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Der Linkskommunismus der Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD)

Wenn man das Wort Kommunismus hört, denkt man zumeist an Lenin und die Russische Revolution 1917. Tatsächlich brachte das 20. Jahrhundert aber verschiedenste marxistische Denkschulen hervor. Eine war die Kommunistische Arbeiter-Partei Deutschlands (KAPD), die dem Linkskommunismus zuzurechnen ist[1]. Die Grundmaxime der linkskommunistischen KAPD war die selbsttätige Emanzipation des Proletariats. Nicht zuletzt deswegen pflegte sie ein ambivalentes Verhältnis zur Russischen Revolution, geprägt von Bewunderung wie von Kritik. Im Folgenden soll anhand der KAPD die Herausbildung eines linkskommunistischen Theoriegebäudes während der 1920er veranschaulicht werden.

von João Woyzeck (BFS Zürich)

Von der revolutionären Ungeduld zur KAPD

Die Geschichte der Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands (KAPD) beginnt mit der Vorgeschichte der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), die 1918 als Zusammenschluss zweier marxistischer Strömungen entstand, die sich zuvor von der Sozialdemokratie (SPD) losgerissen hatten. Zum einen die Internationalen Kommunisten Deutschlands (IKD, mit Wirkungszentrum in Bremen, Hamburg und Dresden), die eine föderative Partei anstrebten, zum Austritt aus den Gewerkschaften und gegen die Teilnahme am Parlament aufriefen; zum anderen der Berliner Spartakusbund, der in sich gespalten war. Die leitende Ebene stand für die bedingte Arbeit in Parlament und Gewerkschaft unter einer stärker zentralistisch organisierten Partei ein, unter den rangniederen Spartakist:innen aber war ein Grossteil antiparlamentarisch, gewerkschaftsfeindlich und stärker autoritätskritisch gestimmt. Diese Differenzen führten auf dem Heidelberger Parteitag (II. Parteitag der KPD) im Oktober 1919 zum Bruch. Die autoritätskritischen Elemente wurden aufgrund der Weigerung, in Gewerkschaften zu arbeiten, aus der Partei ausgeschlossen. Der KPD-Zentrale unter Paul Levi ging es aber auch darum, die Partei straffer und hierarchisierter zu organisieren.[2]

Von Seiten der meisten Ausgeschlossenen war zunächst noch gar nicht an die Gründung einer neuen Partei, geschweige denn an eine Alternative zur KPD zu denken. Dies änderte sich schlagartig mit dem Kapp-Putsch im März 1920.[3] Damals versuchten rechtsradikale Freikorps (freiwillig organisierte ehemalige Frontsoldaten) und ein Teil der Reichswehr die junge Weimarer Republik (erster bürgerlich-parlamentarisch Staat Deutschlands, 1918- 1933) zu stürzen, um eine nationalistische Autokratie zu errichten.[4] Die Reichswehr traf dabei aber vor allem im Ruhrgebiet auf heftige Gegenwehr seitens der Arbeiter:innen, die sich zur 80’000-Personen starken Roten Ruhrarmee formiert hatten. Für einen Teil der Arbeiter:innen, darunter auch aus der ehemaligen KPD-Basis, waren die Gefechte allerdings mehr als eine defensive Aktion. Sie wollten die Ruhrkämpfe zur sozialen Revolution (Überwindung des Kapitalismus) ausweiten.[5] Die KPD-Zentrale sprach sich indes gegen eine Fortführung des bewaffneten Kampfes aus und trat im Rahmen des Bielefelder Abkommens in Verhandlungen mit der Zentrumspartei und der SPD, um einen Kompromiss zur friedlichen Beilegung des Konflikts zu finden.[6] Dieser aufstandsfeindliche Kursgab schliesslich den entscheidenden Impuls, um am 4. und 5. April 1920 die KAPD zu gründen, an welche die KPD rund die Hälfte ihrer Mitglieder verlor: 38’000 Mitglieder zählte nun die KAPD. Im Grossraum Berlin hielten von damals rund 8’000 KPD-Mitgliedern lediglich noch 500 zur KPD-Zentrale um Levi.[7]

Arbeiter:innen organisierten sich 1919 reflexartig zur Roten Ruhrarmee.

Die Gründung der KAPD muss entlang dreier Achsen gesehen werden. Die KAPD verstand sich als radikaler Gegenentwurf zur KPD, welche die KAPD als zu stark zentralisierte und anführer:innenzentrierte Partei wahrnahm, um unverfälscht den revolutionären Massenwillen zu fördern.[8] Zudem war die KAPD überzeugt, dass sich der Kapitalismus in einer tiefen Krise befinde, und setzte daher die unmittelbare Machtübernahme durch das Proletariat auf ihre Agenda.[9] Die revolutionäre Gunst der Stunde setzte aber ein revolutionäres Bewusstsein im Proletariat voraus. Die dritte Achse, entlang welcher sich die KAPD konstituierte, war die Förderung dieses Klassenbewusstseins. Für die KAPD trug die Psychologie des Proletariats noch «die Spuren der militaristischen Versklavung» durch die bisherigen anführer:innenzentrierten Organisationsformen. So hätten zuletzt die bürgerlichen Arbeiter:innenorganisationen (Gewerkschaft, parlamentarische Partei) dem Proletariat eine Hörigkeit antrainiert, welche die Ausprägung eines selbstständigen revolutionären Bewusstseins verhinderte.[10] Das Parteiprogramm zeigte sich hierin stark vom niederländischen Marxisten Anton Pannekoek geprägt. Obwohl er nie Mitglied war, übte er massgebenden Einfluss auf die Vorstellungen der KAPD aus und äusserte sich einflussreich in ihren Publikationen.[11]

Eckpfeiler der Arbeiter:innendemokratie

Die bürgerliche Interessensvertretung

Die KAPD war strikt antiparlamentarisch und antigewerkschaftlicheingestellt. Im Gegensatz dazu pflegte die KPD ein differenziertes Verhältnis zu Parlament und Gewerkschaft. Zum einen warnte die KPD vor der Bürokratisierungsgefahr durch machtgierige Gewerkschafter:innen oder Berufspolitiker:innen. Zum anderen trat sie aber auch in die Gewerkschaften ein, um die Gewerkschaften revolutionär wiederzubeleben (Zellentaktik)[12], und nutzte dasParlament als propagandistische und taktische Bühne.[13]

Die allgemeine Ablehnung durch die KAPD war keine abstrakte Grundsatzfrage. Die KAPD war der Ansicht, der Kapitalismus befände sich in seiner Endphase, was die soziale Revolution nun möglich mache. Vor diesem historischen Umstand erschienen der KAPD die traditionellen Arbeiter:innenorganisationen als Hindernis.[14] Gewerkschaft und Partei seien lediglich darauf ausgelegt, das Ausbeutungsverhältnis angenehmer zu gestalten (mehr Lohn, kürzere Arbeitszeiten, etc.), ohne jedoch die kapitalistische Produktionsweise (Aneignung fremder Arbeit) an sich abzuschaffen. [15] Vor allem aber hatten für die KAPD parlamentarische Parteien und Gewerkschaften mit der Passivität, welche solche führer:innenzentrierten Organisationen der breiten Mitgliedschaft zuwiesen, den Arbeiter:innen eine Unmündigkeit anerzogen, die die Herausbildung eines souveränen revolutionären Bewusstseins im Proletariat hemmte.[16]

6. Juni 1920: anlässlich der zweiten Reichstagswahl der Weimarer Republik, der ersten regulären überhaupt, rief die KAPD zum Boykott der Parlamentswahlen auf. Im Lichte der Novemberrevolution setzte die KAPD auf Massenkampf und direkte Aktion.

Der Arbeiter:innenrat

Die Alternative sah die KAPD im Arbeiter:innenrat (auf Russisch Sowjet). D.h. der selbsttätigen Gesellschaftslenkung der Lohnarbeiter:innen aus ihren Betrieben heraus. Der Urimpuls für die Räteidee war Marxens Schilderung der Pariser Kommune in «Der Bürgerkrieg in Frankreich» aus 1871.[17]

Eigentliche Impulsgeber waren konkrete historische Ereignisse; sie aktivierten gewissermassen die Räteidee.[18] Während der russischen Revolution 1905 bildeten die Arbeiter:innen Streikkomitees, die sich schliesslich zu Arbeiter:innensowjets  entwickelten, wo sich die Arbeiter:innenschaft umfassend politisch austauschte und organisierte.[19]

1917 geriet Russland aus allen Fugen. Während der Februarrevolution im März 1917 zwangen Streiks, Massendemonstrationen und Aufstände Zar Nikolaus II. zur Abdankung.[20] In dieser Umbruchsituation griffen die Arbeiter:innen und Soldat:innen auf die Tradition der russischen Revolution 1905 zurück, um sich eigenständig zu organisieren, und formten Arbeiter:innen- und Soldat:innensowjets.[21] Im November desselben Jahres wurde die Welt Zeuge der Russischen Revolution 1917. Damals eroberte die Kommunistische Partei Russlands (KPR) unter der Leitung Lenins und Trotzkis und gestützt auf die Arbeiter:innen- und Soldat:innensowjets die politische Macht in Russland, um eine Union von Räterepubliken zu gründen: die Sowjetunion![22]

Hiervon inspiriert erhoben sich nach dem Ersten Weltkrieg 1918 auch die Arbeiter:innen und Soldat:innen in Deutschland zur Novemberrevolution. Als dann aber die Nationalversammlung zur Gründung eines bürgerlichen Staates einberufen wurde, entbrannten 1919 wilde Streiks. Arbeiter:innen beschlagnahmten Betriebe[23] und lösten sich von ihren Gewerkschaften, um selbstständig revolutionäre Betriebsräteundrevolutionäre Ausschüsse zu bilden.[24]

9. November 1918: bewaffnete Soldaten und Matrosen fahren, eine rote Flagge schwenkend, durch das Brandenburger Tor.

Viel mehr noch als die russischen Sowjets boten die revolutionären Betriebsräte während der Novemberrevolution der KAPD ein Vorbild zur Organisation der Arbeiter:innenschaft. In ihnen wurde politische Macht direkt aus der produktiven Belegschaft heraus organisiert:

Erstens entsprang somit politische Macht direkt aus den Reihen der produktiven (wertschaffenden) Bevölkerung. Dort schienen alle gleichberechtigt, d.h. ohne Unterschied im Verhältnis zu den Produktionsmitteln.

Zweitens wurzelte dadurch die politische Macht am Motor der kapitalistischen Produktionsweise und somit an der Basis der bürgerlichen (bzw. künftigen) Gesellschaft.[25]

«keine Partei im überlieferten Sinne»

Die KAPD erklärte in ihrem Programm, «keine Parte im überlieferten Sinne» mehr sein zu wollen. Dieses Selbstverständnis ist auf die geistesgeschichtliche Entwicklung in der niederländischen und deutschen Sozialdemokratie während der Vorkriegszeit (bis 1914) zurückzuführen. Mit der Massenstreikbewegung 1905 entbrannte in der sozialdemokratischen Bewegung nämlich eine Kontroverse darüber, welche Rolle ausserparlamentarische und spontane Massenaktionen für den Sozialismus spielen sollten. (Die daraus erwachsene Strategiefrage um revolutionären Bruch oder reformistischen Parlamentarismus würde 1919 zur allgemeinen Abspaltung der sozialdemokratischen Linken führen: IKD und Spartakusbund.)[26]

Herman Gorter und Anton Pannekoek –  vom linken Flügel der niederländischen Sozialdemokratie (Tribunist:innen), aber mit Wirkungskraft bis nach Deutschland[27] ­ –vertraten seit 1905 die Ansicht, dass die bürokratisierte parlamentarische und gewerkschaftliche Organisation die Initiative der proletarischen Masse erdrücke.[28] Stark beeinflusst durch den Chicagoer Marxisten Joseph Dietzgen, welcher den subjektiven Faktor (dialektische Beziehung zwischen den sozio-ökonomischen Bedingungen und der eigenständigen Psyche eines Menschen) stärker betonte, stellten Gorter und Pannekoek zudem die Formung des Klasseninstinkts im Proletariat zum politisch-sozialistischen Klassenbewusstsein ins Zentrum der politischen Agitation.[29]

Pannekoek und Gorter waren hier prägend für die 1920 gegründete KAPD. Der Sinn einer kommunistischen Partei lag für die KAPD nicht darin, der Masse von oben einen Kurs überzustülpen, sondern die revolutionären Impulse aus der Arbeiter:innenschaft selbst zu fördern.[30] Die KAPD sah ihre Hauptaufgabe in der Förderung des Klassenbewusstseins und des revolutionären Massenwillens. Dabei betonte die KAPD, dass die sozialistische Revolution aufgrund des Kräfteverhältnisses zwischen den Klassen im fortgeschrittenen Kapitalismus nicht durch führer:innenzentrierte Parteien gewonnen werden könne, die die Arbeiter:innen als dumpfe Massen lenken, sondern nur als Kampf aktiver Proletarier:innen an der Basis. Für die KAPD hatte dies erkenntnistheoretische Folgen. Denn eine autoritäre Rolle der kommunistischen Anführer:innen gegenüber der Gesamtklasse erziehe der Masse eine Passivität an und verhindre die Entwicklung von Selbstbewusstsein und eigenständiger Initiative des Proletariats. Nur durch selbsttätige Erfahrungen im revolutionären Umgestaltungsprozess (Betriebsorganisation) gelange das Proletariat zum klassenbewussten Massenwillen.[31]  

Die KAPD stand im Kontrast zu den Vorstellungen Lenins, der der Spontaneität der Masse kritischer gegenüberstand und betonte, die Partei müsse eine autoritativ-erzieherische Funktion ausüben, weil das breite Proletariat aus eigener Kraft höchstens zu einem gewerkschaftlichen Bewusstsein gelangen könne. Lenin zufolge sei die Arbeiter:innenschaft selbst zwar zur Erkenntnis fähig, sich organisieren und nach besseren Arbeitsbedingungen fordern zu müssen. Der revolutionäre Funke für den Bruch mit dem System aber müsse durch Berufsrevolutionär:innen von aussen eingeimpft werden. Dies rechtfertige auch eine strikte organisatorische Unterordnung des Proletariats unter eine voraussichtige Parteispitze.[32] Auch die KPD übernahm 1920 die am II. Weltkongress der Kommunistischen Internationale (Komintern) festgesetzte Organisationsstruktur der KPR.[33]

Dabei verstand sich die KAPD – wie KPD und KPR – durchaus auch als avantgardistische Kaderpartei. Die KAPD lehnte allerdings das Modell der Massenpartei, wie es die KPD praktizierte, zugunsten einer kleinen Elitepartei ab. Die Stärke der Partei sah die KAPD nicht in einer hohen Mitgliederzahl, sondern im hohen Grad ideologischer und bewustseinsmässiger Standfestigkeit all ihrer Mitglieder.[34]

Das bezeichnende an der Organisation der KAPD war die Art und Weise ihrer Intervention in die arbeitenden Massen. Die Masse der Arbeiter:innensollte sich nämlich nicht in der KAPD selbst, sondernder ihr nahestehenden Allgemeinen Arbeiter-Union Deutschlands (AAUD) organisieren. Einer rätekommunistischen und quasigewerkschaftlichen Organisation, die aber in zwei Punkten einen exakten Gegenentwurf zu eigentlichen Gewerkschaften (wie z.B. dem grössten Dachverband und SPD-nahen Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund) bot:

Erstens wollte die AAUD durch einen Aufbau von Unten antibürokratisch sein.

