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Zürich: Stoppen wir die Abbaupolitik der Regierung!

Der Zürcher Regierungsrat versucht ein weiteres Mal ein Sozialabbauprogramm in der Höhe von 1,8 Milliarden Franken durchzuboxen. Mit 125 einzelnen Sparmassnahmen – hauptsächlich in den Bereichen Gesundheit, Bildung und öffentlichem Verkehr – wagt die Regierung den nächsten Schritt in der Zerstörung des Service Public. Dieser Abbaupolitik gilt es den entschiedenen Widerstand der Beschäftigten und der Nutzer*innen des öffentlichen Dienstes entgegenzustellen.

von BFS Zürich

Beenden wir die Abbautradition im Kanton Zürich!

Wie das Knabenschiessen und das Sechseläuten sind Abbauprogramme bereits zu einer festen Tradition des bürgerlichen Zürichs verkommen. In den letzten 20 Jahren reihten sich Steuergeschenke für Reiche und Steueroptimierungen für Konzerne aneinander. Alleine zwischen 1996 und 2006 wurden Steuersenkungen von insgesamt einer Milliarde Franken durchgesetzt, die seither jährlich in der öffentlichen Kasse fehlen. Parallel dazu baute der Kanton in derselben Höhe seine öffentlichen Leistungen ab. Mit dem Sanierungsprogramm 2004, dem Massnahmenplan Haushaltsgleichgewicht 2006 sowie dem Sanierungsprogramm 2010, welches notabene erst 2014 ausgelaufen ist, wurden die Ausgaben um insgesamt 5,7 Milliarden Franken gekürzt; knapp 2/3 davon in den Bereichen Bildung (1,2 Milliarden), Gesundheit (1,1 Milliarden) und beim Personal (1,1 Milliarden). Aufgrund der auf Bundesebene geplanten Unternehmenssteuerreform III, durch die dem Kanton und den Gemeinden Millionen an Steuereinnahmen entgehen werden, sind die nächsten Abbauprogramme nach 2019 auch schon vorprogrammiert.

125 Sparmassnahmen, 1 Widerstand!

Um der Bevölkerung den Sozialabbau schmackhaft zu machen, argumentiert der Regierungsrat, dass die 125 Einzelmassnahmen so geringfügig seien, dass man sie gar nicht spüre und sie somit «verkraftbar» seien. Das ist Unsinn. Erstens zeigt sich, dass das Zürcher Bürgertum durchaus lernfähig ist. Es macht nicht mehr den gleichen Fehler wie noch anfangs der 2000er Jahre, als der Regierungsrat mit konkreten Sparplänen in einzelnen Bereichen die Angestellten gegen sich aufbrachte, sondern präsentiert die Sparmassnahmen heute als Salamischeiben. Zweitens bleibt diese Argumentation trotzdem heuchlerisch. Denn wenn man die Zitrone seit 25 Jahren dermassen stark ausgepresst hat, bleibt einem gar nichts anderes mehr übrig, als die Abbaumassnahmen in kleinsten Tranchen zu servieren. Drittens stimmt die Aussage schlichtweg nicht, dass die Sparmassnahmen verkraftbar seien. Denn z.B. sollen im Gesundheitswesen bis 2019 sagenhafte 367 Millionen Franken gekürzt werden. Und viertens sieht man bei den Abbauplänen in der Berufsbildung exemplarisch, dass auch die «kleinsten» Sparmassnahmen eine massive Verschlechterung unserer Lebens- und Arbeitssituation mit sich bringen. So beschloss der Regierungsrat im Rahmen des aktuellen Abbauprogramms auch die Unterstützungsbeiträge für die Lehrwerkstätte für Möbelschreiner (LWZ) in Zürich, für die Lehrwerkstätte für Schneider*innen in Winterthur sowie für die Mechatronik Schule Winterthur (MSW) zu streichen, was die Schliessung der beiden Lehrwertstätten und den Abbau von über 40 Lehrplätzen an der MSW zur Folge hätte. Insgesamt würden dadurch über 130 Lehrstellen und dutzende Arbeitsplätze verschwinden.

Für die Abschaffung der Ausgabenbremse!

