Im Rahmen der Klimademo haben Klima-Aktivist*innen am letzten Samstag die UBS an der Bahnhofstrasse in Zürich mit roten Handabdrücken verziert. Diese Form des Protests, die auf die Verantwortung des Finanzplatzes am Klimawandel hinweist, reiht sich in eine internationale Kampagne ein, bei der unter anderem bereits in Belgien und Lausanne Banken rot eingefärbt wurden. Die daraus folgende Aufregung ist wichtig; die Empörung über das gewählte Mittel des Protests lächerlich.
von Matthias Kern (BFS Zürich)
Die Aktion im Rahmen der Klimabewegung
Mit dieser Aktion wollten die Aktivist*innen darauf aufmerksam machen, dass der Schweizer Finanzplatz einen nicht unwesentlichen Anteil an der weltweiten Klimakrise zu verantworten hat. Allein über die Finanzierung der 47 grössten Klimakiller-Unternehmen hatte die Credit Suisse, zusammen mit der UBS, im Jahr 2017 einen CO2-Ausstoss von 93,9 Millionen Tonnen zu verantworten. Zum Vergleich: In der Schweiz werden jährlich ungefähr 48 Millionen Tonnen CO2 ausgestossen. Die zwei Grossbanken verursachen mit ihren Investitionen also einen fast doppelt so grossen CO2-Ausstoss wie das gesamte Schweizer Inland.
Auf diesen Sachverhalt hinzuweisen, halten wir für zentral, wenn ernsthaft über die wichtigen Klimastreik-Forderungen wie netto null Treibhausgasemissionen bis 2030 diskutiert werden soll. Die Klimastreik-Bewegung – in ihrer Zusammensetzung durchaus heterogen – hat zudem auch schon früher auf die Rolle der Banken als Klimakiller hingewiesen. So gab es am letzten Samstag auf dem Helvetiaplatz in Zürich eine Rede, welche die Banken als das bezeichnete was sie sind: Schuldige der Klimakastrophe. Und am 25. März erwähnte die französischsprachige Facebookseite „Grève du Climat – Suisse“ unter dem Titel „Marcher ne suffit pas“ zwei Aktionen des zivilen Ungehorsams in Lausanne, die im Rahmen des Demonstrationszuges anlässlich des Klimastreiks am 15. März durchgeführt wurden: Rote Hände an der Fassade der Credit Suisse und die Besetzung des Vorsorge- und Versicherungsunternehmens „Retraites populaire“.
Inhaltliche Diskussionen sind zentral
Die Aktion mit den roten Händen an der Bahnhofstrasse war also keinesfalls von einer neuen Qualität, noch verstiess sie gegen den Aktionskonsens – sie reihte sich vielmehr ein in den seit Monaten laufenden Protest. Die Farbe war sogar schadstofffreie Fingermalfarbe auf Wasserbasis, die Verzierung damit mit Sicherheit nur temporär.
Wir sind der Meinung, dass solche Aktionen, gerade weil sie offensichtlich einige Menschen empören, von grosser Wichtigkeit sind, weil sie aufzeigen, dass Protest durchaus auch frech, kämpferisch und unbequem sein kann – ja angesichts der drohenden Klimakatastrophe auch sein muss. Denn Appelle an die Politiker*innen reichen offensichtlich nicht aus. Das haben die letzten 30 Jahre «Klimapolitik» gezeigt.
Weiter sind es genau solche Aktionen, welche eine Verbindung zwischen Städten und über Landesgrenzen hinweg schaffen können. Die roten Hände an Banken und Versicherungen entwickeln sich nämlich langsam zu einem Symbol des Kampfes der Klimastreik-Bewegung gegen die Macht der Banken und Multis und ihrer absoluten Ignoranz den verheerenden Folgen des Klimawandels gegenüber. So fanden sich die roten Hände beispielsweise auch schon in Belgien an der Fassade der Bank „BNP Paribas Fortis“:
Die Schuldigen des Klimawandels
Mit ähnlichen Aktionen versuchen Klima-Aktivist*innen also in ganz Europa darauf hinzuweisen, dass nicht «die Menschen» oder «die KonsumentInnen» für den umweltschädlichen Anstieg der CO2-Emissionen (und alle damit verbunden klimatologischen Folgeprobleme) verantwortlich sind, sondern das kapitalistische Wirtschaftssystem und die Konzerne, die aufgrund der Konkurrenz und dem daraus erwachsenden Profitzwang keine Rücksicht auf eine umweltverträgliche, nachhaltige Entwicklung nehmen können. Gerade der Schweizer Finanzplatz ist integraler Teil der umweltschädlichen kapitalistischen Produktionsweise, die jeden Tag wortwörtlich Berge von Müll herstellt; die in ihre Produkte von vornherein «Sollbruchstellen» einarbeitet, um die Nachfrage konstant zu halten; die tagtäglich Tonnen von Esswaren und Quadratkilometer Regenwald und anderen Naturschutzgebieten vernichtet…
Die Kaufentscheide von uns KonsumentInnen haben nur sehr wenig Einfluss auf diese absurden Entwicklungen. Deshalb muss der Hebel schon bei der Produktion angesetzt werden. Wir setzen uns für eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung ein, in der nicht der Profit, sondern die Bedürfnisse der Menschen und der Umwelt die Maxime der gesellschaftlichen Produktion sind.
Das Klima und die Wut
Bereits vor einigen Wochen haben wir in einem Diskussionsbeitrag darauf hingewiesen, dass wir alle eigentlich noch viel wütender auf die Verantwortlichen der Klimakrise sein müssten.
Gleichzeitig möchten wir darauf hinweisen, dass wir immer schon solidarisch und konstruktiv in und als Teil der Klimabewegung gearbeitet haben, dass wir weder eine Bewegung „missbrauchen“, noch uns nicht an gemeinsam besprochene Regeln halten. Umso bedauernswerter finden wir, dass sich der mediale Fokus rund um die Aktion an der Bahnhofstrasse nun vor allem auf unsere politische Organisation gerichtet hat, statt auf die beiden viel wichtigeren Punkte: Die beeindruckende Stärke, der Durchsetzungswille und die Konstanz der Klimabewegung, sowie die unleugbare Verantwortung der Banken Credit Suisse und UBS an den Treibhausgasemissionen und dem Klimawandel.
Am weltweiten Klimastreik am Freitag, 24. Mai 2019 wird es mit Sicherheit zu weiteren Aktionen von zivilem Ungehorsam kommen. Das wird auch das nächste Mal nicht allen gefallen. Doch muss es auch gar nicht sein, dass der Kampf gegen den Klimawandel bei allen auf Wohlwollen stösst: Es geht schliesslich um unsere Zukunft, nicht unser Image.
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