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Deutschland: In Berlin kommt der Mietendeckel!

»Richtig Deckeln, dann Enteignen« – unter diesem Motto gingen am 3. Oktober in Berlin 4.000 Mieterinnen und Mieter auf die Straße. Jahrelang war der Slogan »Hopp, Hopp, Hopp – Mietenstopp!« auf jeder stadtpolitischen Demo nicht nur in Berlin zu hören – doch wirklich umsetzbar schien dies nicht. Seit sich die Bewegung mit einem Volksbegehren zur Enteignung großer Immobilienkonzerne neu aufgestellt hat, ist der Deckel aber für manchen plötzlich das kleinere Übel.

von Ralf Hoffrogge und Stephan Junker; aus analyse&kritik

Der »Mietenstopp« wurde von Teilen der SPD in die Debatte eingebracht. Der dort verankerten Baulobby ist das gar nicht recht: Sie sabotierte den Vorschlag so energisch, dass mittlerweile alle den Deckel für ein Projekt der Linkspartei-Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher halten.

Was für Rot-Rot-Grün eine Koalitionskrise in Permanenz bedeutet, ist eine gute Ausgangslage für die sozialen Bewegungen Berlins. Denn in der Mietenfrage ist geschafft worden, was andernorts schmerzlicherweise nicht gelingt: Die Antworten auf eine soziale Krise kommen von links und nicht von rechts. Statt »Wohnraum nur für Deutsche« diskutiert die Hauptstadt irgendwo zwischen Mieterhöhungsverbot und Enteignung. Sebastian Gerhardt und Phillip Mattern (Berliner Mietergemeinschaft) gefällt das mit dem Deckeln und Enteignen dennoch nicht – in ak 652 erklärten sie den Mietendeckel für »nicht radikal« und die Vergesellschaftung für nicht realistisch. Beides ist Unsinn: Gerade, weil radikale Lösungen realistisch werden, erlebt die Berliner stadtpolitische Bewegung einen Aufschwung.

Der Deckel – oder ein Sieb?

Der »Deckel« ist eigentlich eine Metapher für ein öffentliches Preisrecht, das auf Landesebene die im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) enthaltenen Vorschriften zum Mietrecht überlagern soll. Bereits nach dem Ersten Weltkrieg gab es in vielen Ländern der Weimarer Republik preisrechtliche Vorschriften zur Begrenzung von Mieten, ebenso nach dem Zweiten Weltkrieg. Seit der Föderalismusreform 2006 ist das »Wohnungswesen« eindeutig den Ländern zugeordnet. Auch jetzt wäre es wieder möglich, mit dem Preisrecht das klassische Mietrecht auszustechen, so der Jurist Peter Weber, der als erstes auf diesen Zusammenhang hinwies. Jedes Bundesland kann also Mieterhöhungen schlicht verbieten!

Dennoch schreiben Mattern und Gerhardt: »Der Mietendeckel ist nicht radikal, er kann es auch gar nicht sein. Denn er geht im Sinne des Wortes keinem Problem an die Wurzel.« Sie begründen ihre Meinung mit Umsetzungsproblemen – und verfehlen damit den Punkt. Zwar stimmt es, dass die Berliner Bezirksämter aus Personalnot unfähig sind, geltende Vorschriften zu Zweckentfremdung oder Milieuschutz zu erzwingen. Doch wäre es möglich, einen Mietendeckel ohne Bezirksamt zu machen: als Mietobergrenze, die gegebenenfalls von den Mietparteien durch Mietminderung umgesetzt oder vor Gericht eingeklagt werden kann.

Es geht also beim Deckeln um die Details der Umsetzung. Während der erste Entwurf der Linkspartei noch für fünf Jahre eine starre Mietobergrenze von acht Euro/qm vorsah, inklusive einer Absenkung überhöhter Mieten, sind die aktuellen Pläne an vielen Stellen weichgespült. Probleme gibt es viele: aktuell sind Quadratmetermieten von bis zu 9,80 Euro/qm erlaubt, ein Modernisierungszuschlag kommt hinzu, statt des Einfrierens sollen jährlich Erhöhungen von 1,3 Prozent erlaubt sein. Nicht gelten soll der Deckel für Vermieter*innen in wirtschaftlicher Notlage – eine Einladung für Vermieter*innen, sich arm zu rechnen. Und schließlich: Mietsenkungen werden in Frage gestellt. Bürgermeister Michael Müller will sie ganz vermeiden. Im aktuellen Entwurf stehen sie noch – aber nur, wenn die Miete 30 Prozent des Haushaltseinkommens übersteigt. Dies pervertiert den Gedanken eines Preisrechts. Anstatt den Preis für eine Ware festzusetzen, um spekulative Effekte zu begrenzen, wird ein besonderes Armenrecht eingeführt. Laut Berliner Mieterverein ist diese Regel auch ein Risiko für den Deckel: Nur per Preisrecht lässt sich der Deckel umsetzen. Er muss anhand der Wohnung bestimmt werden, unabhängig von den Vertragspartner*innen. Macht der Senat hier weiter, erhöht sich also das Risiko, dass der Deckel vorm Bundesverfassungsgericht kassiert wird.

