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Gentechnik: Das Grundproblem ist das System, nicht die Technik

Eines der Versprechen der Gentechnologie in der Landwirtschaft ist, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren. Das Gegenteil ist in der Realität der Fall. Heute sind 80% der genetisch veränderten Pflanzen gegen das Totalherbizit1 Glyphosat2 tolerant gezüchtet. Dadurch kann noch intensiver und häufiger, also auch nach der Saat, gespritzt werden. Glyphosat hat bereits in kleinen Dosen eine schädliche Wirkung auf menschliche Zellen und führt zu Krebs erkrankungen wie dem Non-Hodkins-Lymphom. Es wirkt mutagen3, umwelttoxisch und schadet somit nicht nur der Umwelt, sondern auch der Gesundheit der in der Landwirtschaft tätigen Personen.


von BFS Jugend Zürich
In der Pressemitteilung der Organisator*innen der Demo gegen das “SchReckenholz“ heisst es, dass das Agroscope Reckenholz „einmal ein renommiertes Plätzchen in der Forschungslandschaft“ war, an welchem „mit Erfolg konventionelles Getreide gezüchtet wurde, jetzt jedoch „zu einem Ort verkommen [ist], wo sich die ETH mit der Gentechnikbranche breit macht“.4 Der Vorwurf stimmt, dass das Agroscope Reckenholz mit den Agrochemiekonzernen verbandelt ist. Die positive Bewertung der konventionellen Landwirtschaft ist allerdings sehr fragwürdig. Denn der konventionelle Anbau von Getreide erfordert den Einsatz von Pestiziden und Kunstdüngern, welche von den gleichen Konzernen produziert werden, die als “Gentechnikbranche“ bezeichnet werden.
Momentan wird bei der Forschungsanstalt Reckenholz an einer cisgenen5 Kartoffel geforscht, welche gegen die Kraut-und Knollenfäule resistent ist. Diese Pilzkrankheit wird in der konventionellen Landwirtschaft mit Fungiziden6 und im biologischen Anbau mit Kupfer7 bekämpft. Die Kraut- und Knollenfäule verursachte zwischen 1846 und 1851 die Grosse Hungersnot in Irland, welche eine Million Menschenleben forderte. In diesem Fall könnte die Gentechnik den Einsatz von Pestiziden reduzieren und zur Ernährungssicherheit beitragen.
Es ist wichtig, neue Technologien kritisch zu betrachten. Jedoch kann eine Technologie an und für sich weder gut noch schlecht sein. Entscheidend für die Nutzung von Technologien sind die Produktionsverhältnisse – sprich wer die Technologie besitz, kontrolliert und schliesslich in seinem Interesse im Arbeitsprozess anwenden kann. In der kapitalistischen Produktionsweise sind es die Unternehmen – allen voran transnationale Konzerne, welche die Technologie und deren Erforschung monopolistisch kontrollieren. Die Macht liegt in den Händen der Bourgeoisie8, was dazu führt, dass nach den Profitinteressen entschieden wird und nicht im Interesse und nach den Bedürfnissen der Menschen. Es ist nicht die Gentechnik, die tötet, sondern es sind die Interessen des Kapitals, die tagtäglich Menschenleben fordern. So sind es die Grossgrundbesitzer*innen, welche mit Flugzeugen Glyphosat über die Monokulturplantagen, über die Anwohner*innen und Landarbeiter*innen spritzen lassen, um die Produktionskosten möglichst tief zu halten und dadurch die Mehrwertabschöpfung zu maximieren. Sie verfolgen dabei keinen „bösen Plan“, sondern sind an die Mechanismen der kapitalistischen Produktionsweise und den durch die Konkurrenz erfolgenden Zwang zur Profitmaximierung gebunden.
Wir setzten uns für eine Verlängerung des heute in der Schweiz bestehenden Gentechnik-Moratoriums ein, ohne uns die Chance auf einen möglichen, sinnvollen Nutzen der Gentechnologie zu verbauen. Deshalb kämpfen wir für eine Forschung und Produktion, die sich an den Bedürfnissen aller Menschen orientiert.

