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Die neue Anti-Choice-Attacke unter Trump

Seit der globalen Wirtschaftskrise 2008 und der darauffolgenden zunehmenden Erstarkung von rechten Parteien wurden auch für selbstverständlich angenommene Rechte wie das Recht auf Schwangerschaftsabbruch zunehmend von reaktionären Bewegungen torpediert. Ob in Spanien, Irland oder zuletzt in Polen, überall gab es massive Angriffe, aber auch entschlossenen Widerstand von Frauen gegen den Zugriff auf ihren Körper. In den USA werden unter der Administration von Donald Trump die Angriffe auf die Reproduktionsrechte zunehmen, sogar ein gänzliches Verbot von Abtreibungen scheint nicht mehr ausgeschlossen. Die Einführung eines neuen Gesetzes in Ohio ist der Beweis, dass nur ein organisierter Widerstand die Angriffe der Trump-Administration auf die Abtreibungsrechte verhindern kann. (Red.)

von Nicole Colson; aus socialistworker.org

Nachdem ein Mann ins Weisse Haus gewählt wurde, der öffentlich mit von ihm begangenen sexuellen Belästigungen und Gewalt prahlt, versuchen die Republikaner nun das Momentum des Wahlsiegs Donald Trumps für einen fundamentalen Angriff auf das Recht von Frauen über die Kontrolle ihres eigenen Körpers zu nutzen. Der Gouverneur von Ohio, John Kasich, ebnete dabei den Weg, indem er ein Gesetz unterschrieb, das Abtreibungen nach der 20. Schwangerschaftswoche verbietet, ohne jegliche Ausnahmen für Opfer von Vergewaltigungen oder Inzest und mit nur extrem beschränkten Ausnahmen bei Gefährdung der Gesundheit der Frauen. Mit dem Verbot können Ärzt*innen, welche nach der 20. Schwangerschaftswoche eine Abtreibung vornehmen mit Gefängnisstrafen belegt werden. Das Gesetz spricht von der fälschlichen Annahme, dass ein Fötus nach der 20. Woche Schmerz empfinden würde. Fast unglaublich scheint es, dass das Verbot nach 20 Wochen als „softere“ Option gegenüber einem anderen Gesetz gilt, welches vom Gouverneur Kasich per Veto verhindert wurde und welches Schwangerschaftsabbrüche nach der sechsten Woche verboten hätte. Dieses sogenannte „heartbeat-Gesetz“ wurde damit begründet, dass in der sechsten Schwangerschaftswoche der Herzschlag des Fötus einsetze. Dieses Gesetz wurde vom Senat in Ohio mit deutlicher Mehrheit verabschiedet, doch der Gouverneur Kasich legte sein Veto ein, da das Gesetz „klar der momentanen Rechtsprechung des Obersten Gerichthofs in Abtreibungsfragen widersprechen würde.“ Doch wie in der Vergangenheit hat dies die rechten Abtreibungsgegner nicht gestoppt. Vielen Frauen ist in der sechsten Woche gar nicht bewusst, dass sie schwanger sind und selbst wenn Frauen von der Schwangerschaft erfahren, würden sie aufgrund von prohibitiven Kosten, fehlenden ärztlichen Stellen, Wartezeiten oder dem obligatorischen Beratungsgespräch die Frist verpassen.
Derartige Restriktionen, die einen Schwangerschaftsabbruch de facto unmöglich machen, gehören zu einer expliziten Strategie der rechten Abtreibungsgegner, die hunderte derartige Massnahmen auf der Ebene der Bundesstaaten seit der bekannten Entscheidung des Obersten Gerichthofs im Fall Roe gegen Wade im Jahr 1973, welcher Schwangerschaftsabbrüche legalisierte, durchsetzen.[1] Die Attacken eskalierten unter der Obama-Administration: Gemäss New York Times [2] wurden in den letzten fünf Jahren in 32 Bundesstaaten total 334 neue restriktive Abtreibungsgesetze erlassen. Ohio ist der insgesamt 18. Staat, der ein Verbot nach 20 Wochen einführt – auch wenn in Arizona und Idaho die Gesetze durch Gerichtsentscheide zurückgenommen wurden. Wie die Anwältin und Autorin Jill Filipovic in der Times schrieb [3], ist Kasichs Unterzeichnung des 20-Wochen-Verbots kein „moderater Kompromiss“, wie viele Medien es darstellten. Vielmehr sehen es Anti-Choice-Aktivist*innen als ein Sprungbrett, um die Roe gegen Wade-Gesetze zu stürzen. Es geht darum, dass mit dem 20-Wochen-Limit die Grenzen der Definition von fötaler Überlebensfähigkeit gedrückt werden soll. Diese Definition ist nach dem Obersten Gerichtshof das entscheidende Kriterium, um Frauen eine Abtreibung zu verbieten. Weniger als ein Prozent der Schwangerschaftsabbrüche werden nach der 20. Woche vollzogen, kein Fötus der nach 20 Wochen frühgeboren wurde, hat je überlebt. Filipovic bemerkt, dass die Strategie von Anti-Choice-Aktivisten wie Kasich darin bestehe, Abtreibungen zu späteren Schwangerschaftszeitpunkten zu verleumden.
