Teile des deutschen Repressionsapparats begehen den 13.12. mit Hausdurchsuchungen bei Aktivist:innen der Letzten Generation. Damit zeigt der deutsche Staat erneut, dass Klimaschutz entgegen der gebetsmühlenartig wiederholten Parole von der Wichtigkeit des Klimaschutzes in seinen Augen faktisch ein Verbrechen ist.
von Jakob Späth (BFS Zürich)
Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hat im Rahmen eines Verfahrens wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung und der Störung öffentlicher Betriebe bundesweit Wohnungen von Aktivist:innen der Letzten Generation durchsuchen und dabei elektronische Geräte und Plakate beschlagnahmen lassen. Die Ermittlungen beziehen sich zwar offiziell nur auf zugedrehte Pipelines der PCK-Raffinerie in Schwedt, allerdings wird im Rahmen des Verfahrens wohl das gesamte Leben der Beschuldigten und deren soziales Umfeld auf den Kopf gestellt werden, um irgendetwas zu finden, das sich vor Gericht gegen sie verwenden lässt.
Die Letzte Generation ist nicht radikal.
Obgleich die Medien und diverse Politiker:innen seit Monaten vor unbändiger Wut über die Aktionen schäumen und einige besonders wutschnaubende Journalist:innen wirken, als stünden sie kurz davor, standesrechtliche Erschiessungen zu fordern, sind die Ziele und Aktionsformen der Letzten Generation geradezu bieder und staatsgläubig: Ein generelles Tempolimit von 100 km/h und günstigen Nahverkehr wollen sie, daneben noch – in Verbindung mit Scientist Rebellion und Debt for Climate – «Klartext» zum gerissenen 1.5°-Ziel[1] und einen Brief an den Internationalen Währungsfonds, dieser möge doch bitte dem globalen Süden die Schulden erlassen. Das mag angesichts des klimapolitischen Angebots der Bundesregierung (heisse Luft und für Kohlebergbau weggebaggerte Windräder) zwar nach viel erscheinen, ist angesichts der sich entfaltenden Katastrophe aber beinahe lächerlich wenig.
Auch die Aktionen sind bis auf wenige Ausnahmen harmlose PR-Stunts, die Aufmerksamkeit erzeugen sollen. In festem Vertrauen auf die liberale Beisshemmung des Staates schüttet man Essen auf Glasscheiben, klebt sich fest oder lässt sich von der Polizei wegtragen und verhaften. Alles in der Hoffnung, die Regierung möge die Bitten der Aktivist:innen endlich erhören und wenigstens ein paar wenige Klimaschutzmassnahmen umsetzen. In den Worten Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, der jeglicher Sympathien für linksradikale oder auch nur für linke Anliegen unverdächtig ist: «Also anders kann man eigentlich gar nicht ausdrücken, wie sehr man dieses System eigentlich respektiert, wenn man eben die Funktionsträger zum Handeln auffordert.»
Die Letzte Generation stellt keine Gefahr für den Staat oder den Kapitalismus dar.
Um die eigene gesellschaftliche Irrelevanz nicht anerkennen zu müssen, leitet man in linken Kreisen gerne aus der Härte der Repression ab, dass der Staat sich von den eigenen Aktionen bedroht fühlt. Selbst wenn die Letzte Generation überhaupt die Ambition hätte, dem deutschen Staat oder dem Kapitalismus ernsthaften Schaden zuzufügen, wären sie dazu nicht in der Lage. Selbst die vor wenigen Tagen verhafteten rechten Verschwörer:innen, die einen Staatsstreich noch vor Weihnachten geplant hatten, hätten mit ihrer dreistelligen Zahl Bewaffneter wohl abgesehen von einigen Toten und erheblichem Sachschaden keine ernsthafte Gefahr für den Staat dargestellt.[2]
Mit der Fokussierung auf aufsehenerregende Aktionsformen, auf PR, also das, was man vor hundert Jahren wohl Voluntarismus genannt hätte, gesteht die Letzte Generation auch indirekt ein, dass sie ungefährlich ist. Eine Bewegung mit der Macht, nennenswerten direkten Einfluss auszuüben, würde ihre Aktionen auf tatsächliche Wirkung ausrichten (also beispielsweise die Kohlekraftwerke abschalten, wenn es die Regierung nicht tut) anstatt sich um Aufmerksamkeit zu bemühen.
Klimaschützen ist ein Verbrechen.
