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Frauen streiken: Anaïs, 17

Welches Profil belegst du?

Neusprachlich mit Italienisch, KZN 

Wie wirkt sich dein Geschlecht auf deinen Bildungsweg aus?

In meiner Klasse haben wir nur fünf Jungs*, die Mädchen* sind deutlich in Überzahl vertreten und ich behaupte, dass mein Geschlecht deswegen sicherlich Auswirkungen auf meinen Bildungsweg hat. Ich war bisher immer in Klassen, in denen Jungs* in Unterzahl vertreten waren, was dazu geführt hat, dass ich seit der Primarschule in einem weiblich dominierten Umfeld zur Schule bin. In meiner jetzigen Klasse allerdings sind die Jungs* trotz ihrer Unterzahl ständig präsent, sie sind auf Grund ihrer Stimme meist lauter, häufig aber auch frecher. Ebenfalls kommt jeder Einzelne von ihnen im Vergleich zu den einzelnen Mädchen* häufiger zu Wort: Die Lehrer*innen legen bei Diskussion meist noch Wert auf eine Zweitmeinung eines Jungen*. Auffällig ist auch, dass sich die meinigen Klassen bisher immer relativ klar in Mädchen* und Jungen* aufgeteilt haben und dass jegliche Vermischung nicht die Norm war. Einen deutlichen Unterschied finde ich im getrennten Sportunterricht ersichtlich: Wir Mädchen* machen Yoga, Joggen und Tanzen während die Jungs* Ausdauertraining machen, Fussball und Basketball spielen. Diese Dinge fallen mir auf, dennoch finde ich diese Frage sehr schwierig zu beantworten. Mein Geschlecht hat Auswirkungen auf meine Persönlichkeit, und es ist nicht einfach zu unterscheiden, ob ich Entscheidungen fälle, weil ich ein Mädchen bin, oder weil sie zum «Anaïssein» gehören.         

Welchen Beruf willst du lernen/Was willst du studieren? Hast du das Gefühl, dass deine Wahl etwas mit deinem Geschlecht zu tun hat?

Leider bin ich mir noch nicht so ganz sicher, was ich studieren möchte, oder was ich später einmal arbeiten möchte, ich lasse mir mit dieser Wahl noch ein wenig Zeit. Ich nehme aber an, dass ich etwas in Richtung Sprache, Literatur oder Soziologie machen möchte. Ich bin nicht sonderlich begabt in Naturwissenschaften, deswegen nehme ich auch nicht an, dass ich einmal etwas in diese Richtung machen möchte, aber schon als kleines Mädchen wurde ich eher in Sprachen als in Naturwissenschaften gefördert. Mich schreckt der Gedanke an eine männerdominierte ETH zu gehen etwas ab, habe aber auch noch nie wirklich mit dem Gedanken gespielt dorthin zu gehen.      

Wie erlebst du die Geschlechterverhältnisse an deiner Bildungsinstitution?

Im Neusprachlichen Profil sind die Mädchen* deutlich in Überzahl, im Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Profil in Unterzahl. Meiner Meinung nach werden die klassischen Rollenbilder an meiner Kantonsschule aufrechterhalten und aktiv auch nichts gegen eine Umstrukturierung unternommen, was ich sehr bedaure, weil ich glaube, dass dadurch viel Potenzial bei Einzelpersonen verloren geht. 

Machst du inner- und außerhalb deiner Bildungsinstitutionen Diskriminierungserfahrungen als Frau?     

Häufig habe ich das Gefühl, besonders männlichen Autoritätspersonen die Stirn nicht bieten zu können, weil ich ihnen rein durch meine höhere Stimme unterlegen bin. Mir wird ständig das Wort abgeschnitten und ich nehme mich zurück. Am auffälligsten ist die Diskriminierung allerdings im Ausgang, ich fühle mich häufig auf mein Frausein und meinen Körper reduziert, durch Blicke und auch durch teilweise unangebrachte Kommentare. Meistens fühle ich mich aber durch die Erwartungen in eine Position gedrängt, die ich nicht einnehmen möchte. Ich will mich nicht entscheiden müssen, ob ich eine arbeitstätige Frau sein möchte, oder ob ich Kinder haben will, ich möchte beides und ich möchte beides voller Elan sein können.        

Wieso wirst du am 14. Juni streiken?

Ich werde am 14.Juni streiken, weil ich es satthabe, mich rechtfertigen und beweisen zu müssen. Ich habe es satt nur in meinem Umfeld über die Frauen* zu diskutieren und ich möchte Teil einer Bewegung sein, die Kraft hat und sichtbare Veränderung ermöglicht. Ich möchte gemeinsam mit anderen Mädchen* und Frauen* aufstehen und ein Zeichen setzen, weil wir alle müde sind. Wenn ich am 14.Juni streike, bin ich Teil von einer wütenden Masse und zeige mich solidarisch gegenüber allen anderen Frauen*, die so viel Unrecht auf Grund ihres Geschlechts widerfahren. Nur schon die Organisation für einige Aktionen zum 14.Juni eröffnen mir, wie viel gemeinsam möglich ist, ich bin voller Freude und Tatendrang. Es ist berührend mit anderen engagierten Frauen* für eine Herzensangelegenheit zu kämpfen und eine Stimme zu bekommen. Ich finde es wichtig zu streiken, weil ich es wichtig finde, etwas zu verändern, damit es irgendwann möglich ist, die Welt den Frauen* auf gleicherweise wie den Cis-Männern zu eröffnen. Es macht mich stolz, ein Teil dieser Bewegung zu sein!     

Was muss der Frauenstreik fordern? Was sind deine feministischen Ziele?

Der Frauen*streik hat hoffentlich eine drastische Veränderung zur Folge. Ich wünsche mir, dass Frauen* sich mehr trauen und vor allem, dass man ihnen mehr zutraut. Frauen* müssen aufstehen und sich wehren. Ich wünsche mir, dass man mich nach meiner Leistung beurteilt und dass es nicht heisst, ich erhalte einen Job nicht, weil ich mit dreissig langsam in die Babyphase komme. An meiner Schule fordere ich konkret, dass ich im Geschichtsunterricht mehr von Frauen* lerne, selbst wenn die grossen Kämpfer immer Cis-Männer waren. Es gab schon immer starke Frauen*, die Dinge verändert haben und ich finde, dass es obligatorisch sein sollte, zu erfahren, was denn genau. Weiter verlange ich einen Aufklärungsunterricht, der mir nicht nur über die männliche sexuelle Lust, sondern vor allen Dingen über die weibliche sexuelle Lust lernt und auch über die Nebenwirkungen von hormonellen Verhütungsmitteln spricht. Ebenfalls fordere ich die obligatorische Einführung des Gebrauchs des Gendersternchens auf Seiten der Lehrer*innen sowie den Schüler*innen. Ich fordere, dass aufgehört wird, die Heterosexualität als Norm anzusehen. Die Heteronormativität hat nämlich ebenfalls fatale Auswirkungen auf die klassischen Rollenbilder, die auf keinen Fall weiter unterstützt werden dürfen.      

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