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Deutschland/Schweiz: Wem nützen die Pegida-Demonstrationen?

Seit Monaten sorgen islamophobe und rechtsextreme Demonstrationen (HoGeSa, Pegdia etc.) in Deutschland für Ausehen. Der folgende Artikel setzt sich mit den Hintergründen des grassierenden Rassismus auseinander und legt dar, wie sowohl die Deutsche als auch die schweizerische Bourgeoisie von den rechten Mobilisierungen profitieren. (Red.)

von BFS Zürich

Das politische und wirtschaftliche Establishment Deutschlands hatte sich mit zunehmender Teilnehmerzahl beeilt, die politischen Inhalte der rechtsextremen Aufmärsche der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) zu legitimieren und dem braunen Mob berechtigte Argumente zuzugestehen. So titelte am 15. Dezember das Flaggschiff des deutschen Kapitalismus, die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), in fetten Lettern „Demonstration in Dresden – Ernst nehmen“. „Wirklich ernst nehmen“, schreibt FAZ-Mitherausgeber Berthold Kohler im betreffenden Leitartikel, „heisst eine Einwanderungspolitik zu verfolgen, deren Regeln sich strikt an den Interessen des eigenen Landes orientieren“. Und weiter „Früher hätten vor allem die Linken schlicht die Nazi-Keule herausgeholt und sie so lange geschwungen, bis auch die Union den Kopf eingezogen hätte wie eine Schildkröte“. Mittlerweile scheint das „kontraproduktiv zu wirken“, konstatiert Kohler und lobt insbesondere die CSU für ihren Vorschlag „die Demonstranten ernst zu nehmen“.
Was die CSU darunter versteht, „die Demonstranten ernst zu nehmen“, zeigt ein Interview im Spiegel vom 27. Dezember mit dem Vize-Fraktionschef der Union und ehemaligen Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). “Ich glaube, dass wir in der Vergangenheit mit der Frage nach der Identität unseres Volkes und unserer Nation zu leichtfertig umgegangen sind”, erklärte der Ex-Minister. “Da müssen wir umdenken, auch in der CSU” um sogleich noch den Teilnehmern der Demonstrationen „legitime Fragen“ zu bescheinigen. Um eine „ausserparlamentarische Opposition von rechts“ zu verhindern, müsse sich die Union den Themen der Pegida und der AfD annehmen. “Hätten Sie mich vor ein paar Jahren gefragt, hätte ich gesagt: Wir putzen die weg, indem wir ihnen die Themen wegnehmen”, sagte der CSU-Politiker dem “Spiegel”. Die Legitimation der patriotischen Europäer von Pegida verbindet Friedrich mit der Forderung nach einer „wirtschaftsnaher Politik“, plädiert für den „Schutz des Eigentums“ und spricht sich gegen Mindestlohn und Mietpreisvorgaben aus.
Der CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer kündigte an, Forderungen der Pegida umzusetzen und für eine Beschleunigung der Prüfverfahren von Asylanträgen und für schnellere Abschiebungen von Flüchtlingen zu sorgen. Der bundesdeutsche Innenminister Thomas De Maizière (CDU) hatte schon letzten Herbst die zunehmenden Proteste gegen Flüchtlingsheime – oft von der NPD oder deren Jugendorganisation, den Jungen Nationaldemokraten, organisiert – verteidigt und für „legitim“ erklärt.
