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Blockupy: Proteste in Frankfurt gegen die EZB

Am 18. März 2015 wurde das neue Gebäude der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt eröffnet. Die EZB ist massgeblich für die Verarmungspolitik in den (süd-) europäischen Ländern verantwortlich. Das bundesweite Bündnis “Blockupy” rief zum Widerstand gegen die EZB-Sparpolitik auf. Die “Eröffnungsfeier” wurde von massiven Protesten begleitet, an denen AktivistInnen aus ganz Europa teilnahmen. Auch eine Delegation der BFS beteiligte sich an den Blockadeaktionen und den Demonstrationen, welche den ganzen Tag andauerten. Ein Erlebnisbericht. (Red.)


frankfurt
Frankfurt: gezeichnet von den Protesten am 18. März 2015

von BFS Jugend Zürich
Die EZB zu blockieren bedeutet früh aufzustehen. Um 5:30 Uhr machten wir uns mit Genoss*innen aus Frankfurt auf den Weg in die Innenstadt. Der Plan war, sich einem der Demonstrations-‚Finger’ anzuschliessen, welche sich im Umkreis um den neuen EZB-Hauptsitz versammeln. Die Führungsriege der EU-Austeritätspolitik wollte sich im herrschaftsarchitektonischen Glasklotz im Rahmen der Gebäudeeröffnung selbst abfeiern. Unser Finger bestand aus ca. 2000 Leuten. Entschlossen, in erhöhtem Tempo und Parolen rufend machte sich die Masse auf den Weg. Kurz vor der eigentlichen Absperrung vor der EZB wurde eine Strassensperre der Einsatzkräfte kurzerhand überrumpelt. Ein gutes Beispiel wie man Polizeireihen durchbrechen kann, wenn Entschlossenheit, Organisationsgrad und Menge in einer Demo stimmen. (Video: https://www.facebook.com/video.php?v=792129384196521&pnref=story)
Die Ankündigung 9800 Polizisten, 28 Wasserwerfer, mehrere Überwachungshelikopter und ein Flugzeug einzusetzen, zeigte deutlich, auf welche Art die Bundesrepublik auf die Blockupy-Proteste reagieren wird: mit einer totalen Überwachung der ganzen Main-Metropole. Auch die ab 6:15 Uhr eingesetzten Tränengasgranaten waren für die Bundesrepublik eher ungewöhnlich. An eine konsequente Blockade des Gebäudes mit dem Ziel, den hochrangigen Gästen rund um den EZB-Chef Draghi wirklich den Zugang zum Gebäude zu verwehren, war nicht zu denken. Unmittelbar vor dem Hochhaus hatte sich die Polizei mit Natodraht verschanzt. Sogar eine GSG9-Spezialeinheit befand sich in Einsatzbereitschaft. Doch am Beispiel Blockupy konnte man einmal mehr sehen, wieviel eine soziale Bewegung erreichen kann, wenn sie nur gross genug ist. Allein der Aufruf zur Blockade der EZB-Neubaueröffnung führte dazu, dass die ursprünglich geplante Riesensause abgesagt wurde. Weiter kann Blockupy ein Auslöser für einen öffentlichen, kapitalismuskritischen Diskurs bezüglich dem Austeritätsregime in Europa darstellen.
Unser ‚Finger’ hatte sich mittlerweile auf einer Zufahrtsstrasse der EZB niedergelassen. Andere Teile der Aktivist*innen wurden vom brutalen Vorgehen der Polizei aufgerieben. Einige versuchten sich neu zu formieren, um zu einem strategisch sinnvollen Blockadepunkt zu gelangen. Auch einige von uns waren dabei. Dies bedeutete sich von den unzähligen Robocops immer wieder durch die Gassen hetzen zu lassen. Es fiel unseren Genoss*innen schwierig einzuschätzen, ob sie im nächsten Moment einen Schlagstock auf den Kopf kriegen, überrannt oder ob die Hundertschaften sie links liegen lassen würden. Immer wieder waren verletzte Demonstrant*innen zu sehen. Andere Aktivist*innen entschieden sich für eine offensivere Praxis. Bankfilialen wurden entglast und Polizeiautos gingen in Flammen auf. Man muss sich zwar durchaus fragen, ob beim Demolieren