In der Schweiz gilt es weiterhin als Tabu, über Löhne und Arbeitsbedingungen zu reden. Eine nationale Studie über den Zusammenhang zwischen Arbeit und der Gesundheit der hiesigen Lohnabhängigen enthält einige ausschlussreiche Ergebnisse, wie das Arbeiten unter kapitalistischen Bedingungen unserer Gesundheit schadet. Besonders schädlich ist die Arbeit in feminisierten Sektoren.
von Benoit Blanc; aus alencontre.org
Arbeit macht krank
Stellt euch einmal vor, fast die Hälfte der Bevölkerung wäre einer Kontamination oder einem schädlichen Produkt ausgesetzt. Diese Personen hätten fast doppelt so häufig einen schlechten allgemeinen Gesundheitszustand. Es wäre sehr wahrscheinlich, dass die Medien das Thema aufgreifen würden, sich eine öffentliche Debatte entfachen, eine Präventionskampagne gestartet und Maßnahmen gefordert – und vielleicht auch ergriffen – würden, um diese Bedrohung der öffentlichen Gesundheit zu bekämpfen.
Es ist jedoch leider keine Vorstellungskraft für die Analogie vonnöten: Die neuesten Ergebnisse der Schweizer Gesundheitsbefragung (SGB), veröffentlicht vom Bundesamt für Statistik (BFS) am 23. Mai 2024, zeigen eine ähnliche Situation auf. Im Jahr 2022 waren 45% der Erwerbstätigen bei ihrer Arbeit mindestens drei von zehn kategorisierten physischen Risiken ausgesetzt, wie das Einnehmen schmerzhafter oder ermüdender Positionen oder das Arbeiten bei extremen Temperaturen. 48% sahen sich mindestens drei der neun kategorisierten psychosozialen Risiken ausgesetzt, wie einer sehr hohen Arbeitsintensität, Stress, Diskriminierung oder Gewalt. Fast die Hälfte der Erwerbsbevölkerung hatte also ein 1,5-mal bis 2-mal höheres Risiko, dass ihr allgemeiner Gesundheitszustand nicht gut ist, verglichen mit der weniger exponierten anderen Hälfte.
Doch hier endet die Analogie: Die öffentliche Debatte über Arbeitsbedingungen, die eine Bedrohung für die Gesundheit darstellen, ist quasi inexistent. Die Prävention ist im besten Fall symbolisch und staatliche Maßnahmen zur Behebung dieser Realität sind nicht vorhanden. Arbeit nimmt einen zentralen Platz im Leben der Mehrheit der Bevölkerung ein, aber ihre Organisation und die den Arbeitenden auferlegten Zwänge gehören weiterhin dem Reich des Despotismus der Unternehmer:innen an und ist damit ausgeschlossen von der öffentlichen und demokratischen Mitbestimmung.
In diesem Kontext ist die jüngste Veröffentlichung des BFS interessant, weil sie dieses Thema wieder auf die Tagesordnung bringt, mit nationalen Daten, die auf einer repräsentativen Umfrage basieren. Eine Konsultation dieser Veröffentlichung ist daher sehr aufschlussreich (Arbeitsbedingungen und Gesundheitszustand zwischen 2012 und 2022 – Schweizerische Gesundheitsbefragung). Nachfolgend präsentieren wir einige Elemente, die bei der Einordnung der Ergebnisse behilflich sind.
Eine wichtige Umfrage, aber eine teilweise Beleuchtung
Die vom BFS veröffentlichten Ergebnisse basieren auf den drei letzten Erhebungen der Schweizer Gesundheitsbefragung (SGB), der Referenzumfrage zur Gesundheit der in der Schweiz lebenden Bevölkerung seit 1992. In diesen drei Erhebungen, durchgeführt in den Jahren 2012, 2017 und 2022, wurden dieselben Fragen zu den Arbeitsbedingungen gestellt. Es ist das erste Mal, dass eine nationale Umfrage die Rekapitulation der Entwicklung der Arbeitsbedingungen und ihrer Wahrnehmung über das letzte Jahrzehnt ermöglicht.[1]
Zwei Einschränkungen dieses Umfragetypus müssen jedoch berücksichtigt werden. Erstens ist die Voraussetzung für die Teilnahme, im Stichprobenrahmen des BFS eingetragen zu sein. Dieser basiert auf den Einwohnerregistern der Gemeinden und Kantone. Das bedeutet, dass Grenzgänger:innen, Arbeitsmigrant:innen oder jene mit Kurzzeitbewilligungen sowie Sans-Papiers nicht befragt werden. In Branchen wie der Landwirtschaft, dem Baugewerbe, der Gastronomie, der Reinigung, dem Gesundheitswesen oder der Uhrenindustrie, um nur einige Beispiele zu nennen, stellen die nicht in den Einwohnerregistern eingetragenen Lohnabhängigen jedoch einen wesentlichen Teil des Personals dar, sodass oft die härtesten und prekärsten Bedingungen nicht erhoben werden. Die Arbeitssituationen in diesen Branchen werden daher nicht oder nur sehr schlecht von den befragten Personen repräsentiert. Per Definition bietet eine solche Umfrage also nur einen fragmentarischen und geglätteten Blick auf die Arbeitsrealität.
