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Nein zu Rassismus! Umfassende soziale Rechte für alle!

Um der rassistischen Hetze in der Schweiz und in Europa wirkungsvoll entgegentreten zu können, ist es notwendig, konsequent für den Ausbau der sozialen, politischen und gewerkschaftlichen Rechten aller Lohnabhängigen einzustehen. Vier politische Vorschläge, woran sich eine Bewegung, die sich auch nach der Abstimmung über die Durchsetzungsinitiative vom 28. Februar 2016 für Solidarität und gegen rechte Hetze stark machen will, orientieren könnte.

von BFS Zürich

Die Entrechtungsinitiative entspricht einem erneuten Versuch der SVP, diskriminierende und rassistische Prinzipien in der Bundesverfassung zu verankern und ist ein Schlag ins Gesicht für alle Menschen, die in der Schweiz frei und ohne Angst leben wollen.
Dieselbe Logik, Menschen wegen ihrer Herkunft ihre Grundrechte zu entziehen, prägt jedoch auch die parlamentarische Umsetzung der Ausschaffungsinitiative von 2010. Ein verändertes Strafgesetzbuch mit einer Doppelstrafe (verhängte Strafe plus Ausschaffung) speziell für Menschen ohne Schweizer Pass wird in Kraft treten. Der staatliche Rassismus, an dessen Verankerung in Recht und Behördenpraxis die SVP zusammen mit den anderen bürgerlichen Parteien seit langem mitwirkt, kann nur konsequent bekämpft werden, wenn umfassende bürgerliche, politische und soziale Rechte für alle in der Schweiz lebenden Menschen erkämpft werden.

Widerstand gegen die neokonservative Umgestaltung der Gesellschaft!

Die Entrechtungs- wie auch die Ausschaffungsinitiative entsprechen einer weiteren Zuspitzung der neokonservativen Offensive, die den Abbau des Sozialstaates und die Entsolidarisierung unter den Lohnabhängigen sowie die Entrechtung aller Menschen ohne Schweizer Pass vorantreibt.
Seit mehr als 20 Jahren verübt die SVP Angriffe auf das Asyl- und Ausländerrecht. 1994 wurde die Volksinitiative zu den Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht angenommen. Seither haben insgesamt mehr als sechs Volksinitiativen dazu geführt, dass es eine permanente Revision und Verschärfung der Bestimmungen gab.
Aber nicht nur in der Schweiz, sondern auch in den europäischen Staaten hat sich die Diskussion um Migrant*innen drastisch verschärft. Zwei Elemente sind dabei wichtig:
Erstens gibt es eine Verschiebung des Diskurses (Pegidaisierung, LePenisierung). Das heißt, Diskurselemente, wie zum Beispiel „das Gastrecht wurde verwirkt“(wortwörtlich) werden breiter übernommen. Selbst Sarah Wagenknecht, Fraktionschefin der Partei „Die Linke“ im deutschen Bundestag, bedient sich solcher Sätze.
Zweitens gibt es einen Generalverdacht und eine fortgeschrittene Kriminalisierung von breiten Teilen der migrantischen (Lohnabhängigen-)Bevölkerung und insgesamt der unterdrückten Klassen. Auf diese Menschen wird infolgedessen ein riesiger Druck ausgeübt, sich den Betriebschef*innen, den Vermieter*innen, den Schulbehörden usw. zu fügen.

Für selbstbestimmte Bewegungsfreiheit aller Menschen!

Die Entrechtungs- wie auch die Ausschaffungsinitiative erhöhen durch die Kriminalisierung den Druck auf die migrantischen Lohnabhängigen in der Arbeitswelt. Gewerkschaftliches Engagement und Proteste bei Rationalisierung und Massenentlassungen werden noch riskanter, als sie es ohnehin schon sind. Mit der Drohkulisse der Abschiebung wird Ruhe in den Betrieben hergestellt.
Dabei ist die Schweiz mit 2% des Bruttoinlandproduktes schon das Land unter den Industrieländern, indem die grösste „Wertschöpfung“ aus den Einwanderer*innen herausgeholt wird. Bei den anderen OECD-Ländern, einschliesslich der USA, Australien und Kanada (auch typische Einwanderungsländer), beträgt der Durchschnitt ca. 0,3% (2006 bis 2008). Die Schweiz, oder besser die Schweizer Unternehmen, „profitieren“ also von der Zuwanderung. Ziel der permanenten Verschärfung des Asyl- und Ausländerrechts ist der Ausbau einer utilitaristischen, nach den Kriterien der Industriekapitäne „ausgewählten“ Einwanderung, die im Gegensatz steht zur freien, selbstbestimmten Bewegung der Menschen.

Für den Ausbau der sozialen Rechte aller Lohnabhängigen!