Zur Begründung der Sparpakete versteckt sich die Regierung jeweils hinter der Kantonsverfassung und meint, dass sie gesetzlich zu den Abbaumassnahmen gezwungen sei. Denn seit 2001 ist die Abbaupolitik in Form einer Ausgabenbremse in der kantonalen Verfassung verankert. Das bedeutet, dass die Regierung gezwungen ist am Ende einer Rechnungsperiode (aktuell bis 2019) ein positiver Saldo der Kantonsfinanzen vorzuweisen. Falls dieses Ziel gefährdet ist und ein Minus droht, muss der Regierungsrat Massnahmen zur dauerhaften Senkung der Ausgaben – sprich ein Abbauprogramm – einleiten, wie es aktuell gerade geschieht.
Diesen vom Bürgertum der Bevölkerung auferlegten «Zwang» zur Durchsetzung seiner Interessen gilt es zu durchbrechen. Denn was eingeführt wurde, kann auch wieder abgeschafft werden!

Nein zu absichtlich falschen Budgets!

Wenn die Zürcher Regierung neue Sparmassnahmen ankündigt, verweist sie jeweils auf ihr Budget, welches fast immer finanzielle Engpässe prognostiziert. Dies ist problematisch, denn die Kantone beurteilen ihre finanzielle Lage systematisch als zu pessimistisch, wie der Schweizerische Gewerkschaftsbund in einem Bericht von 2015 belegt. Beim Kanton Zürich liegt der durchschnittliche Budgetierungsfehler seit 1999 bei unglaublichen 5,6 Prozent. Die Finanzdirektion des Kantons budgetiert also mutwillig öffentliche Defizite, welche die Regierung anschliessend dazu veranlassen eine neue Abbaurunde einzuleiten («Politik der leeren Kassen»).

Öffentliche Defizite…

Was bei dieser Diskussion nie erwähnt wird, ist, dass öffentliche Defizite tief in der Logik der kapitalistischen Produktionsweise verwurzelt sind und die «Politik der leeren Kassen» somit nur ein Mittel zur Durchsetzung der Interessen der Unternehmen und der Regierung ist.
Denn erstens werden in der kapitalistischen Gesellschaft die Kosten (für Bildung, Transport, Infrastruktur etc.) von der Allgemeinheit getragen. Die Profite hingehen werden von privaten Unternehmen angeeignet. Zweitens unterliegt die kapitalistische Wirtschaft regelmässigen Schwankungen. Das führt dazu, dass in jedem konjunkturellen Abschwung die Kosten für die öffentliche Hand ansteigen (u.a. für Arbeitslosenhilfe) und die Einnahmen sinken (z.B. von Konsum- und Einkommenssteuern). „Gesunde Staatsfinanzen“, wie sie das Bürgertum immer fordert, kann es demnach aus strukturellen Gründen in einer kapitalistischen Gesellschaft längerfristig nicht geben.

…werden absichtlich gemacht!

Zudem werden die öffentlichen Defizite bewusst von denjenigen Kreisen herbeigeführt und in Kauf genommen, welche später wiederum vor ihnen warnen und sie als Begründung für die geplanten Abbaumassnahmen beiziehen. Abgesehen von den Steuersenkungen und den permanenten Angriffen auf die Löhne, was logischerweise zu Mindereinahmen für den Staat führt, trägt die typische kapitalistische Krisenhilfe – nämlich die Verluste der privaten Unternehmen zu sozialisieren und von der lohnabhängigen Bevölkerung bezahlen zu lassen – nicht unwesentlich dazu bei, dass Löcher in den Staatskassen entstehen. Das berühmteste Beispiel dieser Art ist dasjenige der UBS, welche 2008 mit öffentlichen Geldern gerettet wurde und bis 2015 in der Stadt und im Kanton Zürich keine Gewinnsteuern mehr bezahlte.
Aber auch die durch Börsenspekulation im Zuge der Finanzkrise 2007/08 ins Wanken geratene Pensionskasse der Zürcher Kantonsangestellten BVK wurde mittels öffentlichen Geldern saniert. Die Sanierungskosten dienen nun wiederum als Rechtfertigung für die aktuellen Abbaumassnahmen, wie Ernst Stocker [SVP], Finanzdirektor des Kantons Zürich, am 2. September 2016 bei der Präsentation des Budgets 2017 nochmals betonte.