Zweitens wollte sie nicht innerhalb des Kapitalismus wirken und mit den Unternehmen um bessere Arbeitsbedingungen verhandeln, sondern die Produktionsmittel übernehmen und den Kapitalismus überwinden.

Die unterste Ebene der AAUD bildeten revolutionäre Betriebsräte (oder Aktionsausschüsse), die direkt aus der Belegschaft gewählt wurden und den Zweck hatten, im und aus dem Betrieb heraus zu mobilisieren.[35]

Henk Canne Meijers[36|, ehemaliges Mitglied der niederländischen Schwesterpartei KAPN (Kommunistische Arbeiders Partij van Nederland), gibt einen Einblick ins Verhältnis dieser Doppelorganisation:

«So hätte diese kleine ausgewählte Partei eine erzieherische Aufgabe, sie würde die Rolle eines Katalysators auf der Ebene der Ideen spielen. Aber die Aufgabe, die Massen selbst zu organisieren, käme der AAUD zu, die dabei auf die Reservoirs der Fabrikorganisationen zurückgreifen müßte und deren wesentliche Aufgabe es sein würde, gegen die Gewerkschaften zu kämpfen und deren Einfluß zurückzudämmen; […] Schließlich verwandeln sich im Verlauf des Kampfes die Fabrikorganisationen in Arbeiterräte, die alle Arbeiter umfassen und die direkt dem Willen und der Kontrolle der Arbeiter unterstellt sind. Kurz, die „Diktatur des Proletariats“ wäre nichts anderes als eine auf die Gesamtheit der deutschen Fabriken ausgedehnte AAUD.»[37]

Die AAUD selbst hatte sich schon im September 1919 als nationaler Zusammenschluss örtlicher Arbeiter:innen-Unionen formiert; noch vor Gründung der KAPD. Sie entstand als Reaktion auf die Entwicklungen während der Novemberrevolution. Die revolutionären Betriebsräte, die sich während der Novemberrevolution gebildet hatten, wurden in Form gesetzlicher Betriebsräte in die kapitalistische Ordnung der Weimarer Republik integriert. Als Gegenbewegung zur Einbettung in das kapitalistische System verselbstständigten sich einige Betriebsräte als Arbeiter:innen-Union. Sie bekannten sich zum revolutionären Marxismus und lehnten anarcho-syndikalistische Positionen (bspw. FAUD) ab. Ihre konkrete Organisationsweise war stark durch den Unionismus der amerikanischen Industrial Workers of the World (I.W.W.) beeinflusst, d.h. branchenübergreifend organisiert (zur Vermeidung innerproletarischer Konkurrenz zwischen Fachgewerkschaften) und von unten her zu One Big Union zentralisiert.[38]

Eine exakte Bestimmung der zahlenmässigen Stärke lässt sich angesichts der nicht eindeutigen Quellenlage nicht machen. Nach eigener Darstellung umfasste die AAUD 1920 noch 80’000 Mitglieder, während sie Anfang 1921 bereits über 200’000 Mitglieder verfügt haben soll.[39] Ebenso war auch die KAPD, will man denn ihrer Eigendarstellung glauben, bis September 1921 von anfänglichen 38’000[40] auf 41’473 Mitglieder angewachsen (jeweils 178’000 und 46’431 nach behördlichen Angaben).[41] Damit war die KAPD/AAUD im Verhältnis zur KPD – Ende 1920 durch die Fusion mit dem linken Flügel der USPD von 78’000 auf 360’000 Mitglieder angewachsen[42] – zwar eindeutig die kleinere kommunistische Organisation, in der Arbeiter:innenschaft aber keineswegs unbedeutend.

Von der organisierten Arbeiter:innenschaft zur Arbeiter:innendemokratie

Die AAUD/KAPD bekannte sich zur Diktatur des Proletariats (partizipativer Übergangsstaat zur Überwindung der gesellschaftlichen Aufteilung in besitzende Ausbeuter:innen und Ausgebeutete), worunter sie nicht eine Parteidiktatur, sondern eine Diktatur der breitesten proletarischen Masse verstand.

Die Diktatur des Proletariats war für die KAPD gleichbedeutend mit einer Räterepublik.[43] Damit ist ein stufenweise aufgebauter Staatgemeint, wo die Belegschaft als unterste Urwähler:innenschaft aus ihrem Betrieb herausVertretungenin einen örtlichen Arbeiter:innenrat wählt. Solche Räte wählen dann ihrerseits aus ihrer Mitte Vertretungen in einen Rat auf jeweils nächsthöherer Stufe (z.B. Ortsgruppe, Unterbezirk, Wirtschaftsbezirk, Reichswirtschaftsrat). Die Delegierten eines Rats bleiben ihrer jeweiligen Wähler:innenschaft rechenschaftspflichtig (permanente Kontrolle von Unten) und durch dieselbe jederzeit abberufbar. Um die Bildung eines Herrscherklüngels zu verhindern und alle Arbeitenden an der Verwaltung zu beteiligen, unterliegen alle Ämter der ständigen Rotation.[44]

Rätestaat
Quelle: Eigene Darstellung

Die AAUD war dabei nicht nur Instrument zur Machteroberung, sondern als strukturelle Grundlage für die sozialistische Räterepublik angedacht.[45] Dazu war die AAUD bereits weitestgehend rätedemokratisch strukturiert.[46]

Dabei würde sich nicht nur die wirtschaftliche Rätestruktur der angestrebten Räterepublik aus den in der AAU vereinigten Betriebsräten bilden. Auch dieerstinstanzliche Stufe der politischen Rätestruktur,der eigentliche Staat, sollte aus den Betriebsräten heraus aufwärts gewählt werden.[47]

Das Selbstverständnis der KAPD war stark durch die Auseinandersetzung mit der Möglichkeit einer Parteiherrschaft nach der Machteroberung geprägt. So wies sich die KAPD für die Zeit nach der Machteroberung auch die Rolle zu, die Entwicklung der Räte zu fördern und das Entstehen einer Parteidiktatur zu verhindern.Die KAPD sah in der Betriebsorganisation als Basiseinheit der Gesellschaftsverwaltung die Sicherung dafür, dass «die politische Macht tatsächlich nur durch die Räte, und nicht etwa durch irgend eine politische Partei ausgeübt» würde.[48]

Richtungskämpfe: wie viel Partei soll’s denn sein?

Die KAPD entstand aus dem Zusammenschluss diverser Gruppierungen, die aus der KPD ausgeschlossen worden waren.[49] Nicht von ungefähr zeigten sich unmittelbar nach Gründung der KAPD Spannungen zwischen drei Tendenzen.[50]

Die mehrheitliche Richtung war die Berliner Richtung.[51] Neben dem akademischen Kreis um Karl Schröder, Alexander Schwab, Arthur Goldstein und Bernhard Reichenbach, waren auch proletarisch-handwerkliche Arbeiter:innen wie Jan Appel oder Adam Scharrer bestimmend.[52] Die Berliner Richtung setzte sich im Wesentlichen aus ehemaligen Mitgliedern des Spartakusbundes zusammen.[53] Innerhalb des Spartakusbundes hatten Schröder und Goldstein schon 1918 unionistische Vorstellungen vertreten, d.h. die Organisation der breiten proletarischen Masse in einer Allgemeinen Arbeiter:innen-Union.[54] Die wohl namhafteste Persönlichkeit der Berliner Richtung dürfte allerdings Herman Gorter gewesen sein. Der gebürtige Niederländer trat (zu Beginn) als der vielleicht wirkungsstärkste Agitator und Impulsgeber der KAPD in Erscheinung und war zugleich Gründer der niederländischen Schwesterpartei KAPN. Er verkörperte somit wie kein Zweiter den Linkskommunismus der 1920er, welcher als eine grenzübergreifende Bewegung in Deutschland und den Niederlanden begriffen werden muss.[55]

Herman Gorter setzte sich mit Leib und Seele für die KAP ein, bis er 1927 nach langer Krankheit verstarb.

Die Berliner Richtung stand für eine stärkere Zentralisierung der AAUD und eine ideologische Anleitung der AAUD durch die KAPD ein.[56] Im Unterschied zu einer bürgerlichen Partei, die auf ein Handeln im Parlament ausgelegt ist und die ihre eigene Macht anstrebt, wollte sie jedoch lediglich Beförderer der selbsttätigen Masse sein. Nichtsdestotrotz blieb für die Berliner Richtung die Partei eine unumgängliche Notwendigkeit, um den klassenkämpferischen Kurs der Arbeiter:innen beizubehalten, weswegen die Partei auch mindestens bis zur Machtergreifung durch das Proletariat, wenn nicht darüber hinaus, in dieser Funktion bestehen bleiben müsse.[57]

Vor allem in Ost-Sachsen und Nord-Westdeutschland sammelten sich um Otto Rühle Marxist:innen, die sich für eine grössere Autonomie der einzelnen Betriebsorganisationen gegenüber dem Unionszusammenschluss aussprachen. Rühle zeigte somit eine gewisse ideologisch-strategische Nähe zu syndikalistischen Konzeptionen (bspw. FAUD). Gleichzeitig unterschied er sich vom Syndikalismus aber sowohl durch das Zusammendenken besagter betrieblicher Initiative mit der zentralstaatlichen Kräftekonzentration in einer AAU-Spitze als auch durch das Bekenntnis zur Diktatur des Proletariats.[58]

Anfangs gehörte die stärker betriebsföderative Richtung noch der KAPD an; Rühle zählte sogar zu ihren Mitbegründer:innen. Als die Berliner Richtung jedoch immer mehr ihren Anspruch durchsetzen konnte, die AAUD ideologisch anzuleiten, gingen die Ost-Sächs:innen immer mehr dazu über, auch im KAPD-Typus nichts weiter als eine handelsübliche Partei zu sehen, die eigene Machtansprüche anstrebt.[59]

Im Oktober 1920 wurde Rühle aus der KAPD ausgeschlossen.[60] Aus Angst, die zentralistische Berliner Richtung würde aus der Partei letztlich das Gehirn der Arbeiter:innen-Union machen, und in Reaktion auf das Fiasko der Märzaktion (dazu weiter unten) lösten sich die stärker föderativ eingestellten Sektionen – insgesamt aber eine Minderheit – immer mehr von der AAUD. Rühle und Franz Pfemfert, sowie Pfemferts literarisch-politische Zeitschrift die Aktion als theoretischer Umschlagplatz, boten da einen passenden Gegenentwurf an: Zwischen Juni und Oktober 1921 bildete sich um Rühle und Pfemfert als intellektuelle Triebkraft die Allgemeine Arbeiter:innen-Union-Einheitsorganisation (AAU-E). Diese war nicht bloss weniger zentralistisch aufgebaut, sondern agierte als sogenannte Einheitsorganisation, d.h. ohne die organisatorische Aufteilung in Partei und Gewerkschaft bzw. in ideologische Führung und mobilisierende Organisation. Die Einheitsorganisation sollte auch der Vorstellung gerecht werden, dass eine Unterscheidung von politischem und wirtschaftlichem Kampf nicht mehr möglich sein werde, da in der sozialen Revolution auch ökonomisch-materielle Konflikte politisiert würden. Hierin zeigte sich im Vergleich zur Berliner Richtung ein Unterschied des Timings. Für Schröder konnte sich eine Aufhebung der separierten Partei erst im Prozess der erfolgreichen Revolution ergeben.

Diese Vorstellung von einer reinen Betriebsorganisation ganz ohne externe Partei lässt sich bis in die Ideenwelt der IKD zurückverfolgen. Rühle war vor Gründung der KPD ein bedeutender IKD-Führer in Dresden.[61]

Franz Pfemfert links mit Otto Rühle rechts.

Die Hamburger Fritz Wolffheim und Heinrich Laufenberg standen als National-Bolschewisten für die dritte Strömung. Dadurch, dass sie den Klassenkampf ausdrücklich im nationalen und nicht im internationalen Rahmen führen wollten und Sachverhalte zuweilen auch antisemitisch deuteten, hatten sie sich jedoch schnell einmal allgemein diskreditiert. Vier Monate nach Parteigründung wurden sie auf dem ersten ordentlichen Parteitag ausgeschlossen.[62]

Die unmittelbare Machtübernahme

Das erste Lebensjahr der KAPD war vom Versuch geprägt, die Nachwehen der Novemberrevolution zum Sturz der Weimarer Republik auszudehnen. Die KAPD verfügte dazu über eine illegale bewaffnete Kampforganisation:

Im Sommer 1920 plante die KAPD Massenaktionen gegen das Entwaffnungsgesetz zur Requirierung der in der Bevölkerung verbliebenen Erstweltkriegswaffen, was aber an der Nichtbeteiligung von KPD und USPD scheiterte. Im Sommer 1920 verübte die KAPD gemeinsam mit der FAUD Sabotageakte gegen die Lieferung deutscher Munition an Polen während des polnisch-sowjetischen Krieges, und im November 1920 unterstützte die KAPD den wilden Streik der Elektrizitätsarbeiter:innen in Berlin.[63]

Während der Märzaktion im März 1921 wagte die KAPD im deutschen Mittelland (südliches Sachsen-Anhalt, Thüringen, Nordhessen, Sachsen) einen letzten militaristischen Versuch, um die Spannungen im Proletariat zur sozialen Revolution zu kanalisieren und die Macht zu ergreifen. Sie kooperierte dabei mit der KPD, welche den Aufstand überhaupt erst initiiert hatte.[64] Die KPD hatte damit allerdings einen strategischen Etappensieg verfolgt und keinen revolutionären Systemwechsel, d.h. den Sturz der gegenwärtigen Regierung zugunsten von einer, die aussenpolitisch sowjetfreundlicher auftreten würde, zu erzwingen.[65]

Die Märzaktion begann damit, dass die von der Sozialdemokratie mitregierte Weimarer Republik am 19. März 1921 gegen eigentlich unbedeutende Tumulte aus der Arbeiter:innenschaft in Mansfeld (Sachsen-Anhalt) die Sicherheitspolizei entsandte. In den Augen der sächsischen Arbeiter:innen wirkte dies als unverhältnismässiger Affront, weswegen zu Generalstreiks aufgerufen wurde und sich die Arbeiter:innenschaft in sporadische Scharmützel mit der Sicherheitspolizei verstrickte. In der Folge davon verhängte die Regierung den nichtmilitärischen Ausnahmezustand. Angeheizt durch die Parolen der KPD und der KAPD lieferten sich rund 40’000 Arbeiter:innen bewaffnete Gefechte mit etwa 17’000 Ordnungshüter:innen der Reichswehr und der Sicherheitspolizei, oder verübten z. T. auch Zugentgleisungen oder Anschläge auf Justizgebäude.[66]

Der KAPD-Mann Max Hoelz (r.) bildete im März 1921 aus bewaffneten Arbeiter:innen und Erwerbslosen Stosstrupps, die Banken ausraubten, Züge entgleisen liessen und sich mutig der Polizei entgegenstellten.

