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Klimajugend: Es ist durchaus an der Zeit, wütend zu werden!

Wer die Klimabewegung, die im Dezember 2018 ihren Anfang nahm, nur für ein kurzes Aufflackern der Empörung hielt, wurde mittlerweile ganz deutlich eines Besseren belehrt. Mit viel Ausdauer, enormem Engagement und erstaunlicher Konstanz organisieren alleine in der Schweiz Zehntausende seit mittlerweile vier Monaten den Protest gegen die drohende Klimakatastrophe – in Form von Streiks und Demonstrationen. Dieser Protest ist bitter nötig und wohl die grösste Jugendbewegung der letzten Jahrzehnte. Die Bewegung muss aber unbedingt noch etwas von der Wut und der Empörung gewinnen, die ihr offensichtlich zustehen würde.

von Matthias Kern (BFS Zürich)

Es war eine absurde Szenerie, die sich da in sozialen Medien und in Zeitungsdiskussionsspalten kurz nach der grössten Klimamobilisierung des 21. Jahrhunderts abspielte. 1.5 Millionen Menschen waren am 15. März 2019 in 125 Ländern auf die Strassen gegangen, um gegen die drohende Klimakatastrophe zu protestieren.

So genannte besorgte Bürger, rechtspopulistische Politiker, aber auch angeblich „aufgeschlossene Liberale“ teilten ein Bild eines Abfalleimers nach einer Klimademonstration.

Ein Facebook-Post, um die Klimabewegung zu diskreditieren.

Aufgenommen wurde das Bild in Bozen im Südtirol. Wahlweise wurde es für die angebliche Doppelmoral der streikenden und demonstrierenden Jugendlichen in Lausanne, Zürich, Wien, Berlin und vielen weiteren Städten herangezogen. Auch Klimaleugner wie Claudio Zanetti (Arschloch!) posteten das Bild fleissig. Die Momentaufnahme – auf der gar nichts Verwerfliches zu sehen ist – diente als Vehikel eines unbändigen Hasses einer politischen Kaste, die Jahrzehnte vom Raubbau an Erde und Mensch profitiert hat, auf eine Bewegung junger Menschen, die den Ernst der Lage erkannt hat. Es steht symbolisch für die Wut der alten Männer, die schlicht nicht einsehen wollen, dass sich ganz vieles ändern muss – ja ändern wird.

Und was macht die Klimabewegung, konfrontiert mit dieser blinden Wut? Ein Aufschrei geht durch die Telegram- und Whatsapp-Chats. Man empört sich mit, und zwar darüber, dass die Klimademo solche Angriffsfläche produziert hat. Nicht, weil viele in der Bewegung nicht in der Lage wären, die Absurdität des Vorwurfes zu erkennen. Nein, den allermeisten, die sich für das Klima einsetzen, ist klar, dass einige Kartonschilder, sogar fachgerecht entsorgt, nicht für die drastische Erwärmung der Erde verantwortlich sind. Und doch folgt da dieser seltsame Reflex. Auf den Angriff folgt der Versuch, das nächste Mal noch weniger Angriffsfläche zu bieten. Auf die Attacken der Rechten wird mit Gespräch und Gefallen erwidert und dem Gelöbnis, es nächstes Mal besser zu machen.

Nur: Es geht hier schon lange nicht mehr darum, was die Bewegung tut, oder den Abfall, den sie hinterlässt! Es geht schon lange nicht mehr darum, ob wir auch hin und wieder ein Flugzeug besteigen. Greta Thunberg ist ungefähr 60 Stunden Zug gefahren, um in der Schweiz am WEF zu sprechen und hat ihre vegane Verpflegung selbst mitgebracht. Nicht mal das war den Rechten und Hetzern genug. Der Plastik, in der die Brötchen von Greta eingepackt waren, wurde herangezogen, um die angebliche doppelte Moral der Klimaaktivistin an den Pranger zu stellen.

