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Gentechnik: Eine kontroverse Debatte

Am 22. August 2015 organisierte das Bündnis “SchReckenholz” eine Anti-Gentech-Demonstration gegen das Agroscope Reckenholz in Zürich. Die Bewegung für den Sozialismus intervenierte an der Demonstration mit einen Flyer mit dem Titel “Das Grundproblem ist das System, nicht die Technik”. Darin setzen wir uns kritisch mit der Gentechnik auseinander, lehnen aber gleichzeitig die – unserer Ansicht nach – zu kurz gegriffene Kritik der Gentechnikgegner*innen ab, welche die Gentechnologie grundsätzlich als schädlich bezeichnen. In einer Stellungnahme der Organisator*innen wurden wir dafür kritisiert. Hier veröffentlichen wir wiederum unsere Antwort darauf. (Red.)

von BFS Jugend Zürich

Es freut uns sehr, dass wir durch unseren Flyer eine Diskussion auslösen konnten. Eine frühere Antwort war aus verschiedensten Gründen leider nicht möglich. Wir möchten nun aber doch noch auf eure Kritik an unseren Positionen reagieren.
Durch die Züchtung hat der Mensch schon vor sehr langer Zeit damit begonnen, die Gene der von ihm genutzten Pflanzen, Tiere und anderen Organismen nach seinen Bedürfnissen zu selektionieren und dadurch gewünschte Eigenschaften zu bevorzugen und ungewollte zu beseitigen. Wie Erbanlagen funktionieren und Vererbung stattfindet, war sehr lange Zeit eine Blackbox. So wurde v.a. auf gut Glück gezüchtet. Im 20 Jahrhundert wurde oft versucht, durch Mutationen, verursacht durch Strahlung und den Einsatz von Chemikalien, die Evolution zu beschleunigen. Dabei wurde vor allem „Abfall“ produziert. Diese unkontrollierbaren Mutationen können genauso eine Gefahr für Mensch und Natur darstellen, wie durch gezielte gentechnische Veränderung hervorgerufene, haben aber zu keiner Zeit eine grosse gesellschaftliche Diskussion ausgelöst. Durch die Möglichkeit DNA zu sequenzieren und gezielt zu verändern, fand demgegenüber ein Qualitätsprung statt. Man kann nun auf die stümperhafte Manipulation verzichten.
Es ist reine Dialektik, dass nach der Phase der „Grünen Revolution“, in der eine enorme Produktivitätssteigerung v.a. durch eine Mechanisierung der Landwirtschaft, Urbarmachung neuer Flächen und den Einsatz von Mineraldüngern und Pestiziden erzielt wurde, nun die Züchtung wieder an Bedeutung gewinnt, um eine neue Qualitätsstufe zu erreichen.
SchReckenholz: „Allerdings liegt doch ein Grundproblem der Gentechnik darin, dass es auf der einen Seite schwierig ist, zu behaupten, eine GVO-Pflanze wäre “substantiell Äquivalent” sprich gleichwertig mit natürlichen, nur weil sie Gene besitzt, die auch in der Natur oder in Pflanzen vorkommen….“
Das Konzept der Substanziellen Äquivalenz dient der Sicherheitsabschätzung der Auswirkungen von GVO und geht von einer Gleichwertigkeit von gentechnisch veränderten Pflanzen mit ihren konventionellen Pendants aus. Ob dies zutrifft, sei dahingestellt. Die Funktionsweise der Gene und auch das Funktionieren der gesamten Organismen sind bei Weitem noch nicht vollumfänglich verstanden, und dennoch war der Wissensstand noch nie so hoch wie heute. Durch jede neue wissenschaftliche Erkenntnis eröffnen sich mehr neue Fragen, als bereits bekannte beantwortet wurden. Gleichzeitig bieten sich neue Möglichkeiten, welche neue Gefahren mit sich bringen. Wir müssen uns diesen Gefahren bewusst sein und diese möglichst gering zu halten versuchen. Doch Stillstand aus Angst vor diesen Gefahren ist keine Alternative. Schädlinge, Krankheiten, das Klima und die Umwelt verändern sich permanent und so muss sich auch der Mensch anpassen.
SchReckenholz:„…Fakt ist ja der, dass diese Gene irgendwo in dem Organismus eingebaut werden, welche für den Organismus eigentlich fremd sind und diese „Legosteinkonzept“ birgt einfach grosse Risiken, da man den natürlichen Organismus fremd bestückt und man keine Ahnung hat, wie dieser sich danach entwickeln wird.“
