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Syrien: "Keiner redet mehr von Assads Terror"

Das Regime des Diktators Assad terrorisiert seit Jahrzehnten die Bevölkerung in Syrien. Zusätzlich verstärkt wurde die Repression seit Ausbruch der syrischen Revolution und des Bürgerkriegs 2011. In den letzten Monaten war in den hiesigen Medien kaum mehr darüber berichtet worden und es war nur noch die Rede vom Terror des Islamischen Staates (ISIS). Wir veröffentlichen hier einen Bericht einer syrischen Aktivistin, die den systematischen Terror des Assads-Clans sowie die Ähnlichkeiten, Verbindungen und Unterschiede zwischen Assads-Regime und dem ISIS auf eindrückliche Weise darlegt. (Red.)


assad
Proteste gegen Diktator Baschar al-Assad

von Syrische Frauen für die Demokratie (FSD)
Aktuell und besonders seit der Bildung der Internationalen Koalition berichten die nationalen und internationalen Medien ausführlich über den Islamischen Staat (Daech in der arabischen Abkürzung), den IS-Terror sowie die Luftangriffe dieser internationalen Koalition. Durch diese Berichten entsteht der Eindruck, in Syrien passiere sonst nichts anderes mehr.

Wie sieht die Situation in Syrien unter Assad aus?

Die Bombardierungen durch das Regime um den Clan von Baschar al-Assad gehen in verschiedenen Regionen Syriens weiter (Gouvernemente Aleppo, Idlib, Hama, Homs, Damaskus und Umgebung, Dar’a…). Dabei werden diverse Waffensysteme eingesetzt:

  • Fassbomben (mit TNT und Metallsplittern gefüllte Fässer) mit grosser Zerstörungskraft, die viele zivile Schwerverwundete und Tote hinter sich lassen (überall in Aleppo, Hama, Idlib, Homs, in der Umgebung von Damakus, Dar’a usw.). Eine billige, im Land selbst hergestellte Waffe!
  • Boden-Boden-Raketen, die seit 2012 von Damaskus aus (im Süden) gegen Aleppo (im Norden) eingesetzt werden. Der Beschuss mit diesen Waffensystemen geht weiter. Zwei Fälle aus den letzten Tagen sind einerseits die Bombardierung von Al-Waer (ein Quartier von Homs, das noch immer belagert wird), am 8. Oktober 2014 durch zwei Boden-Boden-Raketen. Eine davon traf ein Wohnhaus und tötete zehn Zivilist_innen, unter ihnen Kinder. 40 Menschen wurden verletzt. Beim zweiten Fall wurde am 10. Oktober eine Boden-Boden-Rakete auf al-Harra, in Dar’a, abgefeuert. Zehn Menschen starben, wiederum waren Kinder unter den Opfern.
  • Streubomben, die grosse Schäden anrichten und viele Opfer fordern. Zudem verletzt und tötet die auf dem Boden verstreute Submunition auch langfristig noch Kinder, die sie anfassen oder Personen, die aus Versehen darauf treten. In der Region Idlib wurde am 10. Oktober eine Streubombe abgeworfen.
  • Gas wird als chemische Waffe weiterhin auf geringerer Stufe eingesetzt, insbesondere Chlorgas, das formell nicht als Chemiewaffe gilt. Darüber hinaus verfügt das Regime weiterhin über eigentliche chemische Waffen. Am 24. September, einen Tag nach Beginn der Luftangriffe durch die «internationale Koalition» (faktisch handelt es sich um die USA) in Syrien wurde Aadra (in der Nähe von Damaskus) durch tödliches Gas getroffen. Am 10. Oktober geschah das Gleiche in Handarate, einem Quartier in Aleppo.
  • Granatwerfer und Raketen werden nach wie vor rücksichtslos eingesetzt.

