Ein Jahr ist mittlerweile vergangen, seit die Schulstreiks für das Klima ihren Anfang genommen haben. Die Medien reagierten ungläubig auf die Kontinuität, mit der die Bewegung immer wieder und immer mehr Menschen auf die Strasse brachte. Mittlerweile steht die Klimafrage auf der Tagesordnung und die Bewegung vor wichtigen Weichenstellungen.
von David Balourd (BFS Basel)
Die Politisierung der ökologischen Frage
Möchte man die Erfolge der Klimabewegung bilanzieren, sticht etwas besonders ins Auge: Die Klimabewegung hat es geschafft, die ökologische Frage zu politisieren. War die Frage nach einem nachhaltigen Leben bislang beschränkt auf individuelle Konsumentscheidungen, wurde sie von den streikenden Schüler*innen auf die Strasse getragen und zu einer politischen Frage gemacht. Nicht die Individuen, sondern die Gesellschaft hat sich des Problems anzunehmen. Dass es gerade die Jugend ist, welche die Frage nach der Zukunft des Blauen Planeten politisiert, erstaunt nicht. Denn die Klimafrage ist ein Jugendthema. Durch die zeitliche Versetzung der Verursachung des Klimawandels und des Eintretens der Folgen, sind es vor allem die junge Menschen, die in Zukunft davon betroffen sein werden.
Die institutionelle Politik
Doch das Thema der Klimakatastrophe auf die Tagesordnung zu setzen, reicht alleine noch nicht aus. Die Frage, wie die ökologischen Bestrebungen umgesetzt werden können, ist von zentraler Bedeutung. Dabei kommt auch die Frage nach der Bedeutung der institutionellen Politik ins Spiel. So schrieb der Klimastreik über die «Demo des Wandels» vom 28. September 2019 auf seiner Homepage, dass es das Ziel sei, den Politiker*innen klar zu machen, worum es gehe. Gleichzeitig fällt das Fazit nach dem Besuch von Klimastreikaktivist*innen bei der Bundesrätin Simonetta Sommaruga ernüchternd aus. Die Aktivist*innen halten fest, «dass sich die Schweizer Politik nicht so schnell vom Fleck bewegen wird». An wen soll man sich also richten? Ist das politische auf der Stelle treten die Schuld von Sommaruga, welche den Ernst der Lage verkennt? Vielleicht ein kleines Bisschen. Doch die Untätigkeit des politischen Betriebs hat viel tiefer liegende Gründe. Die Klimakrise hat System.
Es wird nichts gehen…
Der Kern der Ursache für die Untätigkeit der institutionellen Politik liegt nicht bei Einzelpersonen. Die Klimakatastrophe ist eingeschrieben in die DNA von Institutionen, die wir uns heute gar nicht mehr zu hinterfragen trauen. Eine dieser Institutionen ist der in der Verfassung garantierte Schutz des Privateigentums. Was gut tönt, ist die Ursache dafür, dass Konzerne ungestört unsere Lebensgrundlage zerstören können. Es ist der Schutz des Privateigentums, der verhindert, dass gesellschaftlich darüber bestimmt werden kann, unter welchen Bedingungen welche Güter produziert werden sollen. Dass solche Institutionen nicht hinterfragt werden, führt auch zu den bizarren Situationen, dass Parlamente in Beschlüssen die existenzielle Bedrohung der Klimakatastrophe anerkennen und im gleichen Zug völlig untaugliche und verantwortungslose Gesetze verabschieden können.
Die Klimakatastrophe lässt sich nicht mit Alibiübungen bekämpfen. Was es braucht, sind radikale Vorschläge und eine tiefgreifende Umgestaltung der kapitalistischen Wirtschaftsweise. Doch dabei hilft uns kein Parlament. Die Alternative müssen wir schon selber formulieren.
…wenn wir es nicht bewegen!
