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Am Rande vermerkt: Warum uns die Börsen kümmern müssen

Alle sprachen sie von Bitcoins, Krypto-Währungen und einer Blase, die bald platzen würde. Nun ist die Krypto-Blase, wenn man so will, ein bisschen geplatzt. Der Bitcoin hat im Jahr 2018 über die Hälfte seines einstigen Wertes verloren. Ähnlich erging es den meisten der unzähligen Konkurrenz- und Ergänzungs-Kryptowährungen. Grosse weltwirtschaftliche Turbulenzen als Folge sind aber ausgeblieben. Das Gesamtvolumen der virtuellen Währungen war mit geschätzten 600 Milliarden Dollar auf dem Höhepunkt des Hypes schlichtweg zu gering, um über die Kryptos hinaus für Unruhe zu sorgen, auch wenn in den letzten Wochen mehrere hundert Milliarden Dollar an Wert vernichtet wurde. Die Dotcom-Bubble Ende der 90er Jahre hatte ein 20 bis 30 Mal grösseres Volumen.
Während also Kryptowährungen in der Weltwirtschaft höchstens eine kuriose Absurdität ausmachen, hat die Finanzwelt in den letzten 2 Wochen Erschütterungen in ganz anderem Ausmass erlebt. Der Dow Jones-Index, eine zentrale Leitgrösse in der Welt der Börsen, brach innerhalb kurzer Zeit zwei Mal um über 1000 Punkte ein. Schnell wurde von selbsternannten Expert*innen von Panik abgeraten, die Kursstürze als „Korrekturen“ bezeichnet und darauf verwiesen, dass sich die amerikanische Wirtschaft ja prächtig entwickle, und es deshalb keinen Grund zur Sorge gebe.
Wenn wir uns den Dow Jones und die allgemeinen Entwicklungen an der Börse in den letzten Jahren anschauen, dann sind Sorgen aber durchaus gerechtfertigt. Der Dow Jones kam aus der Weltwirtschaftskrise 2008 mit 7’500 Punkten heraus. In den vergangenen nicht einmal 9 Jahren hat er sich mehr als verdreifacht und stand vor den Korrekturen diesen Februar bei über 25’000 Punkten. Im gleichen Zeitraum ist die amerikanische Wirtschaft um 1-3% pro Jahr gewachsen. Die Entwicklung an den Börsen hatte also nichts mit der ökonomischen Entwicklung der Unternehmen, die ja an der Börse „bewertet werden“, zu tun. Und auch weitere Indizes wie das Kurs/Gewinn-Verhältnis von Aktien deuten auf eine starke Überbewertung der meisten Titel hin.
Die Kursstürze an den amerikanischen Börsen, die jeweils auch massive Kurseinbrüche an praktisch allen anderen Börsen der Welt nach sich zogen, mögen als „Korrekturen“ gewertet worden sein. Doch alleine schon diese haben nach Berechnungen bis zu 4 Billionen Dollar vernichtet. Und vieles deutet darauf hin, dass die Aktienmärkte weiterhin massiv aufgebläht sind und ein möglicher folgender Crash die Erschütterungen 2007/2008 harmlos aussehen lassen könnte. Zeit für Schadenfreude also und darauf zu warten, bis es den “Spekulanten” an den Kragen geht?
Leider nein. Spekulation ist eine spezifische Funktion der Finanzmärkte, aber bei weitem nicht die einzige. Die komplexe globale Wirtschaft ist nicht nur stark von den Finanzmärkten abhängig, sondern sehr grundsätzlich damit verwoben. Deshalb führen Börsenkorrekturen auch zu brutalen, realökonomischen Ergebnissen, wie wir schon bei der Finanz- und anschliessenden Weltwirtschaftskrise ab 2007 gesehen haben. Millionen Menschen verloren ihre Arbeitsstelle, hunderttausende ihre Häuser. Und nach den brutalen unmittelbaren Ergebnissen der Bankenkollapse und drohenden Staatsbankrotte folgten die brutalen Angriffe von oben, um die Verluste zu sozialisieren. Was das bedeutet, lässt sich an Griechenland perfekt ablesen. Dort wurden die Banken mit Milliarden gerettet, während Sozialausgaben zusammengestrichen, ganze Bereiche des Staates privatisiert und Arbeitsrechte bis hin zu Nothilfe für die Allerärmsten gnadenlos beschnitten wurden. Ein weiterer Crash lässt leider noch Schlimmeres befürchten. Eine kollektive Antwort der Arbeitenden wird dann notwendiger denn je sein.
von Matthias Kern
[Am Rande vermerkt] ist eine Serie von Kurzartikeln. Wir wollen damit tagesaktuelles Geschehen kommentieren, einordnen, auf Veränderungen aufmerksam machen. Eine konsequente linke, antikapitalistische Politik zeichnet sich unseres Erachtens nicht nur dadurch aus, die grossen Analysen abzuliefern. Vielmehr gehört es für uns dazu, auch kleinere, unscheinbare Entwicklungen, skandalöse Aussagen und Auffälliges einordnen zu können.
Die kurze Form, der eher flüchtige Charakter und die zeitliche Nähe, die allesamt diese Artikelserie ausmachen, führen dazu, dass die hier geäusserten Einschätzungen vorübergehend sein können und nicht zwangsläufig mit den Ansichten unserer Organisation übereinstimmen müssen. Die Autor*innen und die verwendeten Quellen sind deshalb jeweils gekennzeichnet. Textvorschläge sind jederzeit herzlich willkommen.

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