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Ausbeutung und Widerstand in Chinas Foxconn-Fabriken

Zehn Punkte gegen einen faulen Apfel –  iSklaverei bei Foxconn

Der folgende Text fasst wesentliche Punkte des von Ralf Ruckus neu herausgegebenen Buches „iSlaves – Ausbeutung und Widerstand in Chinas Foxconn-Fabriken“ zusammen.
von freundInnen von gongchao (März 2013)
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Prolog

Foxconn ist der weltgrößte Auftragshersteller für Elektronik und produziert in Großfabriken in China und anderswo für Apple, Sony, Google, Microsoft, Amazon und andere Marken. Foxconns ArbeiterInnen sind die iSlaves, die sich miesen Arbeitsbedingungen ausgesetzt sehen, während sie unsere elektronischen Geräte produzieren: iPhones, Kindles oder Playstations.

Im Jahr 2010 erschütterte eine Selbstmordserie von ArbeiterInnen die chinesischen Foxconn-Werke und zog weltweite Aufmerksamkeit auf sich. Unter dem Druck des öffentlichen Aufschreis versprach Foxconn, die Löhne zu erhöhen, aber die Situation hat sich seitdem kaum verbessert: Foxconn hat die Verlagerung von Fabriken ins chinesische Hinterland beschleunigt, beschäftigt PraktikantInnen von technischen Schulen als „noch billigere“ Arbeitskräfte, verschleiert Arbeitsunfälle, um Geld zu sparen, und setzt weiter auf ein militaristisches Managementregime.1
Foxconn-ArbeiterInnen sind jedoch keinesfalls die stillen Opfer der Ausbeutung und Repression durch das Unternehmen. Außer den täglichen Widerstandsformen gegen den Fließbandrhythmus haben Foxconn-ArbeiterInnen gestreikt und sich an Ausschreitungen beteiligt.
 
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Gemeine

Fertigung

Auftragshersteller wie Foxconn sind Unternehmen, die ihre produktiven Kapazitäten Markenfirmen anbieten, die über keine eigenen Fabriken verfügen – ein System, das in den 1970er Jahren nicht nur im Elektronik- sondern u.a. auch im Textilsektor entwickelt wurde. Viele dieser Fabriken stehen in Sonderwirtschaftszonen von Niedriglohnländern in Asien, Lateinamerika und Osteuropa.
Seit den 1980er Jahren wurde aus dem kleinen Subunternehmen Foxconn das größte private Industrieunternehmen der Welt mit über eine Million Beschäftigten allein in China. In seinen Fabriken mit Zehntausenden oder gar Hunderttausenden ArbeiterInnen in den Industriezentren des Landes (z.B. in Shenzhen, Kunshan, Taiyuan, Hangzhou, Chengdu, Zhengzhou, Langfang) übernimmt Foxconn fast alle Herstellungsprozesse von der Entwicklung bis zur Produktion von Elektronikgütern, und die Fabrikationsanlagen reichen von der „low-tech“ Komponentenproduktion bis zur „high-tech“ Montage. Foxconn hat ein Produktionssystem verfeinert, das als Modell für Weltmarktfabriken und globale Produktionsketten gilt.
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Einfach Ausbeutung

Der Begriff „iSlave“ kann mit „Ich arbeite als Sklave“ übersetzt werden.2 Es steht für Sklavenarbeit für den Boss im Internetzeitalter, für die Unterwerfung unter die kapitalistische Ausbeutung und ein gewalttätiges Fabrikregime.
Die Arbeitsbedingungen bei Foxconn sind gekennzeichnet durch tayloristische Arbeitsprozesse an den Fließbändern und Werkbänken, ein Schichtsystem mit Pflichtüberstunden, die oft nicht vollständig entlohnt werden, eine strenge und oft despotische Überwachung bei der Arbeit, hohe Arbeitsgeschwindigkeiten sowie gefährliche Arbeitsumgebungen, die zu vielen Unfällen und Berufskrankheiten führen.3
Der autoritäre Managementstil umfasst strikte Kontrollen bei der Arbeit, harte Strafen auch für kleinere „Vergehen“, Leibesvisitationen durch Werkschützer usw. Die meisten ArbeiterInnen wohnen in überfüllten Wohnheimen, die eine Verlängerung der Werkhallen und Fließbänder darstellen. Es gibt strenge Eingangskontrollen und die ArbeiterInnen müssen nach der Schicht noch Reinigungsarbeiten erledigen. ArbeiterInnen unterschiedlicher Abteilungen und Schichten werden einem Wohnheimzimmer zugewiesen, was zu Isolation, Schlafmangel und persönlichen Konflikten führt. Mit dieser Strategie will Foxconn die ArbeiterInnen spalten und kollektiven Widerstand verhindern.
 
