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Iran: 18 Jahre Gefängnis für drei Schriftsteller

Im Iran wird jedwede Kritik am Regime brutal unterdrückt. Die Repression trifft immer wieder auch Kulturschaffende, die es wagen, sich öffentlich oder in ihren Werken gegen das Regime und für eine bessere Zukunft einzusetzen. Seit Jahrzehnten gehören Schriftsteller*innen und Dichter*innen zu denjenigen, die das Regime öffentlich kritisieren und dafür auch drakonische Strafen in Kauf nehmen, wie dieser jüngste erschreckende Fall zeigt. (Red.)

von Nima Pour Jakub*

Reza Khandan Mahabadi und Baktash Abtin, zwei Mitglieder des Verwaltungsrats der iranischen Schriftsteller*innenvereinigung und Keyvan Bajan, ein ehemaliges Mitglied desselben Rates, wurden am 15. Mai 2019 zu je sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Richter Mogheyseh, tätig in der 28. Abteilung des iranischen Revolutionsgerichts in Teheran, hatte die drei Schriftsteller wegen „Propaganda gegen die Regierung“ und wegen „Aktionen gegen die nationale Sicherheit“ angeklagt. Die drei Mitglieder der iranischen Schriftsteller*innenvereinigung wurden in den letzten vier Jahren vom Geheimdienstministerium ständig unter Druck gesetzt und schliesslich an 27. und 28. April 2019 vor Gericht gezerrt.

Die Strafverfolgung hatte jedoch bereits im Mai 2015 begonnen, als fünf Agenten des Geheimdienstministeriums das Haus von Baktash Abtin durchsuchten. Gestützt auf ein Dekret der 12. Abteilung der Staatsanwaltschaft, die für Kultur und Medien zuständig ist, wurden Baktash’s Laptop, Familienbilder und sein Mobiltelefon beschlagnahmt. Darüber hinaus beschlagnahmten die Beamten auch etwa 2000 Filmsequenzen und alle Dokumente der iranischen Schriftsteller*innenvereinigung. Daraufhin wurden die drei genannten Schriftsteller ganze siebzehn Mal wegen ihrer künstlerischen und literarischen Aktivitäten verhört. Der offizielle Grund für die damaligen Verhöre lautete „Veröffentlichung von illegalen Publikationen“ und „Propaganda gegen die Regierung“.

Die wahren Gründe für die Inhaftierung der drei Schriftsteller sind allerdings andere. Die Vereinigung gab ein Buch heraus, das die letzten 50 Jahre ihrer Aktivität beschreibt. Zu diesen Aktivitäten gehören auch das unermüdliche Anprangern staatlicher Zensur sowie der Einsatz für Redefreiheit und die Abschaffung der Todesstrafe. Entsprechende Stellungnahmen wurden immer wieder – darunter auch von den drei Inhaftieren – öffentlichkeitswirksam unterzeichnet.

51 Jahre Kampf für die Redefreiheit

Am 21. April 1968 trafen sich 49 Schriftsteller*innen in Teheran zur Gründungssitzung der iranischen Schriftsteller*innenvereinigung. Die Vereinigung gründete sich als Gegenbewegung zum „Kongress der Schriftsteller und Dichter des Irans“. Dieser Kongress wurde vom Regime unter Schah Reza Pahlewi organisiert und versammelte naturgemäss nur unkritische Stimmen. Seit ihrer Gründung also setzt sich die iranische Schriftsteller*innenvereinigung für Redefreiheit ein und ist bis heute eine laute Stimme gegen Zensur geblieben. Schon damals wurden sie von den Machthabern unterdrückt, weil sie es gewagt hatten, das Pahlewi-Regime zu kritisieren.

Die iranische Schriftsteller*innenvereinigung – die auch Mitglied von Pen International ist – organisierte am Goethe Institut in Teheran einige „Nächte der Schriftsteller*innen und Dichter*innen“. Dies geschah bereits im Herbst 1977, also lange vor den grossen Demonstrationen von 1978, welche den Schah stürzen und die Islamisten um Ruholla Chomeini an die Macht bringen sollten.

