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Schweiz: Gegen die Internierung von Geflüchteten

Weltweit schreitet die Internierung von Geflüchteten voran. Die Flüchtlingslager werden grösser, die Lebensbedingungen in den Lagern schlechter. Geflüchteten werden die Grundrechte genommen. Sie werden vielerorts für die Dauer des Asylprozesses interniert. Wird das Asylgesuch abgewiesen, drohen Ausschaffung und Gefängnisstrafen. Die Internierung dient der Zermürbung und soll den Betroffenen den Willen nehmen sich zu wehren. Der internationale Kontext zeigt in welche Richtung sich das Schweizer Migrationsregime entwickelt. Wir müssen uns mit allen Mitteln dagegen wehren und für eine solidarische Gesellschaft ohne Grenzen, Ausschaffungsknäste und Diskriminierung kämpfen.

von BFS Zürich

International und EU

Mit dem sogenannten «Flüchtlingsdeal» zwischen der EU und der Türkei, begann die EU 2016 nach dem Vorbild Australien ihre Aussengrenzen in angrenzende Drittstaaten zu verlagern. Australien greift seit längerem Bootsflüchtlinge auf dem Meer auf und schickt sie auf die kleinen pazifischen Inseln Nauru und Manus Island. Dadurch sollen selbst Personen, welche nach australischem Recht einen Anspruch auf Asyl hätten, sobald sie australischen Boden betreten würden, nicht nach Australien einwandern können.

Mittlerweile geht auch die EU so weit, dass sie ihre Aussengrenze für Geflüchtete in Niger südlich der Sahara ansetzt. Dort werden riesige Flüchtlingscamps aufgebaut, in denen Geflüchtete Asyl beantragen können. Einzelne werden danach von europäischen Staaten ausgewählt, um ihnen Asyl zu gewähren. Der Grossteil bleibt jedoch in diesen Camps stecken. Durch Abkommen mit Libyen – insbesondere mit dem Warlord Al Bija, der die libysche Küstenwache kontrolliert – werden Geflüchtete beim Versuch das Mittelmeer zu überqueren abgefangen und nach Niger abgeschoben.

In den Ländern des Schengenraums, welche tatsächlich europäische Aussengrenzen haben, landen Geflüchtete an den sogenannten „Hotspots“, z.B. auf den griechischen Inseln. Das Antifolterkomitee (CPT) des Europarats bezeichnete 2017 die Unterbringung in den griechischen Flüchtlingslagern als «unmenschlich und entwürdigend». Es fehle an Essen, Trinkwasser und Medikamenten. Die Camps – wie auch diejenigen in Niger, Manus Island und Nauru – sind von Stacheldraht umzäunt. Weder wird der Öffentlichkeit Zugang gewährt, noch dürfen die Geflüchteten die Camps verlassen. In Ungarn und England werden alle Geflüchteten bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens interniert.

Schweizer Bundeszentren

Auch in der Schweiz findet eine besorgniserregende Entwicklung in Richtung Internierung von Geflüchteten statt. Die Möglichkeiten des neuen Asylgesetz von 2016, welches auf die (selektive) Beschleunigung der Asylverfahren ausgerichtet ist, werden zwar immer noch getestet. Die Tests zeigen aber ein deutliches Bild. Die neu geschaffenen Bundeszentren haben alle eingeschränkte Ausgangszeiten. An den Eingängen gibt es Personenkontrollen. Dies bedeutet, dass Geflüchtete in der Regel vor 17:00 Uhr zurück im Lager sein müssen. Ansonsten erhalten sie eine Ausgangssperre. Die ersten Erfahrungen der Betroffenen im Bundeszentrum in Perreux (NE) zeigen, dass diese Ausgangszeiten rigoros umgesetzt werden. Kommt ein*e Geflüchtete*r einige Minuten zu spät zurück, erhält sie*er eine Verwarnung. Wird die zugeteilte Putzarbeit nicht gemacht, erhält man ebenfalls eine Verwarnung. Bei drei Verwarnungen gibt es eine Ausgangssperre für den kommenden Tag.