Kurzum: Beim Deckel gibt es zwei Probleme – einerseits die Durchlöcherung mit Ausnahmen, andererseits das Risiko, dass die ganze Sache handwerklich schlecht umgesetzt wird und vor Gericht platzt. Die Senatskoalition, auch die Linkspartei, hat die Bevölkerung auf letztere Möglichkeit nicht vorbereitet – viele glauben, der Deckel sei schon im Juni fest beschlossen worden, weil damals ein Stichtag für die Geltung vereinbart wurde. Es ist also richtig, wenn die sozialen Bewegungen sich hier einmischen. Das Argument von Mattern und Gerhard, eine »bereits stattgefundene Explosion kann man nicht aufhalten«, ist dagegen unverständlich und fatalistisch.

Enteignung: notwendig, legal und bezahlbar

Der Deckel alleine ist jedoch keine Lösung, denn er soll nur fünf Jahre gelten. Eine langfristige Lösung bietet das Projekt der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen, das alle Immobilienkonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin nach Artikel 15. Grundgesetz vergesellschaften will. Da an der Radikalität dieses Vorhabens kaum zu zweifeln ist, wird von Mattern und Gerhardt die Entschädigung herangezogen, um das Vorhaben für unmöglich zu erklären: Eine Milliardenentschädigung würde die Immobilienkonzerne »mit frischen Mitteln für neue Spekulation ausstatten«. Das Argument ist nicht nur falsch, sondern politisch fatal. Denn alle juristischen Gutachten haben festgestellt, dass auf gar keinen Fall der Verkehrswert gezahlt werden muss. Selbst das von Mattern und Gerhardt zitierte Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Abgeordnetenhauses schlägt nur eine »Orientierung« am Verkehrswert der Grundstücke vor – und plädiert für 20 Prozent Abzug vom Marktpreis. Andere Jurist*innen wie Joachim Wieland aus Speyer gehen noch weiter, sie betonen, dass eine Entschädigung nach Marktwert im Artikel 15 des Grundgesetzes nicht vorgesehen ist. Der Artikel 15 erlaubt Boden- und Wirtschaftsreformen – Umverteilung ist hier die Norm, nicht der Wertersatz. Den Unternehmen wird also so ihre Geschäftsgrundlage entzogen. Mit den Wohnungen können sie kein Geld mehr machen, als Entschädigung bekommen sie weniger als den Buch- oder Börsenwert – objektiv also ein Verlust von Kapital.

Wie gefährlich Mietendeckel und Enteignung für die Wohnungsunternehmen sind, zeigt die heftige Reaktion auf die Ankündigung des Mietendeckels im Juni 2019: Die Aktie der Deutsche Wohnen SE erlitt einen massiven Kurssturz. Milliarden von spekulativem Kapital wurden verbrannt – wegen einer Ankündigung. Bei einer tatsächlich umgesetzten Enteignung in Berlin würde dieser erwünschte Effekt noch heftiger ausfallen und die ganze Branche treffen. Ein Fallen der Kurse und in der Folge auch der Immobilienpreise würde Rekommunalisierungen erleichtern. Mattern und Gerhardt spielen mit ihren fragwürdigen Behauptungen also das Spiel des Gegners, der Enteignung unmöglich scheinen lassen will. Von einer linken Mietergemeinschaft, für die Mattern spricht, erwarten wir anderes: nach Mitteln und Wegen zu suchen, um die Entschädigungshöhe für Enteignungen rechtlich und politisch möglichst weit zu drücken.