Mit neuen Freihandelsabkommen in weitere Sackgassen

Mit Hilfe des Sortenschutz-Gesetzes wird es möglich, Saatgut zu patentieren. Durch diese Patente wird die Vermehrung von Saatgut durch die Landwirt*innen verunmöglicht. Diese geraten in eine Abhängigkeit, wodurch viele in den Ruin getrieben wurden und weiterhin werden.
Die Saatgut-Monopolisierung wird durch das Freihandels- und Investitionsschutzabkommen TTIP, welches momentan zwischen der EU und den USA ausgehandelt wird, stark forciert. Ausschliesslich Agrochemie-Konzerne profitieren von diesem Abkommen, da die darin enthaltenen Deregulierungen Tür und Tor für weitere Gentech-Pflanzen und damit verbundene Patentierungen öffnen. So erstaunt es nicht, dass unter anderem Vertreter*innen von Monsanto, Syngenta und Bayer Vorsitzende des American Legislative Exchange Council (Alec) sind, der die Gesetzesentwürfe für TTIP erarbeitet. Die im TTIP beinhaltete Investment-Klausel ermöglicht des Weiteren, dass Unternehmen bei Staaten Ansprüche auf Gewinne erheben können, die ihnen auf Grund von Schutzgesetzen entgangen sind.
TTIP ist bei weitem nicht das einzige Freihandelsabkommen, welches die Profitinteressen der Grosskonzerne sichern soll. Mit dem Aufkommen des Neoliberalismus seit den 1980er Jahren werden stetig Handelshemmnisse abgebaut. Seit dem Beginn der Wirtschaftskrise 2007/08 geht eine weitere Privatisierungswelle von führenden Staaten, Unternehmen und Finanzinstituten aus. So nimmt aktuell z.B. das Seco (Staatssekretariat für Wirtschaft) für die Schweiz an den TiSA-Verhandlungen teil. Bei diesem Freihandelsabkommen geht es um die Liberalisierung des Dienstleistungssektors, was eine Verschärfung der Arbeitsbedingungen für die Lohnabhängigen und eine Verschlechterung der Versorgungslage für die Bevölkerung zur Folge hätte.
Laut UN-Welthandels- und Entwicklungskonferenz (Untacd-Report) werden weltweit bereits genügend Lebensmittel hergestellt, um 14 Milliarden Menschen ernähren zu können. Die kapitalistische Profitlogik verhindert aber eine gerechte Verteilung der Lebensmittel. Deshalb fordern wir, dass den Nahrungsmittelherstellern und den damit verbundenen Konzerne (u.a. die Agrochemie) die Kontrolle zur Lebensmittelherstellung entzogen wird und unter öffentliche Aufsicht gestellt werden muss: Unternehmen enteignen statt öffentliche Güter privatisieren!
Privatisierungen geschehen an unterschiedlichen Brennpunkten in Europa und der restlichen Welt; und sie treffen die werktätige Bevölkerung in unterschiedlichem Ausmass. Nur wenn wir die einzelnen Kämpfe gegen die Privatisierungen und die Angriffe auf unsere Lebensbedingungen verbinden, können wir Druck von unten aufbauen und Alternativen zur kapitalistischen Perspektivlosigkeit entwickeln. Kippen wir also gemeinsam TTIP, TiSA und alle weiteren Freihandelsabkommen!
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Anmerkungen und Quellen:
1 Ein Spritzmittel, welches gegen alle Pflanzen wirkt, ausser jene mit der Toleranz.
2 Glyphosat wird neben Monsanto als Roundup auch von Syngenta unter dem Markennamen Touchdown und von vielen anderen Herstellern vertrieben.
3 Erbgutverändernd und dadurch krebsauslösend.
4 http://www.european-news-agency.de/politik/int_demonstration_fuer_gentechfreie_lebensmittel-61932/
5 Bei der Cisgenetik werden nur arteigene resp. sehr nah verwandte Gene verwendet, d.h. Gene aus Sorten, welche sich generativ vermehren können. Das bedeutet, dass das Gen auch durch konventionelle Kreuzung eingebaut werden kann. Dabei würden jedoch auch andere Eigenschaften, die z.B. Einfluss auf den Ertrag oder Speisequalität haben, vererbt. Durch die Gentechnik ist eine gezielte Selektion und Transferierung der gewünschten Gene möglich, ohne die ungewollten Eigenschaften als Nebenwirkung mit zu vererben.
6 Mittel zur Bekämpfung von ungewollten Pilzen.
7 Kupfer ist für alle Organismen und vor allem für die Bodenlebewesen wie Regenwürmer sehr schädlich. Die Anwendung von Kupfer steht im Gegensatz zu einemder Hauptziele der biologischen Landwirtschaft, nämlich die Böden schützen und fördern zu wollen.
8 Bürgertum; besitzende, herrschende Klasse im Kapitalismus.

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3 Kommentare

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