In unserer kapitalistischen Welt dreht sich alles um Geld und wieviel etwas kostet. Ob etwas sinnvoll, gut für Mensch und Umwelt oder einfach schön wäre, ist sekundär. Und wenn etwas gut für die breite Bevölkerung wäre, haben wir definitiv zu wenig Geld dafür. Das ist im besten Fall nervig, im schlimmsten Fall wie z.B. bei dringend nötigen Massnahmen gegen die Klimakatastrophe wird es lebensbedrohlich. Aber haben wir denn tatsächlich zu wenig Geld und müssen dringend den Gürtel enger schnallen?
von Peter Hänggli (BFS Basel); aus antikap
Für Dinge wie Klimaschutzmassnahmen (z.B. ökologisch sinnvolle Wohnungssanierungen ohne Mieterhöhungen, Ausbau des ÖV) oder Erhöhung der Renten auf ein Niveau, mit dem auch tatsächlich ein Leben in Würde möglich wäre, ist nie genug Geld da. Aber wenn eine Bank aus eigenem Verschulden fast Pleite geht oder neue Kampfflugzeuge gekauft werden sollen, finden sich irgendwo in einer staatlichen Sockenschublade plötzlich ein paar Millionen oder Milliarden, die gerade ohnehin nicht gebraucht wurden.
Auf den ersten Blick ist ersichtlich, dass hier etwas mit den Prioritäten im Argen ist. Aber selbst in einem Szenario, in dem Kampfflugzeuge, auf welche Weise auch immer, tatsächlich wichtiger sind als die Klimakatastrophe, fällt das Argument der fehlenden Mittel für Sozialstaat und Klimaschutz flach. Denn für Staaten funktioniert die Budgetierung ein wenig anders als für Einzelpersonen: Staaten bezahlen nicht nur mit Geld, sie sind gleichzeitig auch die Quelle dieses Geldes.
Wie wir mit Geld umgehen
Als Einzelpersonen müssen wir erst Geld verdienen, bevor wir damit etwas bezahlen können. Oder wir machen Schulden – nehmen z.B. einen Kredit auf –, die wir dann wieder zurückzahlen müssen. Und wenn uns das Geld ausgeht, können wir Miete, Essen, Krankenkassenprämien usw. nicht mehr bezahlen.
Diese Funktionsweise verstehen wir alle. Sie betrifft uns als Lohnabhängige täglich unmittelbar. Es macht also Sinn, dass wir den Staatshaushalt mit unserem eigenen Haushalt vergleichen. Dass wir annehmen, dass der Staat als erstes Geld besorgen muss, bevor er es für Dinge wie öffentliche Infrastruktur ausgeben kann. Und dieses Geld wird über Steuern besorgt. Dies ist ja auch stets ein Argument gegen alle möglichen Staatsausgaben: «Und dafür werden meine Steuern hinausgeworfen?!» Soweit leuchtet das ein, zumindest bis wir uns die Frage stellen, woher das Geld eigentlich kam, mit dem wir Steuern bezahlen.
Woher kommt das Geld?
Die intuitive Antwort ist natürlich aus der Lohnarbeit. Aber woher haben denn die Unternehmen das Geld, mit dem sie Löhne zahlen? Na, von den Konsument:innen, die ihre Produkte oder Dienstleistungen kaufen… und da beginnen sich die Argumente im Kreis zu drehen. Denn weder die Unternehmen noch die Konsument:innen haben das Geld erschaffen. Das wäre Geldfälschung und höchst illegal, denn nur der Staat darf Geld erschaffen. Moment, da haben wir den Ursprung des Geldes ja!
Der Staat übt sein Monopol auf das gesetzliche Zahlungsmittel über die jeweilige Zentralbank aus. Diese Zentralbanken schaffen Geld, indem sie Geld in Umlauf bringen. Anders ausgedrückt, der Staat schafft Geld, indem er z.B. neue Geleise baut oder die AHV subventioniert, und die Zentralbank anweist, das dazu benötigte Geld zu erschaffen.1 Der Staat muss also nicht vorgängig Steuern einnehmen, bevor er Geld ausgibt. Im Gegenteil: Über Steuern wird dieses Geld wieder aus dem Umlauf genommen und vernichtet (mehr dazu weiter unten). Der Staat macht also eigentlich das Umgekehrte von dem, was eine Privatperson macht: Er gibt Geld aus, das es vorher noch gar nicht gab und vernichtet es danach wieder. Doch wie ist das möglich?