„[…]Moralisch absolut unhaltbar ist schlussendlich das gemeinsame Ziel von allen „Pro-Life“-Organisationen in den USA: ein komplettes Abtreibungsverbot. Doch sie starten vorerst damit Frauenrechte derart zu beeinträchtigen, dass es den meisten Amerikaner*innen als akzeptabel erscheint. […] Das eigentliche Ziel dieses Gesetzes ist klar: Es geht nicht darum Frauen zu schützen oder sich um ihre Gesundheit zu kümmern; es geht darum, die Frage der Abtreibung wieder auf der obersten rechtlichen Instanz, dem Obersten Gerichtshof, verhandeln zu lassen.“
Und mehr restriktive Gesetzgebungen auf bundesstaatlicher Ebene sind geplant: In Texas, wo der Oberste Gerichtshof im Juni noch ein Anti-Choice-Gesetz kippte, dass alle bis auf acht der staatlichen Abtreibungskliniken geschlossen hätte, versprach der republikanische Abgeordnete Jonathan Stickland, dass es 2017 zu einem regelrechten Ansturm von „Pro-Life“-Gesetzen kommen werde.[4] Und Stickland ist nicht alleine: Anti-Choice-Gruppen und republikanische Abgeordnete sehen den Möglichkeiten unter einer Trump Administration lüstern sabbernd entgegen, speziell der wahrscheinlich mehrfachen Ernennungen von neuen Richtern für das Oberste Gericht, was die Roe Gesetzgebung von 1973 endgültig beseitigen soll.
Bevor Kasich das Veto gegen das Gesetz einlegte, zeigte sich die Abgeordnete Christina Hagan von den Republikanern, die das 6-Wochen-Verbot befürwortete, erstaunt, dass das Gesetz im Senat durchkam. Sie sagte der New York Times, dass die Wahl von Präsident Trump die Dynamiken stark verschoben habe. Sie habe diesen Sieg zuvor nicht kommen sehen.
Für Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch wollen, werden die Folgen verehrend sein. Ein besorgniserregendes Zeichen kam aus Tennesse, wo nur vier der 95 Bezirke einen Abtreibungs- Anbieter haben. Eine Frau namens Anna Yocca wurde dort kürzlich für drei Verbrechen angeklagt[5]: Angriff mit einer Waffe, versuchte Einleitung einer Fehlgeburt und versuchte illegale Abtreibung. Sie benutze einen Kleiderbügel im Versuch einer selbst induzierten Abtreibung in der 24. Schwangerschaftswoche. Die Gesetzesverstösse, denen sie angeklagt wurde, waren theoretisch dafür gedacht, Frauen von skrupellosen, dubiosen Abtreibungsanbietern zu beschützen. Dass sie benutzt werden gegen den Versuch einer Frau, ihre eigene Schwangerschaft zu beenden, signalisiert eine beängstigende neue Form der Attacken auf das Wahlrecht der Frauen. Und Yoccas Fall steht in einer Linie mit der Verfolgung von Purvi Patel für „Fetozid“ im Jahr 2013. Patel versuchte angeblich in Indiana eine Abtreibung selbst durchzuführen, was ihre Anwälte bestreiten. Indiana ist die Heimat des neuen Vize-Präsidenten Mike Pence. Patel wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt und sass monatelang im Gefängnis, bis ein Berufungsgericht 2016 schliesslich ihre Verurteilung zurücknahm.
