Die Frage, inwiefern ein Referendum gegen das neue CO2-Gesetz inhaltlich und strategisch sinnvoll ist, droht den Klimastreik und die ökologische Bewegung insgesamt zu spalten. Wir sind der Meinung, dass ein Referendum die einzige richtige Antwort auf den ungenügenden und sogar hinderlichen Gesetzesentwurf ist. Ein Argumentarium für ein linkes Referendum gegen das CO2-Gesetz.
von BFS Basel & Zürich
1. Das CO2-Gesetz ist unsozial.
Die ärmeren Bevölkerungsschichten werden von den preislichen Aufschlägen auf Brenn- und Treibstoffe sowie von den Flugticketabgaben proportional viel härter getroffen. Damit zementiert das Gesetz eine unsoziale Klimapolitik. Der Kampf für eine nachhaltige Gesellschaft muss aber zwangsläufig mit der Forderung nach einer solidarischen und sozial gerechten Welt einhergehen.
2. Das Gesetz verschont den Schweizer Finanzplatz als Hauptverursacher der CO2-Emissionen.
Die Finanzindustrie ist mit Abstand der grösste CO2-Emittent in der Schweiz. Durch die weltweiten Investitionen in klimaschädliche Projekte verursacht der Finanzplatz das 20-fache der Treibhausgasemissionen der ganzen Schweiz. Weil die Banken und Versicherungen aber vom Gesetz quasi ausgenommen sind, verschleiert das Gesetz die Verantwortung für die Klimakrise und wälzt deren Kosten auf die Lohnabhängigen ab.
3. Das CO2-Gesetz legalisiert die Klimazerstörung.
Das Referendum gegen das CO2-Gesetz verhindert nicht den Klimaschutz, im Gegenteil. Indem das Gesetz die Hauptverursacher*innen der Klimazerstörung nicht antastet und keinen Schritt in Richtung Abkehr der produktivistischen Wirtschafts- und Konsumlogik unternimmt, legalisiert es das Verfehlen der Pariser Klimaziele von 2015. Denn ohne Bruch mit dem kapitalistischen Wachstumszwang und ohne grundlegende Änderung der Art und Weise, wie wir heute Güter herstellen, bleiben alle «ökologischen» Massnahmen Makulatur.
4. Das CO2-Gesetz hat mit dem «Verursacherprinzip» nichts zu tun.
Wer ist verantwortlich für die CO2-Emissionen eines Benzin-Autos? Die kapitalistischen Unternehmen, die entgegen aller ökologischen Vernunft weiterhin Öl fördern, Benzin herstellen und jährlich Millionen von Privatautos produzieren; oder die Lohnabhängigen, die gezwungen sind mit dem Auto zur Arbeit zu fahren, weil der öffentliche Nahverkehr zu wenig ausgebaut ist? Das CO2-Gesetz stellt die Verursacher-Frage um 180 Grad verkehrt.
5. Die Pandemie hat gezeigt: Schnelles Handeln wäre möglich.
Auch wenn die weltweit von den Regierungen getroffen Massnahmen ungenügend waren, um die Corona-Pandemie wirksam einzudämmen (insbesondere betreffend der Einschränkung der wirtschaftlichen Produktion), haben die letzten Monate gezeigt: Es ist durchaus möglich politische Massnahmen zu ergreifen, die bis vor kurzem undenkbar gewesen sind. Zur Bekämpfung der Klimakrise sind drastische Einschnitte in den kapitalistischen Normalbetrieb umso dringender.
6. Die Kosten des CO2-Gesetzes werden ohne Zögern auf die Bevölkerung abgewälzt.
Das Gesetz verpflichtet Importeur*innen von Diesel- und Benzinfahrzeugen einen Teil der verursachten Emissionen zu kompensieren. Als Entschädigung dafür wird ihnen erlaubt, die Preise auf Treibstoffe anzuheben. Auch die Erhöhung der Lenkungsabgabe auf Brennstoffe, die zum Heizen gebraucht werden, werden von den Hausbesitzer*innen mittels Mieterhöhungen auf die Mieter*innen abgewälzt. Die Verursacher*innen der Emissionen werden einmal mehr verschont und die Lohnabhängigen und Mieter*innen müssen für die Kosten aufkommen.
