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STAF – gegen den Doppelbeschiss an den Lohnabhängigen

«Die Geschichte ist die Geschichte von Klassenkämpfen», dies ist eine von Marx und Engels vor über 170 Jahren formulierte tiefsinnige Wahrheit, die sich seither immer deutlicher bestätigt hat. Diese Wahrheit ist gerade in der Steuerreform und der AHV-Finanzierung (STAF) gut sichtbar, um die es im Folgenden geht. Mit der STAF-Vorlage versucht die politische Elite in der Schweiz auf zwei zentralen politisch-sozialen Achsen die seit Jahrzehnten dauernden Angriffe auf die Arbeiter*innenklasse weiterzutreiben. 2017 war diesbezüglich ein Jahr der politischen Rückschläge für die Schweizer Bourgeoisie: Im Februar wurden die Unternehmenssteuerreform III, die sogenannte USR III, bachab geschickt. Im September wurde die Altersvorsorge 2020 (AV2020) an der Urne abgelehnt. Mit der STAF wird nun auf beiden Achsen ein kombinierter Angriff gegen die Lohnabhängigen geführt.

von BFS Zürich

Bei dieser Offensive sind Erpressungen und Lügen wichtige Instrumente. Bei der Steuervorlage wird angeführt, dass nur eine massive Senkung sämtlicher Unternehmenssteuern die Abwanderung grosser Konzerne, und damit wichtiger Steuerzahler, verhindern könne. Bei der AHV wird auf eine kommende Finanzierungslücke hingewiesen, wofür nun die Lohnabhängigen aufkommen müssten. Die Sozialdemokratie und die Gewerkschaftsführungen erzählen diese beiden lügenhaften und erpresserischen Untergangsepen brav nach – auf Kosten der Lohnabhängigen. Die STAF ist denn auch ein sogenannter «Deal» auf deren Kosten, ein «Doppelbschiss» an den Lohnabhängigen.

Im Klassenkonflikt geht es um die Herrschaft über die lebendige Arbeit und um deren Ausbeutung im gesellschaftlichen Produktionsprozess sowie um die Aufteilung des Wertproduktes zwischen Profit und Lohn. Ausserhalb des unmittelbaren Produktionsprozesses fällt die Bourgeoisie in anderer Form über die Lohnabhängigen her, um einen möglichst grossen Teil von deren Lohn für die Finanzierung des Staates, des Gesundheitswesens, der Altersvorsorge, der Bildung, des Wohnens, des Verkehrs, des Konsums etc. abzuzwacken.

Die Konturen des Klassenkonfliktes sind nicht überall so leicht erkennbar wie im Arbeitsprozess selbst, wo dieser als Lohndruck, als Arbeitsintensivierung und Flexibilisierung, in der Disziplinierung der Arbeit, etc. erscheint. Oder wie eben in der STAF, wo es um die Finanzierung des Staates, d.h. um die Steuern und die Finanzierung der Altersvorsorge, speziell der AHV geht: Es geht darum, welche Klasse dafür aufkommen soll. Die Schweizer Bourgeoisie führt seit langem Angriffe auf diesen beiden Achsen. Sie wird dabei sehr oft von der SPS und den Gewerkschaftsführungen mit faulen «Deals» unterstützt. Diese «Deals» werden in eine Logik des kleineren Übels gekleidet und dann als Sachzwänge an die Arbeiter*innenklasse verkauft, wie dies auch in der STAF geschieht. Es geht dabei letztendlich aber immer um das Gleiche: Um die Optimierung des Standortes Schweiz – für die Unternehmer, für die Reichen, für die Hochqualifizierten.

1. Steuerreform 17: Profite verwöhnen, Sparprogramme bei den Löhnen

Die Steuern auf Profiten sollen mit der Steuerreform bis auf die Hälfte gesenkt werden. Dies weil die weitreichenden Steuerprivilegien für 24’000 Konzerne aus den 1990er Jahren auf Druck der OECD abgeschafft werden müssen. Allerdings steht nirgends, dass generell die Steuern für alle Firmen gesenkt werden müssen. Genau dies aber wird von allen, selbst von den Grünen in ihrer aktuellen Kampagne gegen die STAF, nachgebetet. Die Folgen werden weitere Abbauprogramme und Privatisierungen sein und der Druck auf die Lohnabhängigen wird sich weiter verstärken. Zusätzlich wird die STAF zu einer weiteren Verschärfung des nationalen und internationalen Steuerwettbewerbs führen, mit besonders schädlichen Auswirkungen für die Länder des globalen Südens.