Nein zu Privatisierungen!

Ernst Stocker und seine Regierungsratskollegen sind nicht einfach budgettreue, sparsame und verantwortungsvolle Politiker, welche im Interesse der Bevölkerung des Kantons ihren Job ausführen. Die Abbaupolitik des Regierungsrates verfolgt ganz bestimmte Ziele im Sinne der Unternehmen und der herrschenden Kreise.
Neben Steuersenkungen für Unternehmen und Superreiche, welche den Abbauprogrammen jeweils vorausgehen, dient die Abbaupolitik auch dazu, den Unternehmen neue profitable Anlage- und Investitionsmöglichkeiten zu schaffen. Denn der Abbau von öffentlichen Dienstleistungen bedeutet nicht einfach deren Verschwinden, vielmehr werden sie in der Folge von privaten Unternehmen übernommen. Die Abbaupolitik geht also mit einer Welle von Privatisierungen und Liberalisierungen einher, die zum Ziel haben, privaten Unternehmen neue Märkte und somit zusätzliche Einnahmequellen zu eröffnen. Am krassesten zeigen sich diese Privatisierungstendenzen im Gesundheitswesen (Spitäler, Spitex etc.). So will der Regierungsrat z.B. die Integrierte Psychiatrie Winterthur (IPW) in eine Aktiengesellschaft umwandeln und somit privaten Investoren zum Frass vorwerfen.
Ein weiteres aktuelles Beispiel dieser Privatisierungslogik findet sich ausserdem bei den zwei kantonalen Lehrwerkstätten für Schreiner*innen und Schneider*innen. Nachdem der Regierungsrat im April 2016 die Streichung der Unterstützungsbeiträge angekündigt hat, machten sich die Chefs der Lehrwerkstätten – in Absprache mit den jeweiligen Arbeitgeberverbänden – auf die Suche nach «privaten Trägerschaften». Dass die Leidtragenden dieser Privatisierungsvorhaben die Lehrlinge sein werden, liegt auf der Hand. Markus Bosshard, der Chef der Lehrwerkstätte für Schreiner*innen, für den die Privatisierung auch ein beruflicher Aufstieg bedeuten könnte, da er danach immerhin Direktor einer privaten Firma wäre, gab auch offen zu, dass man Einsparungen vornehmen könnte, indem man Lehrstellen streiche oder gar Lehrlingslöhne kürze!

Die Bewegung muss weitergehen!

Unsere Antwort auf diesen Klassenkampf von oben kann nur in der gemeinsamen Vernetzung und Mobilisierung der Beschäftigten und der Nutzer*innen des Service Public zu finden sein. Das Bündnis «Abbau stoppen», in dem sich Gewerkschaften, Schüler*innenvereine, linke Parteien und Organisationen sowie einzelne Beschäftigte des öffentlichen Dienstes zusammengeschlossen haben, kann hierfür ein Ansatzpunkt darstellen. Als weiteren Schritt sollten wir versuchen Forderungen zu entwickeln, die einer weitergehenden Mobilisierung gewisse Perspektiven aufzeigen können. Zwei Ziele sind uns dabei wichtig: Erstens wollen wir eine echte Steuerreform:

  • Steuerhinterziehung rigoros bekämpfen
  • Steuerschlupflöcher stopfen
  • Kapitalsteuern und Erbschaftssteuer erheben
  • Steuern auf Schweizer Niveau harmonisieren
  • Mehrwertsteuer abschaffen

Indem wir das Kapital zur Kasse zwingen, können wir das Kräfteverhältnis auf dieser Ebene zu unseren Gunsten verschieben und uns zurückzuholen, was uns eh gehört!
Zweitens muss der Service Public ausgebaut werden und unter die Kontrolle der Beschäftigten und Nutzer*innen gestellt werden!
Dieser Text wird am 28. September 2016 als Flyer an der Demonstration gegen die Sparpolitik der Zürcher Regierung verteilt.

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