Während zehn Nächten im Herbst 1977 kritisierten die Dichter*innen und Schriftsteller*innen den Schah und sein autoritäres Regime. Zwischen 3000 und 10‘000 Frauen und Männer nahmen an diesen Veranstaltungen teil, wo berühmte Autor*innen Reden hielten und Gedichte vortrugen, darunter die Schriftsteller Manuchehr Hezarkhani und Gholamhossein Saedi sowie die Dichter*innen Said Soltanpour und Simin Daneshvar. In der letzten dieser Nächte wurde die Veranstaltung von der Polizei angegriffen. Infolgedessen kam es zu einer Demonstration, die jedoch ebenfalls von der Polizei brutal niedergeschlagen wurde: ein Student wurde getötet, 70 weitere Demonstrant*innen wurden verletzt und über hundert festgenommen.

Als der iranische Schah 1979 ins Ausland flüchtete und Chomeini die Macht übernahm, war es wiederum die Schriftsteller*innenvereinigung die als eine der ersten klare Stellung bezog, gegen die kommende neue Diktatur Chomeinis. Erneut forderte man Redefreiheit. Die Revolution 1979 hatte die Machthaber ausgewechselt, aber nicht die Repression beendet. Mehrmals wurde die Vereinigung vom neuen Regime angegriffen, bis im Frühling 1981 das Büro der Schriftsteller*innenvereinigung geschlossen wurde, womit deren Aktivitäten vorübergehend zum Stillstand kamen.

Gefängnis, Hinrichtung, Exil und Mord

Seit der Schliessung ihres Büros 1981 waren die Mitglieder der Vereinigung eine permanente Zielscheibe für den Geheim- und Sicherheitsdienst der neuen islamischen Republik. Als erste öffentliche Massnahme gegen Mitglieder der Vereinigung wurde Said Soltanpour während seiner eigenen Hochzeit von den Schergen der islamischen Revolutionsgarden festgenommen. Said Soltanpour war Dichter, Dramatiker und Theaterregisseur und hatte wegen seiner öffentlichen Kritik am Regime des Schahs drei Jahre hinter Gittern verbracht. Nachdem ihn die neuen Machthaber im Gefängnis von Evin foltern liessen, wurde Said Soltanpour im Juni 1981 hingerichtet. Gholamhossein Saedi – der ebenfalls 1977 an den Kritik-Nächten teilgenommen hatte – verliess das Land um seiner Verhaftung zuvorzukommen und flüchtete nach Paris. Als berühmter Schriftsteller verbrachte auch Saedi wegen seinen Forderungen nach Redefreiheit sechs Jahre in den Gefängnissen des Schah-Regimes. Gholamhossein verstarb am 23. November 1985 in Paris und wurde auf dem Friedhof Père Lachaise beigesetzt.

Auch andere Mitglieder der Schriftsteller*innenvereinigung wurden vom Regime verfolgt und so kam ihre Arbeit zum Erliegen. Im Jahr 1990 wurde die Vereinigung wieder aktiv, die Verfolgung indessen hatte nicht nachgelassen. Anfangs Dezember 1998 wurden die zwei Schriftsteller Mohammad Mokhtari und Mohammad Jafar Pouyandeh von Agenten des Geheimdienstes entführt und ermordet. Mokhtari hatte als erster die Gedichte von Paul Celan ins Persische übersetzt. Jafar Pouyandeh seinerseits hatte das Werk „Die Geschichte und das Klassenbewusstsein“ des ungarischen Kommunisten Georg Lukács übersetzt. In der Einleitung schrieb Jafar:

„Ich übersetzte dieses Buch unter schlimmsten materiellen und psychischen Umständen und unter enormem Druck. Vielleicht kam die Energie und Motivation zum Weitermachen auch von diesem Druck. Und was gibt es besseres für meiner Heilung, als das Übersetzen eines der wichtigsten Bücher in dieser Welt, um die zeitgenössische Welt und ihre Klassenunterdrückung zu verstehen?“

Ein Jahr nach den Morden – am 25. November 1999 – fand die erste Generalversammlung der Schriftsteller*innenvereinigung seit über zehn Jahren statt, aller Repression zum Trotz. Die Generalversammlungen seit 1999 wurden immer wieder vom Regime behindert, die Teilnehmenden werden bedroht, verhört oder festgenommen. Als jüngster Akt der Repression müssen nun also drei weitere Schriftsteller, die sich für Redefreiheit und eine bessere Welt einsetzen, für sechs Jahre ins Gefängnis. Leider sind sie nicht die ersten und werden – solange die Diktatur noch Bestand hat – leider auch nicht die letzten sein.

* Nima Pour Jakub ist Menschenrechtsaktivist aus dem Iran und lebt seit einigen Jahren in der Schweiz. Er schreibt regelmässig für sozialismus.ch über den Iran.

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