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Frankreich: Was läuft da eigentlich gerade?

Gegen die neoliberalen Gegenreformen der französischen Regierung regt sich derzeit an verschiedenen Fronten Widerstand. Doch was passiert eigentlich in dem Land, das laut der neoliberalen NZZ vom 10. August 2017 eigentlich eine liberale „Schocktherapie“ benötigt? Höchste Zeit für einige Hintergrundinformationen.
von BFS Zürich
Die französische Regierung von Emmanuel Macron und Premierminister Eduard Philippe versucht gegenwärtig, mehrere Gegenreformen durchzusetzen. Zum einen geht es um die französische Eisenbahngesellschaft (SNCF), die für den Wettbewerb mit privaten oder öffentlichen Unternehmen «fit» gemacht werden soll. Im Gesetzentwurf vom 13. März 2018 ist eine formelle Privatisierung vorgesehen, das heisst die Schaffung einer Holdings mit den getrennten Sparten «Transport» und «Schienennetz» sowie die Umwandlung der Transportsparte in eine Aktiengesellschaft. Die SNCF ist tatsächlich in einem schlechten Zustand. Verspätungen, hohe Ticketpreise und eine massive Verschuldung prägen das Bild des Unternehmens. Als Ursache für die hohen Schulden werden aber nicht etwa die bereits seit Jahrzehnten stattfindenden Liberalisierungsbestrebungen im Bahnsektor genannt. Auch nicht erwähnt werden vonseiten der Regierung die grössenwahnsinnigen Investitionen in Hochgeschwindigkeitslinien. Als Sündenbock hinhalten müssen vielmehr die Eisenbahner*innen mit ihrem angeblich «privilegierten» Status. Dieser dient nun als Vorwand, um die Rechte der Bahnangestellten zu beschneiden und einen Keil zwischen sie und den Lohnabhängigen des Privatsektors zu treiben. Dass diese «Privilegien» der Eisenbahner*innen nur einen unbedeutenden Bruchteil der exorbitanten Ticketpreise darstellen, hält die Regierung nicht von ihrem Vorhaben ab. Denn ihr geht es vor allem darum, den Widerstand einer der kämpferischsten Sektoren der französischen Arbeiter*innenbewegung zu brechen. Sollte ihr das gelingen, hat sie mehr oder weniger freie Bahn für weitere Gegenreformen.
Gegen das geplante Gesetzt, das sich in der Vernehmlassung befindet und das die Regierung per Erlass durchboxen könnte, haben die Gewerkschaften mit Streiks reagiert. Ziel der grössten Gewerkschaften – allen voran der CGT – ist es, bis im Juni während jeweils zwei Tagen pro Woche die öffentlichen Transportmittel zu blockieren. Dabei können sie auf die wachsende Unterstützung durch andere Sektoren wie die Flugpiloten, die Müllabfuhr und die öffentliche Verwaltung zählen. Die erste Streikwoche war durch eine sehr gute Beteiligung geprägt. In einigen Sektoren wie beispielsweise bei den Lokführern kam es am Montag 9. April 2018 zu einer Streikbeteiligung von 80%. Für eine gute Einordnung dieses Arbeitskampfs in den politischen Kontext verweisen wir gerne auf den jüngsten Artikel von Bernhard Schmid auf Labournet.
Eine andere Zielscheibe des neoliberalen Eifers der Macron-Regierung ist die universitäre Bildung. Mit ihrem Gesetz über «Orientierung und Erfolg im Studium» (Loi relative à l’orientation et à la réussite étudiante, ORE, auch «Plan étudiant» genannt) will die Macron-Regierung den Zugang zur universitären Bildung restriktiver gestalten. So wurden Selektionskriterien für die Aufnahme an Universitäten eingeführt. Dominique Vidal, die amtierende Bildungsministerin, setzte zudem auch eine neoliberale Neugestaltung der Sekundarschulen durch. Das bereits am 8. März 2018 verabschiedete ORE-Gesetz schafft eine individualisierte Schulbildung. Das wird dazu führen, dass Schulabgänger*innen aus sozial benachteiligten Milieus noch grössere Schwierigkeiten haben werden, an Universitäten studieren zu können. Ebenfalls zur Gegenreform gehört die Schaffung einer neuen Bewerbungsplattform mit dem Namen «Parcoursup», die viel Willkür und eine zukünftige Auslagerung der Studiumsvorbereitung an Privatinstitute befürchten lässt. Nach einer Phase der Passivität vonseiten der Studierenden ist nun eine breite Studierendenbewegung entstanden. Diese weist die Besonderheit auf, dass mehrere besetzte Universitäten in Paris und anderen Städten zu Orten geworden sind, wo verschiedene soziale Kämpfe zusammenlaufen und sich vernetzten. Insgesamt fünf Pariser Universitäten werden aktuell besetzt. Und auch an den Universitäten von Nantes, Rennes und Toulouse streiken die Studierenden. Zudem wurden in zahlreichen weiteren Universitäten Vollversammlungen abgehalten. Dies erfolgt trotz der starken Repression. Polizeikräfte sind mit grosser Gewalt in mehrere Universitäten eingedrungen, um Aktionen von Studierenden zu verhindern.

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