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Die Klimabewegung ist am Scheideweg

Die Klimabewegung steht an einem Scheideweg. Auf der einen Seite lockt die Akzeptanz durch die Elite und Eingliederung in die herrschende Hegemonie. Auf der anderen Seite steht der steinige Weg, eine Klimabewegung von unten aufzubauen und sich auf eine Linke zu stützen, welche durch jahrzehntelange Niederlagen kaum noch in einem grösseren gesellschaftlichen Rahmen aktionsfähig ist. Macht euch aber keine Illusionen! Diese Frage wird über kurz oder lang immer drängender und ihre Auflösung entscheidet über die Zukunft dieser Bewegung und damit zum Teil auch über die Zukunft der Menschheit. Aber fangen wir von vorne an.

von BFS Basel

1956 hat Gilbert Plass die ersten Berechnungen zum Klimawandel und den Treibhausgasen vorgelegt. Seitdem haben sich die Anhaltspunkte für einen Klimawandel massiv verdichtet. Seit 1958 messen wir systematisch die Entwicklung der CO2- Konzentration in der Atmosphäre und diese Zahlen sprechen für sich: Nichts ist passiert; die globalen Emissionen sind weder zurückgegangen, noch wurden sie in ihrer Zunahme gebremst. (1) Nein, es scheint fast so, als könne oder wolle unsere Politikelite keinen Einfluss auf die Entwicklung nehmen!

Untaugliche Strategien

Auch der Klimavertrag von Paris ist kein Schritt in die richtige Richtung. Es fängt beim Ziel an, die Erwärmung bei „weit unter 2°C zu belassen“. Was jedoch „weit unter“ bedeutet, ist der Interpretation der Staaten überlassen. In den Medien hören wir meist nur noch vom Zwei-Grad-Ziel, obwohl sich Wissenschaftler*innen einig sind, dass 2 Grad Celsius Erderwärmung unabsehbare Folgen mit sich bringen könnte.
Selbst mit den in Paris vorgeschlagenen freiwilligen Reduktionszielen steuern wir auf eine Erwärmung von 2.7-3 °C zu. Hier sprechen wir aber vom „best case Szenario“, bei dem alle Länder ihre Zielvorgaben einhalten. Der Ausstieg der USA aus dem Klimaabkommen ist in diesem Szenario somit nicht eingerechnet. Doch selbst in diesem besten aller Szenarien sind wir weit von den 2°C entfernt und wir wissen nicht, woher die restliche Einsparung kommen soll.
Es geht hier aber nicht um ein technisches Problem oder, wie so viele Medien uns vormachen wollen, um eine Energiewende, die jetzt dann bald mal kommen sollte. Diese Kommentator*innen übersehen gewollt die Verknüpfung der Klimakatastrophe mit vielen anderen globalen Konflikten. So ist der Ausstoss von CO2 eng verknüpft mit der Wirtschaftsleistung eines Staates und teilweise auch mit dem Wohlstand der Gesellschaft. Wir können diese Verknüpfungen lange kritisieren, dennoch bleiben sie in einer kapitalistischen Weltordnung, bei der es zuallererst um die Vermehrung des Reichtums geht, bestehen.
Auch der Zugang zu Technologien, Wissenschaft und Ressourcen muss gegeben sein, um überhaupt CO2-Reduktionen vorzunehmen.
Das Kyoto-Protokoll sah nur für die Industrieländer verbindliche Reduktionen vor. Als Basis der Rechnung diente der Emissionsausstoss von 1990. Das bedeutet, wer bis dahin eine grosse Industrie hatte, durfte von dieser auch weiterhin profitieren. Eine gerechte Variante wie beispielsweise CO2-Emissionslimiten basierend auf der Anzahl Einwohner wurde nie angedacht. Darum führen die Klimaverhandlungen auch zu nichts, weil die Industrieländer mit aller Macht versuchen, ihre Vormachtstellung zu bewahren. Denn eines ist klar: Die Welt verträgt es nicht, wenn alle so viel Energie konsumieren wie in den westlichen Ländern durchschnittlich verbraucht wird. Aber eine gerechte Verteilung der Ressourcen und des Reichtums zum Schutz des Klimas steht auf keiner internationalen Agenda, nicht einmal auf derjenigen der fortschrittlichsten Regierungen.

