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Geschichte: Vor 70 Jahren kam es zum Bruch zwischen Stalin und Tito – Teil 1

Am 28. Juni 1948 wurde die Kommunistische Partei Jugoslawiens aus der Kominform geworfen. Bis dahin hatte Jugoslawien im Westen als „Musterschüler*in“ von Moskau gegolten. Die jugoslawische Führung um Tito wurde durch den Rauswurf aus der Kominform und die totale Wirtschaftsblockade durch die Sowjetunion und ihre osteuropäischen Satelliten gezwungen, ihre bisherige Strategie des Aufbaus des Sozialismus grundlegend zu verändern.

von Paul Michel; aus intersoz.org

Die Neuorientierung der jugoslawischen Kommunist*innen brachte das Konzept der Arbeiter*innenselbstverwaltung hervor, das zu dem „Markenzeichen“ der jugoslawischen Variante des Sozialismus werden sollte. In den 60er und 70er Jahren war dieses Modell bei Teilen der westlichen kritischen Linken sehr populär. Mit dem Ende des jugoslawischen Staates im nationalen Taumel und grausamen Schlächtereien zwischen den unterschiedlichen Teilrepubliken verschwand auch die jugoslawische Arbeiter*innenselbstverwaltung aus der Wahrnehmung der undogmatischen Linken.

Jugoslawien 1945: Stalinistisch geprägt, aber nicht Stalin–hörig

Im Unterschied zu allen anderen späteren „Volksdemokratien“ Osteuropas haben die jugoslawischen Partisan*innen ihr Land aus eigener Kraft befreit. Der Stolz auf die Befreiung des eigenen Landes aus eigener Kraft war Grundlage des ausgeprägten Selbstbewusstseins der jugoslawischen Kommunist*in­nen. Sie beharrten auf ihrer Unabhängigkeit, setzten sich gegen Einmischungen und Bevormundungsversuche, die ihren eigenen Erfahrungen widersprachen, zur Wehr.

Im Partisanenkrieg auf sich allein gestellt

Von Beginn ihres Widerstands an waren die jugoslawischen Partisan*innen auf sich allein gestellt. Während des Kriegs gegen die deutschen Besatzer*innen hatte sich die Führung der jugoslawischen Partisanen mehrfach über mangelnde Unterstützung durch die UdSSR beklagt. Sie mussten ihren Weg alleine gehen. Praktisch ohne Unterstützung der Sowjetunion und gegen den Willen Churchills wurden sie zur schlagkräftigten und mit Abstand stärksten Widerstandsbewegung in Jugoslawien. Auf Unterstützung aus der Sowjetunion mussten die die Partisan*innen lange vergeblich warten – aus Gründen der militärischen Schwäche der UdSSR, aber auch weil Stalin den politischen Kurs der jugoslawischen Partei wegen ihrer in Stalins Augen zu konfliktbereiten Haltung gegenüber der königlichen Exilregierung in London als tendenziell „ultralinks“ sah. Wenn sie schon keine Hilfe bekamen, wollten sie sich auch nicht hineinreden und schon gar nicht etwas vorschreiben lassen.

Die Erhebung des Antifaschistischen Rates für die Nationale Befreiung (AVNOJ) zur provisorischen jugoslawischen Regierung am 29. November 1943 und das Verbot für König Peter, aus dem Exil in London in das Land zurückzukehren, wurden von Moskau „als ein Dolchstoß in unseren Rücken“ gerügt. Stalin, der zu diesem Zeitpunkt größten Wert auf gutes Einvernehmen mit Großbritannien und den USA legte, fürchtete, Churchill werde damit verärgert. Am 20. Oktober 1944 wurde Belgrad zwar maßgeblich von der Roten Armee befreit, Tito legte aber Wert darauf, dass die Rote Armee das jugoslawische Territorium bald wieder verließ. Die Befreiung der bis dahin noch von den Nazis und dem kroatischen Ustascha-Regime kontrollierten Teile Jugoslawiens führten die jugoslawischen Partisan*­in­nen alleine durch, unter großen Verlusten.

Konflikt um Triest

Unmittelbar nach Kriegsende kam es wegen territorialer Fragen zu heftigen Konflikten mit den Westalliierten USA und Großbritannien. Ab 1945 war Triest ein Streitthema zwischen Jugoslawien und Italien bzw. den Westalliierten. Triest wie weite Teile Istriens waren 1919 Italien zugeschlagen worden. Bereits im November 1943 hatten die Partisan*innen auf dem zweiten AVNOJ-Kongress ihren Anspruch auf dieses Gebiet erklärt. Im Mai 1945 wurde das Gebiet einschließlich Triest von den Partisan*innen befreit und unter ihre Verwaltung gestellt. Erst unter starkem militärischem Druck der Briten*innen und Amerikaner*innen räumten die jugoslawischen Partisan*innen im Juni 1945 Triest, behielten aber weiterhin die Gebiete der Zone B, das südliche und östliche Umland von Triest, auf das Italien mit Rückendeckung der USA und von Großbritannien Anspruch erhob. Die Tito-Regierung warf der Sowjetunion vor, diese habe sie im Konflikt mit den Westalliierten nicht genügend unterstützt.