Letzen Endes erwies sich die Märzaktion für die Arbeiter:innenschaft mit rund 4’000 Verhaftungen (davon acht lebenslänglich), 135 kampfbedingten Todesfällen und vier Hinrichtungen aber als bittere und blutige Niederlage.[67] Auch strategisch entpuppten sich die Märzkämpfe als Desaster. Das Vorhaben der KAPD, die Kämpfe zur sozialen Revolution auszuweiten, scheiterte nicht zuletzt auch daran, dass ein Grossteil der deutschen Arbeiter:innen dem revolutionären Aufruf der KAPD (und KPD) nicht folgen wollte.[68]

Die KAPD hielt auch nach diesem Desaster unbeirrt daran fest, dass die Voraussetzungen für die soziale Revolution gegeben seien. Die Ursache für das Ausbleiben der Revolution sah die KAPD im unzureichend ausgeprägten revolutionären Bewusstsein innerhalb des Proletariats. Dies führte sie einerseits auf die jahrelange Prägung durch den parlamentarischen und gewerkschaftlichen und somit aufstandsfeindlichen Kurs der KPD und andererseits auf den autoritären Führungsstil seitens der KPD-Leitung gegenüber den Massen zurück. Im Wesentlichen warf die KAPD der KPD vor, den Massen urplötzlich und künstlich einen aufständischen Kurs diktiert zu haben, nachdem sie zuvor noch dessen selbstständige Bewusstseinsentwicklung systematisch verhindert hatte.[69]

Von ihrer maximalistischen (Revolution jetzt gleich!) Linie rückte die KAPD auch nicht ab, als sich zwischen 1922 und 1924 immer mehr abzeichnete, dass sich die kapitalistische Wirtschaft stabilisieren würde. Auf Basis der Imperialismustheorie Rosa Luxemburgs entwickelte die KAPD die Theorie der Todeskrise des Kapitalismus. Demnach würde der Kapitalismus mit seinem Wachstumsdrang angesichts der mittlerweile übersättigten Absatzmärkte (Verwertungskrise; die Profitrate sinkt) binnen kürzester Zeit kollabieren. Die Monopolisierung, so die KAPD, der Wirtschaft würde dies nur kurzfristig hinausschieben.[70] Bock zufolge diente diese Theorie auch als psychologische Palliative, um die Dissonanz zwischen der Konsolidierung des Weimarer Kapitalismus und dem Glauben an die Voraussetzungen für die soziale Revolution zu überbrücken.[71]

Die KAPD und die Kommunistische Internationale

Guten Tag, Genosse Lenin

Trotz ideologischer Unterschiede zu beiden Parteien lehnte die KAPD zunächst nur die KPD ab und stellte sich solidarisch hinter die KPR. Diese (scheinbare) Inkonsequenz lässt sich damit erklären, dass die KPD in Deutschland auf eine Regierungsbeteiligung setzte, was die KAPD als reformistisch verurteilte. Die KPR hatte mit der Oktoberrevolution hingegen nichts Geringeres als den Auftakt zur Weltrevolution eingeleitet. Die KAPD suchte daher Anbindung an die Kommunistische Internationale (Komintern).[72] Dazu entsandte die KAPD 1920 Jan Appel und Franz Jung als Emissäre an den II. Weltkongress der Komintern. Die Reise nach Russland war damals kaum umsetzbar und so stachen sie zunächst als blinde Passagiere auf der Senator Schröder, einem Fischerschiff, von Cuxhaven aus in See. Der Unionist Hermann Knüfken, der sie auf ihrem Weg begleitete, kaperte schliesslich mit Hilfe der Schiffsmannschaft die Schröder. An der Nordspitze der friesischen Halbinsel Helgoland angelangt, wurden der Kapitän und dessen Offiziere unter vorgehaltener Pistole gefangengenommen und in die Vorderkabine gesperrt. Am Seehafen des russischen Murmansk empfing man Jung und Appel als Genossen, bevor sie sich weiter nach St.Petersburg machten. Lenin konnten sie dort zwar nur sehr kurz treffen, dafür soll er ihnen aber den Spitznamen Piratengenossen gegeben haben.[73]

Appel und Jung wollten Lenin ihre Vorstellungen vom Kommunismus darlegen. Während Appels und Jungs persönliche Präsenz durchaus begrüsst wurde, stiess ihre Gesinnung auf taube Ohren. Lenin las ihnen Auszüge aus dem Manuskript seiner künftigen Streitschrift «Der ‘’linke Radikalismus’’, die Kinderkrankheit im Kommunismus» vor und sah sich gar bewogen, einen offenen Brief an die Mitglieder der KAPD zu verfassen. Darin machte Lenin klar, dass für ihn die Beteiligung an Parlament und Gewerkschaft nicht verhandelbar sei, die Frage nach einer Entscheidung zwischen Klassen- ODER Parteidiktatursich so nicht stelle und dass er sich unlängst auf die Seite der KPDgestellt habe. Das Offene Schreiben kulminierte schliesslich in der Forderung nach einem Zusammenschluss von KAPD und KPD unter der Schirmherrschaft des Exekutivkomitees der Komintern (EKKI).[74]

Mit Verlaub, Herr Uljanow!

Rühle – damals noch KAPD-Mitglied – kam nach einer Reise durch die Sowjetunion und einem Zusammentreffen mit Lenin zum Schluss, dass die sowjetische Produktionsweise despotisch sei. Rühle hielt es daher für ungemein gefährlich, die Strategie der KPR auf die kommunistische Bewegung der Welt zu übertragen. Rühle sprach sich gegen jegliche Beteiligung der KAPD an der Komintern aus, da er in der Integration der KAPD in die Komintern letztlich eine Strategie der KPR zur Auflösung der KAPD wähnte. Die parteiinterne Uneinigkeit über den Beitritt zur Komintern stürzte die KAPD in eine grosse Krise, welche schliesslich mit dem Ausschluss Rühles im Oktober 1920 wegen parteispalterischen Verhaltens beendet wurde. Gorter (Berliner Richtung) trat hingegen dafür ein, mit anderen linkskommunistischen Gruppierungen eine Opposition innerhalb der Komintern zu schaffen. Gorter reiste 1920 gemeinsam mit Karl Schröder persönlich nach Moskau, wo ihm die Komintern ebenfalls die Zusammenlegung mit der KPD gebot. Da sich Gorter unbeugsam weigerte, wurde der KAPD lediglich der provisorische Status als sympathisierendes Mitglied mit beratender Stimme zugestanden.[75] Das Ziel einer linkskommunistischen Opposition innerhalb der Komintern scheiterte schliesslich auf dem III. Weltkongress im Juni/ Juli 1921, weil sich die meisten potentiellen Bündnispartner:innen weigerten, wohl aus Angst, aus der Komintern ausgeschlossen zu werden.[76] Die KAPD wurde erneut aufgefordert, sich mit der KPD zu vereinigen; diesmal als Bedingung, um nicht aus der Komintern ausgeschlossen zu werden. Ein Zusammenschluss aber hätte die faktische Auflösung der KAPD bedeutet.[77] Zurück in Deutschland, entschied der ausserordentliche KAPD-Kongress vom 11. bis 14. September 1921 daher einstimmig, die Komintern-Mitgliedschaft aufzugeben.[78]

Erste Abnabelungen

Zaghafte Ernüchterung: marxt nich’ doch was Eigenes? 

Der II. Weltkongress der Komintern im Juli und August 1920 widmete sich ganz dem Aufbau der Komintern: Es wurden Statuten zur Einrichtung einer permanenten Verwaltungsspitze etabliert, was zur Hegemonie der KPR im Exekutivkomitee der Komintern (EKKI) führte (Punkt 8 und 9), sowie die berühmten 21 Bedingungen für den Beitritt festgesetzt, was alle nationalen Sektionen zur unbedingten Einhaltung der Beschlüsse des EKKI verpflichtete (Bedingung 16). Die Komintern wurde so immer mehr zum Instrument der KPR, um Einfluss auf die Strategien der nationalen KPs auszuüben.[79] Die KAPD lehnte jeglichen Eingriff der Komintern in innere Angelegenheiten der Mitgliederparteien ab; deren innerstaatliche Strategie sollten diese selbst bestimmen.[80] Ein zentraler Kritikpunkt der KAPD war dabei die sowjetische Förderung von Strategien innerhalb des bürgerlichen Systems, statt eines harten Systembruchs.[81]

Anlässlich des II. Weltkongresses veröffentlichte Lenin im Juni 1920 seine Streitschrift «Der ‘’linke Radikalismus’’, die Kinderkrankheit im Kommunismus»[82],die sich stellenweise spezifisch gegen die Strategie der KAPD richtete.[83] Gorter antwortete Lenin im Namen der KAPD mit seinem berühmten «Offenen Brief an den Genossen Lenin». Gorter richtete sich lediglich gegen die Übertragung der Strategie der KPR auf den Westen und akzeptierte den Weg der KPR als angemessen für das noch früh-kapitalistische Russland. Er leitete das Verhältnis zwischen kommunistischen Anführer:innen und proletarischer Masse aus den materiellen und sozio-historischen Bedingungen ab[84]: Demnach musste die KPR ein stärker autoritatives System unter der strikten Führung einer kommunistischen Partei einrichten, da im grossteils noch agrarischen Russland ein nur sehr kleines Proletariat existierte, dass auf die Unterstützung der armen Bäuer:innenschaft angewiesen war, welche sich zwar durchaus revolutionär zeigte, allerdings andere Klasseninteressen als das Proletariat verfolgte (Landeigentum vs. Vergesellschaftung). In Westeuropa und Nordamerika habe das Proletariat hingegen bereits eine Mehrheit der Bevölkerung gestellt und zudem alleine einem hochentwickelten Kapitalismus gegenübertreten müssen, der die anderen sozialen Klassen bereits an sich gebunden hatte. Daher sei für den Westen eine Strategie geboten gewesen, die das Handeln der proletarischen Masse ins Zentrum setzt und nicht einzelne taktisch versierte Anführer:innen.

Auch gegen die Beteiligung in Gewerkschaften und Parlament verwendete sich Gorter mit sozio-historischen Argumenten: Aufgrund der geistigen Eingebundenheit des westlichen Proletariats in die bürgerlich-parlamentarische Tradition müsse der Bewusstseinsentwicklung im Proletariat eine grössere Bedeutung beigemessen werden. Klassenbewusstsein aber könne nur aus selbsttätigem Handeln erwachsen, nicht aus der passiven Rolle, wie sie anführer:innenzentrierte und repräsentative Organisationen dem Proletariat zuweisen.[85]  

Gorters unpolemische Reaktion wirkt aus heutiger Sicht handzahm. Weniger bekannt ist, dass der damalige noch KAPD-Mann und spätere AAU-E-Mitbegründer Franz Pfemfert zur selben Zeit bereits eine grundsätzliche Kritik an Komintern und KPR geäussert hat.

Eine linkskommunistische Internationale

In Folge des gescheiterten Versuchs eines linkskommunistischen Blocks innerhalb der Komintern gab Gorter den Anstoss zur Gründung der Kommunistischen Arbeiter-Internationalen oder KAI als linkskommunistischem Gegenentwurf zur Komintern.[86]

Für die KAI konnte am ausserordentlichen KAPD-Kongress im September 1921 aber keine geschlossene Zustimmung gefunden werden. Die Berliner Opposition hielt das Vorhaben einer eigenen Internationale für verfrüht. Eine derartige Institution sollte nicht von Parteiarchitekt:innen geplant werden, sondern aus der Initiative von unten in den jeweiligen Staaten entstehen. Selbst Gorter, im Juli 1921 eigens dafür nach Berlin gereist, hatte die Berliner Delegierten nicht umstimmen können. Schliesslich beschloss eine Mehrheit der Kongressdelegierten gegen eine Opposition der Berliner:innen und Bremerhavener:innen die Gründung der KAI.[87]

Als die KAI vom 2. bis 6. April 1922 effektiv ins Leben gerufen wurde, hatte sich die KAPD aber in zwei konkurrierende KAPDs gespalten, und hinter der KAI stand lediglich die sogenannte Essener-KAPD.[88] Anschliessen würden sich der KAI darüber hinaus lediglich 500 Brit:innen, die zuvor aus der CPGB (Kommunistische Partei Grossbritanniens) ausgeschlossen worden waren und sich in der Communist Workers’ Party (CWP) um Sylvia Pankhurst und einer der AAUD nachempfundenen All-Workers’ Revolutionary Union (AWRU) sammelten[89], die antiintellektualistische Balgarskii Rabotnitcheskii Komunistitcheskii Partii (Bulgarische Arbeiter:innen-Partei, BRKP) um Ivan Ganchew[90] sowie 200 Mitglieder der niederländischen KAPN.[91]

Allgemein lässt sich sagen, dass steter Mitgliedermangel und die Auflösung der einzelnen Mitgliedsgruppen der KAI ein Dasein in faktischer Bedeutungslosigkeit bestimmten.[92] Die KAI hielt lediglich drei Kongresse ab, und war nach 1924 eigentlich nur noch ein Informations- und Organisationsbüro.[93]

Turningpoint X. Parteikongress

Der lange Schatten des Kriegskommunismus

Während die KPR 1917 unter der Parole: «Alle Macht den Räten!», die Arbeiter:innen für die Russische Revolution begeistern konnte, würde sich unter dem grausamen Bürgerkrieg 1918 bis 1921 und anhaltender wirtschaftlicher Probleme ein gegenläufiger Trend abzeichnen: Allgemeine Ermangelung an Rohstoffen und eine zerstörte und desorganisierte Wirtschaft bestimmten das Bild. Hungersnot, der Einzug von Arbeiter:innen an die Front, Tod und die Landflucht nahrungssuchender Arbeitskraft sorgten für eine enorme Entvölkerung der städtisch-industriellen Regionen: die Bevölkerung der industriellen Zentren Moskau und Petersburg war 1921 jeweils um 44,5% und 57,5% reduziert.[94]   

Die Strategie der KPR gegen die widrigen Bedingungen wird als Kriegskommunismus bezeichnet. Zur Versorgung der Städte und vor allem der Roten Armee wurden die agrarischen Produktionsüberschüsse requiriert, was zu enormen Spannung mit der Bäuer:innenschaft führen würde.Bedingt durch die Zerrüttung der Wirtschaft in Folge des Ersten Weltkrieges und des laufenden Bürgerkrieges erwies sich der Versuch einer Arbeiter:innenselbstverwaltung durch gewählte Fabrikkomitees als nicht möglich. Zudem waren die Produktivkräfte im noch frühkapitalistischen Russland unterwickelt. Deswegen wurde die Wirtschaft straff zentralisiert und einem autoritativen Staatswesen unter der KPR unterstellt. Um wieder zu einer funktionierenden Wirtschaft zu gelangen, galt extreme Zentralisierung und strikte Arbeitsdisziplin.Die KPR stiess mit ihren Zwangsmassnahmen zum (Wieder)aufbau von Wirtschaft und Infrastruktur auf Widerstand. Daher wurden die revolutionären Organe (Fabrikkomitees, Sowjets und Gewerkschaften), in denen neben der KPR auch andere, die bolschewistischen Pläne blockierenden sozialistischen Parteien Einfluss übten, der vorherrschenden KPR untergeordnet.[95]

Was ist denn mit der Alten Kommunistischen Politik?