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Billiger als billig

Die meisten ProduktionsarbeiterInnen sind zwischen 16 und 25 Jahre alte MigrantInnen, 60 Prozent sind männlich.4 Sie verdienen monatlich etwa 1.300 bis 2.300 Yuan (inklusive der vielen Überstunden; das entspricht 160 bis 280 Euro). Das ist etwas mehr als der gesetzliche Mindestlohn der jeweiligen Region, aber der Lohn reicht nicht, um sich in der Stadt niederzulassen, eine Familie zu gründen, und so zu leben, wie sie es erwarten.
Foxconn stellt außerdem jedes Jahr Zehntausende, meist 16 bis 18 Jahre alte SchülerInnen von technischen Schulen als „PraktikantInnen“ ein, um die Arbeitsgesetze und Mindestlohnregelungen umgehen zu können. Im Jahr 2010 stellten sie 15 Prozent der Gesamtbelegschaft.5 Oft werden sie von ihren Schulen gezwungen, als Teil ihrer Berufsausbildung bei Foxconn zu arbeiten, formal als Praktikum, um berufliche Fähigkeiten zu erlernen, tatsächlich am Fließband mit den anderen ArbeiterInnen – für niedrigere Löhne und leicht und ohne Entschädigung kündbar. Diese SchülerInnen dienen als flexible Reservearmee, und neben Foxconn zapfen viele andere Unternehmen in China dieses Arbeitskräftereservoir an.
 
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Rebel ’n‘ Riot

Die Geschichte der Foxconn-ArbeiterInnen handelt von Ausbeutung und Unterdrückung – und von täglichem Widerstand und Kämpfen. Diese drehen sich um das kapitalistische Kommando über die ArbeiterInnen und die Kontrolle über die Produktions, um die Arbeitsintensität und -geschwindigkeit (Produktion von Tauschwerten) ebenso wie um die Qualität der produzierten Waren (Produktion von Gebrauchswerten).
Foxconn-ArbeiterInnen beschweren sich über ein Bündel von Problemen: niedrige Löhne, den brutalen Maschinenrhythmus, die Langeweile und Sinnlosigkeit der Arbeit, Gefahren am Arbeitsplatz, despotische Vorgesetzte, überfüllte Wohnheime. Sie vergleichen Foxconn mit einem „Gefängnis“, bezeichnen das Kantinenessen als „Schweinefutter“ und haben die tägliche Erschöpfung während und nach der Arbeit satt. Sie sagen Dinge wie: „Wenn du lange bei Foxconn bleibst, wirst du blöde!“ oder „Foxconn hat mich im Stich gelassen, also werde ich Foxconn jetzt bestimmt nicht verschonen.“6
Außer der Abstimmung mit den Füßen – die hohe Fluktuation – setzen ArbeiterInnen regelmäßig alltägliche Formen des Widerstands ein, wie Sabotage oder Bummelei, und ab und zu schaffen sie es, kollektive Kämpfe wie Streiks zu organisieren, z.B. in Zhengzhou im Oktober 2012 und in Fengcheng im Januar 2013. Wenn solche Kampfformen durch Foxconns militaristisches Regime blockiert werden, kommt es auch mal zu militanten Ausschreitungen, wie in Chengdu im Juni und in Taiyuan im September 2012.7
 
