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Frauen streiken: Leandra, 23

Leandra, du bist 23 Jahre alt, von Beruf Fachperson Betreuung (FaBe) und Aktivistin der Trotzphase. Kannst du uns etwas über die Trotzphase sagen?

Die Trotzphase ist eine Gruppe von ausgebildeten und angehenden Fachpersonen Betreuung. Wir setzen uns für bessere Arbeitsbedingungen im Kinderbetreuungsbereich ein. Denn nur wenn wir gut behandelt werden, ist es uns auch möglich, eine professionelle Betreuung der Kinder zu garantieren. Unsere Arbeitsbedingungen gehen also die ganze Gesellschaft etwas an. In diesem Sinne verknüpfen wir gewerkschaftliche und politische Arbeit miteinander und werden als Kinderbetreuerinnen und als Frauen am Frauen*streik teilnehmen. 

Wie erlebst du die Geschlechterverhältnisse in deinem Arbeitsalltag? 

Die Kinderbetreuung ist ein total feminisierter Beruf. Dass vor allem Frauen in den Kitas arbeiten, hängt damit zusammen, dass wir Frauen von klein auf mit der Vorstellung sozialisiert werden, dass wir von Natur aus gut Kinder hüten und betreuen könnten. Das ist natürlich kompletter Unsinn. Kinder gut zu betreuen ist keine natürliche oder göttliche Gabe, sondern eine pädagogische, professionelle und herausfordernde Arbeit. Als Trotzphase fordern wir deshalb eine Aufwertung unseres Berufes. Die oftmals prekären Arbeitsbedingungen in den Kitas sagen viel über die Wertschätzung aus, die unserer Arbeit entgegengebracht wird. Wir kämpfen für mehr Wertschätzung und Anerkennung in der Gesellschaft. Wir wollen als die professionellen Betreuungspersonen wahrgenommen werden, die wir sind.

Wie wirkt sich die Feminisierung der Kinderbetreuungswesen auf deine Arbeitsbedingungen aus?

Die patriarchale Zuschreibung, dass wir Frauen von Natur aus Kinder betreuen könnten, wird als Ausrede genommen, um unsere Arbeitsbedingungen prekär zu gestalten. Eines der grössten Probleme dabei ist der Betreuungsschlüssel – also dass wir viel zu viele Kinder aufs Mal betreuen müssen. Deshalb ist ein angemessener Personalschlüssel, in dem nur ausgebildetes Personal gezählt wird, eine der wichtigsten Forderungen der Trotzphase. Der aktuelle Betreuungsschlüssel, der von den Krippenrichtlinien des Kantons Zürich vorgegeben wird, ist unserer Meinung nach nicht tragbar, wenn man bedenkt, dass zusätzlich zu der Betreuung der Kinder auch organisatorische und hauswirtschaftliche Arbeiten anfallen, sowie Elternarbeit und das Ausbilden von ungelerntem Personal. 

Wichtig finden wir auch das Abschaffen der Praktika, denn solange man die Praktikantinnen und Praktikanten in den Betreuungsschlüssel zählt, werden sie als billige Arbeitskräfte ausgebeutet und können wegen Mangel an Fachkräften nicht begleitet bzw. ausgebildet werden. Ohne ungelerntes Personal würde kein Kita-Betrieb funktionieren!

Verdienst du weniger als deine männlichen Mitarbeiter? 

Im Kinderbetreuungsbereich ist das Hauptproblem nicht die Lohnungleichheit zwischen den weiblichen und den wenigen männlichen Betreuungspersonen, sondern dass die Löhne für alle Geschlechter unverschämt tief sind. Deshalb fordern wir gute Löhne für alle!

Wir sind qualifizierte Fachpersonen und tragen tagtäglich die Verantwortung über eine Kindergruppe. Wir fordern verbindliche und transparente Lohnvorgaben, die der Verantwortung, der Anforderung und der Belastung entsprechen, die unser Beruf mit sich bringt.

Deshalb streben wir einen allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsvertrag im Kanton Zürich mit verbindlichen Lohnvorgaben an.

Welche Schwierigkeiten bestehen bei der Umsetzung eurer Forderungen?