Die Modern Monetary Theory (MMT, deutsch: moderne Geldtheorie) liefert eine Erklärung auf diese Frage. Zumindest für Staaten, die eine eigene sogenannte Fiat-Währung und auch ihre Staatsschulden hauptsächlich in dieser Währung haben. Fiat-Währung bedeutet, dass es keine reellen Dinge gibt, die dem Geld ihren Wert geben, wie z.B. früher oft die Goldreserven der Zentralbank. Nur der Staat als Währungsmonopol garantiert dafür, dass das Geld auch einen Wert hat und kann neues Geld per Tastendruck an einem Computer der Zentralbank erzeugen. Wir haben uns als Gesellschaft darauf geeinigt, dass das Geld unabhängig von reellen Dingen einen Wert hat. Der Schweizer Franken ist z.B. so eine Fiat-Währung, wie auch der US-Dollar, das Britische Pfund und weitere.
Geld hat an sich keinen intrinsischen Gebrauchswert. Es taugt nur sehr mittelmässig, um ein Feuer zu machen, es gibt deutlich angenehmeres (und sicherlich saubereres) Toilettenpapier und als Lektüre wird es spätestens nach ein paar Minuten langweilig. Wirklich interessant an Geld ist, was dagegen eingetauscht werden kann, von Nahrung über Obdach bis zu Unterhaltung. Dass wir in der Schweiz dafür Schweizer Franken verwenden und nicht ein anderes Zahlungsmittel, liegt daran, dass wir sie auch benötigen, um damit unsere Steuern zu bezahlen. Und genau das ist, laut den Vertreter:innen der MMT, auch der eigentliche Sinn von Steuern: Steuern verleihen einer Währung Wert, indem sie eine Nachfrage danach erzwingen.
Der Staat verlangt also Steuern, die zwingend in seiner Währung bezahlt werden müssen. Als steuerpflichtige Person gibt es nun keine andere Wahl, als irgendwie an eine genügend grosse Menge dieser Währung zu kommen, um damit Steuern bezahlen zu können. Die Währung wird somit also zu etwas Begehrtem, wird wertvoll. Und da es nun einen Wert hat, kann es auch gegen andere Dinge getauscht werden, die Wert haben. Steuern dienen somit gar nicht der Finanzierung der Staatsausgaben. Im Gegenteil, sie vernichten das herausgegebene Geld wieder und dienen nur dazu, die Geldmenge zu kontrollieren und dem Geld einen Wert zu verleihen.
Wie kann dem Staat das Geld ausgehen?
Der Staat kann also neues Geld aus dem Nichts erschaffen. Vor allem, seit der Grösste Teil des Geldes in virtueller Form vorliegt, ist das extrem simpel und bedarf nur ein paar Tastendrucke. Weshalb drücken wir also nicht einfach ein paar Tasten und finanzieren damit gratis Kinderkrippen für alle, gratis ÖV für alle, günstige Mieten für alle usw.? Ein Gegenargument, das sofort kommen wird, ist Inflation. Wenn zu viel Geld da ist, wird es weniger wert. Ein beliebtes Beispiel dafür ist die Weimarer Republik zwischen den Weltkriegen, die 1923 von einer Hyperinflation heimgesucht wurde. Der Grund dafür sei, dass das vom 1. Weltkrieg verwüstete Deutschland zu viel Geld produziert habe, um den Wiederaufbau zu finanzieren. Phil Armstrong und Warren Mosler (der «Urvater der MMT») argumentieren in ihrem Artikel «Weimar Republic Hyperinflation through a Modern Monetary Theory Lens» jedoch, dass die Inflation, also die Entwertung des Geldes, zuerst gekommen sei und unter anderem durch Währungsspekulationen ausgelöst worden sei. Da die Weimarer Republik mit den Zerstörungen des Krieges und den Strafzahlungen an die Alliierten nicht viel Spielraum hatte, sei halt mehr Geld produziert worden, um weiterhin bezahlen zu können. Dies habe dann zu mehr Inflation geführt, aber nur, da das System ohnehin schon instabil gewesen sei.
In einem stabilen Finanzsystem habe mehr Geld hingegen nicht automatisch Inflation zur Folge. Der tatsächliche Hauptgrund für die Inflation sei ein Preisanstieg, ohne dass die Löhne damit Schritt halten. Die Preise können aus verschiedenen Gründen steigen, z.B. weil die Materialien für eine Ware knapp sind, oder weil Unternehmen Preise künstlich hinauftreiben, also ohne erhöhte Kosten einfach mehr Geld für ihre Waren/Dienstleistungen verlangen, um mehr Profit zu machen. Die Unternehmen erklären dies z.B. wiederum mit der Knappheit von Materialien oder erhöhten Lohnkosten, obwohl bei genauem Hinsehen weder das eine noch das andere der Fall ist. Das Widersprüchliche daran ist, dass die Inflation als Grund für die erhöhten Kosten angeführt wird, obwohl die erhöhten Preise diese Inflation überhaupt erst auslösen.
