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Nach der großen Ohrfeige für die Unternehmer:innen bei der BVG21: Priorität in unseren Kämpfen hat die AHV!

„Je souhaite la gagner, cette votation“, wird Elisabeth Baume-Schneider zitiert (Le Temps, 4. September 2024). Sie bezog sich damit auf die Reform der Altersvorsorge (BVG 21). Nun, das ist nicht gelungen. Wie bei der 13. AHV-Rente, wo ihre Kampagne, die „mit viel Enthusiasmus“ neoliberale Phrasen weitergab, ebenfalls nicht ausgereicht hatte. Das Ergebnis „c’est ce qu’on appelle une très grosse gifle [Ohrfeige] (Le Temps, 23. September 2024). Auch wenn es vorhersehbar war, handelt es sich dennoch um einen Sieg der Gewerkschaften und eine vernichtende Niederlage für die Unternehmerkreise und ihren Bundesrat. Es gibt also Grund zur Freude. Doch die Bürgerlichen lassen nicht locker mit ihren Angriffen auf die Altersvorsorge. Die 13. AHV-Rente soll über unsoziale Mechanismen finanziert werden und damit die finanziell Schwächsten belasten. Dagegen gilt es sich bestimmt zu wehren. (Red.)

von Agostino Soldini (Gewerkschafter VPOD)

Entscheidendes Referendum gegen die Altersvorsorge 2020

Es ist nicht das erste Mal, dass der Versuch gescheitert ist, den Umwandlungssatz – welcher die Höhe der Renten in der 2. Säule bestimmt – zu senken. Dies war auch 2010 (72,7% Nein-Stimmen) und 2017 (52,7% Nein-Stimmen) der Fall. Bei dem zweiten Versuch (Altersvorsorge 2020) ging es neben dieser Maßnahme auch darum, das Rentenalter für Frauen von 64 auf 65 Jahre zu erhöhen. Als „Gegenleistung“ hätten die zukünftigen Rentner:innen (und nur sie, nicht diejenigen, die bereits eine AHV-Rente beziehen) 70 Franken mehr pro Monat erhalten. Das Projekt war von Bundesrat Alain Berset vorangetrieben worden, der inzwischen in einer 950m2 großen Villa in Straßburg wohnt. Sein Genosse und zukünftiger Postchef Christian Levrat, der damalige Präsident der SP, hätte die Umsetzung mithilfe zahlreicher sozialliberaler Politiker:innen übernommen. Einige Gewerkschaften (vor allem VPOD und Unia) und politische Bewegungen (solidaritéS, BFS usw.) ergriffen jedoch das Referendum, woraufhin die Altersvorsorge 2020 in der Volksabstimmung abgelehnt wurde. Kurz gesagt: Ohne das Referendum wäre der Umwandlungssatz schon längst auf 6% festgesetzt worden…

Und die 13. AHV-Rente wäre nie eingeführt worden. Die Initiative dazu wurde nach der Ablehnung der Altersvorsorge 2020 lanciert. Das zeigt, dass kämpferische Gewerkschaftssektoren und politische Bewegungen, wenn sie Initiativen ergreifen, in der Lage sind, den Lauf der Dinge zu beeinflussen. Und zwar in die richtige Richtung. Im Klartext: Die Ablehnung von „Kompromissen“, die grosse Rückschritte beinhalten und im Namen des „kleineren Übels“ gerechtfertigt werden, kann nicht nur solche Rückschritte verhindern, sondern auch den Weg für sozialen Fortschritte ebnen.  

Die AHV konsequent stärken

Wie dem auch sei, wenn man in die Zukunft blickt, braucht man sich nicht in Illusionen zu wiegen. Natürlich ist es richtig, „den automatischen Teuerungsausgleich für die Renten der beruflichen Vorsorge“ oder gar die Einführung von Erziehungs- und Betreuungsgutschriften zu fordern, wenn nicht gar „den Ausschluss der Privatversicherer aus der 2. Säule“. Solche Vorschläge haben jedoch keine Chance, sich durchzusetzen. Es wird keinen „Kurswechsel in der Altersvorsorge“ geben. Was die Versuche betrifft, Geringverdienenden den Zugang zur 2. Säule zu ermöglichen, so ist das Problem morgen wie gestern dasselbe: Es würde die betroffenen Lohnabhängigen extrem teuer zu stehen kommen, um letztendlich weiterhin mickrige Renten zu beziehen.

Die Schlussfolgerung des SGB-Präsidenten Pierre-Yves Maillard, dass „unsere Priorität eindeutig die Stärkung der AHV ist“ (Blick, 23. September 2024), kann man nur teilen. Mit anderen Worten: Die 1. Säule muss – auf Kosten der 2. und 3. Säule, dessen Milchkühe die Banken und Versicherungen sind und die hervorragende Instrumente zur „Steueroptimierung“ für Unternehmerkreise und sehr hohe Einkommen darstellen – gestärkt werden, damit sie allen Menschen sichere und sozialverträgliche Renten garantiert.

Das Rentenalter für Frauen darf nicht erhöht werden!

