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Ein Gespräch über die Freiheit, Waffen zu verkaufen, an wen man möchte

Diese Woche ist in den Medien die Nachricht verbreitet worden, dass die Schweiz in Zukunft auch Kriegsmaterial an solche Staaten liefern will, die die eigene Bevölkerung in einem Bürgerkrieg dahinmetzeln. Über die Hintergründe und die Fakten hat unser Autor Henri Ott mit dem verantwortlichen FDP-Bundesrat Johann Schneider-Ammann gesprochen. Henri und Johann haben sich zufällig in einer Weinhandlung kennengelernt und diskutieren seither immer wieder miteinander über Gott und die Welt und natürlich über ihre Lieblings-Weinmarke Château Petrus.

von Henri Ott (BFS Jugend Zürich)

Henri Ott: Lieber Johann, vor zwei Tagen hat deine Haus-Postille, die NZZ, einen Artikel mit der Überschrift «Waffenexporte in Konfliktländer» publiziert. Waffen an Staaten zu liefern, die einen Bürgerkrieg gegen die eigene Bevölkerung führen ist ja schon ziemlich gewagt, wie kamst Du zu dieser Idee?

Johann Schneider-Ammann: Nun ehrlich gesagt kam die Idee im letzten Winter von der Schweizer Rüstungsindustrie, aber Du hast Recht, sowas könnte auch von mir gewesen sein. Auf jeden Fall schrieben die grossen Waffenfirmen einen offenen Brief an uns Politiker und unterbreiteten die Idee, die Absatzmärkte dadurch zu erweitern, in Zukunft auch in Konfliktländer zu liefern, was zurzeit noch nicht erlaubt ist. Die Sicherheitspolitische Kommission (SIK) des Ständerats hat mich danach angefragt, ob ich mir das nicht genauer anschauen könnte. Als Vorsteher des Wirtschaftsdepartements gehen mich natürlich Exporte und Geldmacherei was an und so hab ich zugesagt.

Henri: Und du konntest das Anliegen nachvollziehen?

Johann: Ja klar, denn Exporte und klingende Kassen sind gut für die Wirtschaft und was gut für die Wirtschaft ist, kann ja nicht schlecht sein. Und darüber hinaus kann ich die Bedenken natürlich nachvollziehen, die die CEOs der Rüstungsfirmen hegen. Ich habe meine Karriere damals in den 80ern ja ebenfalls in einer Rüstungsfirma begonnen. Durch meine Hochzeit mit Frau Ammann war ich dann aber bald an der Ammann-Group beteiligt und habe mich da voll reingegeben. Danach war ich Präsident der Swissmem (Metallindustrie-Verband) und Vize bei Economiesuisse. Ich kann die Nöte der Rüstungsindustrie also nachvollziehen, irgendwie müssen der Urs von RUAG und ich auch unsere Château Petrus bezahlen können.

Henri: Das hört sich aber ganz nach Politik im «Interesse der Bourgeoisie» an, wie die Linke sagen würde.

Johann: Aber nur, wenn man genau hinschaut. Das Hauptargument für mehr Waffenexporte sehen wir in der Sicherheitspolitik. Das ist weniger ehrlich und genau, aber umso praktischer. Die Exporte der Rüstungsfirmen stagnieren und die Werke sind damit nicht voll ausgelastet und eher unrentabel. Wenn sie deswegen schliessen müssten, dann könnten sie aber auch dem Auftrag nicht mehr nachkommen, die Schweizer Armee mit Waffen zu versorgen und so die Sicherheit aller zu garantieren. Das ist halt so wie bei der unsichtbaren Hand von Smith, das Partikularinteresse der Rüstungs- und Schwerindustrie dient am Ende doch irgendwie wieder dem Allgemeininteresse und das ist ja das Schöne daran. Man kann quasi Geschäft und Engagement für die Zivilgesellschaft unter einen Zylinder bringen.

Johann Schneider-Ammann in der Weinhandlung

Henri: Und was macht ihr, wenn das Parlament oder die Stimmbevölkerung solche Exporte nicht gutheisst?

Johann: Ach da musst Du dir keine Sorgen machen. Das Tolle an unserer Demokratie ist ja, dass wir die wirklich wichtigen Dinge in die Exekutive ausgelagert haben. Da hat die Gesellschaft gar nicht mitzureden, denn sie kann die Angestellten des Seco und der Ministerien ja nicht einmal indirekt wählen, sondern sich nur mit so legislativen Dingen rumschlagen. Und die SIK des Nationalrats hat die Änderung für zukünftige Exporte schon gutgeheissen, genauso wie der Bundesrat im Juni und mit hoher Sicherheit auch die SIK des Ständerats (die haben das Ganze ja immerhin lanciert). Ich sehe da gar keine Probleme.

Henri: Aber bei Änderungen, die für die Öffentlichkeit relevant sind, müsste doch zumindest das Parlament konsultiert werden oder?

Johann: Genau, aber wir haben die Sache als nicht relevant für die Öffentlichkeit eingestuft und damit muss keine breite Debatte darüber geführt werden. Vernehmlassung sagen wir Polit-Experten dazu. Und was fast noch besser ist, wir verändern ja nicht das Gesetz über den Export von Kriegsmaterial, sondern wir verändern nur eine Verordnung und das kann der Bundesrat dann ganz ohne Parlament. Ich meine wo kämen wir auch hin, wenn das Parlament oder gar die Bevölkerung über Sachen mitbestimmen dürfte, die sie nicht begreifen.