Die Klimabewegung

Glücklicherweise sind es nicht nur Staaten und internationale Gremien, die über unsere Zukunft entscheiden. Immer mehr Menschen sehen eine Diskrepanz zwischen der Dringlichkeit des Problems und den tatsächlichen Taten und lassen sich von schönen Worten nicht mehr blenden.
Die Klimabewegung hat eine lange und bewegte Tradition, ist aber als solches gar noch nicht so alt. Ein kleiner Abriss ihrer Geschichte in den letzten Jahren: Die ersten grösseren Aktionen, die man zum neuen Zyklus der Klimabewegung zählen könnte, sind die Aktionstage und der Climate March in Kopenhagen anlässlich des COP16-Gipfels. Um den Gipfel trotz der Proteste durchzuführen, stützten sich die Behörden auf ein Gesetz namens „Lümmelpaket”, welches die Festnahme von Menschen ermöglichte, ohne dass ihnen eine Straftat vorgeworfen wurde. Dies wurde dann auch massenhaft angewandt und über 2000 Menschen wurden ihrer Freiheit beraubt. Dennoch hat sich die Bewegung nicht einschüchtern lassen; hunderttausende nahmen am Climate March teil.
Der nächste grosse Event war 2014 der Peoples Climate March in New York mit mehr als dreihunderttausend Teilnehmer*innen. Die Medien, speziell die US-amerikanischen, berichteten an diesem Tag über andere Themen.
Darauf folgte 2015 der COP21-Gipfel in Paris, wobei Anschläge in Paris dazu benutzt wurden, jegliche Demonstration zu verbieten. Dem trotzten tausende Aktivist*innen und haben beispielsweise die Climate Games durchgeführt.
Die nächste Stufe war die Break Free Bewegung, bei welcher 2016 mit Aktionen in den USA, England, Deutschland, Australien, Afrika, Indonesien und den Philippinen mehr Menschen gleichzeitig an widerständigen Aktionen teilgenommen haben als jemals zuvor: von tausenden Aktivist*innen in der Kohlegrube von RWE bis zu australischen Indigenen, die mit dem Kanu die Kohleausfuhr aus Newcastle blockierten.
In diese Reihe aufgenommen werden kann auch der Protest der Sioux IndianerIinnen in Dakota und ihrer Verbündeten. Dieser Protest musste noch unter Obama mit massiver Repression niedergeschlagen werden. Dabei war auch die Anti-Terrorismus-Sicherheitsfirma „Tiger Swan“ beteiligt, welche gegen die #nodapl-Bewegung eingesetzt wurde. Laut Berichten verglichen ihre Angestellten die Aktivist*innen mit afghanischen Jihadisten.
Wir sehen also eine Entwicklung einer Klimabewegung, die schon jetzt eine gewisse Radikalisierung durchgemacht hat und wir sehen auch eine massive Repression von staatlicher Seite, um die Bewegungen von unten zu unterdrücken. Auch in Zukunft wird das Thema Klima nicht verschwinden, sondern im Gegenteil immer brennender werden. Das Thema wird mit jedem Monat dringender und es ist weit und breit keine Lösung in Sicht.

Was kann die Linke tun?

Jeder Mensch, jede Gruppe oder NGO, die sich wirklich für das Klima einsetzen, wird diese Diskrepanz zwischen erforderlichen Schritten und den tatsächlich unternommenen Taten mehr und mehr spüren. Und hier kommt die radikale Linke ins Spiel. Auf der einen Seite müssen wir die Frage aufwerfen, ob der bisherige Weg verlassen werden soll, auf der anderen Seite müssen wir andere Arten des Kampfes aufzeigen. Das Projekt der Climate Games in Basel geht hier in ein paar zentralen Punkten einen vernünftigen Weg:
Erstens wollen wir Menschen in den Kampf integrieren; Menschen sollen merken, dass sie nicht ganz alleine sind in ihrem Kampf für eine klimagerechte Welt. Indem wir die Aktionsformen offen lassen, von Infostand über Strassentheater bis zur Blockade allem Raum bieten, eröffnen wir einer grossen Anzahl an Menschen die Teilnahme. Wir müssen ein Auge darauf haben, dass wir nicht die radikaleren Aktionen gegen andere Arten ausspielen, sondern wir müssen zu einem produktiven Zusammenspiel zwischen verschiedenen Aktionsformen finden.
Zweitens ist die Art, wie die Climate Games aufgebaut sind, eine Absage gegenüber einer reinen Appellation an die Parlamente. Die radikale Linke muss in jedem Kampf Wert darauflegen, dass Menschen ihre Zukunft in die eigenen Hände nehmen. Ganz nach dem alten Motto „Es rettet uns kein höheres Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun“. Keine Bundeskanzlerin, kein Parlament, keine UN-Klimakonferenz werden uns einen Schritt weiterbringen, das können wir nur selber tun. Die Klimakatastrophe kann und wird nur durch eine Bewegung von unten abgewendet werden. Wir müssen Aktionsformen wählen, die keinen Zweifel daran lassen, dass wir das Vertrauen in all diese Instanzen verloren haben.
Drittens müssen wir Verbindungen zu anderen Kämpfen suchen und daraus starke Bündnisse schmieden. Es wird keine Klimabewegung von unten geben, wenn sie nicht viele andere Kämpfe miteinschliesst. Eine klimagerechte Welt ist undenkbar ohne eine ökonomische Umverteilung; diese wiederum ist verknüpft mit einem Ende von Ausbeutung, Krieg und imperialistischer Einflussnahme durch die mächtigeren Staaten.
Dies ist der Scheideweg, vor welchem die Klimabewegung heute steht, an ihm wird sich viel entscheiden. Ein Hinwenden zu einer systemkritischeren Argumentation muss zusammenhängen mit einer Weiterentwicklung unseres Protests. Schliesslich müssen wir unsere Beziehung zur UNFCCC (2) und all den UN-Klimagipfeln überdenken. Bis anhin haben wir auf Erfolge dieser Gremien gehofft und symbolische rote Linien aufgebaut. Diese Hoffnungen wurden bitter enttäuscht. Wann ist die Klimabewegung an einem Punkt, an dem sie dieses Gremium offen kritisiert als eine Schwatzbude ohne Einfluss und als Mittel, die Illusion aufrecht zu erhalten, die Staaten würden doch etwas tun?
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1 Siehe bspw. Climate Change 2014 Synthesis Report
2 UNFCCC: United Nations Framework Convention on Climate Change. Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen.

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