Enormer Druck wird nötig sein

Unabhängig von der Frage, ob die Unternehmen mit der Enteignung Geld machen, stellt sich die Frage nach der Bezahlbarkeit. Dabei ist die Tatsache am wichtigsten, dass bei einer Vergesellschaftung Wohnungen in öffentlichen Besitz gelangen, die jedes Jahr Milliarden an Mieteinnahmen erwirtschaften. So kann eine Entschädigung problemlos refinanziert werden: Die Entschädigung wird zu 20 Prozent vom Land Berlin vorgestreckt, zu 80 Prozent per Kredit finanziert und aus Mieteinnahmen zurückgezahlt. Nach Ablauf des Kredites macht das Land Gewinn – und kann gegebenenfalls auch die Anschubfinanzierung zurückzahlen. Was also bisher verschwiegen wird: Vergesellschaftung ist nicht teuer. Sie ist mittelfristig haushaltsneutral und langfristig ein Gewinn an öffentlichem Eigentum. Indirekt musste das selbst der Senat zugeben: Als im September für fast eine Milliarde Euro 6.000 Wohnungen in Spandau zurückgekauft wurden, betonte man öffentlich, diese Summe allein aus künftigen Mieteinnahmen zu refinanzieren.

Es ist also gerade der Realismus beider Projekte, der Berlins stadtpolitische Bewegung hinter dem Motto »Richtig Deckeln, dann Enteignen« vereint (letztlich hat auch die Mietergemeinschaft die Demo unter diesem Motto unterstützt). Enormer Druck wird nötig sein, um beides durchzusetzen. Doch auch große Akteure wie der Berlin-Brandenburger Landesverband von ver.di und der Berliner Mieterverein mit seinen 170.000 Mitgliedern haben sich mittlerweile hinter die Vergesellschaftung gestellt. Auch in der als eher links geltenden Berliner Mietergemeinschaft (BMG) mit über 20.000 Mitgliedern unterstützen viele Aktive die Forderung und haben Unterschriften gesammelt. Nicht verwunderlich, denn unter den Mitgründer*innen von Deutsche Wohnen & Co enteignen finden sich ebenfalls zahlreiche Mitglieder der BMG – unter anderem wir beide als Autoren dieses Artikels. Leider kommt jedoch von unserem Verein auch noch nach eineinhalb Jahren keine offizielle Unterstützung für das Volksbegehren. Stattdessen ist das Vorhaben in Publikationen der Mietergemeinschaft stets für unrealistisch erklärt worden, mit ähnlichen Argumenten wie jüngst in der ak. Eine Mitgliederbefragung dazu gab es nicht. Diese Situation lässt uns ratlos und enttäuscht zurück. Wir wünschen uns eine Mietergemeinschaft, die bei den wichtigen Kämpfen dabei ist – und bei der die Mitglieder gemeinsam demokratisch entscheiden, wofür sie kämpfen wollen.


«Wir hoffen, dass unser Beispiel Schule macht»

Ein Gespräch mit Michael Prütz; aus sozonline.de

Michael Prütz ist Sprecher der Initiative «Deutsche Wohnen enteignen».

Als wir vor der Sommerpause mit Rouzbeh Taheri über eure Initiative Deutsche Wohnen enteignen sprachen (SoZ 7-8/2019), hatte die Berliner Senatorin für Stadtentwicklung, Kathrin Lompscher (Die LINKE), gerade mit dem Vorschlag eines «Mietendeckels» reagiert. Nun hat sich die Koalition auf einen Vorschlag dazu geeinigt. Wie sieht der aus?

Der Mietendeckel wurde am 18.Oktober in einer Sitzung des Koalitionsausschusses aller drei Berliner Regierungsparteien beschlossen. Das Ergebnis ist ein historischer Erfolg der Mieterbewegung. Es sieht nicht nur einen Mietenstopp vor, sondern auch Mietabsenkungen in einem bestimmten Rahmen. Damit ist die Umverteilung von unten nach oben in diesem Bereich gestoppt und sogar umgekehrt. 

Wie genau sind die Mieten gedeckelt worden, wie entsteht der von dir genannte Effekt?

Erstens werden die Mieten für fünf Jahre eingefroren. Zweitens gibt es Kategorien von Preisen für die einzelnen Wohnungen, insgesamt sind es 18. Die höchste Kategorie ist 9,80 Euro, die niedrigste Kategorie 3,21 Euro. Wenn jemand jetzt aus einer sehr teuren Wohnung auszieht, sagen wir mal er zahlt jetzt 15 Euro pro Quadratmeter, muss die Wohnung neu vermietet werden zum Preis des Deckels, also maximal für 9,80 Euro. Das ist das eine. 

Der Mietendeckel gilt also für Neuvermietungen?

Er gilt auch für die Bestandsmieten, aber er eben auch für Neuvermietungen. Denn es kommt drittens hinzu, dass Bestandsmieten, die höher liegen als 20 Prozent über den einzelnen Deckelstufen, als Wuchermiete gelten und auf den vorgeschriebenen Deckel abgesenkt werden können.

