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Argumentarium gegen die Altersvorsorge2020

Die “Reform” der Schweizer Altersvorsorge, über die am 24. September 2017 abgestimmt wird, ist unsozial, sexistisch und verschlechtert die Lage der jetzigen RentnerInnen. Wir veröffentlichen hier das Argumentarium der Bewegung für den Sozialismus, in welchem wir darlegen, warum die “Reform” abzulehnen ist. (Red.)

von BFS/MPS

Die Altersvorsorge2020 ist unsozial und unsolidarisch

Am 24. September 2017 wird über die «Reform» der Altersvorsorge abgestimmt. Trotz Bekräftigungen durch bekannte Persönlichkeiten aus der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften, allen voran durch SP-Bundesrat Alain Berset und durch den Präsidenten des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) Paul Rechtsteiner, ist diese Reform unsozial. Sie benachteiligt insbesondere die Frauen, die sowieso schon eine viel tiefere Rente (inklusive BVG und weitergehende zweite Säule) erhalten, als die Männer.
So soll das Rentenalter für Frauen von 64 auf 65 Jahre erhöht werden, als weiteren Schritt in Richtung Rentenalter 67 für alle, was die Bürgerlichen schon lange fordern. Auch der Umwandlungssatz in der 2. Säule, mit dem die Höhe der Pensionskassenrente bestimmt wird, soll von 6,8 Prozent auf 6 Prozent gesenkt werden, obwohl eine Senkung 2010 an der Volksabstimmung klar abgelehnt wurde. Zwar soll die AHV um 70 Franken für Neurentner*innen steigen, was von sozialliberalen Kreisen als grosse Errungenschaft gefeiert wird. Allerdings wird dieser sehr kleine Fortschritt durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer und den fehlenden Ausbau der Ergänzungsleistungen weitgehend zunichtegemacht.
Sogar die Konsumentenzeitschrift K-Tipp, die nicht unbedingt als klassenkämpferisches Blatt bekannt ist, fasst die Reform in ihrem Artikel am 22. März 2017 wie folgt zusammen: «Fazit: Von der Reform profitieren die Pensionskassen, die Versicherungen und die Bundeskasse. Die Schweizer Bevölkerung zahlt durchs Band mehr und erhält weniger.»

Die Altersvorsorge2020 ist unsicher und undemokratisch

Die 1. Säule (AHV) ist solidarisch, unsexistisch, universell und umverteilend, denn sie funktioniert nach dem Umlageverfahren. Deshalb muss eine sichere und solide AHV an vorderster und mittelfristig einziger Stelle stehen. Die 2. Säule (Pensionskassen) hingegen ist unsozial und erhöht die Individualisierung sowie – infolge des Beitragsprimats (im Gegensatz zum Leistungsprimat) – die Unvorhersehbarkeit der zukünftigen Renten.
Jede «Reform» der Altersvorsorge, welche die Macht der Pensionskassen nicht einschränkt und dafür gleichzeitig die AHV grundlegend ausbaut, widerspricht den Interessen der lohnabhängigen Mehrheit der Bevölkerung.

Die Altersvorsorge2020 ist sexistisch

Die «Reform» benachteiligt Frauen. Sie sieht vor, das Rentenalter für die Frauen von 64 auf 65 Jahre zu erhöhen. Die Erhöhung kommt zur allgemeinen Schlechterstellung der Frauen bei der Altersvorsorge hinzu. Denn die Frauen haben aufgrund der Diskriminierungen in der beruflichen Laufbahn und den aufgezwungenen Teilzeitjobs mit ihren „Mini“-Löhnen schon jetzt eine viel tiefere Rente als die Männer. Zudem sind Frauen hauptsächlich für die unentlöhnte – und somit nicht sozialversicherungspflichtige – „Hausarbeit“ „zuständig“, was sich ebenfalls negativ auf die Rentenhöhe auswirkt.

Trotz der Altersvorsorge2020 wird sich die Lage der jetzigen Rentner*innen verschlechtern

Die Befürworter*innen schreiben, dass die «Reform» keine Konsequenzen für die jetzigen Rentner*innen hätte, da sie weder von der Senkung des Umwandlungssatzes betroffen sind, noch in den Genuss des 70-Franken-Zuschlags kommen, welcher nur für Neurentner*innen vorgesehen ist. Die effektive Kaufkraft der jetzigen Rentner*innen wird aber wegen der Erhöhung der unsozialen Mehrwertsteuer, den steigenden Gesundheitsausgaben sowie den steigenden Preisen diverser Güter sinken. Die bereits jetzt unzureichenden Ergänzungsleistungen werden so bleiben, obwohl die AHV im Vergleich zum historisch proklamierten Ziel («Die Renten der AHV müssen den Existenzbedarf angemessen decken.») unzulänglich bleibt. Dabei leben bereits jetzt mehr als 30 Prozent der aktuell 2,3 Millionen Rentner*innen in finanziell schwieriger Lage.