Absurderweise unterstützt die SPS die Steuerreform auf Bundesebene und kündigt gleichzeitig bei deren Umsetzung auf kantonaler Ebene Widerstand an. Anders als beim Projekt der USR III von 2016/2017 wurde sie von der Bourgeoisie diesmal mit unbedeutenden bis problematischen Zugeständnissen – v.a. mit der AHV-Finanzierung – an Bord geholt. Das Referendum gegen die STAF kam aus linken Kreisen (solidaritéS, PdA-POP, BFS/MPS u.a.) und von den Grünen, die sich auf die Wahlen 2019 hin als linke Kraft profilieren wollen. Es ist aber absehbar, dass circa die Hälfte der Basis der Grünen und der SPS ihren Führungen jeweils nicht folgen werden. Dagegen scheint sich eine starke Ablehnungsfront in der SVP-Basis abzuzeichnen; ein Hinweis darauf, dass die nationalistische Rechte bei den schwächeren Segmenten der Lohnabhängigen besser verankert ist, als diese beiden «linken» Parteien.

2. AHV-Finanzierung: Eine Pseudolösung für ein Pseudoproblem

Seit über 40 Jahren wird uns vorgegaukelt, die AHV laufe in eine Finanzierungskrise und müsse gegenreformiert werden. Dabei fanden ab dem Ende der 1940er bis Mitte der 1980er Jahre die grossen quantitativen und qualitativen Ausbauschritte der AHV statt – und trotzdem ging es der AHV finanziell immer prächtig. Denn in dieser Zeit betrugen der jährliche Reallohnzuwachs durchschnittlich circa 2.5%. Dies verschaffte der AHV ein solides Fundament, denn sie wird zu 80% aus Lohnbeiträgen finanziert. Obschon seit dem Beginn der 1980er Jahre die Reallöhne insgesamt um nur mehr knapp 20% gestiegen sind, und weitere Ausbauschritte und ein erster Abbauschritt der AHV 1997 erfolgt sind, wächst der AHV-Fonds bislang immer noch (2017: + 1.1 Mia. Franken). Er beläuft sich zurzeit auf ca. 45 Mia. Franken, was in etwa den jährlichen Ausgaben entspricht. 2018 fand ein Einbruch um ca. 1.5 Mia. Franken statt. Der Umfang der Rentenberechtigungen könnte in einer kommenden Periode vermutlich schneller steigen als der Umfang der Beiträge. Dies ist kein Wunder bei den seit Jahrzehnten stagnierenden Löhnen.

Alle bedeutenden politischen Kräfte fuchteln im Zusammenhang mit der AHV-Finanzierung einhellig mit dem Popanz des Demografie-Argumentes herum. Demgegenüber sind wir als Bewegung für den Sozialismus (BFS/MPS) und anderen linken politischen Kräften der Auffassung, dass das erhöhte Rentenvolumen – aufgrund des Renteneintritts der sogenannten «Babyboomer»-Generation – nur sinnvoll mit starken Lohnerhöhungen aufgefangen werden kann. Alles andere (Erhöhung der Mehrwertsteuer, Erhöhung des Rentenalters, Erhöhung der Lohnbeiträge, Senkung der Renten) führt zu einer Entsolidarisierung der Gesellschaft und zu immer weiteren Finanzierungsproblemen. Die enorme Stärke des Umlageverfahrens, wie es in der AHV umgesetzt ist, liegt ja gerade darin, dass Lohnerhöhungen die einzige solidarische und finanziell tragfähige Lösung für die Altersvorsorge und die Sozialversicherungen überhaupt darzustellen.

Die AHV-Finanzierung in der STAF sieht nebst einer Erhöhung der Lohnbeiträge um 1.2 Mia. Franken, eine Erhöhung des Bundesbeitrages um 0.8 Mia. Franken – u.a. über eine Mehrwertsteuererhöhung – zugunsten der AHV vor. Eine Erhöhung der Löhne wird von keiner an diesem «Deal» beteiligten politischen Kraft gefordert. Das heisst: die Arbeiter*innenklasse bezahlt gleich zweimal für diese Gegenreform, ohne etwas dafür zu erhalten: Einmal bei der Reduzierung der Steuern für die Unternehmer und die Reichen, und dann bei der Finanzierung der AHV. Der einzige Ausweg für die Schaffung einer soliden Finanzierung der AHV (und der Zweiten Säule) wären breitenwirksame substantielle Lohnerhöhungen. Dies aber würde eine kämpferische Politik und den Aufbau von politischen und gewerkschaftlichen Organisationen erfordern, die den Kampf nicht scheuen und sich nicht auf den parlamentarischen Kretinismus mit faulen «Deals» beschränken.