Zweitens kann eine nationale Umfrage, die bei etwas mehr als 10’000 Personen durchgeführt wird (was für eine Stichprobenumfrage eine relativ große Anzahl ist), nur ein sehr allgemeiner Überblick über die Situation bieten. Es ist unmöglich, auf dieser Basis die spezifischen Arbeitsbedingungen in einem bestimmten Sektor zu ergründen, beispielsweise in den Logistikunternehmen, die mit der Entwicklung des E-Commerce verbunden sind, von den Lagern von Galaxus bis zu den Lieferunternehmen und den Zentren, die die Rücksendungen von Zalando verwalten. Eine solche Umfrage kann nur eine Art erste Vogelperspektive auf die Arbeitswelt bieten, die die schwierigsten und gesundheitsschädlichsten Arbeitsbedingungen aufzeigt. Sie ist also eine wertvolle Informationsquelle und gleichzeitig nicht mehr als eine Einladung, vor Ort zusammen mit den direktbetroffenen Arbeiter:innen zu untersuchen, wie sich ihre konkreten Situationen ausgestalten – um dann Forderungen nach Verbesserungen zu definieren. Das ist eine Perspektive für alle Gewerkschaften, die ihrer Rolle gerecht werden wollen.
Der feminisierte Arbeitsmarkt bringt die wesentlichen Probleme ans Licht
Die Liste ist beeindruckend. Zwischen 2012 und 2022 gibt es einen Anstieg des Anteils der Frauen, die bei der Arbeit gestresst sind (von 17% auf 25%), emotional ausgelaugt sind (von 21% auf 25%), unter einer hohen Arbeitsintensität leiden und insbesondere unter aufreibenden und sehr kurzen Fristen arbeiten müssen (von 30% auf 34%), an zu viele Dinge gleichzeitig denken müssen (von 43% auf 50%), ihren Beitrag nicht angemessen gewürdigt sehen (von 9% auf 12%), Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts erlebt haben (von 5,7% auf 8,4%), und sexualisierte Gewalt/Belästigung erfahren haben (von 0,6% auf 1,7%). Diese Liste, die nicht erschöpfend ist, hat kein Äquivalent bei den Männern.
Darüber hinaus sind von diesen Entwicklungen junge Frauen häufiger betroffen als ihre älteren Kolleginnen. So sind 32% der Frauen im Alter von 15 bis 29 Jahren bei der Arbeit gestresst, verglichen mit 26% der Frauen zwischen 30 und 49 Jahren und 19% der Frauen zwischen 50 und 64 Jahren. Das gleiche gilt für geschlechtsbezogene Diskriminierungen (13% gegenüber 9% und 4%), die Meinung, dass ihre Arbeit nicht angemessen anerkannt wird (16% gegenüber 11% und 10%) oder sexuelle Belästigung (4,1% gegenüber 1,5% und 0,4%). Männer unter 30 Jahren sind, wie Frauen im gleichen Alter, mehr physischen Risiken ausgesetzt als ihre älteren Kollegen. Dies gilt jedoch nicht für psychosoziale Risiken wie die oben genannten.
Die Daten zeigen, dass Stress keine Frage der individuellen Resilienz ist, sondern Ausdruck der psychosozialen Risiken, die sich aus der kapitalistischen Arbeitsorganisation ergeben.
Diese Ergebnisse deuten daher auf eine spezifische und negative Entwicklung der Arbeitsbedingungen von Frauen hin. Mehrere Faktoren können dazu beitragen. Erstens nimmt die Beschäftigung von Frauen zu, insbesondere in Bereichen wie dem Gesundheits- und Sozialwesen, in denen die finanziellen Zwänge zunehmend die Arbeitsbedingungen verschlechtern.