Diese Aussage ist nur teilweise korrekt. Heute ist es durch neuere Methoden durchaus möglich zu steuern, an welchem Ort ein bestimmtes Gen eingebaut wird (mit Hilfe von Zinkfingerproteinen). Die Gene müssen nicht zwingend fremd sein, im Sinn dass sie aus einer anderen Art, Gattung, Familie oder gar Domäne (z.B. bakterielle Gene in Pflanzen) kommen. Oft werden auch Gene verwendet, welche cisgen aus Wildformen in Kultursorten eingezüchtet werden. Viele Gene haben diese Pflanzen zuvor besessen, aber im Verlauf der Züchtungsgeschichte verloren. So war es beispielsweise dem Mais möglich, bei Befall durch den Maiswurzelbohrer über einen Duftstoff Fadenwürmer herbeizurufen, welche den Maiswurzelbohrer befallen und töten. In Folge der traditionellen Züchtung ging dem Mais diese Fähigkeit abhanden. Durch die Genetik ist es möglich festzustellen, welche Gene dafür verantwortlich sind und dieses wieder hineinzuzüchten. Für eine solche Rückzüchtung sind nicht zwingend gentechnische Verfahren notwendig.
SchReckenholz:„Allerdings, was bringt eine Kartoffel, die keine Kraut- und Knollenfäule mehr hat, die aber allenfalls die Gesundheit von Mensch und Tier negativ beeinflusst?“
Fakt ist, dass es bis jetzt keine Beweise gibt, dass GMOs gesundheitsschädlicher sind wie jene aus konventioneller Züchtung, genau so wenig wie biologische Produkte gesünder sind und besser schmecken als konventionelle Produkte. Diese trifft natürlich nur auf den Verzehr der Nahrungsmittel zu und nicht für die Produktion: Die verwendeten Pestizide sind oft giftig und werden von den Landwirtschaftsarbeiter*innen häufig ohne Schutz in den Gewächshäusern und Plantagen ausgebracht.
In einer von Subsistenz-Landwirtschaft abhängigen Region bedeutet das, dass ein Krankheitsbefall der Kultur den Hungertod bedeuten kann. Die Gentechnik wird daran nichts ändern, weil diese Menschen sich kein resistentes Saatgut leisten können. Trotzdem ist es eine merkwürdige Moralvorstellung, grosse Produktionsausfälle in Kauf zu nehmen, nur um den Idealismus des Einklangs der Menschen mit der „Natur“ wieder herstellen zu wollen. Diese ist vergleichbar mit den Impfgegner*innen, welche lieber ihre Kinder aus esoterischen Gründen sterben lassen, als sie gegen gewisse Krankheiten impfen zu lassen. Fortschrittsfeindlichkeit ist genauso gefährlich wie ein blinder Fortschrittsglaube.
SchReckenholz:„Ob dies nun das Risiko ist, dass der Schädling plötzlich resistent wird gegen das eingepflanzte Gen und sich so die Schädlinge gar verbreiten…”
Diese Gefahr besteht. Es findet eine ständige Koevolution statt. Somit wird man in den meisten Fällen nie an einen Punkt gelangen, an welchem ein Problem für immer beseitigt ist. Wie die Geschichte hat wie die Evolution kein Ende. Wie das Leben, welches aus Einzeller hervorgegangen ist und heute hochkomplexe Lebensformen hervorgebracht hat, strebt auch der Mensch, welcher sich von der Natur zu emanzipieren begann, immer weiter nach vorn, um zu einer höhere Bewusstseinsebene zu gelangen. Das ist auch gut so.
SchReckenholz:„Ausserdem hat das Reckenholz in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass es wirklich sehr gute konventionelle Pflanzen gibt. Weshalb gibt man ein Geschäftsmodell auf, welches so gut funktioniert?“
Uns geht es nicht darum, ob das Reckenholz früher gute Züchtungen durchgeführt hat und heute nicht mehr. Wir stellen fest, dass sich das System nicht verändert hat und es zu einem grossen Teil dieselben Konzerne sind, welche heute gentechnisch verändertes Saatgut herstellen, wie diese, welche früher wie auch heute Pestizide und Dünger produzieren. Ihre Interessen haben sich nicht gross verändert: Das Hauptziel besteht noch immer darin, den Profit zu maximieren und den Markt zu beherrschen, unabhängig davon, was sie produzieren.
Unser Ziel war es jedoch nicht, eine naturwissenschaftliche Diskussion loszutreten, sondern die Systemfrage zu stellen. Wir halten es für unmöglich, neue Technologien zu kritisieren, ohne diese mit dem Wirtschaftssystem in Verbindung zu bringen. Es ist unmöglich, das eine vom anderen isoliert zu betrachten und so die Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Faktoren zu ignorieren. Ein kapitalistischer, transnationaler Konzern wird nur in Richtungen forschen, von welchen er sich mehr Profit erhofft.

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1 Kommentar

  1. Pingback:Gentechnik und Wissenschaft – Warum werden Argumente ignoriert? | SchReckenholz

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