Triest war zusammen mit dem nordwestlichen Teil von Istrien bis 1955 aufgrund des Pariser Friedensvertrags vom Februar 1947 zwischen Italien und den Alliierten des Zweiten Weltkriegs ein neutraler Staat unter Oberhoheit der Vereinten Nationen („Freies Territorium Triest“). Es war in diesen Jahren ein ständiger Konfliktherd zwischen Westalliierten und Jugoslawien. Im August 1946, als das jugoslawische Militär nach wiederholten US-Provokationen zwei US-amerikanischer Flugzeuge abschoss, hätte dieser Konflikt beinahe zum Krieg geführt. Ohne dass dies in die Öffentlichkeit durchdrang, führte dies auch zu Konflikten mit der Sowjetunion. Denn zu diesem Zeitpunkt war Stalin ein gutes Einvernehmen mit den Westalliierten wichtiger als die die Solidarität mit dem sozialistischen Jugoslawien. Die selbstbewusste Tito-Regierung brachte gegenüber der sowjetischen Führung deutlich ihre Missbilligung zum Ausdruck.

Klage über mangelhafte Wirtschaftshilfe seitens der UdSSR

Die jugoslawischen Kommunist*innen forderten vom „großen Bruder“ Sowjetunion sehr selbstbewusst umfangreiche Aufbaukredite, die Entsendung von technischen Expert*innen und die Lieferung von Fabrikanlagen. Das gefiel Stalin gar nicht, den neuen Volksdemokratien in Osteuropa war eher die Rolle zu Rohstofflieferanten zugedacht. Schließlich wurden zwei gemeinsame jugoslawisch-sowjeti­sche Gesellschaften gebildet, eine für Lufttransport und eine für die Flussschifffahrt auf der Donau. 1947 beschwerte sich die jugoslawische Führung immer wieder, die Sowjetunion halte ihre Hilfszusagen nicht ein und verfolge bei den neugebildeten jugoslawisch-sowjetischen Aktiengesellschaften rücksichtlos ihre eigenen Interessen.


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Balkanföderation

Bei der Balkanföderation handelte es sich um ein altes sozialistisches Projekt der engen Zusammenarbeit bis hin zu einem staatlichen Zusammenschluss verschiedener Balkanstaaten bereits vor dem Ersten Weltkrieg. In der unmittelbaren Nachkriegszeit verfolgten Josip Broz Tito und der bulgarische Parteichef und Ministerpräsiden Georgi Dimitroff das Ziel, die beiden Länder in einer Balkanföderation zusammen zu schließen. Am 2. August 1947 unterzeichneten die beiden Staatschefs das Abkommen von Bled, das die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder, eine festen Wechselkurs der Währungen, die Vorbereitung einer Zollunion und die enge wirtschaftliche Zusammenarbeit in den Bereichen Stromerzeugung, Bergbau, Landwirtschaft, Transport und Außenhandel vorsah. Jugoslawien verzichtete auf 25 Millionen Dollar Reparationszahlungen von Seiten Bulgariens, die Jugoslawien auf der Pariser Konferenz (Juli bis Oktober 1946) zugesprochen worden waren. Im November 1947 unterzeichneten Jugoslawien und Bulgarien einen Freundschaftspakt. Die beiden Seiten strebten die Bildung eines gemeinsamen Staates an, der den Namen „Union der südslawischen Volksrepubliken“ bekommen sollte.

Dimitroff ging sogar noch weiter: Am 17. Januar 1948 erklärte er, dass eine Erweiterung dieses Zusammenschlusses denkbar wäre und nannte in diesem Zusammenhang Albanien, Rumänien, Tschechoslowakei, Polen und Ungarn als potentielle Kandidaten. Das ging der Sowjetunion zu weit. Am 28. Januar wurde Dimitroff in einem Prawda-Artikel offen angegriffen – was zur Folge hatte, dass die Führung der bulgarischen kommunistischen Partei sich umgehend von der Idee einer Balkanföderation distanzierte.

Der zweite Teil dieses Artikels kann hier nachgelesen werden.


Bild: Tito während des Zweiten Weltkriegs mit Partisanen.

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