Die Corona-Krise beschäftigt zurzeit ganz Europa. Während die Überlastung des Gesundheitssystems eine Frage der Zeit scheint, weigert sich die Regierung handfeste Massnahmen zu ergreifen. Obwohl der Bundesrat am 16. März 2020 den teilweisen Shutdown beschlossen hat und Geschäfte, Restaurants und Cafés geschlossen bleiben, wird in der Privatwirtschaft und in der Verwaltung weiterhin gearbeitet. Die explizite Anweisung der Regierung, die Verwaltungstätigkeit aufrecht zu erhalten, erfasst auch das Asylwesen – mit gravierenden Folgen für Geflüchtete und Arbeiter*innen.
von Lisa Brugger (BFS Basel)
Die Einschränkungen durch das Corona-Virus betreffen die gesamte Bevölkerung, auch Mitarbeitende des Staatssekretariats für Migration (SEM) sowie der kantonalen Ämter, Sozialarbeiter*innen und Bewohner*innen der Bundesasylzentren und der kantonalen Asylunterkünften. Während in den Bundesasylzentren weiterhin Anhörungen durchgeführt werden und das SEM täglich negative Asylentscheide fällt, haben viele Rechtsberatungsstellen schweizweit ihre offene Beratungstätigkeit eingestellt oder das Büro sogar ganz geschlossen – zum Schutz ihrer Mitarbeitenden und der Geflüchteten. Es ist eine Frage der Zeit, bis auch der Rechtsschutz in den Bundesasylzentren nur noch eingeschränkt tätig sein wird, da Mitarbeitende krankheitshalber ausfallen oder Betreuungspflichten wahrnehmen müssen. Dies führt letztlich dazu, dass sich Asylsuchende nicht gegen einen negativen Entscheid zur Wehr setzen können und stellt deshalb eine Verletzung der Rechtsweggarantie dar (laut Bundesverfassung, Art. 29: «Jede Person hat bei Rechtsstreitigkeiten Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde»). Mehrere Beratungsstellen fordern nun in einem offenen Brief, dass das Staatssekretariat für Migration ein Moratorium für Asylentscheide beschliesst und sämtliche Verfahren sistiert. Nur so können der Schutz der Gesundheit von Geflüchteten und Arbeiter*innen sowie die Rechte von Asylsuchenden gewahrt werden.
Untragbare Situation in den Asylzentren…
Die Situation in den Bundesasylzentren und den übrigen Unterkünften Geflüchteter ist auch ohne die unnötige Gefährdung durch das SEM schon untragbar. Nirgendwo sonst wohnen Menschen enger zusammen als in Asylunterkünften. Bis zu 10 Personen leben in einem Zimmer. Bei einem solchen Zusammenleben auf engstem Raum ohne direkten Zugang zu medizinischer Versorgung wäre eine Ausbreitung des Corona-Virus eine Katastrophe. Es gilt nun, sofort zu handeln und die Menschen zu schützen. Die Asylunterkünfte müssen geschlossen und die Bewohner*innen in menschenwürdigen Wohnungen untergebracht werden. Die hygienischen Massnahmen müssen dabei verstärkt und die medizinische Versorgung sichergestellt werden.
…und an den EU-Aussengrenzen
Die Situation an den Aussengrenzen der EU stellt sich noch viel dramatischer dar. Zehntausende Geflüchtete stecken auf dem Balkan fest und hausen in notdürftigen Lagern in Griechenland und in der Türkei. Der Corona-Virus verschlimmert die Lage nochmals drastisch, denn gerade diese Menschen, die gezwungen sind, ohne funktionierende sanitäre Anlagen und ohne medizinische Versorgung auf engstem Raum zusammen zu leben, sind durch die Pandemie besonders gefährdet. Die europäischen Regierungen müssen sofort handeln und ihre Verantwortung für die Situation an den Aussengrenzen anerkennen. Dies fordert auch die Transbalkan Solidarity Group in einem offenen Brief, in dem sie von der bedrohlichen Lage vor Ort berichten. Die Menschen fürchten um ihr Leben. Sollte das Corona-Virus die Lager erreichen, wird es zweifellos in einer humanitären Katastrophe enden.