Zweitens besetzen Frauen in vielen Sektoren weiterhin überwiegend untergeordnete, gesellschaftlich weniger anerkannte Positionen, die größeren strukturellen Zwängen unterliegen. Die Veröffentlichung des BFS zeigt beispielsweise die großen Unterschiede in den Arbeitsbedingungen von Männern und Frauen im Bank- und Versicherungswesen: Frauen sind dort wesentlich häufiger in administrativen Positionen tätig (48% der Frauen im Vergleich zu 25% der Männer). Als Konsequenz sind sie auch viel häufiger mindestens drei der neun identifizierten psychosozialen Risiken ausgesetzt (60% im Vergleich zu 38% der Männer).
Drittens könnten die feministischen Mobilisierungen der letzten Jahre ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Sie haben das Bewusstsein für die Ungleichheiten, Diskriminierungen und Gewalt, denen Frauen bei der Arbeit tagtäglich ausgesetzt sind, als gemeinsames, inakzeptables Problem gestärkt, das nach Veränderungen ruft. Es ist wahrscheinlich, dass dies auch dazu führt, dass ein Teil der Frauen solche Situationen – mangelnde Anerkennung, Stress, Diskriminierung, Belästigung – eher beim Namen nennt. Das Benennen und die Anprangerung dieser Ungerechtigkeiten gehen Hand in Hand.
Der Indikator Stress
Unter den Merkmalen der Arbeitsbedingungen, die in der SGB beobachtet wurden, ist Stress dasjenige, dessen Häufigkeit in zehn Jahren am stärksten zugenommen hat, von 17% auf 25% bei den Frauen und von 18% auf 21% bei den Männern. Was bedeutet das?
In Unternehmen und Medien wird der Begriff “Stress” oft irreführend verwendet und fast immer als persönliches Problem individualisiert. Es gibt unzählige Schulungen, die von Unternehmen angeboten werden und angeblich vermitteln, «wie man mit Stress umzugehen hat». Stress wird somit zu einem Zauberwort, das sowohl signalisiert: «Wir sind um das Wohlbefinden unserer Mitarbeiter:innen besorgt», als auch «jede:r Arbeitnehmer:in ist individuell verantwortlich für seine:ihre Gesundheit am Arbeitsplatz».
Die vom BFS veröffentlichten Daten zeigen, dass Stress keine Frage der individuellen Resilienz ist, sondern Ausdruck der psychosozialen Risiken, die sich aus der kapitalistischen Arbeitsorganisation ergeben.
Zum Beispiel sind 50% der Personen, die berichten, dass sie hohen emotionalen Anforderungen in ihrer Arbeit ausgesetzt sind, gestresst, verglichen mit 14% derjenigen, die nicht in dieser Situation sind. Was bedeuten diese “emotionalen Anforderungen”? Es geht darum, seine Emotionen verbergen zu müssen und im Beruf Konflikte mit der Öffentlichkeit zu erleben. Das Verbergen der eigenen Gefühle und das Vermeiden, dass diese die Beziehung zu den betreuten Personen beeinflussen, ist eine berufliche Anforderung für eine Fachperson Gesundheit oder eine Fachperson Betreuung. Diese Anforderung wird jedoch belastender, wenn die Arbeit so dicht ist, dass man keine Pausen hat, um sich gelegentlich zurückzuziehen. Ein weiteres Beispiel: Spannungen mit Kund:innen nehmen in großen Einzelhandelsgeschäften zu, wenn das Personalmanagement absichtlich darauf ausgelegt ist, dass sich relativ – aber nicht zu lange – Warteschlangen an den Kassen bilden, um den Druck auf die Kassierer:innen zu erhöhen und die Kund:innen dazu zu bewegen, die Selbstbedienungskassen zu nutzen.
Laut BFS sind es die “hohen psychologischen Anforderungen”, die am stärksten mit einer Zunahme des Stresses verbunden sind: 35% der Personen, die solchen Anforderungen ausgesetzt sind, geben an, dass sie meistens oder immer gestresst sind, zehnmal häufiger als diejenigen, die nicht damit konfrontiert sind (3%). Zu diesen hohen psychologischen Anforderungen gehören unter anderem: An zu viele Dinge gleichzeitig denken müssen, sich beeilen müssen, störende Unterbrechungen bei der Arbeit, widersprüchliche Anweisungen erhalten, Schwierigkeiten haben, Arbeit und familiäre Verpflichtungen zu vereinbaren. All diese Situationen haben ihren Ursprung in der kapitalistischen Arbeitsorganisation.