Doch was können wir tun, wenn die Klimakatastrophe in die DNA der Institutionen eingeschrieben ist? Was es braucht, um die Dinge zu bewegen, ist eine breite Bewegung. Wir müssen uns mit allen, die dazu bereit sind, gegen den kapitalistischen Wahnsinn wehren, der zur Klimakatastrophe führt. Wir müssen interne Diskussionen über die Ursache der Klimakatastrophe fördern. Wir müssen nach Alternativen suchen und selber Vorschläge machen und uns nicht der Hoffnung hingeben, dass uns die Wissenschaft oder «die Politik» das abnehmen wird. Die Bewegung ist der Ort der Politik!
Gleichzeitig dürfen wir nicht übersehen, dass nicht alle auf unserer Seite stehen. Dass es mächtige Interessen gibt, die sich keinen Dreck ums Klima scheren. Manche profitieren ganz gut von der Katastrophe und sind überzeugt, dass sie das auch in Zukunft tun können. An diesem Punkt sollten wir betonen, dass Ökologie eben doch eine Frage von Oben und Unten ist. Eine Frage, bei der die Interessen von der Gesellschaft insgesamt nicht mit den Profitinteressen der Wenigen vereinbar sind. Wenn wir gesellschaftliche Alternativen vorschlagen, wird man uns Radikalismus vorwerfen. Diesen Vorwurf sollten wir uns zu Herzen nehmen, denn radikal heisst nichts anderes, als Probleme an der Wurzel zu greifen.
Perspektiven suchen
Manche werden jetzt einwenden, dass die Bewegung schon gut war, um den Druck aufzubauen, da sie jedoch irgendwann abnehmen werde, müsse die institutionelle Politik übernehmen. Dass die Bewegung wohl irgendwann abflachen wird, stimmt tatsächlich. Doch die Antworten auf den möglichen Rückgang der Bewegung sind nicht die bürgerlichen Parteien, deren Untätigkeit sie erst hervorgebracht hat.
Eine Möglichkeit, wie wir dem Abflachen begegnen können, ist langfristig zu denken. So dringend die Krise auch ist, es braucht einen langen Atem, um sie zu bekämpfen. Verlagern wir den Blick auf gesamtgesellschaftliche Verhältnisse. Bilden wir organisatorische Zusammenhänge, welche den Kern der Bewegung am Leben halten können, ohne einen Führungsanspruch zu übernehmen.
Gleichzeitig brauchen wir ambitionierte, provokative Projekte und Aktionen. Wir sind nicht brav und wir müssen nicht allen gefallen. Vertrauen wir auf unsere eigene Kraft. Wir stellen Grundsatzfragen und wir stellen sie laut! Doch mit diesen Fragen wird es auch nötig sein, sich in einem grösseren Zusammenhang zu verorten. Die ökologische Frage lässt sich nicht in einem Land lösen. Berufen wir uns auf die lange Tradition des Internationalismus der Linken. Stärken wir die internationalen Bewegungen und den Austausch.
By 2020 we rise up!
Eine Möglichkeit dazu ist die Kampagne By 2020 we rise up. Diese hat zum Ziel, die verschiedenen Initiativen und Gruppen zusammenzubringen und die verschiedenen Kämpfe zu verbinden. Die Absicht ist eine «langfristige Eskalation von Aktionen für Klimagerechtigkeit und einen Systemwandel» in das Jahr 2020 hinein und während des Jahres. Das kann eine Orientierung bieten. In den Worten der Initiative: «Die Aussicht auf Massenaktionen fördert und festigt neue Allianzen. Lokale Gruppen werden durch den grösseren Kontext, in den ihre Aktivitäten eingebunden sind, und das Ziel der Eskalation 2020 inspiriert. Der Massenaufstand holt das Momentum durch dezentralisierte Aktionen über das ganze Jahr hinweg auf unsere Seite. Die Erwartung, dass etwas Grosses passieren wird, verbreitet sich immer weiter…»