Am 7./8. Juli 2017 findet in Hamburg das Treffen der G20 statt. Dieses Treffen vereint die Regierungschefs der 19 wirtschaftsstärksten Staaten der Welt sowie den Präsidenten der Europäischen Kommission. Dass es dabei nicht um die Lösung globaler Probleme wie Armut, Hungersnöte, Flucht, Krieg, ökologische Verwüstungen etc. geht, zeigt allein schon die Gästeliste, welche durch die Teilnahme von ausgewiesenen Verursachern sozialer Probleme, Menschenrechtsverletzungen und ökologischer Katastrophen hervorsticht: Donald Trump, Wladimir Putin, Recep Tayyip Erdoğan, Xi Jinping, Theresa May, Angela Merkel, Michel Temer (Präsident Brasiliens), Joko Widodo (Präsident Indonesiens), um nur einige zu nennen. In einer losen Artikelfolge begleiten wir die Gegenmobilisierungen zum G20-Gipfel. Als Start veröffentlichen wir einen Ausschnitt aus der im Frühjahr 2017 erschienenen Studie «Die G20 und die Krise des globalen Kapitalismus», welche von der RosaLuxemburg-Stiftung publiziert wurde. (Red.)
von Samuel Decker und Thomas Sablowski; aus RosaLuxemburg-Stiftung
Die «Gruppe der 20» (G20) umfasst die Regierungen von 19 der wirtschaftsstärksten Staaten der Welt und den Präsidenten der Europäischen Kommission. Die Bundesregierung betrachtet die G20 als das zentrale Forum der internationalen Zusammenarbeit in Finanz- und Wirtschaftsfragen, obwohl die Regierungen vieler Länder ausgeschlossen sind und es die UNO gibt, in der nahezu alle Staaten der Erde vertreten sind.
Ist die G20 tatsächlich so etwas wie eine informelle Weltregierung – oder eher ein Papiertiger? Unsere Studie kommt zu dem Ergebnis, dass ihr die Züge von beidem anhaften. Die Widersprüchlichkeit der G20 – gekennzeichnet sowohl durch globale Machtentfaltung als auch durch weitgehende Handlungsunfähigkeit – ist eine Folge der widersprüchlichen Interessen der herrschenden Klassen der beteiligten Länder. Gemeinsam haben die darin organisierten Regierungen das Interesse an der Reproduktion der globalen kapitalistischen Ordnung, doch ihr Verhältnis ist durch scharfe Konkurrenz und die daraus resultierenden vielfältigen Konflikte geprägt. Die Internationalisierung des Kapitals produziert eine hierarchische internationale Arbeitsteilung, und die Regierungen der G20 kämpfen um die Positionen in dieser Hierarchie. Die G20 ist also als Teil der internationalen Regulation des Kapitalismus einerseits eine Form kooperativer Herrschaft, andererseits eine Bühne zur Austragung der Interessenkonflikte der Herrschenden.
Die G20 wurde nach der Asienkrise 1999 gegründet und in der jüngsten globalen Finanzkrise 2008 zu einem zentralen wirtschaftspolitischen Gremium der Staats- und Regierungschefs aufgewertet. Allerdings bezog sich ihr Krisenmanagement nicht auf die tieferen Ursachen der vielfältigen Krisen im globalen Kapitalismus, sondern auf deren oberflächliche Auslöser. Wenn es einen Bereich gibt, in dem die G20 tatsächlich politisch einflussreich war, so ist es die Finanzmarktregulierung. Allerdings griffen auch die Ansätze der G20 zu einer strikteren Regulierung der Finanzmärkte zu kurz und wurden zudem in der Umsetzung durch Interessenkonflikte in und zwischen den Nationalstaaten verwässert. Inzwischen droht sogar die Rücknahme der wenigen Fortschritte, die auf diesem Feld erreicht wurden.
In den letzten Jahren hat die G20 ihre Agenda auf Themen wie nachhaltige Entwicklung und Klimawandel ausgedehnt. Aber die G20 interpretiert die in der Agenda 2030 der UNO enthaltenen Ziele zur nachhaltigen Entwicklung in sehr eigenwilliger und verkürzter Weise. Letztlich geht es der G20 darum, neue Bereiche für Kapitalanlagen zu erschließen und private Investitionen zu fördern. So droht eine neue Welle der Privatisierung gesellschaftlicher Infrastrukturen und der Umverteilung zugunsten des Kapitals durch «öffentlich-private Partnerschaften». Die insbesondere von der Bundesregierung vorangetriebene «Partnerschaft mit Afrika» zielt darüber hinaus vor allem darauf, afrikanische Märkte zu öffnen.
Um der Kritik von sozialen Bewegungen entgegenzutreten, bemüht sich die G20 und insbesondere die Bundesregierung um eine selektive Einbindung von Nichtregierungsorganisationen in Konsultationsprozesse. Doch auch diese Einbeziehung der «Zivilgesellschaft» verbleibt im Rahmen der herrschenden Regierungslogik und führt nicht wirklich zu mehr Demokratie oder zu einem sozialökologischen Politikwechsel. Schließlich treten wirtschafts- und geopolitische Konflikte innerhalb der G20 immer stärker zutage. Letztlich zeigt sich: Die G20 sind Teil des Problems. Der Kampf um eine Demokratisierung und sozialökologische Transformation der kapitalistischen Gesellschaften ist auch ein Kampf gegen die Politik der G20. Die besondere Herausforderung besteht darin, politische Alternativen und Strategien zu entwickeln, die sich von denen der abgeklungenen globalisierungskritischen Bewegung unterscheiden.