Henri: Du hast ja einen Vorschlag gemacht, wie die Verordnung verändert werden könnte, was hast Du dir da einfallen lassen?

Johann: Nun der Clou ist eigentlich der, dass man etwas erlaubt was eigentlich der gesunde Menschenverstand verbieten würde und danach die Verantwortung abschiebt. Ich habe das so gelöst: In der neuen Verordnung soll stehen, dass der Export von Kriegsmaterial in Bürgerkriegsländer legal sei, wenn: «kein Grund zur Annahme besteht, dass das auszuführende Kriegsmaterial im internen bewaffneten Konflikt eingesetzt wird». Wenn der Sudan beispielweise mit seiner Armee ethnische Minderheiten massakriert, dann könnte man dieser Armee trotzdem Waffen liefern aber sagen: «aber nicht für Menschenrechtsverletzungen brauchen gell» und wenn sie’s dann doch tun, dann ist’s ja wirklich nicht unsere Schuld. Nur weil eine Diktatur bei uns Waffen für ihre Armee ordert, heisst das ja nicht, dass sie diese dann auch gleich benutzen, ich meine immerhin gilt im bürgerlichen Recht die Unschuldsvermutung oder?

Henri: Deine Partei führt ja gleich zwei grosse Wörter im Namen, nämlich Demokratie und Freiheit. Ist es da nicht etwas widersprüchlich, wenn Du für den Waffenexport an Diktaturen eintrittst?

Johann: Das haben mir schon andere Politiker zum Vorwurf gemacht, sogar meine eigenen Parteikollegen. Unter anderem haben sie betont, dass es zu einem «Reputationsverlust» kommen könnte. Aber ich denke man darf hier nicht den Moralapostel spielen. Ich trete zwar für Demokratie und Freiheit ein, aber wenn Saudi-Arabien lieber eine Monarchen-Diktatur ist, dann ist es eben auch irgendwie ihre Freiheit sich so zu entscheiden, und wie gesagt ich bin absolut für die Freiheit. Darüber hinaus möchte ich noch betonen, dass der Export von Kriegsmaterial allein in den letzten sechs Monaten 205 Millionen Franken eingebracht hat, also jetzt nicht der Bevölkerung aber trotzdem: 205 Millionen Franken. Ja es stimmt schon, dass ein Grossteil der Exporte an Länder wie Saudi-Arabien, Katar, Bahrain, Die Vereinigten Arabischen Emirate usw. gehen. Aber eben, im Gegenzug: 205 Millionen Franken.

Henri: Einige argumentieren, dass genau diese Länder mit diesem Kriegsmaterial – unter anderem mit solchem aus der Schweiz – die eigene Bevölkerung terrorisieren, islamistische Milizen fördern und einen Krieg im Jemen führen, der sogar nach bürgerlichem Standard gegen internationales Recht verstösst. Was meinst du dazu?

Johann: Wie gesagt: die Freiheit ist mir sehr wichtig und dazu gehört halt auch, dass die Könige und Scheichs selbst entscheiden dürfen, mit welchen Waffen sie die Menschen töten, immerhin bezahlen sie uns dafür ja 205 Millionen Franken in nur sechs Monaten. Und man darf ja auch nicht die freie Wirtschaft behindern, wie die Rüstungsfirmen zurecht betont haben, denn Freiheit gilt doch auch für den Markt. Denn wenn die Schweiz mehr Rücksicht auf Menschen im Jemen nimmt, als andere Waffenexporteure, dann ist das ein Wettbewerbsnachteil. Stell Dir nur vor, was ohne diesen Wettbewerbsnachteil noch alles drin läge, 305 Millionen, 405 Millionen Franken? Davon könnte man sich ein paar schöne Jahrgänge Château Petrus kaufen.

Henri: Ja auf ein gutes Glas Wein hätte ich auch Lust, aber doch noch eine Frage zum Abschluss: viele geflüchtete Menschen fliehen ja vor Krieg, könnte es nicht sein, dass die Schweiz mit ihrer Politik noch mehr Menschen zur Flucht zwingt und was würdest du davon halten, wenn diese Menschen in die Schweiz kommen?

Johann: Naja ich denke die schaffen es nicht bis zu uns. Zum einen ist Jemen geografisch zu weit entfernt. Darüber hinaus haben wir ja das Dublin-System nach dem wir alle, die nicht per Flugzeug in die Schweiz kommen, einfach in andere europäische Länder abschieben können. Des Weiteren bezahlt die Schweiz der privaten Militäragentur Frontex ja mehrere Millionen, dass sie die Flüchtlinge aufhalten. In Südeuropa hat man sehr gute Zäune gebaut, sogar noch besser als die von Trump, usw. Und im allerschlimmsten Fall kann man ja auch den Jemen und andere Länder als sichere Herkunftsstaaten einstufen, womit das Recht auf politisches Asyl erlischt. Ich glaube wir müssen da einfach kreativ sein, wie beim Waffenexport.

Henri: Vielen Dank für das Gespräch, hast Du noch ein Abschlusswort während ich mal den Korkenzieher suche?

Johann: Schweizer Interessen und Werte haben Vorrang! So steht das ja auch in unserem Factsheet zu Migration. Und bitte vergesst nicht: 205 Millionen in sechs Monaten, das ist schon eine Menge Kohle! Vielen Dank

Wer’s bis jetzt noch nicht gemerkt hat, natürlich ist das Interview fiktiv, auch wenn die Argumente ernsthaft so vorgetragen wurden.

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1 Kommentar

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