Den Kontakt zur Pegida-Führung hatte auch das Innenministerium des Freistaates Sachsen gesucht. Wie der „Spiegel“ am 31. Januar berichtete „ging die Initiative für das Gespräch vom sächsischen Innenministerium aus“. „Bereits um den 15. Januar herum habe der Leiter von Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) Kontakt mit der damaligen Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel aufgenommen“, um die gegenseitige “Gesprächsbereitschaft” und das “Gesprächsformat” des Minister-Termins zu sondieren. Neben Oertel hätte ursprünglich auch der Gründer von Pegida, Lutz Bachmann, am „Spitzentreffen“ mit dem Minister teilnehmen sollen. Erst aufgrund des Bekanntwerdens von Bachmanns Facebook-Einträgen, auf welchen er auf Fotos als Adolf Hitler posiert und Flüchtlinge als “Dreckspack”, “Viehzeug” und “Gelumpe” bezeichnete, verzichtete Minister Ulbig auf ein Treffen mit Bachmann. Dabei hetzte Bachmann schon lange vor dem ausschlaggebenden Posting auf Facebook. Über die Grünen schrieb er im September 2013: “VOLLSPINNER! Gehören standrechtlich erschossen diese Öko-Terroristen!… allen voran Claudia Fatima Roth!”. Zum EM-Qualifikationsspiel Polen-Deutschland im Oktober schrieb er in Anspielung auf den Angriff Hitler-Deutschlands 1939: “Auf geht’s… Ab 20:45 wird zurückgeschossen.”
Die Interessen der deutschen Bourgeoisie an den Mobilisierung des braunen Pegida-Mobs verdeutlichte der einflussreiche Ökonom und Präsident des Münchner Ifo-Instituts Hans Werner Sinn am 29. Dezember 2014 in einem Gastbeitrag in der bereits eingangs erwähnten Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). „So wie die Migration derzeit läuft, läuft sie falsch“, schrieb Sinn“. Der Sozialstaat wirke wie ein Magnet auf unqualifizierte Migranten, kritisierte er. Deutschland sei nach den Vereinigten Staaten das zweitgrößte Ziel von Einwanderern, doch liege es in Hinblick auf deren Qualifikation auf einem der letzten Plätze der Statistik. „Das führe dazu, dass die bisherige Migration eine große Belastung der Staats- und Sozialkassen sei. In der Nettobilanz verursache sie dem deutschen Staat mehr Kosten durch Sozialleistungen und andere Ausgaben als sie Einnahmen durch Steuern und Sozialbeiträge bringe“ (FAZ). Hans Werner Sinn fordert „endlich eine ideologiefreie und nicht vom Streben nach politischer Korrektheit getriebene Debatte über die Migrationspolitik“. Dabei steht für Sinn der Abbau des Sozialstaates, den er als „Magnet für Geringqualifizierte“ bezeichnet im Zentrum einer solchen Debatte. Seine Forderung: „bedürftige EU-Zuwanderer sollten künftig nur noch Sozialleistungen ihres Heimatlandes, nicht des Gastlandes (Deutschland) in Anspruch nehmen können“. Zur besseren Steuerung der Zuwanderung müsse Deutschland ein „Punktesystem einführen, das nach der beruflichen Qualifikation, Alter, Gesundheit, Sprachkompetenz und Vermögen auswähle“. Es brauche „eine fundamentale und radikale Änderung der verzerrenden Anreizstrukturen“. MigrantInnen sollen ausgeschafft werden können, wenn sie nicht innerhalb von sechs Monaten einen Job vorweisen können.
Die Ausführungen von Hans Werner Sinn sind Wasser auf die Mühlen der Herrschenden in den Chefetagen der Banken und Konzerne und zeigen in aller Deutlichkeit worum es beim der gezielten Unterstützung von Pegida geht: der Fortsetzung und Steigerung der Angriffe auf alle Lohnabhängigen. Um der von Sinn verlangten Abschiebung zu entkommen werden MigrantInnen gezwungen, Arbeit zu allen Bedingungen anzunehmen. Dieses Heer von rechtlosen Migranten-Sklaven wird dann von den Bossen dazu benutzt werden, Löhne, Arbeitsbedingungen und Sozialstandards aller ArbeiterInnen weiter nach unten zu drücken.