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Das Unlösbare lösen

In den vielen Industriezentren Chinas hat die Zahl solcher Wanderarbeiterkämpfe seit den frühen 2000er Jahren zugenommen und erreichte mit der Streikwelle in der Autoindustrie 2010 ihren vorläufigen Höhepunkt. Die Unternehmen sehen sich zu Lohnsteigerungen gezwungen. Dabei spielt auch eine Rolle, dass die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) eine Destabilisierung ihrer Herrschaft durch die Arbeiterunruhen fürchtet und die regionalen Mindestlöhne von 2006 bis 2011 jährlich um durchschnittlich 12,5 Prozent erhöhte. Bis 2015 wird ein weiterer Anstieg um 13 Prozent jährlich vorausgesagt.8
Foxconn geriet nach der Selbstmordwelle in den chinesischen Fabriken 2010 unter öffentlichem Druck und erhöhte die Löhne – allerdings wurden gleichzeitig Zulagen und Überstunden beschränkt. Foxconn beschleunigte zudem die Verlagerung von Produktionseinheiten von den Küstenregionen im Südosten ins chinesische Hinterland, wo die Löhne bis zu 50 Prozent niedriger sind. Dabei nutzte Foxconn den Wettbewerb um Investitionen zwischen Regionen und Kommunen und sicherte sich in großem Umfang staatliche Finanzhilfen. Foxconn investiert auch in neue Maschinen und Arbeitstechnologien, allerdings weniger um menschliche Arbeitskraft zu ersetzen als um sie weiter zu dequalifizieren bzw. abzuwerten und ihre Unterwerfung unter den Maschinenrhythmus zu optimieren. Weder der räumliche noch der technologische Lösungsversuch (fix) konnten jedoch das unlösbare lösen: Die meisten Berichte zu ArbeiterInnenkämpfen kamen nach 2010 aus den neuen Fabriken „auf der grünen Wiese“.
 
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Ablenkungsmanöver

Seit Jahren reagiert die KPCh auf Arbeiterunruhen nicht nur mit der Erhöhung der Mindestlöhne und mit Repression, sondern versucht auch, sie durch Schlichtungsorgane, Arbeitsgerichte oder das direkte Eingreifen der Arbeitsbehörden zu kanalisieren. Da es in den letzten Jahren weitere Wellen von Arbeitsunruhen gegeben hat – vor allem die große Welle im Sommer 2010 –, experimentiert die KPCh nun auch mit Veränderungen des staatlich gelenkten Gewerkschaftssystems. In manchen Unternehmen, in denen es in jüngster Zeit zu Arbeitskämpfen gekommen ist (wie bei Honda in Foshan, Ausgangspunkt der Streikwelle 2010) wurden die Ernennungen von Gewerkschaftsfunktionären „von oben“ teilweise abgeschafft und Belegschaftswahlen zugelassen.
Anfang 2013 kündigte Foxconn an, bis Juli in seinen Werken in China Gewerkschaftswahlen auf betrieblicher Ebene abhalten zu wollen (danach dann alle fünf Jahre). Die offizielle KPCh-Gewerkschaft ist in Foxconn-Werken schon seit 2006 aktiv – unter der Kontrolle des Managements. Die „demokratische“ Legitimierung der betrieblichen Gewerkschaftsvertreter zielt darauf ab, das Schwitzbuden-Image Foxconns zu zerstreuen und die gewerkschaftsunabhängigen ArbeiterInnennetzwerke, die hinter den Streiks und anderen Aktionen stehen, zu schwächen. Reformierte Gewerkschaftsstrukturen sollen mehr Informationen über die Arbeiterunzufriedenheit nach oben leiten, sodass die Manager Gegenmaßnahmen ergreifen und kollektive Aktionen früh unterbinden können.
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Bloß Shitstorms

Foxconn mit seiner brutalen Ausbeutung und den schlechten Arbeitsbedingungen zieht zu recht viel Kritik und Angriffe auf sich, ebenso wie Apple: Die US-Glitzermarke symbolisiert eine globalisierte, kapitalistische Kultur, die auf Lohnsklaverei beruht – in Zulieferfabriken wie Foxconn, in Apple-Geschäften und anderswo.
Eine internationale NGO-Kampagne gegen diese Unternehmen, die schon vor den Selbstmorden 2010 begann, will Schande über die beiden Unternehmen bringen, den öffentlichen Druck erhöhen und Konsumboykotte unterstützen, in der Hoffnung, dass dies Foxconn zu einer Verbesserung der Bedingungen zwingt.9 Welchen Einfluss die Kampagne wirklich hat, ist schwer zu sagen. Sicherlich ist Apple auf sein Image bedacht, um weiter hohen Umsatz zu machen, aber bisher reagierten Apple und Foxconn nur mit theatralischen Versprechen und kosmetischen Änderungen. Was ist auch anderes zu erwarten? Der eigentliche Druck entsteht durch die hohe Arbeiterfluktuation bei gleichzeitiger Arbeitskräfteknappheit in industriellen Zentren Chinas und die regelmäßigen Arbeiterkämpfe in Foxconn-Fabriken.
Es geht bei der Kampagne gegen Foxconn und Apple (wie auch anderen) jedoch nicht so sehr um die Wirksamkeit der Shitstorms und Konsumboykotte gegen bestimmte Firmen. Die Kampagnen werfen mindestens drei Probleme auf (bzw. verschärfen sie): 1. Sie beschränken sich oft auf eine Kritik an „Überausbeutung“, „fiesen Bossen“, „undemokratischen Unternehmen“ oder „Gewerkschaftsfressern“; das führt sie zu Forderungen nach „sozialer Verantwortung“ von Firmenleitungen, „demokratischer“ Vermittlung im „Konflikt zwischen Arbeit und Kapital“, oder schlimmer: nach der Intervention des (autoritären) Staates zur Herstellung „sozialer Gerechtigkeit“. 2. Die Kampagnen verlangen oft (unabhängige) Gewerkschaften, Tarifverhandlungen oder andere Formen der Klassenvermittlung; und 3. die Kampagnen fordern zu einer Unterstützung der Arbeiterkämpfe von außen auf, durch „KonsumentInnen“ in „reichen Ländern“ für „ProduzentInnen“ in „armen Ländern“, die als schwach (oder als Opfer) präsentiert werden.
 
