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Am Rande vermerkt: Künstliche Intelligenz – Chance oder Bedrohung?

Es sei „das Schlimmste, was der Menschheit passieren kann“. Dies sagt der Astrophysiker Steven Hawking über Artificial Intelligence (AI) oder auf deutsch Künstliche Intelligenz (KI) und meint weiter, dass die neue Technologie die Menschheit gänzlich ersetzen könnte. Auch der Pseudo-Weltverbesserer Elon Musk ist überzeugt, dass so schnell wie möglich ein Weg gefunden werden müsse, KI sicher in den Griff zu bekommen, ansonsten wäre das Ende der Menschheit unausweichlich. Der Historiker und Bestseller-Autor Yuval Harari spricht sogar davon, dass sich der Mensch in den nächsten Jahren durch die Erschaffung von KI vom Homo sapiens zum gottähnlichen Homo deus entwickeln werde und sich dadurch selbst überflüssig mache. An abstrusen Zukunftsszenarien zu KI mangelt es also nicht. Gerade in der Tech-Branche ist das Thema omnipräsent. Es fällt allerdings auf, dass in linken Diskursen kaum über solche technischen Erneuerungen gesprochen wird. Es wäre aber dringend nötig.
Als erstes stellt sich die Frage, was Künstliche Intelligenz (KI) eigentlich ist? Alle können sich ein bisschen etwas darunter vorstellen – was wohl eher mit Science-Fiction-Filmen wie Matrix zu tun hat, als mit der momentanen Realität – richtig fassen tun es allerdings die Wenigsten.
KI (vor allem in Zusammenhang mit dem so genannten Deep Learning) ist aber grundsätzlich nichts weiter als eine moderne Software, also ein Computerprogramm, welches die Fähigkeit besitzt aus Erfahrungen zu lernen und eigene Schlussfolgerungen zu ziehen. Das Programm bearbeitet einen Prozess also nicht mehr strikt nach dem von dem*r Programmierer*in geschriebenen Algorithmus, sondern entscheidet selbst (aufgrund von Erfahrungen), was in der gegebenen Situation die beste Herangehensweise ist und entwickelt, wenn nötig, eigene neue Abläufe.
Zum jetzigen Zeitpunkt befindet sich KI noch in den Kinderschuhen. Unter dem Label zu kaufen sind Produkte wie Amazon Alexa, eine Art Haushalt-Roboter, welcher einem das Wetter mitteilen, To-Do Listen erstellen oder Musik abspielen kann. Es gibt aber auch beeindruckendere Beispiele für KI. In Japan kam beispielsweise eine Kurzgeschichte, welche komplett von einer KI geschrieben wurde, (basierend auf einigen Wörtern, Sätzen und Strukturangaben vom Entwickler*innen-Team) in die engere Auswahl im Wettbewerb eines nationalen Literaturpreises. Dies natürlich ohne dass die Juror*innen wussten, dass die Geschichte von einer KI geschrieben wurde. Ein weiteres, noch etwas erschreckenderes Beispiel kommt aus dem Hause Facebook. In dessen „AI Research Lab“ wurden zwei komplett unabhängige KI entwickelt. Diese wurden dann via Chat verbunden, um miteinander zu kommunizieren. Nach einiger Zeit bemerkten die Entwickler*innen, dass die beiden KI nicht mehr in Englisch, sondern in einer neuen, von ihnen entwickelten, viel effizienteren und für Menschen nicht verständlichen Sprache kommunizierten. Weil die menschliche Kontrolle dadurch nicht mehr vorhanden war, musste der Versuch abgebrochen, bzw. der Stecker gezogen werden. Als drittes Beispiel kann der Chatbot „Karim“ vom Silicon Valley-Startup „X2AI“ genannt werden. Karim wird für psychologische Therapie vor allem bei Geflüchteten in Camps ohne Zugang zu menschlichen Psychotherapeut*innen eingesetzt. Teilweise durchaus schon mit Erfolg.
KI besitzt also bereits jetzt die Fähigkeit „menschliches“ Verhalten (wie psychologische Therapie) durchzuführen – in Zukunft potentiell besser als der Mensch selbst. Sie birgt also die Chance oder auch die Gefahr, dass ein noch grösserer Teil der menschlichen Arbeit, gerade im Dienstleistungsbereich, viel effizienter von Maschinen übernommen wird. Bill Gates beispielsweise behauptet, dass wir durch KI in Zukunft mehr Ferien haben werden. Dies wäre ja durchaus zu begrüssen. Dass dem mit grosser Wahrscheinlichkeit aber nicht so ist, zeigt ein Blick zurück auf die letzten hundert Jahre, in welcher die Arbeitszeit trotz immenser Effizienzsteigerung nur marginal verringert wurde. Ein aktuelles Beispiel ist die so genannte „Digitalisierung“, als dessen Folge der Schweizerische Gewerbeverband gar noch flexiblere, sprich längere Arbeitszeiten fordert.
KI wird ohne Zweifel die Art, wie in Zukunft gearbeitet wird, grundlegend verändern. Die Mächtigen dieser Welt unternehmen alles, um die Technologie voranzutreiben bzw. für sich zu beanspruchen. Google, Facebook und Amazon liefern sich ein Wettrennen um den technischen Vorsprung und auch Länder wie Russland oder China setzen alles daran weltführend in Sachen KI zu sein. Wladimir Putin sagt hierzu: «Wer die Führung in diesem Feld übernimmt, wird die Welt beherrschen».
Künstliche Intelligenz wird die Welt auf verschiedenen Ebenen grundlegend verändern. Offen bleibt, ob sie sich in Zukunft eher als Chance oder als Bedrohung für die arbeitende Klasse herausstellt. Doch egal ob Putin, Xi Jinping, Trump, Musk, Zuckerberg oder Gates – in den Händen der Mächtigen wird es wohl eher Letzteres sein.
von Elyas Berg
[Am Rande vermerkt] ist eine Serie von Kurzartikeln. Wir wollen damit tagesaktuelles Geschehen kommentieren, einordnen, auf Veränderungen aufmerksam machen. Eine konsequente linke, antikapitalistische Politik zeichnet sich unseres Erachtens nicht nur dadurch aus, die grossen Analysen abzuliefern. Vielmehr gehört es für uns dazu, auch kleinere, unscheinbare Entwicklungen, skandalöse Aussagen und Auffälliges einordnen zu können.
Die kurze Form, der eher flüchtige Charakter und die zeitliche Nähe, die allesamt diese Artikelserie ausmachen, führen dazu, dass die hier geäusserten Einschätzungen vorübergehend sein können und nicht zwangsläufig mit den Ansichten unserer Organisation übereinstimmen müssen. Die Autor*innen und die verwendeten Quellen sind deshalb jeweils gekennzeichnet. Textvorschläge sind jederzeit herzlich willkommen.