So oft Aktivist:innen in den letzten Jahren die Parole «Klimaschützen ist kein Verbrechen» wiederholt haben, so oft lagen sie falsch. Die Exekutive dieses Staates hat, wie die der meisten Staaten in Europa, schon lange entschieden, dass Klimaschutz, der sich nicht in netten Aufrufen erschöpft, durchaus ein Verbrechen darstellt und mit der vollen Härte des Gesetzes zu verfolgen ist. Angesichts der Verfassung der Welt kann der Staat auch gar nicht anders, als wirksamen Klimaschutz zu verhindern. Da sich die Stellung eines Staates innerhalb der Weltmarktkonkurrenz daran misst, wie gut die Verwertung des in ihm ansässigen Kapitals gelingt, und effektive Klimaschutzmassnahmen der Verwertung eigentlich immer im Wege stehen, muss der Schutz der Lebensgrundlagen unserer Spezies für die Interessen der international konkurrenzfähigen Kapitale weichen. Daran ändert auch die Regierungsbeteiligung der Grünen nichts, dieser Krötentunnel-und-Fahrradwege-FDP, die seit dem Austritt der letzten Linken Anfang der 1990er noch jede ökologische und soziale Schweinerei mitgetragen haben, aber immerhin nie ohne Bauchschmerzen.[3]
Alle Regungen gegen diese Maxime staatlichen Handelns werden so früh wie möglich befriedet und integriert (besonders geeignet dafür sind die Jungparteien der SPD, der Grünen und der LINKE) oder kriminalisiert und ins gesellschaftliche Abseits gedrängt. Dass die Hausdurchsuchungen ausgerechnet am 13.12. – dem inoffiziellen Tag gegen Repression und Polizeigewalt – stattfanden, kann man durchaus als Ansage der Strafverfolgungsbehörden an die gesamte Klimabewegung lesen.
Diese Haltung des Staates kann man entweder zur Kenntnis nehmen und in die Planung zukünftiger Aktionen mit einpreisen, oder man kann die Augen verschliessen und weiter der Wunschvorstellung vom eigentlich guten Staat anhängen, der nur auf die Klimakatastrophe aufmerksam gemacht werden muss, damit er endlich die richtigen Entscheidungen trifft und zu handeln beginnt.
Dies ist erst der Anfang der Repression.
Mit dem Fortschreiten der Klimakatastrophe wird auch die Repression gegen Aktivist:innen weiter zunehmen. In Berlin wird bereits offen überlegt, den Polizeigewahrsam zu verlängern und in diversen Bundesländern arbeitet man daran, die Befugnisse der Sicherheitsbehörden zu erweitern und das Wegsperren von Aktivist:innen zu vereinfachen. Sobald die Klimaaktivist:innen das kapitalistische Privateigentum strategisch ins Visier zu nehmen vermögen, werden die Behörden umso enthemmter zuschlagen. Die aktuelle Repression gegen die Letzte Generation ist ein Vorgeschmack darauf.
Aus der Mitte der Bevölkerung, die sich seit über zehn Jahren auf dem Weg in einen enthemmten Autoritarismus befindet, sind angesichts der medialen Hetze eher gewaltsame Übergriffe als Unterstützung zu erwarten. Weite Teile der Presse schreiben schon seit Jahren gegen die Klimabewegung an, in den letzten Monaten wird die Berichterstattung schriller und die vorgetragenen Forderungen – präventives Wegsperren von Aktivist:innen ohne Urteil, Einsatz von Folter – sind mittlerweile offen autoritär. Bayern hat schon einige Aktivist:innen in Präventivhaft genommen, weitere werden folgen. Aber die inhaltlichen und strategischen Differenzen der diversen Organisationen und Aktivist:innen mal beiseite, angesichts der zu erwartenden staatlichen Repression und des gesellschaftlichen Backlashs führt wohl für niemanden, die:der für wirksamen Klimaschutz einsteht, der Weg an einer solidarischen Vernetzung vor
[1]Hier scheint die Letzte Generation zusammen mit einem Grossteil der Klimabewegung in die 1.5-°-Falle gerannt zu sein: Das festgelegte Ziel mit angehängtem Restbudget suggeriert eine Handhabbarkeit der Katastrophe und ermöglicht es, die Umsetzung von Klimaschutzmassnahmen weiter in die Zukunft zu verschieben. Aus «jetzt sofort, so viel wie möglich» wird «so viel wie vereinbart, bis 2050» und natürlich passiert bis 2050 so gut wie nichts.
[2]Der Kontrast zwischen den sich überschlagenden Phantasien von der «Klima-RAF» auf der einen und den beschwichtigenden Tönen, die in Bezug auf den Putschversuch vor allem aus den Reihen der Unionsparteien und der eher bürgerlichen Presse angeschlagen werden, erinnert an einen alten Witz aus den 70ern und 80ern, dass Rechte in der BRD nicht verurteilt würden, weil man ihnen keine Verbindungen zu Kommunisten nachweisen könne.
[3]Wären die vielen an der Gründung der Partei beteiligten Alt- und Jungnazis wie Herbert Gruhl, Werner Georg, Ursula Haverbeck und Baldur Springmann nicht noch in der ersten Hälfte der 80er von den damals noch prominent in der Partei vertretenen Sozialist:innen und Kommunist:innen vergrault worden, sähe die Partei heute vielleicht noch schlimmer aus.