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Gegen jede iSklaverei

Dahinter mögen sich gute Absichten verbergen, aber in der Kritik der „Überausbeutung“ einzelner Firmen (1.) zeigt sich eine verkürzte (ideologische) Kritik des Kapitalismus, mit der die Illusion grundsätzlicher Veränderungen durch reformistische Schlichtung verstärkt wird. Klassenkampf ist weniger ein Pendel von Arbeiterkämpfen und Lösungsversuchen des Kapitals innerhalb des kapitalistischen Rahmens als die Bewegung zur Überwindung des Kapitalismus an sich. Die Forderung „unabhängiger Gewerkschaften“ (2.) zielt ins Leere, weil die ArbeiterInnen von Foxconn ihre Bedingungen nur dann verbessern werden, wenn sie ArbeiterInnenmacht aufbauen, die sich in der Verweigerung der Arbeit durch Streiks und andere Kampfformen in den Foxconn-Fabriken ausdrückt. Eine Gewerkschaft kann nur solange in Tarifverhandlungen gute Ergebnisse erreichen, wie ArbeiterInnen die Fähigkeit zu dieser Art der kollektiven Aktion haben. Die Unterstützung von „hilfebedürftigen ProduzentInnen“ durch „KonsumentInnen“ (3.) ist fatal, weil dieser Weg die Spaltung zwischen Arbeiterklassen in verschiedenen Teilen der Welt weiter zu vertiefen droht statt weltweit proletarische Kämpfe zu verbinden und zu verzahnen.
In Zeiten einer tiefen kapitalistischen Krise mit weltweit neuen Klassenbewegungen, die ihre Fähigkeit zur Selbstorganisation zeigen, machen Kampagnen Sinn, wenn sie alle kapitalistischen Ausbeutungsstrukturen angreifen, sich nicht auf Klassenvermittlung einlassen und einen solidarischen Bezug „auf gleicher Augenhöhe“ herstellen. Solidarität ist möglich, wenn (latent) rebellische und selbstmächtige Subjekte gemeinsame Ziele erkennen und sich auf dieser Grundlage gegenseitig in ihren Kämpfen unterstützen. Im Fall von Foxconn könnte das heißen, dass Industrie-ArbeiterInnen in Foxconn-Fabriken in China (oder auch Tschechien), Coltan-BergarbeiterInnen im Kongo, VerkäuferInnen in Apple-Geschäften und Call-Centern weltweit u.a.m. gegen ihre eigene Ausbeutung kämpfen und andere Ausbeutungszusammenhänge und Kämpfe entlang der Produktionskette aufgreifen.
 
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Epilog

Das Erschreckende an Foxconn ist nicht das Extreme und Gemeine, sondern das Alltägliche und scheinbar Normale der Ausbeutung und Erniedrigung. Der Begriff iSlave steht nicht nur für diese besondere Form der Lohnsklaverei, sondern für Lohnarbeit an sich: die Unterordnung unter ein autoritäres Produktionsregime und die Abpressung von Mehrwert durch abstumpfende Arbeitsprozesse. Foxconns krasse Ausbeutungsformen gründen nicht auf der Bosheit der Kapitalisten der Firma (auch wenn sie boshaft sein mögen), sondern auf der Logik der Kapitalakkumulation. Sein despotisches Management ist eine Strategie zur Beherrschung und Auspressung der Arbeitskräfte, und als solche eine Reaktion auf den täglichen Widerstand der ArbeiterInnen.

