Es ist wohl nur noch eine Frage von Tagen bis das Gesundheitswesen auch in der Schweiz an den Anschlag kommen wird. Für das Personal und womöglich auch für die Patient*innen wird das zu unzumutbaren Verhältnissen führen. Dass wir vor kaputtgesparten Gesundheitswesen stehen, wie es sich in diesen Tagen europaweit offenbart, hat seine Ursache in der Funktionsweise des Kapitalismus sowie den Sozialabbauprogrammen der letzten 30 Jahre. Entsprechend müssen wir dringend den Stopp und die Rückgängigmachung aller Sparprogramme und die Aufhebung deren gesetzlichen Legitimierung – der Ausgabenbremse, die z.B. im Kanton Zürich ein Verfassungsartikel ist – fordern. Denn die «Politik der leeren Kassen» basiert auf der bürgerlichen Lüge, dass «sparen» aufgrund von drohenden Defiziten nötig sei. Die aktuellen Zahlen der Finanzdirektion des Kantons Zürich widerlegen diese scheinbare Notwendigkeit.
von Armin Meier (BFS Zürich)
Anlässlich einer Medienkonferenz, 18. September 2015 hat der Zürcher Regierungsrat den KEF 2016-2019 und Entwurf Budget 2016 präsentiert und darauf basierend das Sparprogramm «Leistungsüberprüfung 2016 (Lü16)» angekündigt. Für das Budget erwartete der Zürcher Regierungsrat Ernst Stocker (SVP) einen Abschluss mit einer «schwarzen Null». Für die Jahre 2017 – 2019 wurden von Stocker Defizite in der Höhe von -347 Millionen, -278 Millionen und -204 Millionen erwartet. D.h. ein kumulierter Saldo der Erfolgsrechnung 2016 bis 2019 von -829 Millionen Franken (Siehe Abbildung 1 und Abbildung 2).


Für die Eigenkapitalentwicklung des Kantons Zürich präsentierte Stocker ein Rückgang von 8.3 Milliarden Franken im Jahr 2016 auf 7.5 Milliarden Franken im Jahr 2016 (Abbildung 3).

Gemäss Stocker würde natürlich auch die Verschuldung des Kantons in der KEF Planung 2016 – 2019 von 5.9 Milliarden Franken auf deren 8.1 Milliarden Franken deutlich zunehmen

Was aus diesen im September 2015 präsentierten Zahlen effektiv geworden ist zeig die nachstehende Gegenüberstellung der Budgets und Rechnungen des Kantons Zürich für die Periode 2016 – 2019 (Abbildung 5 sowie Abbildung 6 aus Tages-Anzeiger vom 13.03.2020)


Anstelle dem vom Regierungsrat 2015 tiefrot angekündigten kumulierten Saldo der budgetierten Erfolgsrechnung 2016 bis 2019 von -829 Millionen Franken resultierten aus den Rechnungen der Jahre 2016 – 2019 Einnahmenüberschüsse in der Höhe von 390, 367, 548 und 566 Millionen Franken oder ein Periodenüberschuss von 1,871 Milliarden Franken.
Die Verschuldung hat nicht wie vom Regierungsrat prognostiziert auf 8.1 Milliarden Franken zugenommen, sondern wurde per 2019 auf 4.39 Milliarden Franken praktisch halbiert. Das Eigenkapital ist für 2019 mit 10,065 Milliarden Franken auch rund ein Drittel höher als vom Regierungsrat mit 7,5 Milliarden Franken prognostiziert. Der Tages-Anzeiger schreibt am 13. März 2020:
«Stocker bemühte sich dennoch, die Zahlen in Relation zu setzen. So sagte er, dass die 566 Millionen Überschuss nach viel töne, aber letztlich nur 2,7 Prozent des Budgets ausmachten und damit – «entschuldigen Sie den Ausdruck» – ein «Vogelschiss» seien. Der Bund habe einen Gewinn von 4 Prozent des Budgets erzielt, der Kanton Schwyz von 7 Prozent und Glarus gar von 9 Prozent.»
Der Einnahmenüberschuss der Periode 2016-2019, also in lediglich vier Jahren, von 1,871 Milliarden Franken ist kein «Vogelschiss». Die gegenüber der Prognose von 2015 praktisch halbierte Verschuldung und die massive Zunahme des Eigenkapitals kann man ebenfalls kaum als solchen bezeichnen.
Es ist immer dasselbe Muster, Stocker hat es in obigem Zitat angesprochen: Bund und Kantone budgetieren «pessimistisch» um zulasten der lohnabhängigen Bevölkerung Sparprogramme bei Leistungen der öffentlichen Hand durchsetzen zu können. Legitimieren lassen sie sich dabei von den Gesetzgebungen der Kantone und des Bundes, in welchen entsprechende, automatische Ausgabenbremsen verankert sind (z.B. Kanton Zürich Art. 31a der Kantonsverfassung).
Diese «Fehlbudgetierungen» sind nichts Neues. Im September 2010 erteilte die damalige Regierungsrätin Ursula Gut (FDP) der Universität Luzern den Auftrag, eine Evaluation der Einnahmenschätzungen des Kantons Zürich durchzuführen. Herausgekommen ist im Dezember 2010 ein 47-seitiges, vermutlich nicht ganz billiges Gutachten.[1] Genützt zu haben scheint es nicht sonderlich viel.
Wohin diese 30 Jahre Abbaupolitik insbesondere im Bildungs- und Gesundheitswesen geführt haben, ist hinlänglich bekannt und dokumentiert. Angesichts der aktuellen Herausforderungen des Gesundheitswesens und der dort Beschäftigten durch die Coronavirus-Krise muss eine der Forderungen die Abschaffung der Ausgabenbremsen auf kantonaler und Bundesebene sein.
[1] Einnahmenschätzungen der Finanzdirektion des Kantons Zürich Gutachten zu Handen von Frau Regierungsrätin Dr. Ursula Gut Prof. Dr. Christoph A. Schaltegger Martin Weder, M.A. HSG Universität Luzern 8. Dezember 2010.