Der Bürgerkrieg (1918- 1921) hatte die Wirtschaft der Sowjetunion heftig zerrüttet und die Versorgung der Bevölkerung verunmöglicht. Auf Beschluss des zehnten Parteikongresses der KPR vom 8. – 16. März wurde daher die sogenannte Neue Ökonomische Politik (NEP) als strategische Erholungsmassnahme eingeführt. Um die Versorgungsnot zu beheben, sollte die Bäuer:innenschaft nicht mehr den gesamten Überschuss (was über Selbstversorgung hinausgeht) zur gesellschaftlichen Umverteilung an den Staat abgeben. Mit einem Teil ihres Überschusses durfte die Bäuer:innenschaft nun gewinnbringend Handel treiben. Davon erhoffte sich die KPR einen Anreiz, um die Nahrungsmittelproduktion anzukurbeln, und vor allem auch ein weniger angespanntes Verhältnis zur Bäuer:innenschaft.[96] Bald darauf folgte eine breitere ökonomische Liberalisierung von Handel und städtischer Industrie. Konkret bedeutete dies die Entstehung einer staatlich eingeschränkten Marktwirtschaft mitsamt Privathandel, profitorientierter Produktion sowie Pachtrecht von Betrieben durch Privatunternehmer:innen.[97]

Die KAPD sah die NEP als Rückschritt in ein kapitalistisch-bürgerliches Produktionsverhältnis und als Zugeständnis an die bäuerliche Bevölkerungsmehrheit (ca. 80% der russischen Bevölkerung), der die KAPD eine Neigung zu kapitalistischen Klasseninteressen bescheinigte.[98]

Dies zog eine gewisse Neubewertung der Russischen Revolution nach sich. Die KAPD missbilligte das Vorgehen der KPR als kapitalistisch, hielt aber weiterhin am proletarischen Charakter der Russischen Revolution fest. Mit der sogenannten Theorie von der Dualen Revolution versuchte die KAPD den für sie zweideutigen Beobachtungen der russischen Situation einen Sinn zu geben. Demnach habe die KPR nur in den Städten, wo bereits ein bedeutendes Proletariat (ca. 10% der Gesamtbevölkerung) existierte, die Verstaatlichung der Industrie durchsetzen können. Im Gegensatz dazu aber habe die KPR auf dem Land den bäuerlichen Klasseninteressen der Bevölkerungsmehrheit entgegenkommen müssen. Die KAPD sah so beispielsweise die Landverteilung von den Grossgrundbesitzer:innen an die Mittel- und Kleinbäuer:innen unmittelbar nach der Machteroberung durch die KPR und die Inkraftsetzung der NEP 1921 als symptomatisch für die Macht, welche die Bäuer:innenschaft auf die KPR auszuüben schien.

Während der Machteroberung 1917 habe die KPR beide Bevölkerungssegmente trotz  einander entgegengesetzter Klasseninteressen noch einigen können, da sowohl die Bäuer:innenschaft als auch das Proletariat einen gemeinsamen Feind im zaristischen System hatte. Nachdem die Sowjetunion aber gefestigt und der gemeinsame Feind besiegt war, seien die bäuerlichen Interessen (Privatbesitz an den Produktionsmitteln und freier Handel) immer mehr auf Kollisionskurs mit den sozialistischen Zielsetzungen (Verstaatlichung bzw. Vergesellschaftung der Produktionsmittel) geraten.[99]

Nach dem Bürgerkrieg: Wann errichten wir nun das sozialistische Gemeinwesen?

Während der bedrohlichen Phasen des Bürgerkrieges hatten alle Bolschewiki, selbst oppositionelle Plattformen in der KPR, die Militarisierung von Partei- und Staatsapparat mehr oder minder mitgetragen.[100] 1920 stand das Weiterbestehen der Sowjetunion aber eigentlich nicht mehr in Frage, womit der ökonomische (Wieder)aufbau auf die Agenda rückte. Damit einher kam innerhalb der KPR die Frage des geeigneten Weges dahin auf[101], die vom Sommer 1920 bis zum zehnten Parteikongress der KPR zur innerparteilich heftig und breit ausgetragenen Gewerkschaftskontroverse führte[102]:

Es bildeten sich im Wesentlichen sechs verschiedene Positionen heraus. Um die Bandbreite des innerparteilichen Diskurses zu verdeutlichen, sei auf zwei eingegangen. Lenin, führendes ZK-Mitglied, stand einer unmittelbaren Arbeiter:innenselbstverwaltung skeptisch gegenüber und trat für eine längerfristigere autoritativ-erzieherische Rolle der KPR ein, um die Arbeiter:innen zur Produktivität anzutreiben und zum Sozialismus zu erziehen. Hierzu sollten von der KPR geführte Gewerkschaften wie eine Art erzieherischer Transmissionsriemen von Oben nach Unten dienen. Lenin setzte sich gleichzeitig auch dafür ein, dass die Gewerkschaften zwar unter Leitung der KPR-Spitze stünden, allerdings ausserhalb des Staatsapparats verblieben. Denn die Arbeiter:innenschaft werde sich auch gegen einen Arbeiter:innenstaat als Arbeitsgeber weiterhin wehren müssen, solange dieser sich noch im Übergang zum Sozialismus befindet.

Eine Opposition gegen die Unterordnung der Gewerkschaften unter einen stark hierarchisierten Staats- und Parteiapparat wuchs unter den KPR-Mitgliedern in den Gewerkschaftsstrukturen. Die erbittertsten Verfechter:innen der relativen gewerkschaftlichen Unabhängigkeit von der KPR-Spitze in der Leitung der Wirtschaft formierten sich zu einer oppositionellen innerparteilichen Plattform: der sogenannten Arbeiteropposition (AO). Zu ihren bedeutendsten Mitgliedern zählten Alexandra Kollontai, Alexander Schljapnikow, der ersten Kommissar für Arbeit (in etwa Minister), sowie Juri Lutowinow und Sergej Medvedew, die Führer der Metallarbeiter:innengewerkschaft.

Medwedew (l.) und Schljapnikow (r.)

Auch die AO sah die Gewerkschaftsstrukturen als Schule der Arbeiter:innen zum Sozialismus, betonte dabei allerdings die revolutionäre Kreativität der Massen. Eine neue Wirtschaftsordnung könne nur mit der Arbeiter:innenschaft als Subjekt des sozialistischen Aufbaus entstehen.[103]

Demnach sollten alle Organe der Wirtschaftsverwaltung von einer in Fachgewerkschaften organisierten Arbeiter:innenschaft gewählt werden und derselben auch verantwortlich bleiben. Dazu setzte die AO auf einen rätedemokratischen Aufbau der Gewerkschaftsstrukturen: auf den verschiedenen gebietskörperschaftlichen Ebenen (Kommune – Bezirk – Governorat – Bundesland/ Oblast) sollten Gewerkschaftskongresse die Exekutivorgane zur Leitung der lokalen Wirtschaftsanliegen wählen. Auf oberster Stufe würde ein allrussländischer Kongress der gewerkschaftlich organisierten Produzent:innen das Zentralorgan zur gesamtstaatlichen Wirtschaftsleitung wählen.[104]

Die Führung der KPR um Lenin und Trotzki warf der AO vor, dass diese Forderung in Folge des Bürgerkrieges und der bewaffneten imperialistischen Intervention realitätsfern sei. Die Fabrikinfrastruktur um 1921 lag am Boden und viele Arbeiter:innen, welche 1917 die Revolution ermöglicht hatten, waren an der Front (oder bereits unter der Erde). Unter diesen Bedingungen sei es völlig illusorisch, den Arbeiter:innen den Aufbau der Wirtschaft zu übertragen.[105]

Für die KAPD hingegen verkörperte die Gewerkschaftskontroverse (neben der Streikbewegung der Arbeiter:innen in Petrograd und Moskau im Februar 1921) einen der ersten Kristallisationspunkte der Kluft, die sich zwischen dem russischen Proletariat und der KPR auftat. Die KAPD glaubte in der Zustimmung der Bevölkerung (wie weitreichend diese Zustimmung in der breiten Arbeiter:innenschaft tatsächlich war, lässt sich nicht genau sagen; zumindest gross genug, um die Parteispitze zu beunruhigen) für die Ziele der AO «das schreiende Verlangen des Proletariats nach Selbstständigkeit» zu erkennen.[106]

Der zehnte Parteikongress würde sich für die AO jedoch als absolute Schlappe entpuppen. Die Resolution des zehnten Parteikongresses verurteilte die AO aufs Schärfste, verfemte sie gar als syndikalistische und anarchistische Abweichung.[107] Das Konzept Lenins setzte sich mit überragender Mehrheit als Resolution durch.[108]

Auf dem zehnten Parteikongress wurde zudem jede Fraktionsbildung innerhalb der Partei verboten. Gruppierungen, die wie die AO als Plattformen galten, durften offiziell weiterbestehen, wurden aber tatsächlich mundtot gemacht und marginalisiert (keine Möglichkeit des Handelns als geschlossene Fraktion und informelle Unterdrückung).[109] Das Ende der innerparteilichen Demokratie bot gewissermassen den Sargnagel für die Hoffnung, welche die KAPD in die KPR gesetzt hatte. Gorter zufolge konnte «nach dem letzten Kongreß der russischen Sowjet-Republik nicht mehr bezweifelt werden, daß in Rußland nicht eine Klassendiktatur, sondern eine Parteidiktatur besteht.» [110]

zurückgewiesene Annäherung

Auf dem III. Weltkongress der Komintern im Juni/ Juli 1921 kritisierte Kollontai die Partei-Spitze und bekräftigte die Besorgnis einiger KPR-Mitglieder, dass die NEP dem Bewusstsein der Arbeiter:innenschaft schaden, die Bäuer:innenschaft stärken und einen Rückfall in den Kapitalismus bedeuten würde. Die KAPD gelangte so zum Eindruck, in der Arbeiteropposition einen potentiellen Partner für eine linkskommunistische Opposition gefunden zu haben.[111]

Bernhard Reichenbach, KAPD-Emissär nach Moskau, zufolge, übergab ihm Kollontai das Manifest der AO, in der Sorge, dass die Schrift durch KPR-Funktionär:innen konfisziert werden könnte. Die KAPD liess Kollontais Manifest unverzüglich per Kurier in den Westen bringen und auf Deutsch und Niederländisch publizieren.[112] Die (unautorisierte) Publikation in der K.A.Z., dem Organ der KAPD, erwies sich für Kollontai allerdings als äusserst problematisch. Es wurde ihr als Bruch mit der Parteidisziplin ausgelegt und sie musste sich vor dem ZK der KPR rechtfertigen.[113]

Kollontai (r.) am III. Weltkongress der Komintern.

Die Hoffnung, in der AO einen potentiellen Partner für die KAI (linkskommunistische Internationale) gefunden zu haben, wurde enttäuscht. Nach dem III. Weltkongress der Komintern bat Levit, Sekretär der KAPD-Delegation nach Russland, Schljapnikow brieflich um die Unterstützung der AO für eine linkskommunistische Internationale. Schljapnikows Antwort machte der KAPD jedoch klar, dass die AO keine selbstständige Gruppe innerhalb der KPR darstelle und er deswegen eine Abspaltung von der Komintern nicht befürworten könne.[114]

Die AO-Mitglieder Schljapnikow und Lutowinow ersuchten 1921 in Deutschland denn auch nur den linken Flügel der KPD um Unterstützung.[115]

Aus der sowjetische Traum: eine Bestandsaufnahme

Insgesamt gelangte die KAPD zu einem vielschichtigen Bild von der Russischen Revolution. Die KAPD behielt die Russische Revolution positiv als erste proletarische Revolution im Gedächtnis und schätze viele Massnahmen der KPR als sozialistische Errungenschaften: bspw. Abschaffung des Parlaments zugunsten der Sowjets, Niederhalten der anti-sozialistischen Feinde im Bürgerkrieg, Schaffung einer Roten Armee, unentgeltliche Behausung und Ernährung der Arbeiter:innen, Staatsmonopol auf Innen- und Aussenhandel.

Erst das Frühjahr 1921 bedeutete für die KAPD das definitive Ende des sozialistischen Projekts. Das Programm der Essener-KAPD (zur Spaltung weiter unten) – dessen Verfasser niemand Geringeres als Gorter war – interpretierte die autoritär-bürokratische Entwicklung der Sowjetunion als direkte Konsequenz der demografischen Situation Russlands. Da eine Abstützung auf ein breites Proletariat im damaligen Russland nicht möglich war, sei die KPR für ihren Machterhalt zu Konzessionen an die bäuerliche Mehrheit gezwungen gewesen. Aus der Notwendigkeit, die Bäuer:innenschaft trotz ihrer mit dem kommunistischen Ziel konfligierenden Klasseninteressen unter Kontrolle zu halten, sei eine rigide bürokratische Parteidiktatur entstanden. Gorter verwehrte sich hier gegen moralisierende Betrachtungsweisen und verstand die autoritäre Entwicklung deterministisch als Folge der historischen-materiellen Umstände. Eine Rettung vor Parteidiktatur und vermeintlichem Regress in den Kapitalismus (NEP) hielt er nur im Rahmen einer Weltrevolution für möglich. Den wirklichen Fehler der KPR sah der Stifter der KAI dann auch darin, dass die Komintern ihre Mitgliedparteien im Westen von einer revolutionären bzw. insurrektionistischen Strategie abhielt, dem er eine Mitschuld am Ausbleiben proletarischer Revolutionen im Westen zuschrieb.