Gerade in Bezug auf die AHV stehen zwei Fragen an der Tagesordnung:

1. Zunächst einmal muss die Abstimmung über die AHV21, d.h. die Erhöhung des Rentenalters für Frauen von 64 auf 65 Jahre, annulliert werden. Um Arbeiterinnen, Pflegefachkräfte und Verkäuferinnen zu zwingen, ein Jahr länger zu schuften, hatte der Bundesrat sogar in der offiziellen Abstimmungsbroschüre behauptet, dass „die AHV in den nächsten zehn Jahren rund 18,5 Milliarden zusätzliche Mittel benötigt, um ihre Ausgaben zu decken“. Dies erwies sich als auf der ganzen Linie falsch. Nur dank einer umfassenden Täuschung der Bürger:innen, die den Fake-News von Donald Trump in nichts nachsteht, kam die AHV21 durch. Die Bundesverfassung, die „die freie Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger und die unverfälschte und sichere Willensäusserung“ garantiert, wurde somit klar missachtet. Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: Die Abstimmung über die AHV21 muss annulliert werden! Bis zum Entscheid des Bundesgerichts über die eingereichten Beschwerden wäre es das Mindeste, dass die geplante Erhöhung des Rentenalters für Frauen ab dem nächsten 1. Januar ausgesetzt wird. Zur Erinnerung: Frauen, die 1961 geboren wurden, sollten drei Monate später in Rente gehen. Oder ist es in einem Rechtsstaat „viel zu enthusiastisch“, die aufschiebende Wirkung zu fordern, wenn ein Gerichtsverfahren – mit offensichtlicher Begründung – anhängig ist?

2. Das zweite Thema auf der Tagesordnung ist die 13. AHV-Rente. Am 13. September 2024 hat der Bundesrat seinen diesbezüglichen Entwurf vorgestellt. Er „entspricht grundsätzlich dem Standpunkt der Arbeitgeber“, begrüsst ihn der Schweizerische Arbeitgeberverband (Tribune de Genève, 15. August 2024). Elisabeth Baume-Schneider und Konsorten beabsichtigen, die 13. Rente erst zum letztmöglichen Zeitpunkt auszuzahlen – im Dezember 2026, also fast drei Jahre nach Annahme des Gesetzes! Gleichzeitig haben die Eidgenössischen Räte kürzlich eine Erhöhung des Ausgabenplafonds für die Armee für den Zeitraum 2025 bis 2028 (also ab nächstem Jahr!) um 4 Milliarden auf insgesamt fast 30 Milliarden beschlossen… Weiter hat der Bundesrat beschlossen, den Beitrag des Bundes zur Finanzierung der AHV-Ausgaben von 20,2 auf 19,5 Prozent zu senken. Außerdem plant er eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,7 Prozentpunkte.

Eine zutiefst unsoziale Steuer

Was diesen letzten Aspekt – die Mehrwertsteuer – betrifft, sind einige Überlegungen angebracht. Die Mehrwertsteuer ist eine zutiefst unsoziale Steuer. Erstens, weil sie weder das Einkommen der Bürger:innen noch ihre familiäre Situation berücksichtigt: Ob Sie 3000 Franken im Monat haben oder Millionär sind, der Konsum wird zu einem festen Satz besteuert. Zweitens müssen die unteren Einkommensschichten einen proportional viel größeren Teil ihres Einkommens für den Konsum ausgeben, während Personen mit hohem Einkommen sparen können, was nicht der Mehrwertsteuer unterliegt. Kurz gesagt, das Prinzip lautet: Je mehr Geld man verdient, desto weniger Steuern zahlt man proportional und umgekehrt. Die Existenz eines ermäßigten Satzes gleicht den regressiven Charakter der Mehrwertsteuer nicht aus. Die Reallöhne sinken seit Jahren und die Renten aus der 2. Säule sind im freien Fall (-40% im Vergleich zu 2002, laut dem Finanzdienstleistungsunternehmen VermögensZentrum).

Die AHV steht keineswegs am Rande des Abgrunds: Sie verfügt über ein Rekordvermögen von fast 50 Milliarden und wird laut den jüngsten Prognosen des Bundes in diesem Jahr einen Überschuss von 4,2 Milliarden erzielen. Wenn eine zusätzliche Finanzierung erforderlich ist, gibt es andere Möglichkeiten als eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, insbesondere die Erhöhung der Lohnbeiträge. Die Beiträge sind proportional zum Einkommen und werden zur Hälfte von den Unternehmer:innen getragen. Außerdem ist der Beitragssatz für die AHV praktisch derselbe wie vor 50 Jahren (4,35 % für Lohnabhängige gegenüber 4,2 % im Jahr 1975) und der Beitragssatz für alle Sozialversicherungen (AHV, Arbeitslosigkeit usw.) ist in den letzten Jahren gesunken.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es neben der Annullierung der Abstimmung über die AHV21 folgende Forderung gibt: Die 13. AHV-Rente muss bereits im nächsten Jahr ausbezahlt werden, was durchaus finanzierbar ist; der Bundesbeitrag an die AHV-Ausgaben darf nicht gesenkt werden; auf eine Erhöhung der Mehrwertsteuer muss verzichtet werden. Dies ist der Weg, um in der Folge weitere Kämpfe zur konsequenten „Stärkung der AHV“ zu führen.

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