Die Geldmenge an sich ist also nicht das Problem. Der Staat muss nicht mit seinem Geld sparen, die Staatsschulden müssen nicht reduziert werden. Wenn Politiker:innen davon reden, dass wir «verantwortlich mit unseren Finanzen umgehen müssen», lenken sie damit – ob wissentlich oder weil sie das selbst glauben – von den eigentlichen Problemen ab. Als Staat um jeden Preis Geld zu sparen ist nicht nur unnötig, sondern schlecht. Denn wie wird das Geld gespart? In der Regel mit der Kürzung von Sozialleistungen.
Ist die Lösung also einfach mehr Geld zu schaffen?
Ganz so einfach ist es leider nicht. Zwar ist die Geldmenge kein Hindernis, diese kann ohne Mühe ins Unendliche erhöht werden. Aber nur weil ein Staat unendlich Geld hat, kann er z.B. nicht unendlich viele Züge und Gleise produzieren. Die echte Grenze ist die sogenannte Realwirtschaft, also die Begrenztheit der vorhandenen Ressourcen an Arbeitskraft und Material, die in einem Staat physisch vorhanden sind. Es können also so viele Züge und Geleise produziert werden, wie es die nötigen Materialien und Arbeiter:innen dafür gibt.
Der Knackpunkt in unserem gegenwärtigen System besteht aber nun darin, dass Roh- und Werkstoffe und Arbeit nicht nach dem Bedarf der Gesellschaft eingesetzt und investiert werden. In unserem kapitalistischen Wirtschaftssystem werden die Ressourcen der Realwirtschaft so verteilt, dass für mehr Geld mehr Ressourcen erworben werden können. Wer mit den Ressourcen die grössten Profite macht, kann danach mit noch mehr Ressourcen noch mehr Profite machen. Wenn also ein umweltschädliches Auto mehr Profit macht als ein umweltfreundlicherer Zug, so werden in diesem System mehr Autos als Züge produziert. Wenn mit Öl mehr Profit gemacht werden kann als mit erneuerbaren Energien, wird mehr Öl verkauft. Ob die bereits jetzt spürbare Klimakatastrophe damit noch mehr angefeuert wird, bleibt für dieses System der Profitsteigerung immer untergeordnet. Die Klimakatastrophe muss künstlich zu einem für dieses System relevanten Faktor gemacht werden, in dem z.B. Verbote für Benzinmotoren und Ölheizungen erteilt werden, oder indem über staatliche Subventionen erneuerbare Energien profitabler gemacht werden.
Was ist das echte Problem?
Die Geldmenge ist es also nicht. Das Problem ist, wie das Geld eingesetzt wird, um die Realwirtschaft zu steuern – oder eben nicht zu steuern. Liberale Geldpolitik bedeutet, dass Regulierungen abgebaut werden und die Märkte möglichst frei sein sollen. So würden die Marktteilnehmer nach der liberalen Idealvorstellung unter dem Einfluss von Angebot und Nachfrage gemeinsam dafür sorgen, dass Ressourcen möglichst effizient genutzt und Bedürfnisse möglichst angemessen befriedigt werden. Tatsächlich aber garantieren die hochgepriesenen «freien Märkte» der liberalen Politiker:innen und Unternehmen in keinster Weise, dass eine möglichst optimale Profitmaximierung für die Kapitalist:innen auch zu einem möglichst optimalen Ressourceneinsatz für die Konsument:innen führt. Für den Rest der Menschheit ist das nicht nur suboptimal, da die Ressourcen für sinnvollere Dinge eingesetzt werden könnten. Es ist für sie eine denkbar schlechte Art zu wirtschaften, da ihnen Ressourcen vorenthalten werden und gar nicht zur Verfügung stehen, auch nicht in einer suboptimalen Form (z.B. indem die Preise für Mieten steigen, weil das vorhandene Geld für Immobilienspekulationen und Renovationen zum reinen Zweck der Preiserhöhung eingesetzt wird, z.B. durch die Pensionskassen), oder Ressourcen für Dinge eingesetzt werden, die den Menschen aktiv schaden, wie die Zerstörung der Natur.