Die Berliner-KAPD ging in ihrem Parteiprogramm von 1923 einen Schritt weiter. Sie stimmte in den obigen Punkten mit der Essener-KAPD überein. Darüber hinaus war die Ausprägung zur Parteidiktatur für die Berliner-KAPD allerdings auch eine grundsätzliche Folge des Partei- und Organisationsmodells der KPR. Für die Berliner-KAPD war die autoritäre, d.h. das Proletariat als Objekt lenkende, und ultrazentralistische Organisationsform nicht geeignet, um die «selbstständige Initiative des Proletariats» zu fördern. Die KPR hat für die Berliner-KAPD von jeher eine Parteiherrschaft über das Proletariat angestrebt (zum genauen Verhältnis zu Lenin siehe Fussnote 116). Der Berliner-KAPD zufolge habe das Organisationsmodell der KPR auch Fliehkräfte entfesselt, die zur einer diktatorischen Hierarchisierung innerhalb der Partei führten:[116]

«Solange die russischen Proletarier sich noch ihrer äußeren und inneren Feinde aus dem Lager der Bourgeoisie zu erwehren hatten, und dieser Kampf naturgemäß die Zentralisation aller revolutionären Kräfte erforderte, wurde man sich dieser Tatsachen noch nicht bewusst. In dem Moment aber, als diese Kämpfe nachließen, trat dieses straffe Autoritätsprinzip, dieses Kastenwesen der Bolschewiki als Diktatur der Instanz über die Partei und Parteidiktatur über das Proletariat besonders in die Erscheinung.»[117]

Indessen wäre es unrichtig zu behaupten, die schleichende Bürokratisierung sei der KPR-Führung um Lenin und Trotzki nicht bewusst gewesen. Diese erklärte sich die Bürokratisierung des Partei- und Staatsapparats aufgrund des allgemeinen Mangels (v.a. an Nahrungsmitteln), der Unterentwicklung der Produktivkräfte, des Ausbleibens der Weltrevolution und des Überlebens eines kapitalistischen Denkens (bspw. egoistische Gier). Im Zentrum stand das enorme Verselbstständigungspotential, das Positionen in Staat oder Partei bieten, welche für die Nahrungsmittelverteilung zuständig sind. Bis 1923 reagierte die KPR-Führung darauf unter anderem mit einem Eintrittsstopp in die KPR, um zu verhindern, dass sich Karrierist:innen in der Partei einnisteten. Die getroffenen Massnahmen konnten die materiellen Grundlagen der Bürokratisierung – den allgemeinen Mangel und die Unterentwicklung – allerdings nicht aus der Welt schaffen.[118]

Die letzten Tage der KAPD: ein langwieriger Erosionsprozess 

Krisentheoretiker:innen in der Krise: das grosse Schisma der KAPD

Die KAPD war im enthusiastischen Revolutionstaumel entstanden, was sie zeitlebens begleiten und schliesslich heimsuchen würde. Angesichts des Endes der revolutionären Stimmung, die sich mit der Niederschlagung der Märzaktion angebahnt hatte, entwickelte die KAPD/AAUD mit Theorie der Todeskrise des Kapitalismus eine Rechtfertigung ihrer maximalistischen Position. Die führenden KAPD-Intellektuellen Schröder, Dethmann, Goldstein, Schwab und Reichenbach gingen noch darüber hinaus, indem sie im Lichte eines unmittelbaren kapitalistischen Kollapses eine Beteiligung der AAUD an auf das gegenwärtige System ausgerichteten ökonomischen Tageskämpfen (Lohnkämpfe, Arbeitszeit, etc.) pauschal ablehnten. Der Schröderkreis erhob hiermit eine Vorstellung zur allgemeinen Parteidoktrin, mit der sich KAPD/AAUD-Mitglieder, die in der Produktion beschäftigt– also materiell direkt betroffen – waren, schwertaten.[119]

Zudem äusserte die Mehrheit der KAPD/AAUD inhaltliche Kritik an einer Strategie, welche die KAPD/AAUD abseits von aufständischen Massenaktionen auf einen blossen Propagandazirkel reduzieren und auf eine neutrale, also letztlich unsolidarische, Haltung gegenüber Arbeiter:innenkämpfen verpflichten würde, die nicht den Systembruch zum Ziel hatten.[120]

Auf der Zentralausschusssitzung am 5. und 6. März 1922 gelang es der Mehrheit im Zentralausschuss rund um Schröder durch ein zwielichtiges und nur formell demokratisches Manöver, die Parteibasis– also das mitgliederzahlenmässige Parteimehr – zu übergehen und sich durchzusetzen. Dies entfremdete einen Grossteil der Parteibasis jedoch unwiederbringlich vom Schröderkreis und führte zur Spaltung der Partei. Die Spaltung beschleunigte den Mitgliederschwund, an dem die KAPD ohnehin schon litt aufgrund der abebbenden revolutionären Gemeinstimmung, der desaströsen Märzaktion und der abgehobenen Agenda des Schröderkreises, der lieber die KAI stiftete als sich um Parteianliegen zu kümmern. Übrigblieben zwei kleine Parteien, die für sich jeweils in Anspruch nahmen, die eigentliche KAPD zu sein: Die Befürworter:innen der rigiden dogmatischen Position – darunter die KAPD-Aushängeschilder Gorter und Schröder – standen fortan als Essener-KAPD (450 KAPD- und 600 AAUD-Mitglieder) einer weiterhin maximalistischen, aber pragmatischeren Berliner-KAPD(je 2’000 und 12’000) gegenüber.[121]

Die wortführenden Intellektuellen (Schröderkreis) verliessen die Essener-KAPD zwischen 1922 und 1925 nach und nach, die Essener-KAPD spaltete sich abermals und driftete in die Bedeutungslosigkeit ab.[122]

Agitatorisch konzentrierte sie sich die Berliner-KAPD seit Ende 1926 auf Arbeitslosenversammlungen[123] und widmete einen Grossteil ihrer Arbeit der Propaganda gegen die KPD. Die Berliner-KAPD, mittlerweile kaum noch bedeutend, sprach in ihrer Propaganda allerdings hellsichtig den aufflackernden Nationalismus, mit dem die KPD im nationalistischen Becken der Zwischenkriegszeit fischte, offen an und kritisierte ebenso den kooperativen Umgang der KPD mit Gewerkschaften und SPD. Teils vermochte die KAPD damit auch Anklang im linken KPD-Flügel zu finden, der sich gegen die Stalinisierung der KPD stemmte.

1926 wurden zahlreiche linksoppositionelle KPD-Mitglieder aus der KPD ausgeschlossen. Diejenigen Ex-Mitglieder, die sich um Ernst Schwarz als Entschiedene Linke (EL) neu gruppiert hatten, traten in Verbindung mit der Berliner-KAPD. 1927 hielt die mittlerweile nur noch 2’000 Mitglieder starke KAPD die ideologischen Gemeinsamkeiten für ausreichend, um die EL in sich zu integrieren und so die KAPD-Bestände auf 5’000 Mitglieder aufzustocken. Da aber Schwarz ein parlamentarisches Mandat wahrnahm, führte dies zum offenen Eklat: Dass Schwarz lediglich den Status eines sympathisierenden Gönners hatte, der die KAPD mit seinem Parlamentariergehalt privat unterstützte, war für die KAPD-Opposition eine Scheinlösung, zudem noch eine opportunistische. Ein Teil der Berliner-KAPD trennte sich daher 1927 von der für sie opportunistisch gewordenen Parteiführung, bevor sie 1928 unter Mühe zur Rückkehr bewogen werden konnte. Der Zusammenschluss mit der EL entpuppte sich postwendend als Unsegen. Das parlamentarische Abenteuer bestärkte im linkskommunistischen Kontext die Wahrnehmung, die KAPD sei von einer Klassenpolitik zu einer opportunistischen Partei- und Führer:innenpolitik übergegangen.[124] Die Berliner-KAPD selbst blieb trotz Wiedervereinigung eine zerrüttete Partei; durch die fehlgeschlagene Integration der EL so mürbe geworden, dass sich die noch verbleibenden Bezirke ab 1928 nach und nach auflösten. Schliesslich setzte die Machtübernahme der NSDAP 1933 dem letzten Rest KAPD ein Ende.[125]

Was nicht heissen soll, die ehemaligen Protagonist:innen des deutsch-niederländischen Linkskommunismus hätten sich kampflos ergeben: Um den ehemaligen Schröderkreis (Schröder, Goldstein, Reichenbach und Schwab), der seit 1922 entristisch (ideologisch fremde Organisationen von innen beeinflussen) in der SPD gewirkt hatte, formierten sich die linkskommunistischen Roten Kämpfer als klandestiner Widerstandszirkel.[126] Einige Mitglieder der Berliner-AAUD, seit 1931 mit der AAU-E zur Kommunistischen Arbeiter:innen-Union (KAU) vereinigt, operierten in der Illegalität des Dritten Reiches unter dem Namen revolutionäre Obleute und Gruppen Revolutionärer Sozialisten.[127]

Der alte und neue Streit: wie viel Partei soll’s denn sein?

Laut Fähnders und Rector muss der Zersetzungsprozess aber bereits auf einen programmatischen Konflikt innerhalb der KAPD zurückgeführt werden: Im Zentrum des Handelns und der Ideologie der KAPD stand stets der souveräne Massenwille des Proletariats. Gleichzeitig setzte sich die KAPD (im Wesentlichen die Berliner Richtung) aber selbst als avantgardistische Partei voraus, um die besagte Selbsttätigkeit des Proletariats zu fördern. Dies führte in den Reihen der KAPD und vor allem zwischen KAPD und AAUD zu einem spannungsgeladenen Verhältnis zwischen Marxist:innen, welche die autonome Selbstorganisation der Arbeiter:innenschaft verfochten, und solchen, welche das «Selbstbewusstsein» der Masse von der katalysatorischen und richtungsweisenden Funktion der Partei abhängig machten und somit erheblich relativierten.[128]

Dieser innere Konflikt war mit dem Abstossen der parteifeindlichen Marxist:innen um Rühle keineswegs beendet worden. Ab 1927 intensivierten sich in der Berliner-KAPD/AAUD die Zweifel an der Notwendigkeit einer Partei wieder.

Der Konflikt zwischen AAUD und KAPD entzündete sich zudem erneut an der Beteiligung an ökonomischen Tageskämpfen. Die Berliner-KAPD hielt daran fest, dass sich der Kapitalismus in seiner Endphase befinde, sah in der wirtschaftlichen Stabilisierung lediglich eine vorrübergehende Phase der konjunkturellen Ruhe und hielt daher mit ihrer «starren Strategie» weiterhin an ihrem strikt revolutionären, und  gemessen an den effektiven sozio-historischen Bedingungen, letztlich utopistischen Kurs fest. Die AAUD wechselte, um nicht an der Arbeiter:innenschaft vorbei zu existieren, mit ihrer «flexiblen Strategie» (vorrübergehend) zu gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen im eigentlichen Sinne.

1929 sagte sich die AAUD schliesslich von der KAPD los. Der mittlerweile parteifeindliche Grundkonsens im deutsch-niederländischen Linkskommunismus (Gruppe Internationaler Kommunisten oder GIK wurde zum Dreh- und Angelpunkt des linken Flügels im Marxismus) tat dann sein Übriges und isolierte die letzten paar hundert KAPD-Mitglieder weitgehend.[129] Die AAUD ging derweil ihrer eigenen Wege. 1931 vereinigte sich die AAUD mit dem Überbleibsel der AAU-E als Kommunistische Arbeiter:innen-Union (KAU) wieder.[130]

Was bleibt?

Binnen zwei Jahren war die KAPD von über 41’000 Mitgliedern auf 2’450 zusammengeschrumpft und damit nur noch ein Schatten ihrer einstigen selbst. Aber gerade der Zerfallsprozess erweist sich als lehrreich. An der KAPD wird deutlich, wie eine zu doktrinäre Ausrichtung zu einer Fehleinschätzung der tatsächlichen Lage führen kann. Mit einer vermeintlich reinen Lehre läuft man überdies leicht Gefahr, alles andere abzulehnen, sobald es nicht der eigenen Sicht der Dinge entspricht. Durch so eine Strategie entfremdet man sich zusehends von den Massen, bis man ins bedeutungslose Sektierertum abgleitet. In diesem Zusammenhang muss der interne Streit um die Beteiligung an den Tageskämpfen zwischen der Essener und Berliner Richtung sowie das Auseinanderdriften von KAPD und AAUD gesehen werden.

Schliesslich scheiterte die KAPD auch genau an der Sache, die sie der KPR und KPD so vehement – und durchaus begründet – vorwarf: der Dominanz der Partei über die Arbeiter:innen.

Was aber bleibt, ist die Kritik der KAPD an den bürgerlichen Organen der Meinungsbildung und -vertretung. Der Posten als parlamentarische:r Politiker:in oder Gewerkschaftsfunktionär:in birgt ein unleugbares Risiko, irgendwann seine revolutionären Ziele gegen die Wahrung der persönlichen oder der eigenen Organisation dienlichen Machtposition einzutauschen.

Die KAPD erkannte zudem die Tendenz von Parteien, die sich am parlamentarischen Prozess beteiligen, sich als Parteiapparat zu professionalisieren und auf das Parlament als hauptsächliches Handlungsfeld zu fokussieren. Dadurch wird Politik zum Handlungsfeld von einigen wenigen Expert:innen, während der Basis eine passive Rolle zugewiesen wird, welche den Kampf um ihre Interessen abtritt.

