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Solidarität und Streiks statt Sozialpartnerschaft: Holen wir uns, was uns zusteht!

Nie seit dem Zweiten Weltkrieg sind die Reallöhne in der Schweiz so lange ununterbrochen gesunken. Die Unternehmen überwälzen die Preissteigerungen auf die lohnabhängigen Konsument:innen und schützen damit ihre Profite, um sich weiter Rekorddividenden auszuzahlen. Das ist die real existierende Umverteilung von unten nach oben.

von BFS/MPS

Seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr vorgekommen

Die Reallöhne in der Schweiz sind rückläufig. Laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) sind sie zwischen 2020 und 2023 um 3,1% gesunken –  das hat es seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie gegeben. Die Beträge, um die es dabei geht, sind alles andere als unbedeutend. So liegt die jährliche Kaufkraft eines Lohnabhängigen mit Medianlohn “heute 2860 Franken niedriger als noch 2020” (NZZ, 25. Juli 2023). Doch in Wirklichkeit ist der Rückgang sogar noch gravierender. Der Landesindex der Konsumentenpreise (LIK), der zur Messung der Inflation herangezogen wird, unterschätzt nämlich die tatsächliche Entwicklung der Lebenshaltungskosten erheblich. Man braucht sich nur daran zu erinnern, dass die Krankenkassenprämien, die nicht im LIK eingerechnet sind, innerhalb von 13 Monaten – zwischen Dezember 2022 und Januar 2024 – im Landesdurchschnitt um fast 15% gestiegen sind.

Keine Aufholjagd in Sicht

Aber es kommt noch schlimmer: Es ist nämlich kein Entwicklungstrend absehbar, dass die in den letzten Jahren erlittenen Lohnverluste wieder aufgeholt würden. So stiegen die Nominallöhne in der Schweiz im ersten Quartal 2024 nur um 0,6%, was wiederum weit unter dem Anstieg der Inflation liegt.

Zehnmal weniger als in Deutschland

Im Gegensatz dazu haben die Lohnabhängigen in Deutschland die höchsten Lohnerhöhungen seit 16 Jahren erhalten. Und das aus gutem Grund, denn seit den 1990er Jahren gab es in Deutschland nicht mehr so viele Streiks, wie in den letzten drei Jahren. Der grosse Unterschied zwischen der Schweiz und Deutschland ist also nicht vom Himmel gefallen. Die Lohnentwicklung hängt letztlich vom Kräfteverhältnis zwischen den Lohnabhängigen und den Unternehmen und der Fähigkeit der Lohnabhängigen zur Selbstorganisation und kollektiven Mobilisierung ab. In der Schweiz zahlen wir den Preis für den jahrzehntelangen Arbeitsfrieden.

Die Aktionär:innen fressen sich voll

Die sinkenden Reallöhne sind das Ergebnis davon, dass die Unternehmen einen immer grösseren Teil des Reichtums für sich beanspruchen wollen, der letztlich von niemand anderem als den Lohnabhängigen erwirtschaftet wurde. Dies zeigt sich in den Rekorddividenden (dem Anteil der Unternehmensgewinne, der an die Aktionär:innen ausgeschüttet wird): 2024 werden 64 Milliarden Franken für die im Swiss Performance Index (SPI) gelisteten Unternehmen ausgeschüttet, was einem Anstieg von 2,2% gegenüber dem Vorjahr entspricht und auf einen Anstieg von 6,3% zwischen 2022 und 2023 folgt (NZZ, 19. April 2024). Entgegen des Mythos, der von Unternehmen gerne bemüht wird, liegen die Preissteigerungen (Inflation) nicht an den gestiegenden Löhnen, sondern die Unternehmen forcieren Preiserhöhungen zum Ausbau ihrer Gewinne. Das ist Umverteilung von unten nach oben.

Gewerkschaftliche Gegenmacht statt Sozialpartnerschaft

Angesichts der stetigen Angriffe der Unternehmen auf unsere Lebensbedingungen sowie der Klimakatastrophe und des deshalb nötigen Um- und Rückbaus des gesamten kapitalistischen Produktionsapparats ist das Aufbauen von gewerkschaftlicher Gegenmacht in den Betrieben dringend. Um uns zu holen, was uns eigentlich zusteht, brauchen wir eine konkrete gewerkschaftliche Verankerung an den Arbeitsplätzen und damit verbundene Kollektive von Lohnabhängigen, die bereit sind für ihre Anliegen zu kämpfen, zu streiken und damit die Politik des Arbeitsfriedens herauszufordern. Das System der Sozialpartnerschaft zwischen Gewerkschaften und Unternehmen ist ein Hinderniss auf dem Weg zur Entwicklung einer solchen gewerkschaftlichen Gegenmacht.

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