Offensichtlich hat es die Linke bis heute nicht geschafft, der neokonservativen Offensive eine wirkungsvolle Antwort entgegenzusetzen. Doch wo sollten wir ansetzen und welche konkreten Perspektiven müssen wir entwickeln?
Zuallererst braucht es eine unbedingte, praktische Solidarität mit den Kolleg*innen, Nachbarn und Freund*innen, die keinen Schweizer Pass besitzen. Es wird versucht, uns zu spalten. Aber wir lassen uns nicht im Alltag oder bei Protesten verunsichern und werden uns gegen jegliche Repression wehren.
Wir stehen für einen radikalen Ausbau der sozialen, politischen und bürgerlichen Rechte für alle in der Schweiz lebenden Menschen. Vier Elemente sind uns dabei wichtig:
ERSTENS sehen wir die Notwendigkeit, eine breite demokratische Front zur Verteidigung der Grundrechte (alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich) zu bilden. Radikale emanzipatorische Politik muss die Errungenschaften der bürgerlichen Emanzipation gegen despotische Willkür anerkennen und sie zur Not verteidigen. Wir nehmen also Teil an der Errichtung einer breiten Front zur Verteidigung des demokratischen Rechtsstaates. Wir verhalten uns innerhalb der breiten Front fair, üben solidarische Kritik, fordern umfassende Transparenz und klare Abgrenzung gegen rassistische, sexistische oder diskriminierende Haltungen.
ZWEITENS verlassen wir uns dabei keine Sekunde auf die Politik der bürgerlichen Parteien, um den Rechtstaat zu verteidigen. Zu oft hatten die Bürgerlichen in der Vergangenheit eine sehr opportunistische und sehr anpassungsfähige Vorstellung der Menschenrechte. Zu oft haben die Bürgerlichen repressive Maßnahmen und Notstandsgesetze durchgeboxt, ohne die kleinste Rücksicht auf verfassungsgemässe Grundrechte zu nehmen. Vielmehr sollen emanzipatorische Kräfte die Verteidigung der Grundrechte und der Würde aller unterdrückten Menschen selbst in die Hand nehmen. Ohne die konkrete Aneignung und alltägliche Benutzung dieser Grundrechte durch die Migrant*innen selbst, zum Beispiel auf Demos und Streiks, bleiben sie lebloses Papier.
DRITTENS sind die politischen Freiheiten (Meinung, Versammlung, Presse und Vereinswesen) für uns untrennbar vom Kampf gegen alle Formen von Unterdrückungen, seien sie rassistisch oder sexistisch begründet. Deshalb können wir uns keine Verteidigung des Rechtsstaates vorstellen, wo nicht gleichzeitig ein radikaler Ausbau, eine Expansion der sozialen und politischen Rechte für ausnahmslos alle Einwohner*innen dieses Landes erkämpft wird. In der aktuellen Diskussion heißt es, die Heuchelei hinter einer Politik zu entlarven, die ein System von Doppelbestrafung stillschweigend akzeptiert. Denn mit der Entrechtungs- wie auch der Ausschaffungsinitiative soll ein Strafrecht verschärft werden, das schon seit langem auf der Grundlage von Herkunft oder Nationalität Unterschiede zwischen den Menschen macht. Alle sind vor dem Gesetz gleich: Das ist eine fundamentale Grundhaltung, die nicht verhandelbar ist. Auf der Grundlage von Migration Menschen ihre Würde wegzunehmen, ist inakzeptabel. Dieses Unrecht zu bekämpfen, ohne aber den strukturellen Rassismus zu verurteilen, der in der Schweiz seit Jahrzehnten das Recht und die Behördenpraxis prägt, ist naiv, wenn nicht fahrlässig. Insgesamt muss man sich vor Augen führen: Die Schweiz hat ein sehr strenges Ausländerrecht und zudem eine sehr restriktive Einbürgerungspolitik. Problematisch ist zudem die Haltung der sozialliberalen Kräfte, die zwar Empörung zeigen, wenn das Parlament in seiner Gesetzgebungsfunktion durch die SVP umgegangen wird, aber nicht sehen, dass etwa 1,5 Millionen erwerbstätige Personen ohne Schweizer Pass keine Bürgerrechte besitzen, obwohl sie teilweise seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, hier leben. Um dem strukturellen Rassismus ein Ende zu bereiten, müssen grundsätzliche Forderungen migrantischer Organisationen Realität werden: Einbürgerung muss auf der Grundlage des Bodenrechts erfolgen, Wahl- und Abstimmungsrecht muss den Ausländer*innen erteilt werden, eine kollektive Regularisierung aller illegalisierten Menschen muss her.
VIERTENS sind umfassende soziale Rechte für alle das beste Mittel gegen Rassismus, weil wir wissen dass ein Teil des Rassismus sich aus der „Wettbewerbssituation“ zwischen Lohnabhängigen speist. In der Schweiz gibt es quasi keinen Schutz von gewerkschaftlichen Vertreter*innen in den Betrieben. Gegen die Schweiz laufen mehrere Klagen bei der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die eine klare Missachtung von internationalen Konventionen im Bereich der Koalitionsfreiheit (das Recht sich in Gewerkschaften zu organisieren) feststellen. Dieser Mangel hat gravierenden Konsequenzen – zunächst für die Bekämpfung von Lohndumping, aber auch insgesamt für die Gewährung fundamentaler Rechte in der Arbeitswelt. Dabei braucht es dringend wirksame Mittel gegen Lohndumping. Ebenso müssen Entlassungen und Rationalisierungen dezidiert verhindert werden, und zwar mit einem Engagement, das sicherstellt, dass alle Mitglieder der betroffenen Belegschaften ihre Arbeitsplätze behalten. Die Entlassungswelle, die über die Schweiz rollt (Alstom, Credit Suisse, SBB, Swisscom, etc.), verursacht grösste Verunsicherung bei den Lohabhängigen, die hier arbeiten, unabhängig vom Pass. In dieser Situation wäre ein konsequentes Einsetzen politischer und gesellschaftlicher Kräfte zum Erhalt der Arbeitsstellen, und für langfristige Perspektiven für die betroffenen Menschen und ihre Familien das Minimum.
Nein zu Rassismus, Lohn- und Sozialabbau! Gleiche politische, soziale und gewerkschaftliche Rechte für alle!
Bewegung für den Sozialismus, 27.2.2016

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