Die BFS-Veröffentlichung zeigt auch, dass Stress deutlich mit einem schlechteren Gesundheitszustand verbunden ist. Mehr als die Hälfte der gestressten Personen (53%) geben an, dass sie zunehmend emotional erschöpft bei der Arbeit sind, was als Hinweis auf ein erhöhtes Burnout-Risiko gilt. Unter den Personen, die nicht gestresst sind, ist dieser Anteil viermal kleiner (13%). Stress ist tatsächlich eine der vier Arbeitsbedingungen unter den zehn physischen und neun psychosozialen Risiken, die in der SGB beobachtet wurden und individuell mit einem erhöhten Risiko verbunden sind, dass der allgemeine Gesundheitszustand schlecht ist: 15% der Personen, die meistens oder immer gestresst bei der Arbeit sind, sagen, dass ihr Gesundheitszustand nicht gut ist, verglichen mit 7% der Personen, die nicht gestresst sind. Die drei anderen Arbeitsbedingungen, die ebenfalls individuell mit einem schlechteren Gesundheitszustand verbunden sind, sind etwa die Angst, den Job zu verlieren, hohe emotionale Anforderungen und schmerzhafte und ermüdende ergonomische Positionen einnehmen zu müssen während der Arbeit.
Risikobranchen: Gesundheit, Baugewerbe, Gastronomie
Laut BFS sind die drei Branchen, in denen der kumulierte Anteil der Erwerbstätigen, die mindestens drei physischen oder mindestens drei psychosozialen Risiken ausgesetzt sind, am höchsten im Gesundheits- und Sozialwesen, im Baugewerbe und in der Gastronomie. In jedem Fall kombinieren sich beide Risikotypen, physisch und psychosozial, und führen zu noch unerträglicheren Kombinationen.
Beginnen wir mit der Branche “Gesundheit und Sozialwesen”. Diese umfasst das Gesundheitswesen, den Bereich der sozialen Unterkunft (z.B. Pflegeheime, Unterkünfte für Menschen mit Behinderungen) sowie den gesamten Bereich der Kinderbetreuung. Eine von vier Frauen arbeitet in diesem Bereich, Tendenz steigend (und etwa ein Mann von fünfzehn). Es ist daher ein entscheidender Sektor der weiblich-identifizierten Erwerbsbevölkerung.
Im Vergleich zum Durchschnitt (was nicht bedeutet, dass der Durchschnitt sich etwa in einer angenehmen Situation befände!) zeigt das BFS, dass Frauen, die in diesem Bereich tätig sind, deutlich häufiger psychosozialen Risiken ausgesetzt sind, wie den bereits erwähnten hohen emotionalen Anforderungen, mangelnder Autonomie bei der Arbeitsorganisation und Stress. Der Bereich Gesundheit und Sozialwesen ist derjenige, in dem das Stressniveau am höchsten ist. Aber Frauen, die in diesem Bereich arbeiten, sind auch häufig physischen Risiken ausgesetzt, wie das Einnehmen schmerzhafter oder ermüdender Positionen, das Heben schwerer Lasten oder Personen (eine oft vergessene Dimension ihrer Arbeit). Diese Kombination, zu der auch unregelmäßige oder nächtliche Arbeitszeiten hinzukommen, ist eine der Grundlagen der Belastung in diesen Bereichen, insbesondere in der Pflege, die seit Jahren von den Gewerkschaften angeprangert wird.
Nun zum Baugewerbe. Die körperliche Belastung der Arbeit in dieser Branche wird weithin als Selbstverständlichkeit angesehen, als “normal”. Die vom BFS veröffentlichten Ergebnisse skizzieren die wahre Dimension dieser Realität. Die im Baugewerbe tätigen Personen, überwiegend Männer, sind im Verhältnis häufiger als andere neun der zehn physischen Risiken ausgesetzt, die in der Umfrage gemessen wurden. Nur das Heben oder Bewegen von Personen, was im Pflege- und Kinderbetreuungsbereich typisch ist, bildet eine Ausnahme.