Das Hauptproblem, welches der Umsetzung dieser Forderungen im Weg steht, ist die Finanzierung. Die meisten Kitas sind privat und finanzieren sich zu einem grossen Teil aus Elternbeiträgen. Wir brauchen daher Politikerinnen und Politiker, die sich für unsere Forderungen einsetzen und die Finanzierung der Kitas angehen. Wir fordern, dass die Kinderbetreuung Teil des öffentlichen Dienstes und auch dementsprechend finanziert wird. Zudem sollen die Unternehmen gefälligst die Kinderbetreuung mitfinanzieren – wenn sie denn wollen, dass wir bei ihnen arbeiten gehen. Denn schlussendlich betrifft es nicht nur uns als Arbeiterinnen – es geht um die nicht zu unterschätzende Bedeutung der ersten Lebensjahre eines Kindes, um die frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung und schlussendlich um das Wohl der Kinder und somit unserer Zukunft. Deshalb geht dieses Thema die gesamte Gesellschaft etwas an und es ist wichtig, die zahlreichen Lücken zu schliessen – die Lücken in den Köpfen, in den Gesetzen, in den Strukturen und in den Budgets. Darum kämpfen wir als Trotzphase für bessere Arbeitsbedingungen in der familienergänzenden Kinderbetreuung und beteiligen uns am Frauen*streik.

Arbeitsniederlegungen im Care-Bereich sind eine spezielle Herausforderung, weil man sich als Arbeiterin verantwortlich für die betreuten Personen und Kinder fühlt. Was habt ihr diesbezüglich für Überlegungen gemacht?

Das stimmt. Es ist es leider sehr schwierig, eine Kita den ganzen Tag zu schliessen. Wer soll die Kinder an diesem Tag betreuen, an dem wir es nicht tun? Ziemlich sicher wäre die Leidtragende in diesem Fall die Mutter, welche das Kind dann zuhause betreuen müsste, weil die Kitas den ganzen Tag geschlossen haben. Für einen Frauen*streik wäre dies deshalb total kontraproduktiv. Zudem reden wir hier von kleinen Kindern, Kindern in einem sensiblen Alter, die nicht einfach fremden Personen ohne Betreuungserfahrung zugeschoben werden können. Wir wollen auf jeden Fall verhindern, dass sich der Streik negativ auf die Kinder auswirkt oder wir sie «im Stich lassen». 

Trotzdem will die Trotzphase diesen Tag als Chance wahrnehmen und ein lautes, starkes Zeichen setzen. 

Wie können diese Probleme gelöst werden?

Hier spielen die Eltern – vor allem die Väter – eine sehr wichtige Rolle. Es ist uns bewusst, dass durch die Einbeziehung und frühzeitige Informierung der Eltern der Streiktag viel besser umgesetzt werden kann. Wir stellen uns z.B. vor, dass sich solidarisch zeigende Männer/Väter mit gewisser Erfahrung die Kinderbetreuung an diesem Tag übernehmen und dadurch den Betreuerinnen und Müttern das Streiken ermöglichen. 

Habt ihr schon konkrete Ideen, wie ihr euch am Streik beteiligen könnt?

Nach langem Überlegen kam uns die Idee eines Streikzvieris. Die Kitas und Horte würden am Nachmittag schliessen und sich dann auf einem grossen Platz in Zürich gemeinsam treffen. Diejenigen, die aus irgendeinem Grund nicht schliessen können, hätten trotzdem die Möglichkeit, Teil zu sein und mitzumachen beim Zvieri und danach wieder zurück in ihre Institution zu gehen. Dieses Zvieri soll ganz klar ein gemeinsamer Moment des Kinderbetreuungsbereichs sein.

Auf diesem Platz wollen wir nebst Transpis auch Flyer mit unseren Anliegen und Forderungen verteilen und somit an die Öffentlichkeit bringen. Die Gesellschaft soll uns hören und sehen! Zudem wollen wir unsere Forderungen am Streiktag oder dem Tag zuvor auch direkt an die betreffenden Behörden übergeben – zum Beispiel im Rahmen einer Petitionsübergabe.

Abends gibt es dann hoffentlich noch einen Demozug, an dem sich viele FaBes anschliessen werden. Auch diejenigen, die vielleicht am Tag trotzdem noch arbeiten mussten.

Blickst du positiv auf den 14. Juni?

Es liegt noch viel Arbeit vor uns und wir werden noch einige Hürden zu überwinden haben. Aber mit all den Frauen*, die auch grosses Erreichen wollen an diesem Tag, schaffen wir einen unglaublichen 14. Juni! Wir als Trotzphase sind ganz vorne mit dabei. Denn Trotz ist ein Verhalten des Widerstandes. Und wie das Omega in unserem Logo, kämpfen wir bis zum Schluss!

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