Die Personenkontrollen am Eingang sind entwürdigend, da sie Geflüchtete grundsätzlich wie Kriminelle behandelt. Die Durchsuchungen dienen auch einer erweiterten Kontrolle der Bewohner*innen. Es wird nicht nur nach Alkohol gesucht, der im Lager verboten ist, sondern auch nach Essen. Denn Essen ins Lager zu bringen, ist untersagt. Essen gibt es drei Mal pro Tag. Wer davon nicht genug hatte, hat Pech. Denn im Gegensatz zu den meisten anderen Flüchtlingszentren erhalten die Insass*innen kein Essensgeld (im Kanton Zürich sind es ausserhalb der Bundeszentren 9 Franken pro Tag), sondern nur das Taschengeld (3 Franken pro Tag). Demnach muss sich ein*e Geflüchtete*r jedes Mal, wenn er das Lager verlässt, gut überlegen, ob er*sie nicht für die Essenszeit zurück im Camp sein will, um dem «Anrecht auf Essen» auch nachkommen zu können.

Zürich – das Laboratorium der Internierung

Im Kanton Zürich schreitet die Internierung von abgewiesenen Asylsuchenden seit Jahren voran. Illegaler Aufenthalt kann schon länger mit bis zu 18 Monaten Haft bestraft werden. Seit 2016 werden Eingrenzungen verfügt, nach denen die Betroffenen die Gemeinde oder den Bezirk der jeweiligen Notunterkunft nicht mehr verlassen dürfen. Wird diese Eingrenzung missachtet, können weitere drei Jahre Haft ausgesprochen werden. Als Folge dieser Zwangsmassnahmen kann ein*e Geflüchtete*r, der*die nichts zu verschulden hat, ausser dass er*sie angeblich illegal in der Schweiz sei, mehr als fünfeinhalb Jahre interniert werden.

Aus diesen Gründen bleibt ein Grossteil der Betroffenen in den Lagern. Und zwar auch in Gemeinden und Bezirken, welche kaum Möglichkeiten bieten die Religion auszuüben, zu bezahlbaren Preisen einzukaufen, soziale Kontakte zu pflegen oder solidarische Unterstützung in Form von Rechtsberatung, Mittagstischen oder Deutschkursen zu erhalten. Denn den allergrössten Teil dieser Unterstützungsangebote gibt es in der Stadt Zürich. Keine Notunterkunft des Kantons ist in der Stadt. Somit können die Bewohner*innen der Notunterkünfte die Unterstützungsangebote nur mit der Gefahr einer Gefängnisstrafe aufsuchen.

Durchgesetzt hat dieses Regime der Zürcher SP-Regierungsrat Mario Fehr. Das erklärte Ziel von Fehr war die Reduktion der Anzahl abgewiesener Asylsuchender in den Schweizer Notunterkünften und insbesondere in ‚seinem’ Kanton. Dies haben er und seine Vorgänger erreicht. Ende 2012 befanden sich fast 1’500 abgewiesene Asylsuchende im Kanton Zürich. Im August 2017 nur noch 589. Seither sind die Zahlen weiter gesunken, und zwar nicht nur mittels Ausschaffungen, sondern weil ein Grossteil der Betroffenen angesichts dieser Angriffe entschieden hat, unterzutauchen und als Sans-Papiers in der Schweiz zu leben.

Die SP setzt Angriffe auf Geflüchtete am effizientesten um.

Die Angriffe ihres Regierungsrates Fehr auf die Rechte und Lebensbedingungen der abgewiesenen Asylsuchenden hat den linken Flügel der SP-Basis aufgerüttelt. Erstaunlich viele Stimmen wurden laut, die SP müsse sich von ihrem Regierungsrat distanzieren. So hat das kantonale Parteipräsidium entschieden die Parteibasis zu konsultieren, ob die SP noch hinter ihrem Regierungsrat steht. Die Zürcher SP-Delegierten haben am 29. Mai 2018 trotzdem entschieden Mario Fehr 2019 wieder zur Wahl zu nominieren.