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1 Kommentar

  1. K. Trotz

    “If machines produce everything we need, the outcome will depend on how things are distributed. Everyone can enjoy a life of luxurious leisure if the machine-produced wealth is shared, or most people can end up miserably poor if the machine-owners successfully lobby against wealth redistribution. So far, the trend seems to be toward the second option, with technology driving ever-increasing inequality.” Stephen Hawking
    https://www.huffingtonpost.com/entry/stephen-hawking-capitalism-robots_us_5616c20ce4b0dbb8000d9f15
    Abstruse? Ich finde nicht. Hawkings und Musk im gleichen Atemzug zu nennen, finde ich eher fraglich. Hawkings wirft die Frage der Distribution, der Besitzverhältnisse auf und spricht somit den entscheidensten Punkt an, denn auch wir ins Zentrum stellen müssen.
    Kapitalisten wie Musk schlagen ein Grundeinkommen vor, doch damit bleiben die Besitzverhältnissen unverändert, die in diesem Artikel auch nur ‘am Rande’ thematisiert werden. Das grosse Teile der Bevölkerung überflüssig werden, erkennt auch Dietmar Dath in “Maschinenwinter. Wissen, Technik, Sozialismus. Eine Streitschrift.”, welche bereits im 2008 veröffentlicht wurde und zwar nicht primär AI thematisiert, ich trotzdem sehr empfehle.
    Ein Szenario, dass die Arbeiter*innenklasse irgendwann überflüssig wird und nicht mehr die Kraft besitzt, die Produktionsmittel zu übernehmen, sich also selbst zu retten und den Sozialismus einzuführen, scheint mir nicht vollkommen abwegig. Das sich Maschinen selbst reproduzieren können, scheint mir nur eine Frage der Zeit, dass sie sich selbst weiterentwickeln können, wird ab einer bestimmten Entwicklungsstufe der AI auch möglich sein und wenn wir beispielsweise die Roboter von Boston Dynamics anschauen, können wir ableiten, dass die Kapitalisten bald Mal in Besitz von Waffen sein werden, für die sie keine Soldat*innen brauchen, um sie gegen uns zu richten.

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