Und der Deckel ist unterschiedlich je nach Kategorien?

Je nach Kategorie reicht er von 3,21 Euro bis 9,80 Euro. 

Das ist ein gutes Ergebnis.

Es ist hervorragend. Man muss sagen, dass die Regierungskoalition im intensiven Kontakt mit der Mieterbewegung auf alle ihre wesentlichen Forderungen eingegangen ist und sie umgesetzt hat. Damit war überhaupt nicht mehr zu rechnen, weil die Sozialdemokraten sich quergelegt hatten. Doch letztlich haben sie dann eingelenkt.

Woher kommt der Gesinnungswandel?

Wenn die Koalition geplatzt wäre, hätte es Neuwahlen gegeben, bei denen die SPD Gefahr lief, als dritte hinter Grünen und Linkspartei zu landen. Das hat sie wohl zur Besinnung gebracht. Sie hatten mehr zu verlieren als alle anderen. 

Wie war die Stimmung der letzten Wochen? Auf der Straße waren ja nicht so viele, an der Demonstration im September hatten sich nur etwa 5000 Leute beteiligt, nicht gerade berauschend. Wie ist die Stimmung in der Stadt?

Die Stimmung in der Stadt, und das wird sich jetzt noch weiter verstärken, ist extrem aufgeheizt. Auf der einen Seite sammeln Vermieterverbände und Lobbyisten massiv Geld für eine Kampagne, die den Mietendeckel als eine Enteignungskampagne ins negative Licht rücken soll. Auf der anderen Seite gibt es täglich überall in der Stadt Mieterversammlungen, Demonstrationen, kleinere Besetzungen, alles mögliche, und die Leute sind sehr aktiv, viele Mieter engagieren sich weiterhin. Eine so extreme Polarisierung habe ich in meinem ganzen politischen Leben noch nicht erlebt.

Die Wohnungsbaugenossenschaften haben sich ebenfalls gegen den Mietendeckel gestellt. Wie erklärst du dir das?

Das kann ich dir nicht erklären. Alle Wohnungsbaugenossenschaften in Berlin schreiben schwarze Zahlen, die hätten überhaupt kein Problem damit. Es gibt jetzt Mitglieder dieser Genossenschaften, die machen von unten Druck gegen diese Entscheidung. Es sind wohl nur die Bonzen, die dagegen sind, nicht die Mitglieder.

Wie positionieren sich die Medien?

Naja, unterschiedlich. Die konservativen Zeitungen treten eindeutig als Lobbyisten der Eigentümer und der Unternehmerverbände auf. In liberaleren Blättern, wie dem Tagesspiegel und der Berliner Zeitung, wird recht ausgewogen berichtet. Da kommen natürlich die Unternehmerverbände zu Wort, aber eben auch wir. Jeden Tag ist in all diesen Zeitungen etwas zu dem Thema zu lesen.

Was machen die Mieterverbände jetzt? Und was treibt die Mieter jetzt um? Du sagst ja, da ist unglaublich viel in Bewegung geraten.

Jetzt treibt die Leute um, ob es diesen Mietendeckel wirklich geben wird, der muss ja noch in ein Gesetz gegossen werden. Die Lobbyverbände versuchen da noch einzugreifen, das ist es, was alle im Moment hochemotional beschäftigt.

Aber es sieht gut aus. Der Gesetzentwurf wird nächste Woche in der Berliner Regierungskoalition endgültig beschlossen. Das ist die eine Seite. Und die andere Seite ist – was viele Mieterinnen und Mieter ebenfalls umtreibt: Wie geht es mit dem Volksbegehren Deutsche Wohnen Enteignen weiter? Denn das ist ja nun die nächste Frage. Wir haben die gültigen Unterschriften in einem sehr kurzen Zeitraum beigebracht. Jetzt warten wir darauf, dass Innensenator Geisel (SPD) die zweite Stufe des Volksbegehrens freigibt. Das hat er bislang nicht getan, er versucht, das zu verschleppen.

Geisel ist vom rechten Flügel der SPD?

Ja. 

Welche Möglichkeiten hat er da, anfangs sah es ja so aus, als würde der Mietendeckel dagegen ausgespielt.

Das ist jetzt nicht so. Es ist hochinteressant – ich hatte selber Gelegenheit auf vielen SPD-Versammlungen zu reden –, dass in der SPD eine große Auseinandersetzung tobt über die Frage der Enteignung. Am nächsten Sonnabend, am 26.Oktober, wird die SPD auf ihrem Berliner Parteitag darüber entscheiden. Wir haben inzwischen Kontakte zu verschiedenen Kreisverbänden der SPD aufgebaut, da steht es 50:50. 50 Prozent sind für uns, also für die Enteignung, 50 Prozent dagegen. Halbe halbe – da weiß man überhaupt noch nicht, wie das ausgeht.

