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Am Rande vermerkt: „Schwarz gleich illegal gleich Kontrolle“

Am 6. März 2018 stand M. vor dem Strafgericht Basel-Stadt, weil er im Februar 2017 eine Personenkontrolle der Basler Polizei beobachtet hat und intervenierte. Die Polizei kontrollierte damals zu Dritt (zwei Polizisten, eine Polizistin) einen Mann aufgrund seiner Hautfarbe. Im Einvernahmeprotokoll schilderte ein Beamter den Anlass der Kontrolle folgendermassen:
„Das war so, wir waren zu dritt unterwegs. Im Bereich Kaserne entschlossen wir uns, eine dunkelhäutige Person zu kontrollieren.“
M. sprach die kontrollierenden Beamten direkt auf ihr rassistisches Handeln an. Daraufhin wurde er zuerst aufgefordert, den „Tatort“ zu verlassen. Als er sich weigerte und versuchte, mit der kontrollierten Person Kontakt aufzunehmen, wurde M. schliesslich ebenfalls einer Personenkontrolle unterzogen und anschliessend wegen „Diensterschwerung“ gebüsst. Die Busse in der Höhe von 400 Franken focht M. vor dem Strafgericht Basel-Stadt an.
M. kritisierte vor Gericht die unrechtmässige und gegen das Diskriminierungsverbot verstossende Personenkontrolle. Nur eine rechtskonforme Handlung könne in einem Rechtsstaat erschwert werden. Das zentrale Thema sei die Rechtmässigkeit der Personenkontrolle, betonte M.s Verteidiger. Der Vorwurf der Diensterschwerung sei deshalb haltlos. Unterstützt wurde M. neben seinem Anwalt von der Allianz gegen Racial Profiling und von rund 40 Aktivistinnen und Aktivisten am Tag der Gerichtsverhandlung.
Das Gericht lehnte den Antrag, die betreffenden Polizeibeamten als Zeugen vorzuladen und zu befragen, ab. Der Sachverhalt sei schon umfassend abgeklärt worden, hiess es vom zuständigen Richter. Es sei unbestritten, dass die Person wegen ihrer Hautfarbe kontrolliert worden ist, meinte dieser sogar. Trotzdem stützte das Gericht im Urteil die Busse gegen M. und damit auch die Personenkontrolle. Die Begründung: Die Polizei dürfe Personenkontrollen auch ohne einen Tatverdacht durchführen. Die Einschätzung einer realistischen Chance für ein Vergehen reiche aus. Ausländisches Aussehen sei neben Tageszeit und Ort ein Faktor dafür. Obwohl im Polizeirapport keine weiteren „Faktoren“ als die Hautfarbe der betreffenden Person aufgeführt wurden, bestätigte das Gericht die Rechtmässigkeit der Kontrolle.
Das Urteil des Strafgerichts Basel-Stadt kommt einer faktischen Legitimierung von Racial Profiling gleich. Nur Tage vor dem Gerichtsprozess bestritt der Sprecher der Basler Polizei noch vehement, dass es Anweisungen gebe, Personen aufgrund ihrer Hautfarbe zu kontrollieren, und dass die Hautfarbe für einen Verdacht auf illegalen Aufenthalt ausreiche. Solange die Polizeibeamten jedoch in keiner Weise über die „Faktoren“ Rechenschaft ablegen müssen, die sie zu einer Personenkontrolle bewegen, bedeutet dies für die Praxis, dass Racial Profiling eine akzeptierte Polizeimethode ist, deren Anwendung für Beamte ohne Konsequenzen bleibt. Nicht zuletzt besteht das Problem auch im Auftrag der Polizei, Personen alleine nach ihrem (il)legalen Aufenthalt zu prüfen.
Dies dürfen wir auf keinen Fall hinnehmen! Ob M. Berufung gegen das Urteil einlegen wird, ist noch unklar. Verschiedene Gruppen und Personen in Zürich und Basel kämpfen ebenfalls aktiv und auf verschiedenste Weise gegen Racial Profiling. Systematischer Rassismus in der Polizeiarbeit und allen anderen staatlichen Behörden muss sichtbar gemacht und gestoppt werden!
von Lisa Brugger
[Am Rande vermerkt] ist eine Serie von Kurzartikeln. Wir wollen damit tagesaktuelles Geschehen kommentieren, einordnen, auf Veränderungen aufmerksam machen. Eine konsequente linke, antikapitalistische Politik zeichnet sich unseres Erachtens nicht nur dadurch aus, die grossen Analysen abzuliefern. Vielmehr gehört es für uns dazu, auch kleinere, unscheinbare Entwicklungen, skandalöse Aussagen und Auffälliges einordnen zu können.
Die kurze Form, der eher flüchtige Charakter und die zeitliche Nähe, die allesamt diese Artikelserie ausmachen, führen dazu, dass die hier geäusserten Einschätzungen vorübergehend sein können und nicht zwangsläufig mit den Ansichten unserer Organisation übereinstimmen müssen. Die Autor*innen und die verwendeten Quellen sind deshalb jeweils gekennzeichnet. Textvorschläge sind jederzeit herzlich willkommen.

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