Die Altersvorsorge2020 schafft zwei Kategorien von Rentner*innen

Mit der Altersvorsorge2020 werden zwei Kategorien von Rentner*innen geschaffen: die bereits pensionierten und die zukünftigen Rentner*innen, die den Zuschlag von 70 Franken erhalten werden. Die Gleichbehandlung der Menschen in Bezug auf die AHV ist aber eine der Grundlagen der 1. Säule. Die Schaffung von mehreren Kategorien von Rentner*innen widerspricht also einer solidarischen Altersvorsorge und somit den Prinzipien der AHV.

Die Altersvorsorge2020 stellt einen Angriff auf unsere Löhne dar

Die Altersvorsorge2020 stellt auch einen weiteren Angriff auf unsere Löhne dar. Nur weniger als die Hälfte der Mehreinnahmen für die AHV sind erhöhte Beiträge; der Rest rührt von der erhöhten, unsozialen Mehrwertsteuer und den individualistischen, unsolidarischen höheren BVG-Beiträgen her. Die Sozialversicherungen (AHV/IV/ALV/EO) sind keine generösen Geschenke des Staates, sondern sie sind ein Teil unseres Lohnes. Diese indirekten Lohnbestandteile werden schliesslich auf der Lohnabrechnung als solche ausgewiesen. Und deshalb sind Leistungskürzungen und Angriffe auf das Recht, solche Leistungen zu beziehen, immer auch indirekte Angriffe auf unsere Löhne.

Die Altersvorsorge2020 zementiert die Macht der Pensionskassen

Die neue «Reform» tastet die Macht der kränkelnden Pensionskassen nicht im Geringsten an. Jene Hälfte der Versicherten, die indirekt durch die Privatversicherungen BVG-versichert sind, werden munter weitergeschröpft. Dank dem einzigartigen System der «Mindestquote», das den Privatversicherungen einen gesetzlich festgeschriebenen Teil am Ertrag der 2. Säule zusichert, werden die Privatversicherer weiterhin jährlich 600 Millionen Franken des von den Lohnabhängigen geschaffenen Reichtums einstreichen können.

Das «kleinere Übel» bleibt ein Übel

Die Altersvorsorge2020 bringt sowohl für jetzige Rentner*innen, als auch für Neurentner*innen nur Verschlechterungen. Selbst SP-Bundesrat Alain Berset, Vater der aktuellen «Reform», gab unumwunden zu: «Dieses Paket enthält viele Massnahmen, die von bürgerlicher Seite jahrelang gefordert worden sind: das Frauenrentenalter 65, die Senkung des Umwandlungssatzes oder der AHV-Interventionsmechanismus. Alles ist drin!» (NZZ, 21. November 2014).
Trotzdem behaupten die Befürworter*innen der «Reform», dass man aufgrund des gegenwärtigen Kräfteverhältnisses Ja sagen müsse, da ansonsten eine noch schlechtere Reform kommen würde. Die Politik des vorauseilenden Gehorsams und der Akzeptanz des kleineren Übels ist eine Sackgasse: Sie verschlechtert nicht nur ganz konkret die Lebensbedingungen der Lohnabhängigen, sondern schwächt die Linke auf politischer Ebene insgesamt. Denn diese Politik ist mitverantwortlich, dass sich die Lohnabhängigen zunehmend schlechter mit linken Positionen identifizieren können (warum auch, wenn die «Linke» dasselbe Programm durchführt, wie die Bürgerlichen und die Rechten?).

Geld ist genug da. Wir müssen es uns nur holen!

Die an die Aktionär*innen der Schweizer Unternehmen verteilten Dividenden, die dank der Unternehmenssteuerreform II von 2008 massiv weniger bis gar nicht mehr besteuert werden und im Gegensatz zu Löhnen nicht sozialabgabenpflichtig sind, sind seit 2009 explodiert: Sie stiegen von 25 auf 38,5 Milliarden im Jahr 2016. Und wenn man auch die Unternehmen ausserhalb des SMI (Swiss Market Index; die 20 wichtigsten börsenkotierten Unternehmen) berücksichtigt, sogar auf 51 Milliarden. Wir müssen uns das Geld dort holen, wo es ist, und uns zurückholen, was uns gehört: Denn wir haben den gesellschaftlichen Reichtum erarbeitet und deshalb auch das Anrecht auf ein würdiges Leben im Alter.

Ein anderer, solidarischer Weg ist möglich!

Der gewonnene Kampf gegen die Unternehmenssteuerreform III im Februar 2017 und die guten Resultate der AHVplus-Initiative im September 2016 rechtfertigen die Möglichkeit eines anderen Weges. Der Weg des «kleineren Übels» und der «Verlierer-Kompromisse» ist eine Sackgasse.
Das Referendum gegen die Altersvorsorge2020 muss zu einem sozialen Geist unter den Lohnabhängigen beitragen: Wir lassen uns von den Erpressungsversuchen der «Fachleute» und der diversen Institutionen, die alle im Dienst der grossen Nutzniessenden des derzeitigen Systems der 2. Säule stehen, nicht mehr in Geiselhaft nehmen. Es sind vor allem die Versicherungen und die Grossaktionäre, die zur Kasse gebeten werden müssen.
Für eine solidarische Altersvorsorge! Für eine ausreichende und sichere AHV!
Nein zur
Altersvorsorge 2020! Nein zur Geiselhaft der Versicherungen, Pensionskassen und ihren Verbündeten!

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