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Zürich-Pride: Queer und antikapitalistisch – für das gute Leben!

Parallel zur kommerzialisierten Gay-Pride, die am Samstag, 10. Juni 2017 in Zürich stattfindet, organisiert das antikapitalistische und queere Kollektiv «Eyduso?» ein alternatives Festival. Das «The queerthing»-Festival hat den Anspruch antihomophobe und antisexistische Inhalte mit antikapitalistischen und antirassistischen Forderungen zu verbinden. Die folgende Stellungnahme zeigt, warum eine Gay-Pride, an der die Credit Suisse und die Zürcher Stadtpolizei prominent vertreten ist, keine Perspektiven im Kampf gegen Homophobie und die hetero-patriarchalen Zwänge der kapitalistischen Gesellschaft bietet. (Red.)

von BFS Jugend Zürich

Gründe für eine unkommerzielle Alternative zur offiziellen Zürich-Pride gibt es viele. Wir machen uns stark gegen Homo- und Transphobie, gegen Sexismus und gegen die Zwänge dieser hetero-patriarchalen Gesellschaft insgesamt. Wir stehen dafür ein, dass alle Menschen unabhängig von Alter, Einkommen und Herkunft ihre Sexualität und Geschlechtsidentität frei ausleben können. Doch was heisst Freiheit im Kapitalismus? Die Möglichkeit die eigene Sexualität oder Geschlechtsidentität frei zu leben, ist extrem wichtig. Doch diese freie Auslebung ist unter den aktuellen Umständen nicht für alle Menschen gegeben. So können Nationalität oder soziale Position (Job, finanzielle Mittel, Aufenthaltsrecht etc.) Privilegien oder eben Hindernisse darstellen.
In dieser Situation ist es wichtig, dass wir uns (wieder) bewusst werden, dass Glück eine objektive Bedingung ist. Eine Bedingung, die nicht für alle da ist, weil unsere Gesellschaft nach wie vor in verschiedene Klassen unterteilt ist und Ungleichheit täglich reproduziert wird. Diese soziale Ungleichheit gibt es auch zwischen LGBTIQ*-Personen. Während sich wohlhabende Trans*-Personen eine geschlechtsangleichende OP leisten können, bleibt diese Menschen aus unteren Einkommensschichten oder Menschen in Asylheimen oftmals vorenthalten.
Wer sagt, dass sich in den letzten Jahrzehnten doch schon einiges verbessert hat, mag Recht haben; wer glaubt, dass im Kapitalismus eine freie Sexualität und freie Beziehungen möglich seien, nicht. Die kleinen Aufweichungen der bestehenden Normen dürfen uns nicht täuschen. Dass man im Supermarkt jetzt Guy-Liner kaufen kann (Eye-Liner für Männer), hat weniger mit einem Wechsel des Bewusstseins zu tun, als vielmehr mit der Möglichkeit für die Supermarktketten, dadurch neue Zielgruppen und Märkte zu schaffen. Gleichzeitig stehen solche Schein-Liberalisierungen auch nicht für eine Abwertung der Kategorien Frau/Mann. Vielmehr haben sie eine stabilisierende Wirkung auf eben diese Kategorien. Die bestehenden Normen werden dadurch um eine Facette erweitert, anstatt als ganze aufgebrochen zu werden. Am effektivsten zeigt dies ja bereits der Name dieses Eye-Liners auf.
Wir müssen uns bewusst sein, dass reale Veränderungen von Normen und gesetzlichen Praxen immer das Ergebnis von Kämpfen waren und sind. Es sollte nie vergessen werden: „Stonewall was a riot“! [1] Die eigentlich positive Etablierung hat aber zu einer Entpolitisierung eben solcher Kämpfe geführt und dadurch nutzbar für den Markt gemacht. Ein Resultat davon ist nun, dass Firmen wie zum Beispiel die Credit Suisse die Zürich-Pride nutzen können, um sich zu vermarkten. Sie versuchen ihr Image aufzupolieren und gleichzeitig abzulenken von der Scheisse, die sie tagtäglich produzieren, wie zum Beispiel der Finanzierung der Dakota Access Öl-Pipeline durch indigene Gebiete.
Wollen wir eine Welt, in der Sexualität und Beziehung nicht mehr von äusseren Umständen abhängig sind, müssen wir uns für eine Veränderung im Bewusstsein einsetzen. Wir müssen aber auch für eine Veränderung der heutigen Produktionsweise kämpfen, welche uns alle unterdrückt, Unterschiede verstärkt und somit auch unser Bewusstsein beeinflusst. Wir müssen für das gute Leben kämpfen, in der Sexualität wirklich frei ist. Dies wird in einer kapitalistischen Welt nicht möglich sein.

[1] Die Stonewall-Riots vom 27. Juni 1969 waren Auseinandersetzungen zwischen Homo- bzw. Transaktivist*innen und der New Yorker Polizei, als letztere versucht hat im Stonewall-Inn an der Christopher Street eine Razzia gegen die Lesben- und Schwulenbewegung durchzuführen. Die weltweit durchgeführten «Christopher Street Day»-Demonstrationen oder die Gay-Prides erinnern an diese Auseinandersetzungen.

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