Weitere verwendete Waffen

  • Heckenschützen sind weiterhin im Einsatz, es sind professionelle Killer.
  • Sektiererische Milizen im Dienste Assads und weitere ausländische Gruppen verbreiten Terror wie beispielswiese die libanesische Hisbollah, die irakische Gruppe von Abu Fadl al-Abbas und die Kämpfer der iranischen Revolutionsgarde, die der Iran entsandte.
  • Entführungen werden immer noch praktiziert.
  • Belagerung von Städten und Quartieren, Hunger und Unterbrechung der Wasserversorgung. Insbesondere ist die Wasserversorgung im Lager Jarmuk in Damaskus seit einiger Zeit unterbrochen. Dieses Quartier von Damaskus war ursprünglich ein Lager für palästinensische Flüchtlinge, das mit den Jahren zu einem städtischen Viertel wurde.
  • Verhaftungen sind an der Tagesordnung. Davon betroffen sind Aktivist_innen, deren Familien, humanitäre Helfer_innen, Journalist_innen. Assad lässt teils ganze Familien inhaftieren: Zum Beispiel Rasha, eine Frau in den Dreissigern, die Syrien verlassen wollte, um ihre Kinder in Sicherheit zu bringen. Am 22. Mai 2014 ging sie mit ihren drei Kindern ins Passbüro in Damaskus, um Papiere machen zu lassen. Das älteste Kind ist 2010 geboren. Die Mutter war im siebten Monat schwanger. Gleichentags wurde sie verhaftet, zusammen mit ihren drei Kindern. Im Gefängnis hat sie seither Zwillinge geboren.
  • Vergewaltigung ist eine grässliche Waffe zur Erniedrigung und Demütigung, die sowohl gegen Frauen als auch gegen Männer eingesetzt wird.
  • Folter, die bis zum Tod gehen kann: Ein Beispiel unter vielen ist der Fall von Abdel Rahman Fatwa. Der 26-jährige Tierarzt aus Homs ist am 9. Oktober 2014 in Tartus unter der Folter gestorben, nach dreimonatiger Haft. Bereits 2011 hatte sein Bruder Jamal, ausgebildeter Apotheker, das gleiche Schicksal erlitten.

Seit der «Wiederwahl» von Baschar Assad (Anfang Juni mit einem angeblichen Stimmenanteil von 88,7 Prozent) und der in diesem Zusammenhang verkündeten Amnestie sind 679 inhaftierte Menschen unter der Folter gestorben – also durchschnittlich fünf pro Tag.
Seit Beginn der Aufstellung der «Koalition» hat sich die Gewalt des Regimes von Baschar al-Assad massiv verstärkt.

Was denken Syrerinnen und Syrer über die aktuelle Lage?

Ein Journalist fragte, was die Haltung der in der Schweiz lebenden Syrerinnen und Syrer betreffend Luftangriffe der Koalition, aber auch betreffend den IS und seine Schandtaten sei. Die syrische Bevölkerung in der Schweiz unterscheidet sich in ihrer Haltung nicht von Syrerinnen und Syrern, die in Syrien oder anderswo auf der Welt leben. Uns allen ist eines gemeinsam: Verbitterung.
Natürlich sind wir total gegen IS und verurteilen seine Schandtaten in aller Schärfe, auch haben wir uns seit Sommer 2013 permanent gegen IS und gegen Assad mobilisiert. Dennoch verspüren wir heute Bitterkeit angesichts der Intervention der Koalition unter Führung der USA. Denn der Terror von Assad ist viel massiver als jener von IS. Trotzdem wird das Regime in Ruhe gelassen.
1. Wir stellen fest, dass die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die vom syrischen Regime grossflächig und systematisch an der Bevölkerung verübt werden, keine Rolle spielten beim Entscheid, Luftangriffe auf Syrien durchzuführen. Dies gilt selbst für die 1500 Toten infolge der Giftgasangriffe von Ghuta.
2. Auch die durch Assad in Syrien ermordeten Ausländer_innen waren kein Grund für die «internationale Gemeinschaft», in irgendeiner Form zu reagieren. Wir erinnern insbesondere an den britischen Chirurgen Dr. Abbas Khan, der sich an der Versorgung von Verletzten in Aleppo beteiligte. Er wurde im November 2012 verhaftet und im Dezember 2013 durch das Regime in einer Haftanstalt exekutiert. Zuvor waren bereits in Homs Journalist_innen ermordet worden: Der Franzose Gilles Jacquier im Januar 2012, die US-Amerikanerin Marie Colvin und der Franzose Rémi Ochlik im Februar 2012. Auch hier erfolgte keine Reaktion der sogenannten internationalen Gemeinschaft. Durch die Hand des Regimes von Assad starben bislang zwölf ausländische Journalist_innen.
3. Hingegen genügte die (sicherlich extrem verwerfliche) Ermordung der zwei Amerikaner James Foley und Steven Sotloff durch den Islamischen Staat für den Entscheid zur Intervention gegen den IS – und zwar ausschliesslich gegen ihn.
4. Während mehr als drei Jahren wurde nichts getan zum Schutz der syrischen Bevölkerung vor einer blutige Repression, die bisher über 200 000 Toten gefordert hat. Man gewinnt den Eindruck, dass die internationale Gemeinschaft nur Staatsangehörige bestimmter, vor allem westlicher Länder «schützt» und das Massaker einer ganzen Bevölkerung tatenlos hinnimmt. Auch sollten nun die wahren Verbrecher ins Visier genommen werden. Angegriffen wird heute jedoch nur der Islamische Staat, nicht der Mörder-Diktator Assad und sein Familienclan.