Die Kritik der KAPD beschränkte sich allerdings nicht auf bürgerliche Interessensvertreter:innen, sondern hielt das Erbe Rosa Luxemburgs wach: «Sich kritisch mit der russischen Revolution in allen historischen Zusammenhängen auseinanderzusetzen, ist die beste Schulung der deutschen wie der internationalen Arbeiter für die Aufgaben, die ihnen aus der gegenwärtigen Situation erwachsen.»[131] Die KAPD bemerkte, dass auch revolutionäre Organisationen, die Anführer:innen in den Mittelpunkt der politischen Tätigkeit stellen, der Basis eine passive Rolle zuweisen. Dass Bewegungen, die nicht das selbstständige Handeln der Arbeiter:innen in den Mittelpunkt der Befreiungsstrategie stellen, Gefahr laufen, dass sich ihre Anführer:innen an der Spitze der neuen Gesellschaft einnisten, um unbedingten Gehorsam von eben jenen zu fordern, die sie eigentlich befreien wollen. In diesem Geiste schloss sich Gorter im Namen der Essener-KAPD Rosa Luxemburg an:

 «Wir sind stolz darauf, dass Rosa Luxemburg in ihrer Stimme aus dem Grabe, das Wesen der Parteidiktatur und ihrer Auswirkung auf die Revolution so ganz wie wir geschildert hat. Sie sagt: „Einige Dutzend Parteiführer von unerschöpflicher Energie und grenzenlosem Idealismus dirigieren und regieren, unter ihnen leitet in Wirklichkeit ein Dutzend hervorragender Köpfe, und eine Elite der Arbeiterschaft wird von Zeit zu Zeit zu Versammlungen aufgeboten, um den Reden der Führer Beifall zu klatschen, vorgelegten Resolutionen einstimmig zuzustimmen, im Grunde aber eine Cliquenwirtschaft — eine Diktatur allerdings, aber nicht eine Diktatur des Proletariats, sondern die Diktatur einer Handvoll Politiker, d.h. eine Diktatur im bürgerlichen Sinne . . . »[132]

Die KAPD verneinte dabei keineswegs die Notwendigkeit einer Partei, sondern stellte sich die Frage nach einer sinnvollen ideologischen Begleitung. Ohne sich auf die Doppelorganisation zu versteifen, muss man sich heute auf innovative Weise fragen, wie eine Verselbstständigung der Partei zu einer Vermittlungsinstanz zwischen der arbeitenden Bevölkerung und einer regierenden Parteiclique, so richtig ihre Ziele auch sein mögen, verhindert werden kann. Vom Versuch der Doppelorganisation durch die KAPD/AAUD lässt sich dann zumindest mitnehmen, dass es der KAPD im Grunde darum ging, dass der Weg auch bereits das Ziel ist. In diesem Sinne muss:

  1. alle sozialistische Umwälzung von Anfang an eine selbsttätige und demokratische Handlung sein.
  2. die künftige sozialistische Gesellschaft von Anfang an in ungebrochener Kontinuität zum Handeln durch die arbeitende Bevölkerung selbst stehen.
  3. jede Revolution von Beginn weg und bereits parteiintern einen Sicherheitsmechanismus zur Begrenzung der Macht von Parteien oder politischen Organisationen besitzen: Abberufbarkeit, Rechenschaftspflicht unter ständiger Kontrolle durch die Wähler:innen, Ämterrotation und Begrenzung der Gehälter der Funktionär:innen auf allen Ebenen sind nicht erst am Ziel, sondern ebenso auf dem Weg grundlegende Handlungsmaximen.
  4. man sich die Frage nach dem Verhältnis von Partei und Masse grundsätzlich stellen: bleiben wir bei einer wie auch immer gearteten anleitenden Kaderpartei, soll die organisierte Arbeiter:innenschaft die Partei ersetzen, dient die Partei eher als ideologisch bildende und Aktionen koordinierende Austauschplattform für verschiedene emanzipatorische Bewegungen oder ist die gegenwärtig passende Organisationsform schlicht noch nicht gefunden?

 «Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiterklasse selbst sein. Wir können also nicht zusammengehn mit Leuten, die es offen aussprechen, daß die Arbeiter zu ungebildet sind, sich selbst zu befreien, und erst von oben herab befreit werden müssen […].»[133]

Karl Marx

Geschichte der KAPD im Überblick

Quelle: Eigene Darstellung

Quellenangaben

[1] Die Definition als Linkskommunismus stützt sich auf Manfred Bock und richtet sich nach den vier programmatischen Merkmalen: Zentralität des Rätegedankens im Klassenkampf, Entwicklung eines eigenen revolutionären Bewusstseins des Proletariats, Opposition zu Phänomenen bürokratischer Entwicklung (in der Sowjetunion) und absolute Verwerfung parlamentarischer und gewerkschaftlicher Tätigkeit. In: Bock 1988, 525.

Gleichzeitig sollte man den Linkskommunismus vom Rätekommunismus der 1930er, der sich zwar z.T. aus Ersterem entwickelte, abgrenzen. Neuerungen waren die Ablehnung der politischen Partei zugunsten autonomer Arbeiter:innenräte und eine absolute Gegnerschaft zur Sowjetunion. In: Bock 1988, 532.

[2] Bock 1976, 85- 93.

[3] Bock 1993, 225- 228.

[4] Asmuss Burkhard: Der Lüttwitz-Kapp-Putsch 1920. Abrufbar auf: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/innenpolitik/luettwitz-kapp-putsch-1920.html (2011).

[5] Bock 1993, 288- 291.

[6] Bock 1993, 227.

[7] Bock 1993, 227f.

[8] Bock 1993, 228f.

[9] Arnold 1978, 111.

[10] Arnold 1978, 111- 114.; Bock 1993, 228-230.

[11] Bock 1993, 230; Bourrinet 2018. 224.

Pannekoek war ein grosser Unterstützer der KAPD und ihres erklärten Ziels der Beihilfe zur selbsttätigen Emanzipation. Allerdings stand Pannekoek der Doppelstruktur skeptisch gegenüber. Pannekoek hatte wenig Hoffnung, dass zu einem Massenexodus bewusster Arbeiter:innen aus den Betrieben in revolutionäre Gegen-Unionen kommen würde. Er hielt es vielmehr für absehbar, dass sich einige wenige Arbeiter:innen in den Betrieben mit der KAPD assoziieren würden, und höchstwahrscheinlich meistens auch gleich der KAPD beitreten würden. Pannekoek rechnete also damit, dass die KAPD letztlich mit zwei parallelen kommunistischen Avantgarde-Minderheiten (Partei und Betriebsorganisation) dastehen würde, (zwischen denen womöglich noch Personalunionen bestünde,) um in dieselbe Arbeiter:innenmasse zu intervenieren. In: Pannekoek, Anton (1920): Ein Brief des Genossen Pannekoek. Abrufbar auf: http://aaap.be/Pages/Pannekoek-de-1920-Letter.html (2019); vgl. KAPD [Sachsen] 1920, 1.

In den 1920ern hielt Pannekoek eine Kaderpartei, die auf die eine oder andere Weise avantgardistisch wirkt, für unerlässlich. Er kritisierte autoritäre Parteivorstellungen, war aber nicht parteifeindlich. In: Pannekoek, Anton (1920): Weltrevolution und kommunistische Taktik. Abrufbar auf: https://www.marxists.org/deutsch/archiv/pannekoek/1920/xx/weltrevolution.htm (2019).

In den 1930ern wandelten sich Pannekoeks Vorstellung und er ging dazu über, eine zentralistisch organisierte Agitationsgruppe, die politisch interveniert, abzulehnen. Er fasste politische Parteien grundsätzlich als Machtapparate auf, die die Entwicklung der proletarischen Masse hemmen. Wenn Pannekoek überhaupt noch so etwas wie eine Partei für nützlich hielt, dann als organisatorisch flexible Diskussion- und Bildungszirkel, die spontan entstehen (und wieder verschwinden). Also theoretische Klärungsgruppen, die nicht politisch-mobilisierend intervenieren. In: Bourrinet 2018, 345f.; Pannekoek, Anton (1936): Partei und Arbeiterklasse. Abrufbar unter: https://www.marxists.org/deutsch/archiv/pannekoek/1936/03/partei.htm (2020).

[12] Bourrinet 2018, 217f.

[13] Bourrinet 2018, 220f; vgl. Bourrinet 2018, 185.

[14] Arnold 1978, 111- 115; Bourrinet 2018, 213- 219.

[15] Rachleff 1976, 198f. und 204.

[16] Bock 1993, 230; vgl. KAPD 1920c, 4f.

[17] Arnold 1978, 131.

[18] Bock 1976, 116- 119.

[19] Anweiler 1958, 49- 58.

[20] Anweiler 1958, 124- 126.

[21] Anweiler 1958, 127- 131.

[22] Für eine detaillierte Darstellung des Oktoberumsturzes in: Hildermeier 2017, 117- 126.

[23] Sturm, Reinhard: Vom Kaiserreich zur Republik 1918/19. Abrufbar auf: https://www.bpb.de/izpb/55949/vom-kaiserreich-zur-republik-1918-19?p=all (2011).

[24] Bock 1976, 117.

[25] Bock 1976, 117f; vgl. Arnold 1978, 119f.

[26] Bourrinet 2018, 77f.

[27] Bourrinet 2018, 84f.

[28] Bourrinet 2018, 95- 97.

[29] Bourrinet 2018, 89- 92.

Die KAPD selbst sprach in ihrem Programm von 1920 von «subjektivem Moment». In: Bock 1993, 410.

[30] Gorter 1921b, 4-6; KAPD 1920f, 14.

[31] KAPD [Berliner-Tendenz] 1924a, 26f.; 36f.; Gorter 1923, 8; KAPD 1921g, 2; KAPD 1920/21, 14-16.

Wie sehr die KAPD eine anführer:innenzentrierte Strategie als destruktiv für die Ausbildung des Klassenbewusstseins ansah, zeigt die Auseinandersetzung der Berliner-KAPD mit der KPR: «Soviel wie er [Lenin] zur Zerschmetterung des Feudalismus und Großgrundbesitzes geleistet hat, soviel hat er zur Zerschmetterung der freien revolutionären Initiative des Proletariats getan. […] Man braucht nicht an die Abschaffung der Räte, nicht an Kronstadt, wo Rätekommunisten „wie Rebhühner abgeschossen wurden“, nicht an die „Kinderkrankheit“ zu denken. Man braucht sich nur vorzustellen, daß in Rußland 130 Millionen schweigen mußten, weil ein Mann sprach, daß ein Mann das gesamte internationale Proletariat loben, tadeln oder kommandieren konnte wie eine Herde Junger Rekruten, und man begreift welch unendlicher Schaden in den Gehirnen der Arbeiter aller Länder angerichtet worden ist. Mögen „Machtpositionen“ über Machtpositionen errichtet worden sein, das, worauf es allein ankommt, ist auf lange Zeit geschwächt: die Entwicklung proletarischen Selbstbewußtseins und selbständigen Denkens. Wir sind Marxisten genug, um nicht Lenin als Person die Schuld zu geben. Sondern das System brandmarken wir, das einzelnen eine Stellung gibt, die, selbst ungewollt, zum Mißbrauch führen muß.» [Hervorhebungen durch Redaktion] In: KAPD [Berliner-Tendenz] 1924d, 3.

[32] Arnold 1978, 98f.; Fähnders und Rector 1974, 50f.

Pannekoek und Gorter verklärten keinen organisationsfeindlichen Impulswillen, sondern setzten das Klassenbewusstsein voraus, um zu einem kollektiven sich organisierenden Klassenwillen zu gelangen. Daher sieht Bourrinet Pannekoek und Gorter gleichermassen von spontaneistischen Vorstellungen wie von Lenins Konzept in «Was tun?» (Hineintragen des Bewusstseins von Aussen durch Intellektuelle) entfernt. In: Bourrinet 2018, 95- 97; 210f.

[33] Arnold 1978, 98f.

Die «Leitsätze über die Rolle der Kommunistischen Partei in der proletarischen Revolution» wurden  für alle Mitgliedparteien der Komintern verbindlich festgesetzt. Gemäss den Leitsätzen brachte die KPD den proletarischen Massen im Aufbau des Sozialismus wenig Vertrauen entgegen. Die KP, welche die fortschrittlichsten Arbeiter:innen zusammenfasst, sollte die revolutionären Entscheidungs- und Verwaltungsorgane (Räte, Ausschüsse etc.) während der sozialen Revolution übergangsweise führen, d.h. durch disziplinierte Zellen oder Fraktionen in denselben anleiten. In: Arnold 1978, 103- 104.

Die Leitsätze stellten sich damit in Kontrast zur KAPD, der sie vorwarfen, sich den Räten anzupassen (mit fortschreitender Revolution in den Räten aufzugehen).

[34] KAPD 1921h, 18.

Die KAPD warf der KPD vor, ihre Partei um jeden Preis vergrössern zu wollen, dabei aber ganz viele Leute reinzulassen, die noch gar kein kommunistisches Bewusstsein hatten.

[35] Arnold 1978, 119- 123.

Zum ADGB in diesem historischen Zusammenhang, In: Scriba, A.: Gewerkschaften in der Weimarer Republik. Abrufbar auf: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/innenpolitik/gewerkschaften-in-der-weimarer-republik.html (2015).

[36] Sijes, B.A.: Henk Canne Meijer. Biographie. Abrufbar auf: http://www.mondialisme.org/spip.php?article1058 (2007).

[37] Canne Meijer, Henk (1938): Die Arbeiterrätebewegung in Deutschland (1918 – 1933). Abrufbar auf:  https://www.marxists.org/subject/left-wing/gik/1938/workers-councils.htm (o. J.). oder https://www.anarchismus.at/ueber-den-tellerrand-blicken/raetekommunismus/621-meijer-die-arbeiterraetebewegung-in-deutschland-1918-1933 (o.J.). oder 262f., libcom.org: Links-/ Räte-Kommunismus. Abrufbar auf: https://libcom.org/files/kurasje.pdf (o. J.).

[38] Bock 1993, 122f; 188f.

[39] Bötcher 1922, 73.

[40] KAPD 1920d, 185.

[41] KAPD 1921c, 39.

Die Weimarer Behörden des Reichskommissars für Überwachung der öffentlichen Ordnung (RKO) sprachen im Februar 1921 von 45’000 KAPD- und 178’000 AAUD-Mitgliedern, im Oktober 1921 von 46’431 KAPD-Mitgliedern. In: Siegfried 2004, 138; 151

[42] Weber 1969, 40.

[43] Arnold 1978, 110- 115; 122.

[44] Meyer, T. Klär, K.-H., Miller, S., Novy, K., Timmermann, H. 1986, 118.

Stufen des Rätemodells in Anlehnung an Organisationsstatut der AAUD. In: Arnold 1978, 123f.

Zum rätedemokratischen Aufbau von AUU und KAP:

Angestellte eines Betriebes, die hinter den Satzungen und Zielen der AUU standen, formierten eine sogenannte Betriebsorganisation, die aus ihrer Mitte Vertrauensleute in einen betrieblichen Aktionsrat wählte. Besagter Aktionsrat wählte dann wiederum aus seiner Mitte einen betrieblichen Aktionsausschuss. Die Mitglieder an der Basis der Betriebsorganisation mussten diesen jedoch zuvor bestätigen. Die Vorsitzenden der einzelnen Aktionsausschüsse (Obleute) vereinten sich zum kommunalen Ortsrat

Dann wiederholte sich besagte Struktur: der Ortsrat wählte aus seiner Mitte einen kommunalen Aktionsausschuss, dessen Mitglieder von den Vertrauensleuten (obige Aktionsräte) in allen Betrieben bestätigt werden mussten.