Der tägliche Kampf der iSlaves dreht sich darum, wie sehr und zu welchem Preis ihre Arbeitskraft ausgebeutet wird – oder ob sie die erschöpfende, monotone und gefährliche Fabrikarbeit überhaupt machen. Sie sind keine Opfer, keine Rädchen in der Maschine des Kapitals – wie es das Kapital selbst sieht –, sondern eine Kraft, die den kapitalistischen Plan von Produktion und Reproduktion ständig stört. Die Foxconn-ArbeiterInnen stehen für den Klassenkonflikt in den chinesischen Weltmarktfabriken, und somit sind ihre Kämpfe Teil der gegenwärtig zunehmenden, globalen Klassenkämpfe, die Ursprung und Resultat der Krise des Kapitalismus selbst sind. Sollte die Macht der ArbeiterInnen in den chinesischen Weltmarktfabriken bis zu einem Punkt zunehmen, an dem sie die globalen Ketten der Kapitalakkumulation zerstören, ist alles möglich. Lasst uns nicht nur zusehen, abwarten und hoffen.

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Auszug aus Pun Ngai, Lu Huilin, Guo Yuhua, Shen Yuan: iSlaves – Ausbeutung und Widerstand in Chinas Foxconn-Fabriken. Mandelbaum Verlag, Wien, 2013:

„Die Maschine ist der Herr und Gebieter“

Yang – Student und Produktionsarbeiter bei Foxconn in China
 
Produktionsquoten und Qualitätskontrollen setzten den ArbeiterInnen ebenso zu wie die Anwendung verbaler Gewalt. Am deutlichsten war das während der täglichen Morgenversammlungen. Zunächst wurden alle Namen aufgerufen. Dann erläuterte der Linienführer anstehende Arbeitsaufgaben und wies auf Probleme wie mangelnde Sauberkeit am Arbeitsplatz, Unordnung auf den Werktischen, Sprechen während der Arbeitszeit und schlampiges Arbeiten hin. Jeden Morgen mussten wir uns als Erstes diese Zurechtweisungen anhören. (…)
Die Vorgesetzten unterdrücken die ArbeiterInnen, die Maschinen nehmen ihnen das Gefühl für den Sinn und Wert des Lebens. Die Arbeit dort verlangt keinerlei Mitdenken. Jeden Tag werden dieselben einfachen Körperbewegungen wiederholt, sodass die Leute nach und nach empfindungslos und apathisch werden. Sie sind mit ihren Gedanken nicht mehr in der Gegenwart. Ich merkte, wie ich bei der Arbeit immer wieder Aussetzer hatte. Ich hatte alle Arbeitsbewegungen bereits verinnerlicht, schreckte aber plötzlich auf und wusste nicht, ob ich das vorige Werkstück bearbeitet hatte oder nicht. Ich musste dann meine Kollegin fragen, um mich zu vergewissern. (…)
Ich hatte oft den Eindruck, dass die Maschine der Herr und Gebieter war, dem ich als Sklave die Haare kämmen musste. Ich durfte nicht zu schnell kämmen, aber auch nicht zu langsam. Ich musste sauber und ordentlich kämmen, es durften keine Haare brechen, der Kamm durfte nicht hinunterfallen, und wenn ich es nicht gut machte, wurde ich zurechtgestutzt. (…)
Eines Tages erzählte mir eine Arbeiterin, dass im Januar desselben Jahres die Überstunden nicht bezahlt worden waren und ArbeiterInnen deswegen die Arbeit niedergelegt hatten. (…) Einige hatten die Initiative ergriffen und an jenem Tag die Überstunden verweigert. Die anderen ArbeiterInnen in der Halle hatten sich sogleich angeschlossen, und am Ende der normalen Schicht hatte ein Großteil keine Überstunden gemacht und die Halle verlassen. Einige derer, die damals die Initiative ergriffen hatten, verließen später die Firma oder wurden in andere Abteilungen versetzt.
In den Werkhallen war oft zu beobachten, wie ArbeiterInnen nach Möglichkeiten zum Faulenzen suchten. Eines Tages kam der Kollege Ming zu mir. Wir sind gute Freunde, aber ich wunderte mich, warum er während der Arbeitszeit nichts zu tun hatte. „Die Maschine ist kaputtgegangen“, sagte er. Ich erwiderte: „Das ist ja bestens.“ Er blieb eine Weile und flüsterte mir zu: „Ich habe die Maschine absichtlich beschädigt. Ich musste nur den Notschalter betätigen, dann hielt die Maschine an. Ich habe den Netzschalter einfach wieder auf die Ausgangsposition gestellt, sodass niemand weiß, was passiert ist.“ Ein anderer Arbeiter erzählte mir, dass er in Zeiten, in denen zu viel zu tun ist oder wenn er mal seine Ruhe haben will, normgerechte Teile als Ausschuss behandelt und kaputtmacht, um sie dann noch einmal herstellen zu müssen. So kann er die vorgegebene Produktionsmenge reduzieren und die Arbeitsgeschwindigkeit drosseln. Er sagte: „Mein Kollege auf der Nachtschicht hat sogar mal zwei Kartons mit normgerechten Teilen weggeworfen.“ Es gibt natürlich auch eine einfache und direkte Form des Widerstands, die Abstimmung mit den Füßen, sprich: einfach gehen. Einmal bekam ich nach der Schicht eine SMS von einem Arbeiter: „Ich kündige! Es ist nichts, außer dass ich keine Lust mehr auf die nächtliche Folter habe.“ Er hatte lediglich 35 Tage bei Foxconn gearbeitet.
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Fußnoten