Solche Fälle zeigen, dass Donald Trumps Wahlkampfrhetorik von rechtlicher Bestrafung von Frauen, die eine Abtreibung vornehmen, teilweise bereits erschreckende Realität ist, und wahrscheinlich unter seiner Administration eskalieren wird. „So stark war die ‚Pro-Life‘-Bewegung seit 1973 nicht mehr“, sagte Marjorie Dannenfelser, Präsidentin der Anti-Abtreibungsorganisation „Susan B. Anthony List“ letzten Monat in der New York Times. Dannenfelser fügte an, dass Trump sich im Wahlkampf ihr gegenüber schriftlich äusserte und angab, Abtreibungsgegner in den Obersten Gerichtshof einsetzen zu wollen. Ausserdem habe er sich zu einem nationalen 20-Wochen-Verbot wie in Ohio bekannt, sowie den Willen bekundet, staatliche Gelder für die non-profit Organisation „Planned Parenthood“ einzufrieren, solange es in ihren Kliniken zu Abtreibungen komme. Ausserdem wolle er das sogenannte „Hyde Amendment“ verstetigen, welches jährlich vom Kongress bestätigt werden muss und welches untersagt Steuergelder für die Finanzierung von Abtreibungen zu gebrauchen.
Nancy R. Starner, Direktorin für Entwicklung und Kommunikation der grössten Abtreibungsklinik in Cleveland „Preterm“, sagte der New York Times, dass nach dem Tag, als das 6-Wochen-Verbot in Ohio durchkam ihre Telefone heissliefen, hauptsächlich mit der einfachen Frage: „Sind Schwangerschaftsabbrüche noch erlaubt in Ohio“? Das ist die Agenda von Trump und der Rechten: die Kriminalisierung des Rechts von Frauen auf den eigenen Körper. Dagegen müssen wir ankämpfen! Eine neue Bewegung, die das Recht auf Abtreibung kompromisslos verteidigt, wird von unten nach oben herauf gebildet werden müssen, um weitere Restriktionen zu bekämpfen sowie einige Errungenschaften, die seit den 1970er Jahren verloren gegangen sind, zurückzuerobern. Dies ist durchaus möglich: Wie die New York Times schreibt, gab es seit dem Durchkommen des 6-Wochen-Verbots im Senat in Ohio tausende von Protesten, wütenden Briefen und Anrufe gegen das Gesetz. Aktivist*innen hängten Transparente an Drahtbügeln an das Regierungsgebäude in Ohio. Die Drahtbügel sollen an die frühere enorm unsichere Zeit von Abtreibungen erinnern. „Wir gehen nicht zurück“, heisste es auf einem Transparent. Auf diesem Widerstand können wir aufbauen, um die Angriffe von rechts zurückzuweisen, die unter der Trump-Administration noch zunehmen werden!
[1] ‚Jane Roe’ war das Pseudonym einer jungen Frau, die 1970 stellvertretend für eine ganze Bewegung (‚Jane Roe‘ ist im Deutschen vergleichbar mit ‚Hans Muster‘) gegen das texanische Verbot des Schwangerschaftsabbruches klagte. Henry Wade war Staatsanwalt von Dallas. Die Sammelklage wurde an den Obersten Gerichtshof der USA verwiesen. Dieser entschied am 22. Januar 1973, dass die Abtreibungsgesetze des Staates Texas das Recht der Frauen verletzen, über die Fortführung oder Beendigung einer Schwangerschaft selbst zu entscheiden. Er beschied: Gesetzliche Abtreibungsver- und -gebote sind im ersten Trimester der Schwangerschaft gar nicht, im zweiten Trimester nur eingeschränkt möglich, im dritten Trimester zulässig, solange nicht Leben oder Gesundheit der Schwangeren auf dem Spiel stehen. Solche Präzedenzfälle sind im Justizsystem der USA von entscheidender Bedeutung.
[2] http://www.nytimes.com/2016/12/09/opinion/whittling-away-abortion-access.html
[3] http://time.com/4608454/john-kasich-ohio-abortion-ban/
[4] http://www.nytimes.com/2016/12/11/us/abortion-foes-donald-trump-restrictions-politics.html
[5]http://www.slate.com/blogs/xx_factor/2016/11/17/tennessee_woman_charged_with_three_felonies_for_coat_hanger_abortion.html
Übersetzung durch BFS Jugend Zürich.

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