Der Präsident der SP Schweiz, Christian Levrat, meinte dazu: „Mario Fehr ist einer von uns“. Die SP sei sehr breit und die Rolle der SP-Exekutivmitglieder sei eben eine andere, als diejenige der Legislativpolitiker*innen. Er verglich Fehr – durchaus korrekt – mit Bundesrätin Simonetta Sommaruga, die bei den schweizweiten Angriffen auf Asylsuchende federführend ist. Sommaruga hat kürzlich ein dubioses Rücknahmeabkommen mit dem äthiopischen Regime abgeschlossen. Äthiopien erlaubt Ausschaffungen abgewiesener äthiopischer Asylsuchenden und erhält als Gegenleistung nachrichtendienstliche Informationen zur äthiopischen Diaspora in der Schweiz.

Levrat nennt die unterschiedlichen Positionen und Rollenverteilung innerhalb der SP ein Spiel. Das ist dumm, oder zumindest zynisch, angesichts dessen, dass die SP in bester bürgerlicher Manier und mit Verweis auf Konkordanz, Kompromiss und Kollegialität die Angriffe auf Geflüchtete umsetzt. Dies kritisch zu hinterfragen, ist die SP nicht im Stande. Von einer schrittweisen Verbesserung der Lebensumstände aller Menschen ist keine Rede mehr. Die Folgen davon sind weitreichend, denn der Widerstand gegen die von der SP in vorauseilendem Gehorsam orchestrierten Angriffe, wird nicht leichter. Ebenso wenig nimmt es der SVP den Wind aus den Segeln, nur weil die Sozialdemokratie die Angriffe gegen Geflüchtete ausführt. Die Rechten bleiben die treibende Kraft hinter den hetzerischen Kampagnen. Hingegen führt diese ausführende Rolle der SP zur Besänftigung jenes Teils der Bevölkerung, der sich auf der Seite der Betroffenen sieht. Diese trauen sich entweder nicht den gewählten Amtsträger*innen das Vertrauen zu entziehen oder sie hinterfragen ihr Vertrauen schlichtweg nicht, wie die erneute Nominierung von Mario Fehr für den Regierungsrat deutlich macht. Damit wird eine breite, kritische Auseinandersetzung mit der letzten Asylgesetzrevision oder der Praxisänderung bei den Zwangsmassnahmen gegen abgewiesene Asylsuchende erschwert.

Widerstand

Und trotzdem gibt es viele Menschen, die der rassistischen Politik der etablierten Parteien etwas entgegensetzen wollen. Im Kanton Zürich erreichte der Widerstand gegen die unmenschliche Migrationspolitik mit der Besetzung des Platzspitz vom 25. bis 27. Mai 2018 einen Höhepunkt. Der «Parc sans frontières» wurde an jenem symbolischen Ort ausgerufen, wo die Zwangsmassnahmen im Ausländergesetz ihren Ursprung haben, indem die Asylsuchenden ab Mitte der 1990er Jahre systematisch als Drogendealer stigmatisiert wurden. Der «Parc sans frontières» versammelte tausende Menschen und erlaubte es der antirassistischen Bewegung koordinierter und breiter als bisher Gegeninformation zu verbreiten. Daran müssen wir anknüpfen, damit ein breiter, organisierter Widerstand über die Kantons- und Landesgrenzen hinaus entstehen kann. Diese Demo ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.

Gegen das Internieren von Geflüchteten!

Widerstand gegen das europäische Migrationsregime!

Dies ist der Flyertext für die schweizweite Demo „Zwischen uns keine Grenzen“ vom 16. Juni 2018 in Bern.

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2 Kommentare

  1. Pingback:Schweiz: Gegen die Internierung von Geflüchteten | Maulwuerfe

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