von Busstationen so etwas wie ein adäquater Kausalzusammenhang zum Thema der Mobilisierung gegeben ist. Jedoch wollen wir in Bezug auf das Geheule über die „blinde Zerstörungswut“ in der Presse ein paar Punkte festhalten: In allen Medien wurden dieselben 4-5 brennenden Polizeiautos repetitiv vorgeführt. Gemessen an der absurd hohen Anzahl der Polizeifahrzeuge in der Stadt ist das polemisierend. Leute, die an Banken Sachschaden verursachen, werden als „Gewalttäter“ denunziert. Die meisten Privatbanken sind jedoch – genauso wie die EZB – verantwortlich für die verheerende und würdelose Armut, in die grosse Teile der Bevölkerung von Ländern wie Griechenland – aber z.B. auch Harzt IV-Betroffene in Deutschland – im Zuge des Neoliberalismus gestürzt wurden. Wenn schon sollten die Zeitungen nicht von blinder, sondern von gezielter Zerstörungswut berichten. Schliesslich kam es nur vereinzelt zu Schäden an zufällig gewählten Läden oder anderen Lokalitäten.
Doch lieber möchten wir betonen wie breit abgestützt die Blockupy-Proteste waren. Es waren Aktivist*innen aus ganz Europa angereist. Eine Menge mit mehreren Hundert italienischen Demonstrant*innen befand sich nahe der EZB im Polizeikessel. Wie ein Genosse aus Frankfurt wohl treffend bemerkte, kommt es nicht von ungefähr, dass ausgerechnet Aktivist*innen aus einem schwerpunktmässig krisenbetroffenem Land gekesselt wurden. Solidarisch stellte sich ein weiterer Demonstrationszug vor den Kessel, um die Polizei unter Druck zu setzen, die Protestierenden gehen zu lassen. Um circa 13:00 Uhr war dies dann auch der Fall. Ein Teil der Blockupy-Aktivist*innen zog sich danach zur Mittags-VoKü zurück. Zeitgleich startete der Deutsche Gewerkschaftsbund eine grosse Demonstration. Ab 14:00 Uhr fand auf dem zentralen Römerberg eine Kundgebung statt. Gäste aus verschiedenen Ländern kamen zu Wort. Auf den vollgestopften Platz in der Frankfurter Altstadt wurde uns die gesellschaftliche Breite von Blockupy bewusst. Es waren auch viele Leute dabei, die morgens arbeiten mussten oder, aus welchen Gründen auch immer, keinen Bock auf Konfrontationen mit den staatlichen Schläger*innentrupps hatten.
Um 17:00 Uhr setzte sich die Abschlussdemonstration in Bewegung. Wie viele Leute dabei waren, ist schwierig zu sagen. Es waren sehr viele. Zwanzig- vielleicht Dreissigtausend. Fest steht aber sicher, dass die Zahlen der Behörden massiv unterhalb der Realität lagen. Die Grossdemonstration endet ungefähr um 19:00 Uhr bei der alten Oper.
Die Mobilisierung des Blockupy-Bündnisses am 18. März hat gezeigt, wie gross der Widerstand gegen die neoliberale Kürzungspolitik und den Kapitalismus allgemein sein kann. Viele Aktivist*innen nahmen eine lange Reise auf sich, um hier im Herzen Europas dagegen zu protestieren, was die Herrschenden – vertreten in Form von Banken, Konzernen, Regierungen und Organisationen wie der EZB oder dem IWF – in der Peripherie des Imperialismus anrichten. In einem lokaleren Kontext war es – nach einem Jahr gezeichnet von neurechten Montagsdemos, und Absurditäten wie HOGESA oder PEGIDA – schön zu sehen, dass es auch den anderen Teil der Gesellschaft gibt. Jener Teil, der für eine Welt kämpft, in der niemand auf der Strasse sitzen oder sterben muss, weil er sich seine Medikamente nicht mehr leisten kann. Für eine Welt, in der die Bedürfnisse der Menschen im Zentrum stehen – nicht die Profitinteressen der Herrschenden.
Fotos zu den Demonstrationen und Blockaden gibts hier.
(BFS Jugend Zürich, 20.03.2015)

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