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Am Rande vermerkt: Die SVP und ihre Klassenpolitik

Seit gut zwei Wochen debattiert das Parlament nun über die Kosten im Gesundheitssystem. Sparen ist wieder mal die Devise der Stunde – und wo lässt sich dies leichter tun als bei denjenigen, welche sich sowieso nicht wehren können? Schnell war der bürgerlichen Mehrheit klar, dass deshalb die Franchisen steigen sollten, also jener Teil der Rechnungen, den die Patient*innen immer aus der eigenen Tasche bezahlen müssen. Als wäre die Belastung durch die stetig steigenden Krankenkassenprämien nicht genug, soll nun also noch ein asozialer Aufschlag von 50 Franken auf die Franchise drauf.

Dass den Parlamentarier*innen die Sparideen im Gesundheitsbereich so schnell nicht ausgehen werden, ist klar. Die Interessen der Krankenkassen und der Pharmakonzerne sind in den beiden Räten bestens vertreten. Mittels Organisationen mit unscheinbaren Namen wie «Forum Gesundheit», «IG Seltene Krankheiten», «Groupe de réflexion» oder «Parlamentarische Gruppe Region Basel» bringen sie ihre Ideen direkt an die politischen Entscheidungsträger*innen. In den Gesundheitskommissionen der beiden Räten haben nur gerade zwei von 38 Parlamentarier*innen kein Mandat in einem Verband oder in einer Firma des Gesundheitsbereichs.

Kommissionssprecher der nationalrätlichen Gesundheitskomission und FDP-Politiker Bruno Pezzatti reagiert sichtlich genervt auf die Frage einer Ratskollegin, ob die Idee der Erhöhung der Franchisen um 50 Franken aus Krankenkassenkreisen stamme. Er könne nur sagen, dass die Idee von einem Kommissionsmitglied eingebracht wurde – merci Monsieur Pezzatti für diese Info! Es ist schwierig vorzustellen, von wem ein Antrag stattdessen hätte eingebracht werden können, aber wir freuen uns, dass diese Person tatsächlich ein Mandat hatte.

Die Idee kam ziemlich sicher via FDP in die Kommission – doch dies überrascht niemanden und ist nicht weiter interessant. Spannend hingegen ist das Verhalten der SVP. Sie stand zunächst klar hinter der Erhöhung der Franchisen – warum sollte man sich denn die Gelegenheit für ein neoliberales Sparprogramm entgehen lassen? Die darauf folgende Kehrtwende in der heutigen Schlussabstimmung hingegen überraschte einige. Kommissionsmitglied und Vertreter dieser nationalistisch-autoritären Partei Raymond Clottu reichte vor der Debatte einen Rückweisungsantrag ein. Nicht etwa, weil er die Erhöhung der Franchise für verwerflich hält – Clottu sitzt für die im Beirat der Krankenkasse Groupe Mutuel. Doch die SVP wurde sich bewusst, dass ein solch spürbarer Angriff auf die Arbeiter*innenklasse bei ihrer mehrheitlich lohnabhängigen Basis ein halbes Jahr vor den Wahlen nicht gut ankommen würde, und stimmte heute nun doch mehrheitlich geschlossen gegen die Erhöhung der Franchisen. Ihr Präsident Albert Rösti begründete diesen Umschwung mit Rückmeldungen aus den eigenen Reihen.

Wer dahinter ein erstarkendes demokratisches Moment in der autoritär geführten Partei sieht, liegt ganz klar falsch. Die SVP wird nach den Wahlen den erhöhten Franchisen höchstwahrscheinlich wieder zustimmen. Mit dieser von Versicherungskreisen vorgebrachten Idee zeigt sich exemplarisch ein sich stetig wiederholendes Muster in der Rhetorik und den Zielen der SVP. Nebst ihrem absolut rassistischen und sexistischen Programm führt die grösste Schweizer Partei einen unerbittlichen Klassenkampf von oben – doch sie möchte diesen möglichst unbemerkt über die Bühne bringen. Im Gegensatz zur FDP, welche vergleichsweise offen zu ihrer Klassenpolitik steht, möchte die SVP die ihrige tunlichst mittels nationalistischen und rassistischen Kampagnen verdecken. Angriffe auf die Menschen mit tiefem Einkommen ja, aber nicht, wenn dies wie in den letzten Tagen so viel Aufmerksamkeit erhält, scheint das Motto der Klassenpolitik à la SVP zu sein.

Während sie in ihrer Rhetorik das Bild des einfachen, hart arbeitenden Büezers konstruieren, setzen die oft millionenschweren SVP-Politiker (Politikerinnen* haben mit einer prominenten Ausnahme keinen grossen Einfluss in der Partei) die Interessen der Besitzenden knallhart durch.Nationalismus, sexistische Frauen*bilder, Heimat und ein eingefleischter Hass gegen alles Nichtschweizerische auf der einen Seite und Steuersenkungen für Unternehmen, neoliberale Atomisierung der Arbeiter*innenklasse sowie Angriffe auf die Renten auf der anderen Seite stellen in der SVP keinen Widerspruch dar. Die Partei mit einem knappen Drittel des Wähler*innenanteils schafft es, in ihrer Politik Rassismus, Sexismus und neoliberalen Klassenkampf von oben ohne weiteres zu verbinden.

von Emil Spotter (BFS Zürich)


Quellen:


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