Das eigentliche Problem bei der Altersvorsorge ist in der Tat nicht die AHV, sondern vielmehr die Zweite Säule, wo seit 30 Jahren circa 40% der ursprünglichen Rentenansprüche verloren gegangen sind. Und dies, obgleich sich der Swiss Market Index (SMI), das heisst der Wert der grossen Schweizer Unternehmen, seit dem Ende der 1980er Jahre vervierfacht hat. In der gleichen Periode hat sich die Produktivität um über 50% erhöht, wovon aber die Lohnabhängigen kaum etwas abbekommen haben – ausser mehr Druck am Arbeitsplatz, einen Abbau der Altersvorsorge, Privatisierungen, endlose Sparprogramme im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft…

3. Die Kampagne der BFS/MPS

Wir stehen ein für den Aufbau einer klassenkämpferischen (revolutionären) politischen Linken! Das heisst, wir wollen eine Alternative zur Politik des kleineren Übels aufbauen, durch welche die «Deals» der Sozialdemokratie und Gewerkschaftsführungen seit über vierzig Jahre geprägt sind! Diese sozialliberale Politik hat in der Phase seit dem Ende der 1970er Jahre international und auch in der Schweiz zu schweren Einbussen für die Lohnabhängigen und die marginalisierten gesellschaftlichen Sektoren geführt.

Dies ist sichtbar an der markanten Abnahme der Lohnquote seit der 1970er Jahren, den Liberalisierungs- und Privatisierungsprogrammen im öffentlichen Sektor, den Bankenrettungen, der Zunahme der sozialen Ungleichheit, den immer härteren Sparprogrammen, der zunehmenden sozialen und politischen Atomisierung der Arbeiter*innenklasse, und nicht zuletzt am Aufstieg der Neuen Rechten. Diese Entwicklungen führ(t)en international aber immer wieder auch zu heftigen Gegenbewegungen, zu einer markanten Zunahme von Arbeitskämpfen, zu den Klimastreiks, zu einem Neuaufleben einer radikalen Frauenbewegung, zu den Gilets Jaunes, zum mediteranen Aufstand 2010 – 2012, der nun im Aufstand in Algerien seine Fortsetzung findet. In diesen Kämpfen müssen die Kampfinstrumente und -erfahrungen der Arbeiter*innenklasse wieder erlernt und aufgebaut werden, damit diese erneut als geschichtliches Subjekt in Erscheinung treten kann.

Die STAF lädt die Folgen der Steuersenkungen nicht nur den Lohnabhängigen in der Schweiz auf. Vielmehr wird damit die Politik der nationalen und vor allem internationalen Konkurrenz um Steuersenkungen verschärft und damit den Ländern der imperialistischen Peripherie insgesamt circa 200 Mia. Dollar Steuersubstrat entzogen. Das untergräbt deren Entwicklungsmöglichkeiten zusätzlich zu den eh schon vorhandenen Abhängigkeitsverhältnissen. Ferner werden durch die daraus folgenden Sparprogramme, die erfahrungsgemäss von Liberalisierungen und Privatisierungen begleitet werden, die Last der Reproduktionsarbeit weiter auf die Frauen abgewälzt. Dazu kommt, dass die Vorstellung der SPS, das STAF-Paket würde den Druck auf eine Erhöhung des Frauenrentenalters mildern, völlig illusorisch ist: Im August 2019 wird ihr Bundesrat, Alain Berset, voraussichtlich ein Paket vorschlagen, das neben einer Erhöhung der Mehrwertsteuer gerade auch eine Erhöhung des Frauenrentenalters beinhaltet. Die BFS/MPS wendet sich ausdrücklich gegen solche unsolidarische Politikansätze!

Es geht in dieser Kampagne der BFS/MPS gegen die STAF, nach der Beteiligung an der Unterschriftensammlung, vor allem darum, öffentlich ein politisches Profil der Klasseninteressen sichtbar zu machen: Wir fordern eine Finanzierung des Staates aus den Profiten, eine Sicherung und den Ausbau nützlicher staatlicher Dienste, keine Konsumsteuern, eine sichere Altersvorsorge, höhere Löhne!

Veranstaltungshinweis in St. Gallen vom 23. April 2019: NEIN zur STAF! Gegen den Doppelbschiss an den Lohnabhängigen!

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1 Kommentar

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