Wie sieht das bei den Grünen aus?

Die Grünen haben sich auf ihrem Parteitag für die Enteignung ausgesprochen, aber in der Praxis tun sie nichts dafür. Sicher, einzelne Kreisverbände haben Unterschriften gesammelt, doch richtig aktiv sind sie nicht. 

Aber sie sind auch keine Bremser.

Nein, überhaupt nicht. Sie versuchen auch Kontakt zu uns zu halten und Rücksprache zu nehmen, aber wir haben uns im Moment – weil die Position der Grünen ja klar ist – mehr auf die SPD konzentriert. Da waren wir eingeladen zu verschiedenen Kreisdelegiertenversammlungen, auf denen wir unsere Positionen darstellen konnten, das war außerordentlich interessant. 

Wer sind deiner Meinung nach die 50 Prozent in der SPD, die die Initiative ablehnen? Sind das die Älteren?

Nicht unbedingt die Älteren, es geht auch mitten durch die einzelnen Bezirke durch. Die Neinsager lehnen die Enteignung auch nicht grundsätzlich ab, die sagen nur, es sei der falsche Zeitpunkt, man müsse erst andere Sachen machen, sie versuchen also, das ein bisschen zu verzögern. Es ist vor allen Dingen die Bürokratie, die Regierungsbürokratie und die Bürokratie auf den einzelnen Stadtteilebenen, die wirklich dagegen ist, die Bürgermeister und was weiß ich. An der Basis ist die Zustimmung sehr groß.

Wieviele Mitglieder hat die SPD noch in Berlin?

17000.

Das ist nicht sehr viel.

Nein, das ist nicht viel. Ich hab oft auf SPD-Versammlungen geredet, da sitzt das gleiche Milieu wie bei den Grünen, die gleiche Art von Leuten, da ist von der Arbeiterklasse nichts mehr zu sehen. 

Ist das bei der LINKEN anders?

Ja. 

Wenn der Parteitag jetzt positiv entscheidet, könnt Ihr davon ausgehen, dass das Volksbegehren glatt durchgeht?

Naja, es ist eine große Herausforderung. Wir haben ja drei Stufen, jetzt kommt erst die zweite, da müssen wir in vier Monaten 170000 gültige Unterschriften sammeln, also von wahlberechtigten Berlinern. Dann kommt erst die richtige Volksabstimmung per Wahl, wo also alle zur Wahlurne gerufen werden. 

Die müssen dann auf die Bezirksämter?

Jetzt in der zweiten Stufe können sie auf die Bezirksämter, aber wir dürfen auch auf der Straße sammeln, beides.

Und in der dritten Stufe müssen sie auf die Bezirksämter?

Da müssen sie in die Wahllokale, wie bei Wahlen. 

Wenn die SPD am nächsten Wochenende entscheidet, dass ihr die Enteignung doch ein zu heißes Eisen ist, wie siehst du dann die Perspektive?

Das wäre schlimm. Ich gehe aber davon aus, dass knapp 50 Prozent für uns sind. Das wäre keine Niederlage, denn auch dann würde in der Presse natürlich kolportiert werden, die SPD ist für Enteignung. Das wäre schon ein Superergebnis, und ich glaube auch, dass es so kommt. 

In jedem Fall rechnet ihr also damit, dass das Volksbegehren stattfindet. Kannst du dir auch vorstellen, dass es im Falle der Abstimmung eine Mehrheit in der Bevölkerung gibt?

Ja. Auch in der Bevölkerung ist die Stimmung zu 50 Prozent für uns, zu 50 Prozent gegen uns. Es wird sich dann zeigen, wer besser mobilsieren kann. Das ist nicht ohne. Die Unternehmerverbände haben eine Kampagne gestartet, die bezahlen jetzt gerade die Wohnungsbauunternehmer, 1,6 Millionen Euro haben sie sich zum Ziel gesetzt. Damit wollen sie die Berliner Bevölkerung gezielt beeinflussen gegen Enteignung und Mietendeckel. Da ist richtig was los.

Das wird mit Sicherheit ein Präzedenzfall ist für Großstädte, wo die Mieten ebenfalls so hoch sind.

Ja, absolut. Wir hoffen sehr, dass unser Beispiel Schule macht.


Alle Fotos von Uwe Hiksch auf flickr.com

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