Aber das ist nicht alles: Die Arbeiter:innen im Baugewerbe sind gleichzeitig einer sehr hohen Arbeitsintensität und einer geringen Autonomie bei der Arbeitsorganisation ausgesetzt. 57% der Männer, die im Baugewerbe arbeiten, geben an, fast immer mit hohem Arbeitstempo arbeiten zu müssen (während der Durchschnitt für Männer bei 45% liegt; die Schweiz ist im Allgemeinen eines der Länder in Europa mit der höchsten Arbeitsintensität). Die Kombination aus hoher Arbeitsintensität und mangelnder Autonomie ist besonders gesundheitsschädlich. Insbesondere schränkt sie die Fähigkeit ein, die Arbeit so zu organisieren, dass die physischen Belastungen minimiert werden, was deren Belastungen vervielfacht. Und wenn die Umfrage migrantische oder schwarz arbeitende Arbeitskräfte von Subunternehmen hätte befragen können, wären die Ergebnisse noch deutlich negativer.
Die Arbeitsbedingungen im Baugewerbe oder im Gesundheitswesen sind zumindest ein wenig (wenn auch viel zu wenig) Gegenstand der öffentlichen Diskussion. Aber andere Realitäten werden ignoriert, obwohl die BFS-Ergebnisse zeigen, dass sie mindestens ebenso große, wenn nicht größere Gesundheitsrisiken darstellen. Dies ist insbesondere der Fall in der Gastronomie und Hotellerie, wo etwa eine von fünfundzwanzig Personen in der Schweiz arbeitet. In keiner anderen Branche ist der kumulierte Anteil der Personen, die mindestens drei physische Risiken (69%) oder mindestens drei psychosoziale Risiken (67%) angeben, so hoch. Wiederholte Bewegungen des Arms oder der Hand, schmerzhafte oder ermüdende Positionen, Heben schwerer Lasten, hohe Temperaturen, ständiges Stehen: Die Liste der physischen Risiken ist auffällig stark auf die Gastwirtschaft ausgerichtet, wenn man sich konkret vorstellt, was die Arbeit in einem Restaurant oder Hotel bedeutet. Gleichzeitig sind hier auch die meisten psychosozialen Risiken vorhanden: hohe Arbeitsintensität, hohe psychologische und emotionale Anforderungen, mangelnde Autonomie, mangelnde Unterstützung und soziale Anerkennung, Stress. Die Arbeit in der Gastronomie ist gemeinhin mit (sehr) niedrigen Löhnen, unregelmäßigen Arbeitszeiten und großer Unsicherheit verbunden. Sie ist in Wirklichkeit auch von einer sehr großen, aber weitgehend unsichtbaren Belastung geprägt. Auch wenn die Ergebnisse nach Branchen weniger detailliert sind, lassen die BFS-Ergebnisse erkennen, dass die Situation im Handel sowie in der Transport- und Lagerbranche nicht viel besser ist.
Den Alltag der Arbeit wieder in den Fokus rücken
Die vom BFS veröffentlichten Daten bestätigen, dass der Arbeitsalltag, der von den Unternehmer:innen und ihrem Streben nach Profitmaximierung geprägt ist, für viele Lohnabhängige mit Belastung und Gesundheitsrisiken verbunden ist. Das Paradox besteht darin, dass dieses gemeinsame Schicksal als individuelle Gegebenheit dargestellt und oft auch so erlebt wird, und nicht in Verbindung gesetzt wird mit den Zielen, die die Unternehmen verfolgen: nämlich die Wettbewerbsfähigkeit und Profite auf Kosten der Arbeitenden zu erhöhen.
Die Herausforderung für die Gewerkschaften besteht daher darin, diese Themen wieder aufzugreifen, was nur unter aktiver Beteiligung der Arbeitenden möglich ist. So können sie wieder ein Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Klasse von ausgebeuteten Lohnabhängigen entwickeln und die Motivation finden, sich gemeinsam für gesundheitsfreundliche Arbeitsbedingungen und eine emanzipierte Arbeit einzusetzen.
Übersetzung durch die Redaktion
[1] Das BFS gibt jedoch an, dass die letzte Umfrage (fast) nicht auf die Frage der Arbeitszeiten eingegangen ist, weshalb dieses Thema nicht behandelt wird. Obwohl regelmäßig Daten zur Arbeitszeit in anderen Umfragen, wie der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE), erhoben werden, ist dieses Fehlen bedauerlich, da es die Möglichkeit einschränkt, die Zusammenhänge zwischen Arbeitszeiten und der Exposition gegenüber physischen oder psychosozialen Risiken zu analysieren.