Wir haben manchmal das Gefühl, dass die Rechten, die Ewiggestrigen, die Klimalügner halt dann schon auf uns hören würden, wenn wir nur selbst genug konsequent etwas vorleben würden. Wenn wir nur genug heilig seien, komme die Erleuchtung auch noch zu den hintersten Reaktionären. Nur ist dem nicht so: Die Ablehnung unserer Forderungen und der Hass auf uns, also auf diejenigen, die erkannt haben, dass es höchste Zeit ist, hat System. Es geht gar nicht darum, uns zuzuhören, sondern darum, die Bewegung mit allen Mitteln zu diskreditieren. Und wenn unsere Empörung und unsere Forderungen so legitim und offenkundig sind, dann wird halt irgendeine faule Ausrede herbeigezogen, hauptsache sie – die kurzfristigen Profiteure der Klimakrise – können uns als naiv und inkonsequent darstellen. Auch wenn unsere Generation es gewohnt ist den Reibungen, den Konflikten, den Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen, auch wenn wir in einer Welt aufgewachsen sind, die uns immer wieder aufs Neue zu verstehen gab, dass „anything goes“, ist es jetzt an der Zeit, den Konflikt anzunehmen. Sie haben es nicht anders gewollt, und sie verstehen keine andere Sprache. Wir aber, wir sind die Zukunft.

Wut und Radikalität sind unsere letzte Hoffnung

Werfen wir einen Blick nach Frankreich. Dort gibt es seit einigen Monaten die Bewegung der Gilets Jaunes. Eine Bewegung, die bis heute in vielen Facetten schwer zu fassen ist. Sie ist weder von klassisch linken Organisationen geprägt, noch ist sie von Rechten unterwandert, wie das in vielen Zeitungsberichten immer wieder suggeriert wird. Wahrscheinlich gibt es gar nicht so viel, was die Menschen eint, die da Wochenende für Wochenende auf die Strasse geben. Ausser etwas: Sie haben genug. Ihnen wurde während Jahrzehnten immer mehr genommen, es blieb immer weniger zum Leben und schon gar nicht für ein Leben in Würde.

Und mit Würde hatten die Proteste viel zu tun. Zu zeigen, dass das was ist, nicht so bleiben kann, ist ermächtigend. Nur: Die Gilets Jaunes wollten ganz bewusst nicht allen gefallen. Sie haben nämlich den Eindruck zu wissen, wer für ihre Situation verantwortlich ist. Und die Verantwortlichen sollten den Hass und die Wut spüren, wenn nötig am eigenen Leib. Der französische Präsident Macron musste reagieren. Er, der die Proteste, die sich an einer Erhöhung der Benzinpreise entzündet haben, lange als illegitim und gewalttätig bezeichnet hatte. Zehn Milliarden Euro war ihm der Versuch wert, die Bewegung ruhig zu stellen. Der Versuch scheiterte.

Doch zurück zum Klima. Die Klimabewegung ist sicherlich auch keine politisch homogene Bewegung. Es finden sich viele verschiedene Menschen darin, mit unterschiedlichen Weltanschauungen, unterschiedlichen Vorstellungen des Problems und ganz diversen Ansätzen, wie es denn zu lösen sein könnte. Und doch dürfen wir, alle zusammen, einen entscheidenden Fehler nicht begehen: Wir dürfen nicht glauben, dass die Klimakrise nur noch nicht gelöst wurde, weil irgendjemand zu wenig Informationen hatte, oder das Problem noch nicht dringlich genug erschien.

Nein, das Problem ist bekannt und es ist auch bekannt, wo die meisten Treibhausgase entstehen. Es ist bekannt, was die weitere ungebremste Anreicherung von CO2 in der Atmosphäre anrichtet. Und doch geschieht – nichts. Nicht weil keine Ideen vorhanden wären, sondern weil die Ideen ganz bewusst torpediert, abgelehnt und teilweise sogar wieder zurückgenommen werden, wenn sie schon umgesetzt waren.

Es arbeiten also Teile dieser Gesellschaft, allen voran die Führungsriegen grosser Unternehmen und die politischen Verantwortlichen der bürgerlichen Parteien, ganz bewusst GEGEN eine Lösung der Klimakrise. Da kann die freisinnige Petra Gössi noch so lange sie will von einer „ökologischen Wende“ ihrer Partei schwafeln. Die FDP hat alleine in den letzten 2 Wochen genügend ökologische Vorstösse abgelehnt, um auch diese Worte als das erkennen zu lassen, was sie sind: Lügen.

