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Am Rande vermerkt: Die Universitätsangestellten in Grossbritannien streiken

Die Universitäts- und College-Dozierenden in Grossbritannien haben seit 10 Tagen ihre Arbeit niedergelegt. Sie bekämpfen mit dieser Massnahme eine Reform, die ihre zukünftigen Renten komplett von den Finanzmärkten abhängig machen möchte. Damit wären keine Garantien über die zukünftige Höhe der Renten mehr vorhanden. Die University and College Union (UCU), die den Streik anführte, drohte diesen bis in den März und damit in die Prüfungszeit hinein zu verlängern. Mittlerweile hat die Arbeitsniederlegung so viel Druck erzeugt, dass die Gespräche über die Reformen wiederaufgenommen wurden. Es ist zu hoffen, dass damit die Renten vorerst gesichert sind.
Dass in Grossbritannien, in einer historischen Tiefphase der Streikaktivitäten in allen möglichen Branchen, gerade universitär Angestellte und akademisch Ausgebildete sich auf einen Streik einlassen, mag auf den ersten Blick erstaunen. Bei genauerer Betrachtung löst sich die Verwunderung aber auf. Denn die Universitäten in Grossbritannien haben eine brutale Entwicklung hin zur Prekarisierung ihres Personals hinter sich. Eine Entwicklung, die wir an fast allen europäischen und amerikanischen Universitäten beobachten können. Mittlerweile sind teilweise bis zu 75% der Dozierenden und Lehrbeauftragten mit temporären oder unsicheren Arbeitsverträgen ausgestattet. Und viele, die im Februar gegen die Rentenreform streikten, sind eigentlich gar nicht direkt davon betroffen, weil ihre Löhne nicht reichen, um in das Rentensystem überhaupt einzuzahlen. Ihre Sorgen gehen noch viel weiter: Werden sie, abgesehen von einer gesicherten Rente, überhaupt jemals ein gesichertes Einkommen haben?
Ein grosser Teil derjenigen, die jetzt auf den Streikposten standen, kollektive „Teach-outs“ organisierten, sich in den Eingangshallen der Universtitäten oder auf Protesten trafen, sind PhD- und Postdoc-Forschende. Neben ihren gemeinsamen Sorgen verbindet diese eine zentrale Erfahrung, und das sind die Studierendenproteste 2010, die damals gegen die Sparpolitik der konservativen Regierung in der Hochschulbildung und gegen die Erhöhung der Studiengebühren stattfanden. Die damals mit grosser Heftigkeit geführten Proteste konnten die Angriffe auf das Bildungssystem zwar nicht abwehren. Dennoch zeigen die aktuellen Ereignisse, dass solche kollektiven Erfahrungen unglaublich wichtig sind, wenn reale Verbesserungen erkämpft werden sollen. Wir wünschen den kämpfenden Lehrbeauftragten in GB weiterhin viel Kraft und Erfolg! Ihr Kampf ist auch unserer!
von Matthias Kern
[Am Rande vermerkt] ist eine Serie von Kurzartikeln. Wir wollen damit tagesaktuelles Geschehen kommentieren, einordnen, auf Veränderungen aufmerksam machen. Eine konsequente linke, antikapitalistische Politik zeichnet sich unseres Erachtens nicht nur dadurch aus, die grossen Analysen abzuliefern. Vielmehr gehört es für uns dazu, auch kleinere, unscheinbare Entwicklungen, skandalöse Aussagen und Auffälliges einordnen zu können.
Die kurze Form, der eher flüchtige Charakter und die zeitliche Nähe, die allesamt diese Artikelserie ausmachen, führen dazu, dass die hier geäusserten Einschätzungen vorübergehend sein können und nicht zwangsläufig mit den Ansichten unserer Organisation übereinstimmen müssen. Die Autor*innen und die verwendeten Quellen sind deshalb jeweils gekennzeichnet. Textvorschläge sind jederzeit herzlich willkommen.

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