Ein paar Zahlen zum Ausmass des Terrors von Assad

1. Im September 2014 tötete die Repression durch das Regime in Syrien 2375 Menschen, davon 1707 Zivilist_innen und 294 Kinder. Der Islamische Staat tötete in der gleichen Zeit 350 Menschen in Syrien, davon 120 Zivilist_innen.
Der von der internationalen Gemeinschaft geduldete Staatsterror tötet also viel mehr Menschen als der IS-Terror.
Es geht hier nicht darum, einen «guten» von einem «schlechten» Terror unterscheiden zu wollen. Mit diesem Vergleich soll nur aufgezeigt werden, dass das Assad-Regime genauso Terror ausübt wie der IS, und dies seit langer Zeit.
2. Man hat den Eindruck, die Absicht der Koalition sei die Schwächung des IS sowie die Eingrenzung der «Krise» in Syrien durch einen möglichen institutionellen Ausweg mit Hilfe die Regierung. Geht es gar darum, die Freie Syrische Armee zu schwächen und sie in noch grössere Schwierigkeiten zu bringen, um sie zu kontrollieren (durch zwei sogenannten Trainingsbasen in Katar und Saudi-Arabien, mit unklaren Fristen und Bedingungen)?
3. Die Intervention in Syrien wurde als Kombination von Luftangriffen und Unterstützung moderater Kämpfer vor Ort präsentiert. Jedoch sterben in Kobane (an der Grenze zur Türkei) Zivilist_innen und die kurdischen Kämpfenden haben zu wenig Munition. Niemand eilt ihnen zu Hilfe. Die USA haben soeben die Einrichtung einer sicheren Pufferzone abgelehnt. Nötig wäre jedoch eine Flugverbotszone über ganz Syrien, um das Töten durch Bombardieren zu stoppen.
4. Man bekämpft den IS und lässt die anderen terroristischen Gruppen gewähren. Ein Vorgehen nur gegen den IS, während schiitische Terrorgruppen (Hisbollah, irakische und iranische Milizen) in Ruhe gelassen werden, scheint sehr fragwürdig. Man fragt sich, ob der Grund für diese Haltung die laufenden Verhandlungen zwischen dem iranischen Regime und den USA sowie ihren Verbündeten ist.
Denn die Präsenz dieser schiitischen Gruppen verwandelt den Aufstand der syrischen Bevölkerung gegen die Diktatur in einen sektiererischen, konfessionellen Kampf. Dadurch drängt man auch Teile der syrischen Bevölkerung in den religiösen Extremismus. Somit vertieft sich der Riss innerhalb der syrischen Gesellschaft, wo sich der Extremismus zunehmend verankert. Dies könnte zu einer allgemeinen Zunahme von Terrorakten einhergehen, in Syrien und anderswo auf der Welt.