So setzte sich das fort auf der Ebene des Unterbezirks und dann auf derjenigen des Wirtschaftsbezirks. An der Spitze entsandten die Aktionsräte der Wirtschaftsbezirke je zwei Deputierte in den Reichswirtschaftsrat. Letzterer wählte für die Zeit, bis ein neuer Reichswirtschaftsrat zusammentreten würde, aus seiner Mitte den Reichsarbeitsausschuss als geschäftsführende Exekutive. Gesichert wurde das gesamte System durch das Recht der ständigen Kontrolle und Abberufung von Funktionär:innen durch die jeweilige Wähler:innenschaft. In: Arnold 1978, 121f.

Die KAPD (vor der Spaltung) funktionierte von in ihrem Innern wie herkömmliche Parteien. Lediglich aus den obersten Exekutivorganen (Geschäftsführender Hauptausschuss & Zentralausschuss) war eine Abberufung von Delegierten möglich. In ihrem Programm behielt sich die KAPD zumindest theoretisch vor, mit fortschreitender Revolution immer proletarischer zu werden, d.h. das Räteprinzip auch innerparteilich sukzessive umzusetzen. In: Arnold 1978, 126.

Bei der Berliner Abspaltung der KAPD waren die Delegierten zum Parteitag per imperativem Mandat an die Beschlüsse ihrer Wirtschaftsbezirke gebunden. In: KAPD [Berliner-Tendenz] 1924a, 42.

Das Programm der Berliner-Abspaltung von 1923 schreibt sowohl eine Arbeitsgruppenrotation sowie die jederzeitige Möglichkeit vor, jegliche Funktionär:innen abzusetzen. In: KAPD [Berliner-Tendenz] 1924a, 41.

Rühle bekannte sich sogar vollumfänglich zum imperativen Mandat. In der Einheitsorganisation war die Funktion von Delegierten auf übergeordneter Ebene auf diejenige willensloser Vollstrecker:innen ihrer jeweiligen Wähler:innenschaft reduziert. In: Arnold 1978, 138.

[45] Schröder, K., Wendel, F. 1920, 5-7; KAPD-Programm in: Bock 1993, 412f.

[46] Arnold 1978, 124.

[47] Die KAPD/AAUD ging entsprechend der Trennung von politischer und wirtschaftlicher Lenkung im bürgerlichen System davon aus, dass sich zunächst auch die Diktatur des Proletariats auf diese Trennung brauche. Aus den Betriebsräten würden sich die ökonomischen Räte formen, welchen die Steuerung der Wirtschaft und die Vergesellschaftung oblag. Den eigentlichen proletarischen Übergangsstaat, um die bürgerliche Konterrevolution niederzuhalten, würden die politischen Räte stellen. Auch die unterste Stufe der politischen Räte setzte sich aus Delegierten zusammen, die aus den Betrieben innerhalb einer politischen Gemeinde gewählt würden. Somit bliebe auch dort der Betrieb der Ursprung der Willensfindung. In: KAPD [Essener-Tendenz] 1927, 3f. oder in: KAPD 1921d, 2f.

[48] Schröder, K., Wendel, F. 1921, 27; Zum Zitat, in: Schröder, K. Wendel, F. 1920, 8; Ähnlich auch im Parteiprogramm von 1920, in: Bock 1993, 414.

[49] Bock 1993, 228.

[50] Bock 1993, 231.

[51] Bourrinet 2018, 199.

[52] Bourrinet 2018, 199f.

[53] Bock 1993, 237.

[54] Bock 1993, 197.

[55] Bourrinet 2018, 1f.

[56] Bock 1993, 231.

[57] Arnold 1978, 124f.

[58] Arnold 1978, 136- 139; Bock 1993, 216- 218.

[59] Arnold 1978, 134- 140; Vgl. Bock 1993, 189.

[60] Bock 1993, 257f.

[61] Bock 1993, 214- 219; 282.

[62] Bock 1993, 276f.

[63] Bock 1993, 296; 240f.

[64] Reichenbach, B. (1928): Zur Geschichte der K(ommunistischen) A(rbeiter)-P(artei) D(eutschlands). Abrufbar auf: http://www.left-dis.nl/d/berreich.htm. (o.J.).

[65] Winkler 1985, 514f.

[66] Bock 1993, 295- 304; Bourrinet 2018, 234- 240.

[67] Wehler 2008, 405.

[68] Bock 1993, 295- 304; Bourrinet 2018, 234- 240.

[69] KAPD 1921b, 10- 12; 17f; 24f; 19f.

Gorter, H. (1921b): The Lessons of the “March Action”. Gorter’s Last Letter to Lenin. Abrufbar auf: https://www.marxists.org/archive/gorter/1921/march-action.htm (o.J.).

Zum Kontext des Diskurses mit der KPR: Die KAPD erwiderte auf Paul Levis Vorwurf des Putschismus (ohne rechtfertigende Umstände einen Aufstand forcieren), indem sie der KPD vorwarf, selber die eigentliche Putschistin gewesen zu sein, weil diese nach ihrer bisherigen autoritären und aufstandsfeindlichen Linie einen plötzlichen strategischen Umschwung Richtung Insurrektion gemacht hatte.

[70] Bock 1993, 242f.

[71] Bock 1993, 242.

[72] Bourrinet 2018, 196f; Bock 1993, 252f.

[73] Bourrinet 2018, 203f.

[74] Bock 1993, 253- 255.

[75] Bock 1993, 253- 258.

[76] Bourrinet 2018, 248.

[77] Bourrinet 2018, 249.

[78] Bourrinet 2018, 253- 257.

[79] McDermott, Agnew 1996, 18- 23; vgl. auch KAPD 1921a, 28- 30.

[80] KAPD 1920g, 159 & 162.

[81] KAPD 1921a, 12- 14; 28- 30.

Die KAPD wollte zunächst innerhalb der Komintern für Revision der 21 Bedingungen kämpfen. In: KAPD 1920/21, 6- 10.

[82] McDermott, Agnew 1996, 16.

[83] Lenin, Werke, Bd. 31, 24- 31.

[84] Rachleff 1976, 181- 184;

Zum Veröffentlichungsdatum vgl. Wikipedia: Der „Linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im Kommunismus. Abrufbar auf: https://de.wikipedia.org/wiki/Der_%E2%80%9ELinke_Radikalismus%E2%80%9C,_die_Kinderkrankheit_im_Kommunismus (12.12.2020).

[85] Schilderung stützt sich auch auf Gorters «die Klassenkampf-Organisation des Proletariats» und «Partei, Klasse und Masse», die den Sachverhalt eingehender ausführen als nur der offene Brief. In: Gorter, H.: Offener Brief an den Genossen Lenin. Abrufbar auf: http://web.archive.org/web/20080724090958/http://www.kurasje.org/arkiv/3400f.htm (o. J.); Gorter, H.: Die Klassenkampf-Organisation des Proletariats. Abrufbar auf: https://www.aaap.be/Pdf/Proletarier/Proletarier-1-1921-04.pdf (01.12.2016); Gorter 1922, 3- 7.

[86] Bourrinet 2018, 227.

[87] Bourrinet 2018, 257- 259.

Die Berliner-KAPD Abspaltung (ab 1922) teilte grundsätzlich die Notwendigkeit einer KAI, sah das Unternehmen der Essener-KAPD allerdings als künstlich an, weil es nicht organisch aus den Klassenkämpfen nationaler KAPs entstanden, sondern «willkürlich» durch einzelne Agitator:innen der KAPD ausgerufen worden war. In: KAPD [Berliner-Tendenz] 1924a, 26.

[88] Bourrinet 2018, 264f.

Zur Spaltung:Bourrinet 2018, 259- 265; Bock 1993, 243- 248.

[89] Bourrinet 2018, 259.

[90] Bourrinet 2018, 247.

[91] Bourrinet 2018, 259.

Eine russische KAP/ KAI-Sektion gab es hingegen nie. Die Essener-KAPD hat dies beschönigend behauptet. Tatsächlich handelte es sich nur um die beiden russischstämmigen Berliner, Kropf und Vasilli Ruminow. Ersterer war fürs Informationsbüro der KAI tätig, Letzterer der Ehemann der KAI-Mitarbeiterin Käthe Friedländer. In: Bourrinet 2018, 269.

[92] Bourrinet 2018, 257- 292.

[93] Bock 1969, 36.

[94] Carr 1979, 21f.; 24.

[95] Werth 2013, 23f.; 31- 40.

[96] Reiman 1987, 107- 109.

[97] Reiman 1987, 110- 114.

[98] Bourrinet 2018, 233-336.

[99] Bourrinet 2018, 254- 256. Vgl. Dethman, A. 1921, 7-9.

[100] Daniels 1960, 92f.

[101] Daniels 1960, 121.

[102] Hough and Fainsod 1979, 98f.

[103] Daniels 1960, 121- 135.

[104] Siehe Thesen 8,11, 12, 13 in: Schljapnikow, A.: Thesen der Arbeiteropposition. Abrufbar auf: https://www.marxists.org/archive/shliapnikov/1921/workers-opposition.htm (2004).

[105] Mandel 1976, S 34.

[106] KAPD 1921a, 10- 12; Zur Abstützung in der Masse siehe Daniels 1960, 127.

[107] Hough and Fainsod 1979, 100.

[108] Gregor 1974, 126 – 129.

[109] Auf dem X. Parteikongress wurde unter Androhung des Ausschlusses aus der Partei jeglicher Fraktionalismus verboten. Linkskommunistische Plattformen wie die Gruppe Demokratischer Zentralismus und die AO waren offiziell weiterhin erlaubt; wenn auch eingeschränkt durch Fraktionsverbot (Auftreten als geschlossene Gruppe). Informell wurden sie eingeschüchtert, in der Ausübung der freien Meinungsäusserung massiv eingeschränkt und innerparteilich marginalisiert.

Lenin rechtfertigte dies aus der Notwendigkeit, dass unter der NEP, die Lenin als Phase des Rückzugs verstand, eiserne Disziplin gewahrt werden müsse. In: Hough und Fainsod, 1979, 101- 103.

[110] Gorter 1921a, 3.

[111] Allen 2021, 309.

[112] Allen 2021, 309; Bourrinet 2018, 232.

[113] Allen 2021, 544f.

[114] Allen 2021, 309; 419f. Vgl. Allen 2021, 326;

Schljapnikow bemerkte auch, dass die Plattform der AO de facto nicht mehr existiere, was als Ausdruck des repressiven Klimas nach dem X. Parteikongress gewertet werden muss.

[115] Daniels 1960, 162.

1923 würde die KAI/ Essener KAPD das Manifest der AO dennoch als Broschüre herausgeben, allerdings kritisch annotiert, um auch die ideologisch-strategischen Unterschiede herauszustellen:

Die Essener-KAPD differenzierte dort zwischen «Arbeiteropposition» und der «Opposition der Arbeiter», d.h. der AO-Basis, deren revolutionär-oppositionelle Initiative die KAPD lobte. Die Essener-KAPD sah die AO selbst hingegen weniger als Vertretung der proletarischen Basis, auf der sie sich abstützte; vielmehr als eine Opposition unter Führercliquen auf den oberen Parteiebenen.

Zudem wurde die Eingebundenheit der sowjetischen Gewerkschaftsstrukturen in einen Staat kritisiert, der ab 1921 zusehends als reaktionär eingestuft wurde. Dem wurden unabhängige Betriebskerne entgegengestellt, die zu einer Arbeiter-Unionen wachsen würden.

Im Zentrum stand aber der Vorwurf, sich am X. Parteikongress der Parteidisziplin gebeugt zu haben, anstatt mit der KPR zu brechen. Hier lag für die KAPD der Kern der Entfremdung von den Massen. Letztlich hielt die KAPD eine Abspaltung einer russischen AAU und KAP für notwendig. In: Kollontai 1921b, 6; 11f.; 23; 38; 40; 53f.vgl. auch KAPD 1921a, 23f.

[116] Zur Analyse der gesellschaftlichen Organisation durch die KPR in den Programmen der jeweiligen KAPD-Abspaltungen, in: Gorter, H. 1923, 2-7; KAPD [Berliner-Tendenz] 1924a, 23- 25; vgl. KAPD [Berliner-Tendenz] 1924c, 1f.

Zum allgemeinen Umgang der KAPD mit Lenins Staats- und Revolutionsverständnis:

Die Berliner-KAPD vertrat keinen absoluten Antileninismus. Sie würdigte Lenin als einen der herausragendsten marxistischen Analytiker und den massgebend Verantwortlichen für die Oktoberrevolution. Die Errungenschaften, welche die KPR unter der Ägide Lenins in Sowjetrussland zwischen 1917 und 1921 erbracht hatte, behielten für die KAPD einen positiven Charakter. Gleichzeitig wurde Lenin etwa seine kompromissbereite Politik gegenüber der Bäuer:innenschaft oder der Frieden von Brest-Litowsk als erste Schritte Richtung Regress in den Kapitalismus ausgelegt. Wobei die Berliner-KAPD das Scheitern der Sowjetunion durchaus auch im Ausbleiben der Weltrevolution und somit in der Beschränkung der Russischen Revolution auf ein in weiten Teilen erst postfeudales Land begründet sah. In: KAPD [Berliner-Tendenz] 1924c, 1f.

Aber auch danach kann von einer absoluten Abkehr von Lenin, vor allem vom vor-NEP-Lenin, keine Rede sein. So wurde Lenins staatstheoretische Schrift «Staat und Revolution» durch den Berliner KAPD-Verlag zum Verkauf angeboten. In: KAPD [Berliner-Tendenz] 1922l, 4.

Erst Jan Appel, KAPD-Gründungsmitglied und 1927 auch Mitbegründer der grundsätzlich parteikritischen Gruppe Internationaler Kommunist:innen (GIK), verfasste 1927 im Berliner KAPD-Organ «Proletarier» eine dreiteilige Artikelserie als Kritik an Lenins «Staat und Revolution». Die Artikelserie «Marx-Engels und Lenin. Über die Rolle des Staates in der proletarischen Revolution» würde als eine von drei Vorstudien dienen, auf denen basierend später eines der Hauptwerke der GIK geschaffen werden würde: «Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung». In: Corvo, F.: Die GIK und die Ökonomie der Übergangsperiode. Eine Einführung. Abrufbar auf: http://www.left-dis.nl/d/GrondbegInlGERMAN.pdf. (Juni bis Juli 2018), 3-5.