7. Das CO2-Gesetz subventioniert die Verursacher*innen der Klimakrise.
Sowohl die Einnahmen aus der Flugticketabgabe, also auch die Erhöhung der Lenkungsabgabe auf Brennstoffe fliessen zu einem Teil via Technologiefonds an kapitalistische Unternehmen bzw. an die Hausbesitzer*innen, die sich bis heute weigern, ihre Gebäude zu sanieren und nachhaltig zu bauen.
8. Die «Rückverteilung» der Einnahmen an die Bevölkerung hat erhebliche unsoziale Nebenwirkungen.
Die Rückverteilung der CO2-Abgaben an die Bevölkerung via eine minime Senkung der Krankenkassenprämien stärkt die Stellung der Schweizer Krankenkassen, welche auf skandalöse Art und Weise mit unserer Gesundheit Geld verdienen.
9. Das CO2-Gesetz trägt der historischen und globalen Verantwortung der Schweiz und ihrer Konzerne keine Rechnung.
Die Schweiz als frühindustrialisiertes Land hat kumuliert einen viel grösseren ökologischen Fussabdruck als andere Länder. Die imperialistischen Schweizer Konzerne (Nestlé, Glencore, Roche, Novartis, UBS, CS u.v.m.) sind zudem bis heute weltweit für Umweltzerstörungen verantwortlich. Dementsprechend müssen sie zur Kasse gezwungen werden und die Schweiz muss eine Vorreiterrolle in der Bekämpfung der Klimakrise einnehmen. Das CO2-Gesetz macht das Gegenteil davon.
10. Das CO2-Gesetz verewigt die untauglichen marktwirtschaftliche Massnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise.
Marktmechanismen wie der CO2-Emissionshandel, welche durch das Gesetz gefördert werden, sind nicht dafür geschaffen, die Umwelt zu retten, sondern um Profite zu machen. Diese Mechanismen sind keine technischen Instrumente, die man für einen beliebigen Zweck einsetzen kann. Vielmehr repräsentieren sie eine Produktionsweise, die auf Konkurrenz und der Jagd nach Profit durch die Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft und der natürlichen Ressourcen beruht.
11. Das CO2-Gesetz ist nicht das «kleinere Übel», sondern fördert indirekt die globale Verelendung.
Den linken Befürworter*innen des Referendums wird vorgeworfen, dass die Ablehnung des Gesetzes einem Verelendungsansatz gleichkomme. Die Klimakrise führt aber jetzt schon in vielen Ländern zu Verelendung. Deshalb braucht es nicht halb-schlechte, sondern sofort wirksame Massnahmen gegen die globale Klimakrise. Das Argument des kleineren Übels funktioniert bei der Klimakrise nicht. Wir haben schlicht nicht mehr genügend Zeit, um mit schrittchenweisen Verbesserungen der drohenden Katastrophe zu begegnen.
12. Um der Klimakrise zu begegnen, ist eine andere, ökosozialistische Strategie nötig.
200 Jahre Kapitalismus haben die Welt an den Rand des Abgrunds gebracht. Die weltweiten ökologischen Bewegungen, wie die Klimastreiks und die Massenaktionen des zivilen Ungehorsams gegen klimazerstörende Konzerne, tragen im Kern allerdings die Konturen einer nachhaltigen und solidarischen Welt. Unsere grosse Aufgabe ist es, die verschiedenen sozialen Bewegungen hinter Forderungen zu vereinen, die im Hier und Jetzt ansetzen und einen Weg über die profitgetriebene kapitalistische Produktionsweise hinausweisen. Das CO2-Gesetz nützt hierzu nichts.
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