Die kapitalistischen Unternehmen torpedieren seit vielen Jahren mit Unterstützung der bürgerlichen Parteien jeden kleinen Schritt hin zu etwas mehr Klimaschutz. Wieso? Es sind die riesigen Summen an Geld, die in den Unternehmen zur Ausbeutung und Nutzung fossiler Energieträger investiert sind. Naomi Klein, die amerikanische Klimajournalistin, spricht von 27 Billionen Dollar. Es gibt praktisch keine Teile derjenigen Personengruppen, die über Kapital verfügen, die nicht in irgendeiner Art und Weise direkt oder indirekt mit dem Geschäft mit fossilen Energieträgern verbunden sind. Wenn wir eine Abkehr von fossilen Energieträgern fordern, bedeutet das im Umkehrschluss die Vernichtung des darin investierten Kapitals. Etwas, was bislang mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verhindert wird.

Wer jetzt hoffnungsvoll auf die grosse grüne Wende der FDP hofft, wird enttäuscht, das garantiere ich. Und enttäuscht wurden wir schon oft. Wir müssen nicht auf die nächsten Enttäuschungen warten. Oder bis das Jahr 2030 da und immer noch nichts geschehen ist. Denn die Verantwortlichen, die seit Jahrzehnten jegliche wirkungsvolle Massnahmen gegen den Klimawandel abgelehnt haben, sind immer noch dieselben.

Und diese Leute, man kann es nicht anders sagen, sind unsere Feinde. Sie sind die Feinde einer lebenswerten Welt, sie sind die Feinde eines ökologischen Umbaus der Gesellschaft. Wir müssen diesen Menschen nicht gefallen, wir brauchen ihre Zustimmung nicht. Denn wegen ihnen sind wir überhaupt erst auf der Strasse. Wegen ihnen ist es an uns, die Veränderung herbeizuführen. Weil sie kein Interesse an Veränderung haben. Wenn sie wütend sind, machen wir etwas richtig.

Rücksicht gegenüber wem?

Ein viel genanntes Argument innerhalb der Diskussionen rund um den Klimastreik ist aber auch, dass die so genannte Öffentlichkeit dieses und jenes Vorgehen nicht goutieren würde. Ich bin auch der Meinung, dass politische Aktionen und Aktionsformen immer auch eine Öffentlichkeit im Blick haben müssen. Aktionen müssen vermittelbar sein, hiess es früher so schön und ich glaube, daran können wir uns immer noch orientieren. Wenn wir eine Aktion machen, die Grenzen überschreitet, die vielleicht Betriebsabläufe oder den Verkehr stört, müssen wir erklären, weshalb wir das tun und weshalb wir es für notwendig erachten.

Was aber nicht Ziel einer Protestbewegung sein kann, ist, dass sie niemandem auf die Füsse tritt und niemanden wütend macht. Wieso nicht? Weil ein Teil der so genannten „Öffentlichkeit“ direkt oder indirekt an der Klimakatastrophe beteiligt ist! Weil Teile der „Öffentlichkeit“ (shoutout an FDP und SVP) kein Interesse an einer Lösung beziehungsweise wirkungsvollen Massnahmen gegen den Klimawandel haben. Weil wir diesen anstrengenden Kampf um die Rettung dieses Planeten nicht führen müssten, wenn alle unserer Meinung wären, wenn die Reichen und Mächtigen tatsächlich Verantwortung übernehmen wollten! Doch darauf dürfen und können wir nicht mehr warten, denn das wird nicht passieren. Und wenn wir warten, verlieren wir wertvolle Zeit. Zeit, die wir nicht mehr haben.

Natürlich wird es gewisse Leute nerven, wenn wir für das Klima demonstrieren! Natürlich wird das Feedback nicht nur positiv sein, wenn wir SwissOil, CreditSuisse, UBS etc. angehen und diese Konzerne für ihre Taten verantwortlich machen! Natürlich werden sich Menschen aufregen, und sie werden versuchen uns zu diskreditieren. Damit müssen wir leben, einen Umgang finden und wann immer möglich zurückschlagen.

Unsere Zukunft steht auf dem Spiel, nicht unser Image, das dürfen wir nicht vergessen. Wir sehen uns auf der Strasse – laut und unbequem.


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1 Kommentar

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