Der Kampf gegen IS führt in erster Linie zu noch mehr Leid für die syrische Bevölkerung

Bis vor Kurzem litt die syrische Zivilbevölkerung unter dem Regime Assad mit seinen Verbündeten, aber auch unter der IS-Miliz. Heute sterben die Menschen zudem unter den amerikanischen Raketen mit ihren Kollateralschäden. Am ersten Tag der Luftschläge in Syrien wurden mehrere syrische Zivilist_innen verletzt oder getötet (unter ihnen auch mehrere Kinder).
Am 29. September 2014 führte die «westliche und arabische Koalition» einen Luftangriff gegen eine Gasfabrik und ein Getreidelager in Deir Ezzor durch, so dass der Zivilbevölkerung jetzt das Brot und der Brennstoff zum Kochen fehlen. Wir haben noch nichts gehört von Nahrungsversorgung über die Luft für die syrische Zivilbevölkerung, wie es am 7. August 2014 in Kurdistan im nördlichen Irak gemacht wurde.
Zudem herrscht ein fast gänzliches mediales und politisches Schweigen betreffend den Terror des Assad-Regimes, was diesen sowie seine Mörderbanden ermutigt, Gewalt und Repression gegen die Bevölkerung noch zu verschärfen. Die Folgen sind bereits spürbar.

Bilanz

Mehr Tote, mehr Verletzte, mehr Hunger, und keine Hoffnung darauf, dass endlich jemand die syrische Zivilbevölkerung gegen ein Regime schützt, das seit über drei Jahren seine eigene Bevölkerung terrorisiert. Angesichts dieser Situation steigert sich die Verbitterung der syrischen Bevölkerung gegen die Machthaber in den USA und Westeuropa unweigerlich.

Welches sind die Ängste der syrischen Bevölkerung?

Wir wissen nicht, was hinter den Kulissen geschieht. Nachdem die Koalition angekündigt hat, dass sie nicht mit Assad zusammenarbeiten wolle, hat dieser verkündet, dass er die Luftschläge als Angriff betrachte.
Bald darauf sagte Assad jedoch, dass er die Angriffe der westlichen Koalition befürworte. Wird die «Koalition» wirklich die (sogenannt moderate) Freie Syrische Arme und die syrisch-kurdischen Kämpfer_innen vor Ort unterstützen? Zweifel sind angebracht, wenn man insbesondere die Politik der türkischen Regierung im Auge hat, die eher die Kurden «kontrollieren» und niederhalten als ihnen Hilfe bieten will (nicht einmal der Durchgang kurdischer Kräfte zur Unterstützung von Kobanê ist durch die Türkei gewährleistet). Obama verriet kürzlich, die Hilfe würde einige Zeit (sechs bis neun Monate) benötigen, um die FSA für den Kampf vorzubereiten… Obgleich die FSA auf zwei Fronten kämpft, sowohl gegen Assad als gegen IS. Und dies seit über einem Jahr, schon lange vor Beginn der Luftangriffe der «Koalition».

Was wollen die syrischen Aufständischen?

Was wir heute wollen ist, dass die «internationale Gemeinschaft» endlich ernsthafte Anstrengungen unternimmt, um alle Formen von Terror in Syrien zu stoppen: Den Terror des Assad-Regimes, den Terror von IS, von Hisbollah, jenen der iranischen und irakischen Milizen. Damit die syrische Zivilbevölkerung geschützt und das Blutbad beendet wird. Der allererste Schritt dafür wäre, die syrische Luftwaffe auszuschalten und Waffen gegen Angriffe von Flugzeugen, Helikoptern und Panzern bereitzustellen.