Pegida Schweiz?

6. „Für ein Asylantragsverfahren in Anlehnung an das holländische bzw. Schweizer Modell“. 9. „Null-Toleranz-Politik gegenüber straffällig gewordenen Asylbewerbern und Migranten“. 11. „Für eine Zuwanderung nach dem Vorbild der Schweiz“. 14. „Für die Einführung von Bürgerentscheidungen nach dem Vorbild der Schweiz“. In vier des insgesamt 19 Punkte umfassenden Positionspapiers führt die von Faschisten durchsetzte Pegida die Schweiz als ihr politisches Vorbild auf. Der Applaus der Rassisten von Pegida gilt der Politik des Schweizer Bürgertums unter der Führung der Schweizerischen Volkspartei (SVP). Ihnen gelang es in den letzten Jahren wachsende sozialen Spannungen und Ängste vor zunehmender Armut und Arbeitslosigkeit in eine reaktionäre, ausländerfeindliche Richtung zu lenken und damit die ArbeiterInnenklasse zu spalten.
Die Annahme der rassistischen Anti-Minarett-Initiative am 29. November 2009 wirkte wie ein Dammbruch und wurde von den reaktionärsten Kräften in der Schweiz und ganz Europa als Signal und Ermutigung verstanden. Geert Wilders, der Vorsitzende der rechtsradikalen Partei für die Freiheit (PVV) in Holland, frohlockte: “Zum ersten Mal haben sich Menschen in Europa der Islamisierung widersetzt”. Der damalige italienische Minister Roberto Calderoli, Mitglied der ausländerfeindlichen Lega Nord im Kabinett Berlusconis, ordnete das Schweizerische Abstimmungsergebnis als „klares Signal ja zum Kirchturm, nein zum Minarett.” “Auch die Franzosen sollen über lokale Moscheebauten abstimmen dürfen”, forderte Marine Le Pen, damals noch Vizepräsidentin des rechtsextremen Front National.
Ein Jahr später, am 28. November 2010, wurde mit der Annahme der Initiative „für die Ausschaffung krimineller Ausländer (Ausschaffungsinitiative)“ das Ausländerrecht erneut deutlich verschärft. Mit einer beispiellos primitiven Abstimmungskampagne (Plakate mit schwarzen Schafen), welche brutale ausländische Vergewaltiger und „Sozialschmarotzer mit Migrationshintergrund“ anprangerten, wurde eine verschreckte Mittelklasse gegen die untersten und rechtlosesten Schichten der Gesellschaft in Stellung gebracht.
Am 9. Juni 2013 stimmten beinahe 78% der Schweizer Stimmbevölkerung einer weiteren Verschärfung des Asylgesetzes zu, welches damit bis zu diesem Zeitpunkt in einer Reihe von verschärfenden Revisionen bis zur faktischen Unkenntlichkeit verstümmelt wurde.
Die Argumentation der Befürworter und Gegner im Vorfeld der am 9. Februar 2014 mit 50,3 % angenommenen Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung“ der SVP unterschieden sich nur gering. Während die SVP und die verbündete Rechte einmal mehr die zugewanderten ArbeiterInnen für alle sozialen Probleme verantwortlich machte, argumentierte ein geeinter Block von Bürgertum, Sozialdemokraten und Gewerkschaften mit den Bedürfnissen der Schweizer Wirtschaft nach billigen und rechtlosen, eingewanderten Arbeitskräften. Keine der im schweizerischen Parlament vertretenen Parteien verteidigte die freie Wahl des Arbeitsplatzes und des Wohnorts als demokratisches Grundrecht und verband es mit der Verteidigung aller sozialen und politischen Rechte der ArbeiterInnenklasse.
Kaum hatte 2007 das schweizerische Bürgertum die Volksabstimmung um die Abbauvorlage der 5. Revision des „Bundesgesetz über die Invalidenversicherung“ gewonnen – das neue Gesetz war noch nicht einmal in Kraft –, präsentierte die SVP ein 35-seitiges Positionspapier zur 6. IV-Revision, um den Druck auf die Invaliditätsversicherung – neben der AHV eine der wichtigsten sozialen Absicherungen – weiter zu erhöhen. Die NZZ schreibt dazu am 18. Juli 2007: „Wie immer behauptet die SVP einen massiven Missbrauch der IV, ohne das Ausmass allerdings belegen zu können. Hingewiesen wird auf Einzelfälle, die in den Augen der SVP die Spitze des Eisbergs ausmachen. Scharf gewürzt wird das Papier mit Schlagwörtern: Neben den «Scheininvaliden» und der «Balkanisierung» ist auch von der «Edelsozialhilfe für unintegrierte Ausländer» die Rede“. Mittlerweile ist auch das Gesetz zur 6. IV-Revision in Kraft.
Aktuell zirkuliert wieder einmal Positionspapier der SVP zur Vernehmlassung in ihren Kantonalparteien. Diesmal ist es ein 90-seitiges Positionspapier mit dem Ziel die Sozialhilfegesetzgebung radikal umzugestalten und die Sozialhilfe massiv abzubauen. Zentrale Forderung des Papiers mit rund einem Dutzend formulierten Angriffen auf die Sozialhilfe ist die Senkung des Grundbedarfs von 986 Franken um 40% auf 600 Franken. Keine „hochgeschulten Sozialarbeiter“, sondern „Berufsleute mit wirtschaftlicher Denkweise“ sollen sich nebenamtlich in der Sozialhilfe betätigen. Die SVP positioniert sich damit für den nationalen Wahlkampf vom Herbst 2015 und wird ihren gewohnten, rassistischen und fremdenfeindlichen Wahlkampf gegen „Sozialschmarotzer“, „Sozialtouristen“, Flüchtlinge und Asylbewerber führen.
Die beschriebenen gesellschaftlichen und sozialen Reformen und ihre Auswirkungen sind der Sump,f auf welchem Bewegungen wie PEGIDA gedeihen. Es versteht sich von selbst, dass ein PEGIDA-Ableger in der Schweiz bekämpft werden muss, sobald er sich irgendwo zeigt. Genauso wichtig ist es aber die SVP und die hinter ihr stehende Schweizerische Bourgeoisie und ihre reaktionäre, fremdenfeindliche und spalterische Politik mit aller Kraft zu bekämpfen. Die Rassisten in der Schweiz heissen nicht nur Ignaz Bearth (Präsident der Direktdemokratischen Partei Schweiz, ehemaliges Pnos-Mitglied und Promotor von PEGIDA-Schweiz). Die Rassisten und Sozialabbauer heissen Christoph Blocher, Toni Brunner, Ulrich Schlüer, Walter Wobmann, Oskar Freysinger, Lukas Reimann, Hans Fehr, Christoph Mörgeli etc. (kein Anspruch auf Vollständigkeit).
Die BFS Zürich organisiert am Donnerstag, 5. März 2015 eine Veranstaltung zu Pegida. Mehr Infos gibt es hier hier.

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