Das Geld an sich ist nicht schlecht. Es kann als Steuerungsmittel für die Realwirtschaft durchaus nützlich sein. Eine Geldpolitik, die dem MMT-Ansatz folgt, ist der Versuch einer Steuerung der Entstehung und des Einsatzes von Geld nach anderen Gesichtspunkten als immer höherer Profit und Marktwachstum. Indem die Entstehung und der Einsatz von Geld zum tatsächlichen Monopol eines demokratischen Staates würde (private Geschäftsbanken würden kein Geld schaffen durch Darlehen und auf dem Finanzmarkt würde nicht auch noch Profit auf den Verkauf dieser Schuldtitel gemacht), könnten Investitionen auf tatsächliche Bedürfnisse einer Gesellschaft ausgerichtet werden. Denkbar wäre z.B. ein Programm um Häuser ohne Mieterhöhungen energetisch zu sanieren. Dies würde den Energieverbrauch senken und Arbeitsplätze schaffen.
Optimalerweise wird dabei der Einsatz der vorhandenen Ressourcen zentral koordiniert und für das Wohl der Menschen optimiert. Dass zentralisierte Koordination sinnvoll ist, ist in der Privatwirtschaft dabei auch keineswegs umstritten: innerhalb der grossen Unternehmen gibt es in der Regel keine untereinander konkurrierenden Abteilungen oder Subunternehmen nach dem Prinzip einer freien Marktwirtschaft. Die Ressourcen des Unternehmens werden in der Regel zentral verwaltet. Gegen eine zentralisierte Koordination ist die Privatwirtschaft nur auf Staatsebene, da sie dadurch nicht mehr ihre Profite maximieren können.
Wie effizient diese zentralisierte Planung innerhalb grosser Unternehmen ist, variiert stark. Durch strikte Hierarchien wird oft vieles verschlechtert, da Vorgesetzte ohne Ahnung von den genauen Bedürfnissen vor Ort Entscheidungen treffen. Eine zentralisierte Planung auf Staatsebene muss deshalb möglichst genaue Informationen vor Ort einholen, idealerweise in basisdemokratisch verwalteten Betrieben, in denen die Arbeiter:innen den Ressourcenbedarf einschätzen, die direkt damit arbeiten und sich auskennen.
Fazit
Einem Staat mit Fiat-Währung wie der Schweiz kann das Geld nicht ausgehen. Die Grenzen für die Produktion von Waren und Dienstleistungen sind in der Menge an vorhandenen Ressourcen begründet: Eine kapitalistisch organisierte Wirtschaft, in der eine liberale Geldpolitik vorherrscht, wird immer nach der Profitmaximierung als eigentlichem Ziel der Wirtschaft handeln. Der Preis dafür sind das Allgemeinwohl und die Zerstörung der Umwelt. Geld an sich ist aber nicht das Problem. Denn es könnte problemlos weiterhin zur Steuerung der Wirtschaft benutzt werden. Diese Steuerung muss aber als oberstes Ziel das Allgemeinwohl haben. Ein wichtiger Schritt dazu ist eine staatlich zentralisierte Koordination mit Fokus auf die Optimierung des Ressourceneinsatzes. Mit den heutigen Informationstechnologien sind diese riesigen Datenmengen durchaus zu bewältigen. Und selbst wenn der Optimierungsgrad zu Beginn noch gering wäre (während einem Übergang vom kapitalistischen System zu einem sozialistischen vermutlich unvermeidbar), wäre es sicher von Anfang an besser als das aktuelle System, das dem Allgemeinwohl aktiv schadet. Eine auf der MMT basierende Geldpolitik wäre womöglich auch eine realistische Methode, innerhalb unserer bestehenden Wirtschaftsstrukturen konkrete und dringend nötige Übergangschritte zu einem sozialistischen System der Wirtschaft einzuleiten, wenn die bestehenden Strukturen nicht von heute auf morgen komplett umgekrempelt werden können.
1 Tatsächlich können auch Privatbanken Geld schaffen, indem sie Darlehen ausstellen. Das Geld verschwindet dann, sobald die Schulden durch Vermögenswerte aus der Realwirtschaft (bspw. Einnahmen aus Unternehmen, dass durch das Darlehen gegründet wurde) bezahlt wird. Geld wird grundsätzlich von Banken erschaffen, indem eine Art buchhalterisches Minus erzeugt wird. Privatbanken sind allerdings verpflichtet, das Geld, das sie geschaffen haben, bar auszahlen zu können, und bei Interaktionen mit der Regierung müssen sie in der jeweiligen Landeswährung bezahlen. Somit stehen auch Privatbanken letztlich unter dem staatlichen Währungsmonopol.