Terror von Assad und IS: Ähnlichkeiten und Unterschiede

1. Sowohl IS und als auch das Assad-Regime regieren durch Terror und Barbarei, die dann über die Medien verbreitet werden. Videos enthaupteter westlicher Journalisten kennen fast alle zumindest vom Hörensagen. Schon zuvor hatte der IS Menschen in Syrien, die sich der Miliz entgegensetzten, öffentlich gekreuzigt und enthauptet. Entsprechende Videos zirkulierten auf Social Media mit dem Ziel, die Bevölkerung zu terrorisieren.
Bereits vor dem Islamischen Staat hatte Assad in mehreren syrischen Städten oder Dörfern kollektive Massaker durch Stichwaffen organisiert. Die erste solche Aktion fand bekanntlich im Mai 2012 in al-Hula in Homs statt. Bei dieser Gelegenheit kamen ganze Familien zu Tode. Auch wieder mit dem vorrangigen Ziel, Terror unter der Bevölkerung zu verbreiten.
2. Sowohl im syrischen Regime wie beim IS gibt es jeweils einen alleinigen Herrscher, der (zwangsweise) quasi als Gott angebetet wird: Baschar für die syrische Regierung und Baghdadi bei der IS-Miliz. In beiden Systemen zählt die Bevölkerung nicht, ausser als unterworfene Menge.
3. In beiden Fällen geraten Aktivist_innen, Journalist_innen, Ärzt_innen, humanitäre Helfer_innen usw. ins Visier, damit jegliche konstruktive Aktivität der Zivilgesellschaft unterbunden wird.
4. Assad und IS haben ähnliche Ziele: Niederschlagen der Revolution und Aufbau einer absoluten Herrschaft.
Allerdings gibt es einen gewichtigen Unterschied zwischen beiden Terrorformen.
1. Assad terrorisiert in erster Linie die eigene Bevölkerung. Wenn nötig, schreckt er zwar auch nicht davor zurück, Menschen aus dem Westen umzubringen, die der syrischen Bevölkerung zu Hilfe kommen. Dabei gilt diese Form von Terror für die «internationale Gemeinschaft» als weniger gewichtig. Diese Dinge geschehen anderswo, im Grunde genommen ist es beinahe egal. Solange es nicht «unsere» Toten sind… Dies obwohl der Terror bereits über dreieinhalb Jahre währt, und zuvor schon in anderer Form herrschte, wenn auch weniger sichtbar und umfassend.
2. Die IS-Miliz terrorisiert die Bevölkerung in ihrem Einzugsgebiet (besetzte Städte, widerspenstige Bevölkerungsgruppen), schürt jedoch auch Ängste in den westlichen Ländern, wobei die Medien eine entscheidende Rolle spielen.
Diese Form des Terrors gilt für die «internationale Gemeinschaft» als weitaus schlimmer, denn der Westen sieht sich davon selber potenziell betroffen. Dieser Unterschied in der Ausrichtung des Terrors schuf für Assad von Anfang an die Möglichkeit, Meinungen zu manipulieren.