Appel schilderte in seiner Artikelserie einen Bruch Lenins mit Marxens (und Engels) Linie, wie Marx sie unter anderem 1871 in seiner Darstellung der Pariser Kommune aufgezeigt hatte. Appel sah dabei aber nicht erst in der Entwicklung der Sowjetunion, sondern schon in Lenins Staatskonzept aus «Staat und Revolution» eine Veranlagung zur Entstehung eines autoritären Parteistaats und eines Staatskommunismus (später würde dafür Staatskapitalismus gebräuchlich). Mit letzterem meinte Appel, dass die gesamtstaatliche Apparatur, nicht einzelne Individuen, die arbeitende Masse ausbeutete. In: Hempel, M. (Pseudonym J. Appel): Marx-Engels und Lenin : Über die Rolle des Staates in der proletarischen Revolution. Abrufbar auf: https://www.aaap.be/Pages/Transition-de-1927-Marx-Engels-Und-Lenin.html.(23.06.2017).

Dass Appel mit dieser Ansicht durchaus nicht für die ganze KAPD stand, zeigt die Auseinandersetzung mit seinem persönlichen Freund Gorter, der ihm bei seiner Analyse vehement widersprochen haben soll. Für Gorter blieb das Abweichen Lenins von dessen eigenen Ideen in «Staat und Revolution» das eigentliche Problem. In: Corvo, F.: Die GIK und die Ökonomie der Übergangsperiode. Eine Einführung. Abrufbar auf: http://www.left-dis.nl/d/GrondbegInlGERMAN.pdf. (Juni bis Juli 2018), 3.

[117] KAPD [Berliner-Tendenz] 1924a, 27; vgl. 26f.

[118] Mandel 1976, 41-49.

[119] Bock 1993, 243f.

[120] Bourrinet 2018, 261f.

Unter der sogenannten Theorie des Einzelmenschen gestand der Schröderkreis Mitgliedern der AAUD zu, sich individuell und unabhängig von der AAUD an tagesökonomischen Kämpfen zu beteiligen. Die Involvierung der AAUD als Organisation hingegen würdigte er als reformistisch und konträr zum revolutionären Wesen der AAUD. In: Bourrinet 2018, 261f.

Auch die KAPN spaltete sich in eine Berliner und eine Essener Richtung, wobei sich die Zugehörigkeit darüber entschied, ob man sich hinter die KAI stellte. Die KAI-KAPN intervenierte mit dem Algemeene Arbeiders Bond allerdings weiterhin in tagesökonomische Auseinandersetzungen. In: Bourrinet 2018, 272.

[121] Bourrinet 2018, 259- 265; Bock 1993, 243- 248.

Gegenstand der Zentralausschusssitzung am 5./ 6. März war eine Abstimmung über Beibehalt oder Aufgabe des bisherigen Vertretungsmodus im Zentralkomitee der KAPD (statt ZK wird ff. ZA für Zentralausschuss verwendet, um Verwechslungen mit dem ZK der KPR zu vermeiden). Die KAPD hatte eine – an sich demokratische – föderative Klausel, welche jedem Wirtschaftsbezirk ungeachtet von dessen Mitgliederstärke genau einen Delegierten und somit dieselbe Stimmkraft im ZA zugestand. Damit konnten die mitgliederstärkeren Bezirke bei Entscheidungen auf Republikebene überstimmt werden. Profitiert hatte davon bisher auch der Schröderkreis, der sich so mithilfe der Stimmen loyaler kleiner Wirtschaftsbezirke eine künstliche Mehrheit gegenüber der Gesamtmitgliedermehrzahl schaffen konnte. Im Rahmen der Debatte um die Beteiligung der AAUD an tagesökonomischen Kämpfen wollte man jedoch die Gefahr eines versteckten Minderheitendiktats bannen und den bisherigen Vertretungsmodus zugunsten einer Stimme je 100 Mitglieder ändern. Als die Änderung des Wahlmodus vom Geschäftsführenden Hauptausschuss (GHA) zur Abstimmung gebracht wurde, verwendete sich der Schröderkreis – die dominante Kraft im ZA – dagegen, indem er sich die Stimmen einiger mitgliederschwächeren Bezirke zusicherte. Der GHA, hinter dem die nummerische Mehrheit der Parteianhänger:innen im Wirtschaftsbezirks Gross-Berlin stand, reagierte mit dem Ausschluss des Schröderkreises. Der ZA (um Schröder) setzte seinerseits den GHA ab und machte sich eigenmächtig zum neuen GHA, mit Hauptsitz in Essen. In Bourrinet 2018, 262- 265.

Die Quellenlage lässt keine einwandfreie Aussage über das tatsächliche Kräfteverhältnis beider KAPs zu. In der Selbstdarstellung präsentierte sich die jede KAP als die jeweils mitgliederstärkere. Die Essener-KAPD spricht von ihren 2’600 KAPD-Mitgliedern (verglichen mit behaupteten 1’500 bei der Berliner Konkurrenz). Der Nachrichtendienst der 1920 von der Weimarer Republik eingerichteten Schutzpolizei bescheinigte hingegen noch im Juni 1922 der mit der Berliner-KAPD assoziierten AAUD 24’000 und der Essener-AAUD 10’000 Mitglieder. Detlef Siegfried hält daher zumindest ein Kräfteverhältnis zugunsten der Berliner-KAPD für glaubwürdiger. In: Siegrfried 2004, 151f.

[122] Bourrinet 2018, 271.

Folgt man Bock, so seien die Wirtschaftsbezirke der Essener-KAPD verkümmert, weil sich der Fokus der Essener-KAPD immer mehr Richtung KAI verschob. In: Bock 1993, 245.

Gorter würde sich ab 1923 abseits des Schismas stellen, um sich für eine Wiedereinigung stark zu machen. Wobei er weiterhin die Essener Position für strategisch-ideologisch korrekt erachtete. In: Bourrinet 2018, 267.

Gorter aber hatte sich durch die KAI und seine Unterstützung für den Schröderkreis ins politische Aus manövriert, was er bis zu seinem Tod 1927 nicht mehr beheben konnte. In: Bourrinet 2018, 2.

[123] Ihlau 1971, 33.

[124] Bourrinet 2018, 293- 300.

[125] Bock 1993, 251.

[126] Zu den Roten Kämpfern während des Dritten Reiches vgl. Ihlau 1971, 75- 147.

[127] Zur KAU während des Dritten Reiches vgl. Kubina 2001, 113- 147.

[128] Fähnders und Rector 1974, 64- 66.

Fähnders und Rector merken an, dass die KAPD/AAUD mit ihrer charakteristischen Doppelstruktur letztlich genau das Gegenteil ihrer Absicht bewirkt hätte. Tatsächlich sei so die Trennung in ideologische Führung und mobilisierende Organisation/ zu mobilisierende Masse, welche die KPR und KPD durchaus auch aufweisen, statutenmässig institutionalisiert worden.

[129] Bourrinet 2018, 299- 304.

[130] Bourrinet 2018, 306.

[131] KAPD zitiert R. Luxemburgs im Rahmen der russischen Agrarfrage. In: KAPD [Berliner-Tendenz] 1926a, S. 99.

[132] Gorter, H. 1923, 4.

Ähnlich die Berliner-KAPD. In Übereinstimmung mit Luxemburgs «Zur Russischen Revolution» sprach sich die Berliner-KAPD gegen nationale Selbstbestimmung (nationaler Burgfrieden über proletarische Gesamtsolidarität), gegen die Handhabung der Bäuer:innenfrage wie durch die KPR (Landverteilung an mittelloses Bäuer:innentum schafft künftige besitzende konterrevolutionäre Klasse) und gegen das Organisationsmodell der KPR (despotische Führerclique verhindert die Erkenntnis der Masse, ihrerseits Voraussetzung der Revolution) aus. In: KAPD [Berliner-Tendenz] 1926b, 3f.; KAPD [Berliner-Tendenz] 1925, 3.

[133] MEW Bd. 19, 165.

Bibliografie

Literaturverzeichnis Sekundärliteratur 

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Verwendete und zitierte Quellen 

KAPD/ AAUD

Ehemalige Mitglieder der KAPD und künftige Mitbegründer der AAU-E oder der Gruppe Internationaler Kommunisten (G.I.C.)

Karl Marx

Russische Kommunist:innen (KPR) & Komintern

Deutschsprachige Kommunist:innen

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3 Kommentare

  1. Hermann

    Eine sehr gute Darstellung der Geschichte der KAPD bzw. der Herausbildung des linkskommunistischen Theoriegebäudes während der 1920er Jahre.

    Leider verpasst der Autor aber in seinem zusammenfassenden Abschnitt – »Was bleibt?« – die wesentliche theoretische Leistung zu erwähnen, durch die 1930 die gesamte vorangegangene linkskommunistische Diskussion von der Gruppe Internationaler Kommunisten vom Kopf auf die Füße gestellt wurde.

    Der Schwachpunkt der geführten Diskussion zur Rolle der Partei im Rahmen der sozialen Revolution – angefangen bei Rosa Luxemburg über die Arbeiteropposition bis zu den Auseinandersetzungen innerhalb der KAPD – bestand darin, dass ihre Kritik allein auf die politische Form der Beherrschung der Arbeiterklasse zielte. Im Gegensatz zu dieser eher philosophischen Betrachtung bzw. darüber hinaus entwickelte die GIK ihre marxistische polit-ökonomische Kritik am Programm der Bolschewiken, indem sie der politischen linkskommunistischen Forderung – Alle Macht den Räten! – den entscheidenden ökonomischen Inhalt hinzufügten.

    Angesichts der negativen Entwicklungen in der Sowjetunion sowie der aus dem letztlich gescheiterten Klassenkampf in Deutschland gewonnenen Erfahrungen war für die GIK »die Schlüsselfrage der kommunistischen Transformation: Welche ökonomischen Veränderungen, welche Veränderungen in den Rechtsverhältnissen muss die Arbeiterklasse in der Revolution durchsetzen, um die Macht behalten zu können? Wie muss der politische Sieg der Arbeiter wirtschaftlich verankert werden? Was sind die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Aufhebung der Lohnarbeit?« (1)

    Als Antwort auf diese Frage veröffentlichte 1930 die AAU die Studie der holländischen GIK »Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung«, deren Anliegen Henk Canne Meijer folgendermaßen beschrieb:

    » … solange die Diskussionen auf der unfruchtbaren Grundlage geführt werden, ob es mehr oder weniger „Zentralismus“ oder „Föderalismus“ geben sollte, konnten keine Fortschritte in dieser Frage erzielt werden. Das kommunistische Betriebsleben ist keine organisatorische Frage des Zentralismus oder Föderalismus, sondern die Umsetzung anderer Prinzipien für den Güterverkehr in der Gesellschaft und für die Verteilung des gesellschaftlichen Produkts.« (2)

    »Die Diskussion über „Föderalismus oder Zentralismus“ hat keinen Sinn, wenn man vorher nicht aufzeigt, was die ökonomische Basis dieses „Föderalismus“ oder dieses „Zentralismus“ sein wird. In Wirklichkeit sind die Organisationsformen einer gegebenen Ökonomie im großen gesehen keine willkürlichen Formen, sie leiten sich eben aus den Prinzipien dieser Ökonomie selbst her.« (3)

    »Eine der wesentlichen Aufgaben, die einer Gruppe von Arbeitern zukommt, die die kapitalistische Ausbeutung radikal beseitigen möchten, – einer revolutionären Gruppe also, wie man früher sagte – ist, die durch die politische Aktion eroberte Macht ökonomisch zu fundieren. Die Zeit ist vorbei, wo es genügte, nur die Aufhebung des kapitalistischen Privateigentums an Produktionsmitteln zu fordern. Es ist ebenfalls unzureichend, nur die Abschaffung der Lohnarbeit zu verlangen. Diese Forderung hat für sich allein nicht mehr Konsistenz als eine Seifenblase, wenn man nicht weiß, wie man die ökonomischen Grundlagen schaffen muss, auf der es keine Lohnarbeit mehr gibt.

    Das Hauptproblem, das die proletarische Revolution wird lösen müssen, wird es sein, die unveränderlichen Beziehungen zwischen den Produzenten und dem gesellschaftlichen Produkt zu bestimmen, und das kann nur geschehen durch die Einführung der Arbeitszeitrechnung in die Produktion und Verteilung. Das ist die weitestgehende Forderung, die das Proletariat stellen könnte, aber zugleich ist es auch das Minimum dessen, was es verlangen muss.« (4)

    Wie die Aufhebung der Lohnarbeit im Zuge der sozialen Revolution erreicht und im Anschluss an die soziale Revolution gesichert werden kann, mit anderen Worten, wie die gemeinschaftlich ausgeübte Verfügung über die Produktion durch die freien Produzenten sich organisieren lässt, das ist der Inhalt, den die GIK in ihren Schriften von 1928 bis 1940 propagierte.

    Die Analyse der Grundprinzipien kommunistischer Gesellschaft beabsichtigte daher nicht, »irgendeinen “Plan” vorzuschlagen, durch den man zu einer “besseren und gleicheren Gesellschaft” gelangen kann. Sie beschäftigt sich ausschließlich mit Problemen der Ökonomie des Kommunismus und verbindet die Praxis des Klassenkampfes und die gesellschaftliche Verwaltung zu einer organischen Einheit. Die “Grundprinzipien” ziehen folglich die ökonomischen Konsequenzen eines möglichen Kampfes, der von den Massen selbständig auf der politischen Ebene geführt wird.« (5)

    Dass diese »letzte Botschaft, die die revolutionären Bewegungen der 1. Hälfte des XX. Jahrhunderts uns hinterlassen haben«, (6) aufgrund des Niedergangs und der Zerschlagung der Arbeiterbewegung keine Beachtung mehr gefunden hat, ändert nichts daran, dass sie als Endpunkt der Herausbildung des linkskommunistischen Theoriegebäudes im Sinne des »Was bleibt?« für zukünftige soziale Revolutionen von Bedeutung ist.

    (1) Henk Canne Meijer, Klassenbewegung, in: Rätekommunismus, Red & Black Books 2022, S. 94.
    (2) ebenda S. 94
    (3) Henk Canne Meijer, Die Arbeiterbewegung in Deutschland (1918 -1933), in: Gruppe Internationaler Kommunisten, Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!, Red & Black Books 2021, S. 5
    (4) Ebenda S. 97
    (5) Ebenda S. 87
    (6) ebenda S. 100

    • João Woyzeck

      Lieber Hermann,
      Ich danke dir für deinen wertvollen Beitrag.

      Die G.I.C. (und überhaupt der Rätekommunismus, von dem ich die KAPD als linkskommunistisch differenziert habe; vgl. Fussnote 1) war halt nicht Thema dieses Artikels.

      Aber ich lasse deinen Kommentar sehr gerne als thematische Ergänzung stehen.

      Die Entstehung des Werkes „Grundprinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung“ wird in Fussnote 116 behandelt. Aber eben, wie du bemängelst, aus politisch-organisatorischer Perspektive.

      Solidarisch,
      João

  2. Pingback:Paul Mattick: Die soziale Revolution ist weder eine Partei- noch eine Staatsangelegenheit

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