsten Quartal. Demnach würden wohl andere Produkte hergestellt werden, auch wenn dieselben Technologien genutzt werden.
Einer der problematischsten Punkte der Gentechnik ist das Sortenschutz-Gesetz, durch welches Saatgut patentiert werden kann und somit die Vermehrung von Saatgut durch die Landwirt*innen verunmöglicht wird. Dadurch geraten die Landwirt*innen in eine Abhängigkeit, wodurch viele in den Ruin getrieben wurden und weiterhin werden. Das Sortenschutz-Gesetz ist klar abzulehnen. Zudem sind auch die neu ausgehandelten Freihandelsabkommen wie TTIP (Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen USA und EU), welche die Macht der Grosskonzerne stärken, zu bekämpfen.
Die Kritik, welche heute vor allem am Agrochemie-Konzern Monsanto geübt wird, wird oft auf die grüne Gentechnologie allgemein übertragen. Die Kritik an Monsanto ist oft einseitig. Dieses wird als Teufel dargestellt, wodurch diese Kritik die Form einer verkürzten Kapitalismuskritik annimmt. So verwundert es auch nicht weiter, dass auf der Webseite march-against-monsanto.com als Sponsoren Organisationen wie Truth Teller aufgelistet sind, welche zu den Verschwörungstheoretiker*innen gerechnet werden können. Es ist wohl kaum so, dass Monsanto aus Bosheit handelt, sondern vor allem die eigene Profitrate erhöhen will. Andere Unternehmen würden ähnlich handeln, um ihre Markstellung zu verteidigen, da im Kapitalismus kein Unternehmen lange überlebt, welches nicht bereit ist, den Profit über die Menschen und die Umwelt zu stellen. Eine Kritik an Monsanto und Syngenta soll ausgeübt werden, doch immer mit dem Wissen im Hinterkopf, dass die Produktionsbedingungen, welche durch das kapitalistische Wirtschaftssystem gegeben sind, die Hauptproblematik darstellen.
Die meisten heute auf dem Markt verfügbaren GV-Pflanzen bringen keine Verbesserung für den Menschen und die Natur. In den häufigsten Fällen haben sie einen gegenteiligen Effekt. Aus dieser Analyse heraus ergibt eine Verlängerung des heute in der Schweiz bestehenden Moratoriums Sinn. Auf eine lange Sicht hinaus sollte aber die Tür für eine sinnvolle Nutzung der grünen Gentechnik nicht völlig verschlossen werden. Die Agrochemie-Konzerne werden jedoch nicht in diese Richtung forschen. Darum sollte einzig den Hochschulen das Recht gelassen werden, in diesem Bereich zu forschen. Alle Erkenntnisse müssen OpenSource werden – also allen zugänglich sein. Die Agrochemie-Konzerne wie alle anderen Monopolisten müssen enteignet und unter Arbeiter*innenkontrolle gestellt werden.

[1] http://www.blick.ch/news/schweiz/kundgebung-3000-menschen-gehen-gegen-monsanto-und-syngenta-auf-die-strasse-id3789353.html [konsultiert am 24.05.2015 ].
[2] http://www.multiwatch.ch/de/p97000047.html [konsultiert am 24.05.2015 ].
[3] http://www.blick.ch/news/schweiz/kundgebung-3000-menschen-gehen-gegen-monsanto-und-syngenta-auf-die-strasse-id3789353.html [konsultiert am 24.05.2015 ].
[4] http://www.planet-wissen.de/natur_technik/haustiere/hunde/ [konsultiert am 15.05.2015 ].
[5] http://www.swr.de/steinzeit/bhtml/_Neolithische_Revolution.html [konsultiert am 15.05.2015 ].
[6] http://www.gene-abc.ch/de/geschichte-der-gene/gen-story-von-1665-bis-1977/ [konsultiert am 16.05.2015 ].
[7] Admin. 2005. Volksabstimmung vom 27.11.2005. [Online] 14. 04 2015. [Zitat vom: 15. 04 2015.] http://www.admin.ch/ch/d/pore/va/20051127/index.html.
[8] Thiel, Manuel. 2011. Grüne Gentechnik: Ergebnisse einer deutschlandweiten Bevölkerungsbefragung. [Hrsg.] Josef Hambrusch, Manuela Larcher und Theresia Oedl. Jahrbuch der Österreichischen Gesellschaft für Agrarökonomie. Wien : Facultas Verlag, 2011, Bd. 20(1), S. 201-210.
[9] Hirter, Hans und Linder, Wolf . 2006. Analyse der eidgenössischen Abstimmungen vom 27. November 2005. gfs.bern. Bern : s.n., 2006.
[10] Die Bekämpfung des Apfelschorfs erfordert ca. zehn Spritzgänge pro Jahr.
[11] FiBL. 2012. Techniken der Pflanzenzüchtung – Eine Einschätzung für den ökologischen Landbau. Frick, Schweiz: s.n., 2012.
[12] Glogger, Beat. 2008. Das hohe Cis im Apfelbaum. Schweizer Nationalfonds. [Online] 06 2008. http://www.nfp59.ch/files/dokumente/Horizonte06.08_Apfel.pdf.
[13] Vanblaerea, Thalia , et al. 2011. The development of a cisgenic apple plant. Journal of Biotechnology. 2011, 154, S. 304– 311.
[14] FiBL. 2012. Techniken der Pflanzenzüchtung – Eine Einschätzung für den ökologischen Landbau. Frick, Schweiz : s.n., 2012.
[15] Pomologen-Verein e.V. 2008. Sonderheft Gentechnik. Detmold, Deutschland : s.n., 08. 05 2008.
[16] Jamieson AC, Miller JC, Pabo CO (May 2003). “Drug discovery with engineered zinc-finger proteins”. Nature Reviews. Drug Discovery 2 (5): S. 361–368.
[17] http://www.spektrum.de/lexikon/biologie/mutationszuechtung/44520 [konsultiert am 18.05.2015 ].
[18] http://www.epi-gen.de/themen/oekologie/monsanto-neue-belege-fuer-schaedlichkeit-von-roundup-fuer-umwelt-und-gesundheit [konsultiert am 18.05.2015 ].
[19] Ebd.
[20] Wilcox, Wayne F. Cornell University. Department of Plant Pathology, NYS Agricultural Experiment Station. [Online] [konsultiert am 16. 04 2015.] http://nysipm.cornell.edu/factsheets/treefruit/diseases/as/as.asp.
[21] SCNAT. Krankheitsresistente Apfelsorten. Naturwissenschaften Schweiz.
[22] Glogger, Beat. 2008. Das hohe Cis im Apfelbaum. Schweizer Nationalfonds. [Online] 06 2008. http://www.nfp59.ch/files/dokumente/Horizonte06.08_Apfel.pdf.
[23] SCNAT. Krankheitsresistente Apfelsorten. Naturwissenschaften Schweiz.

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1 Kommentar

  1. Mirko Stauffer

    Danke für diesen Artikel! Du hast meine Meinung ziemlich genau auf den Punkt gebracht.
    Viele Leute haben nicht verstanden warum ich MAM kritisch gegenüber stand, dabei wäre es so einfach.
    Was das Glyphosat angeht sehe ich es etwas anders. Die meisten wissenschaftlichen Ergebnisse bewerten es als eines der harmlosesten Herbizide überhaupt. Und die resistenten Pflanzen haben den Einsatz anderer (schlimmerer) Herbizide verringert. Es gäbe etliche bessere Anwendungen, aber ich finde auch diese nicht all zu problematisch.

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