Assads Strategie und Propaganda

Durch diese unterschiedlichen Spielarten des Terrors konnte Assad seine Propaganda seit Beginn der friedlichen Demonstrationen bewusst darauf ausrichten, die aktuell herrschende Situation zu schaffen.
1. Seit der ersten Demonstration vom März 2011 hat Assad die demonstrierende Menge als Salafisten (also als Fundamentalisten, in Anlehnung an den arabischen Begriff «salaf», der so viel wie «Ahnen» oder «Vorgänger» bedeutet) verunglimpft. Dies mit dem Ziel, die Revolution zu entstellen und sie als eine extremistische islamistische Strömung zu diskreditieren. Diese Propaganda wurde durchgehend aufrechterhalten, obschon sie mindestens bis Ende 2012 keinerlei Anknüpfungspunkte in der Realität hatte.
2. Assad wählte die Strategie der gewaltsamen Repression, nicht nur gegen Aktivist_innen sondern auch gegen deren Familien. Damit sollten die Menschen gedrängt werden, zum bewaffneten Widerstand zu greifen, der leichter manipuliert werden kann als ein rein ziviler Widerstand.
Trotz aller Gewalt blieben die Demonstrationen sechs Monate lang friedlich. In der Folge wurde zur Waffe gegriffen, in erster Linie zum Schutz der Demonstrationen und der Orte des Protests. Später verstärkte sich die Offensive des Regimes massiv, nachdem die UNO-Mission in Syrien unter dem ehemaligen UNO-Generalsekretär Kofi Annan gescheitert war. Ab diesem Zeitpunkt war friedlicher Widersand keine mögliche Option mehr.
3. Seit 2011 hat Assad hat mehrmals Generalamnestien verkündet. Hierbei wurden in erster Linie islamistische Gefangene freigelassen.
4. Assad hat es vor allem auf Journalist_innen, laizistische Ativist_innen, Menschen mit guter Ausbildung und enger Bindung an Syrien abgesehen, die hätten helfen könnten, die Bevölkerung zu sammeln (heute sind sie verschwunden, wurden getötet oder ins Exil getrieben).
5. Auch Gewalt und Massaker wurde so ausgerichtet, dass damit sektiererische Strömungen gefördert wurden. Massentötungen wurden besonders an der sunnitischen Bevölkerung verübt, vermutlich um islamistische Reaktionen auszulösen.

Fragenzeichen zum Verhältnis zwischen Assad und IS

1. Wer die Rolle von Assad bei der Manipulation von Al-Kaida im Irak nach dem US-amerikanischen Angriff von 2003 kennt, kommt nicht umhin, sich Gedanken über dessen mögliche Mitwirkung bei der Lancierung der IS-Miliz in Syrien im Frühling 2013 zu machen.
2. Noch ein Wort zum Fall von James Foley, dem ersten Journalisten, der von IS enthauptet wurde, was (jedenfalls gemäss der öffentlichen Erklärungen) der Grund für den Beginn der Luftangriffe der Koalition war.
James Foley wurde seit November 2012 vom Assad-Regime festgehalten, also lange vor der Entstehung der IS-Miliz (im Frühling 2013). Noch im Mai 2013 meldete die Nachrichtenagentur AFP, dass der Journalist durch regimetreue Milizen entführt worden sei und durch den Geheimdienst in Damaskus gefangen gehalten würde. Plötzlich jedoch ist er in den Händen von IS und wird genau zu dem Zeitpunkt enthauptet, als Assad sich als Partner im Kampf gegen Terror anbietet. Was für ein Zufall. Dieser Umstand in den Geheimdiensten der USA natürlich sehr wohl bekannt.
3. Die IS-Miliz enthauptet in mediengerechter Art Journalisten und humanitäre Helfer, die nicht still halten konnten angesichts der Katastrophe in Syrien. IS hatte bis vor Kurzen noch nie eine regimetreue Person enthauptet.
4. Bis zur Bildung der «internationalen Koalition» hatte das Regime die IS-Miliz erwiesenermassen noch nie angegriffen, und IS hatte nie regimetreue Kräfte ins Visier genommen. Hingegen attackieren beide die Aktivist_innen der Zivilbevölkerung und die FSA.
5. Heute ist offensichtlich, dass die Enthauptungen von Journalisten die Welt im Kampf gegen den Terror vereint haben. Assad und seine Schandtaten sind völlig vergessen. Schlimmer noch: Vielleicht wird die Koalition künftig sogar die Zusammenarbeit mit ihm als Garant gegen den Terror suchen. Der Brandstifter soll nun das Feuer löschen.

Zusammenfassend

ist festzuhalten, dass man nicht einfach die Symptome des Terrors, also die IS-Miliz, bekämpfen kann, während der Ursprung des Terrors in der Region, also im Fall Syrien das mafiaartige und kriminelle Regime von Assad, unbehelligt bleibt.
[Notizen zu einem Vortrag, der am 11. Oktober 2014 in Zürich an einer Veranstaltung der BFS/MPS gehalten wurde.]

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