1 Dies ist Ergebnis des Foxconn-Untersuchungsprojekts, siehe: Pun Ngai, Lu Huilin, Guo Yuhua, Shen Yuan (2012): Wo Zai Fushikang (Me at Foxconn), Beijing. Die deutschsprachige Fassung erschien im März 2013: iSlaves – Ausbeutung und Widerstand in Chinas Foxconn-Fabriken; siehe http://www.gongchao.org/de/islaves-buch
2 Das englische Wort „slave“ stammt vom Altfranzösischen „sclave“, vom Mittelalterlich-Lateinischen „sclavus“, vom Byzantinisch-Griechischen σκλάβος (sklabos). Das Wort σκλάβος wiederum geht auf die Volksbezeichnung Slave zurück, da in einigen Kriegen des frühen Mittelalters viele Slaven gefangen genommen und versklavt wurden (übersetzt von http://en.wikipedia.org/wiki/Slave); das „i“ in iPhone oder iPad steht für „internet“, aber auch „individuell“ und das Englische „I“ (ich), siehe: http://www.quora.com/History-of-Apple-Inc/How-did-Apple-choose-the-i-naming-convention-iMac-iPod
3 Mehr Informationen dazu im Buch zu Foxconn (siehe Fußnote 1) und unter http://www.gongchao.org/de/islaves-buch. Ein Interview mit einer ehemaligen Foxconn-Arbeiterin zu den Arbeitsbedingungen findet sich hier: http://www.youtube.com/watch?v=lhf0tgtXd8c&feature=youtu.be
4 Noch vor zehn Jahren war die große Mehrheit der ProduktionsarbeiterInnen weiblich, aber wegen der Arbeitskräfteknappheit in den Industriezentren, vor allem im Perlflussdelta, aber auch in anderen Regionen, begann Foxconn, mehr Arbeiter einzustellen.
5 Siehe Pun Ngai/Chan, Jenny: The Spatial Politics of Labor in China: Life, Labor, and a New Generation of Migrant Workers. The South Atlantic Quarterly 112:1, Winter 2013
6 Siehe die Geschichten von ArbeiterInnen in: Pun Ngai, Lu Huilin, Guo Yuhua, Shen Yuan (2012), Fußnote 1.
7 Eine (unvollständige) Liste von Streiks und Ausschreitungen in Foxconn-Fabriken findet sich hier: http://www.gongchao.org/de/islaves-buch/arbeiterkaempfe-bei-foxconn/liste-von-arbeiterunruhen
8 Siehe http://www.reuters.com/article/2012/02/08/us-china-economy-jobs-idUSTRE8170DY20120208; nach anderen Angaben sind in China die „Reallöhne gemessen in Dollars von 2005 in den letzten elf Jahren um 350 Prozent gestiegen“: http://www.ft.com/intl/cms/s/0/7412b714-6fc3-11e2-8785-00144feab49a.html#axzz2LeN0U055
9 Siehe zum Beispiele die Webseiten von Good Electronics http://goodelectronics.org und Make IT Fair https://germanwatch.org/en/stichwort/makeitfair

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