
Wann/Wo
Fr., 17. Januar 20
19:00-21:30 Uhr
Sa., 18. Januar 20
10:30-20:00 Uhr
im Volkshaus Zürich
Stauffacherstr. 60,
8004 Zürich
Soliparty und Essen
Sa., 18. Januar 2020 ab 21:00 Uhr
im Provitreff,
Sihlquai 240,
8005 Zürich:
Essen, Konzerte, Party!
Kinderbetreuung
Sa., 18. Januar 2020: 10:30 Uhr im Foyer des Volkshaus und ab 11:00 Uhr in der Spielbaracke auf dem Kanzleiareal.
Spenden
Das Andere Davos kostet relativ viel Geld. Umso mehr sind wir auf finanzielle Unterstützung angewiesen!
Auch diesen Januar findet in Davos das World Economic Forum (WEF) statt. Dieses Treffen vereint die mächtigsten „Wirtschaftsführer“, einflussreiche Politiker*innen sowie die Verantwortlichen von internationalen Institutionen wie IWF, WTO oder EZB. Die Organisator*innen und Teilnehmer*innen des WEF versuchen der Öffentlichkeit zu zeigen, dass sie ernsthaft an der Lösung gesellschaftlicher Probleme interessiert seien. Dabei sind es gerade sie, die als Repräsentant*innen der kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung täglich Armut und Unterdrückung verursachen und die Verantwortung für die Zerstörung unserer Umwelt tragen.
Um eine Gegenöffentlichkeit zum WEF zu schaffen, organisiert die Bewegung für den Sozialismus (BFS) in Zürich am Freitag, 17. Januar und Samstag, 18. Januar 2020 wie jedes Jahr ein alternatives Forum – das Andere Davos.
Am diesjährigen Anderen Davos stellen wir die weltweiten Klimastreiks und ökosozialistische Perspektiven ins Zentrum der Debatten. Zusammen mit der globalen feministischen Bewegung, welche in der Schweiz am 14. Juni 2019 im historischen Frauen*streik ihren Ausdruck fand, geben die Klimastreiks und die vielfältigen ökologischen Proteste Anlass zur Hoffnung. In diesen Bewegungen können wir die Konturen einer solidarischen, feministischen und ökologischen Welt erkennen. Deshalb sagen wir wie schon beim ersten Anderen Davos 1999: Eine andere Welt ist möglich – System Change Not Climate Change!
Das Ziel des Anderen Davos ist es, der Vernetzung der Herrschenden am WEF unsere solidarischen Ideen und die kollektive Organisierung von unten entgegenzusetzen. Wir wollen länderübergreifend Aktivist*innen aus unterschiedlichen politischen und ökologischen Zusammenhängen zusammenbringen, uns mit ihnen austauschen, um schliesslich gemeinsam ökosozialistische Perspektiven zu entwickeln und Anstösse für eine solidarische Welt zu gewinnen. Unsere Gäste kommen dieses Jahr aus den USA, Brasilien, Frankreich, Belgien, Deutschland, Österreich, Schweden, Grossbritannien und der Schweiz.
Die Konferenz wird auf Deutsch, Englisch und Französisch übersetzt. Zudem wird am Samstag während dem ganzen Programm in der Spielbaracke auf dem Kanzleiareal eine Kinderbetreuung organisiert. Anschliessend an das offizielle Programm gibt es am Samstagabend eine Soliparty mit Essen im Provitreff in Zürich.
Programmübersicht
Freitag, 19-21:30 Uhr, Weisser Saal
Plenum: Climate Justice! Mit Solidarität gegen die kapitalistische Zerstörung der Welt
Wenn die kapitalistische Akkumulationsmaschinerie ins Stottern gerät, dann tragen immer jene, die ohnehin schon ausgebeutet werden, die Hauptlast der daraus resultierenden Krisen. Auch der Klimawandel stellt eine Krise der kapitalistischen Produktionsweise dar. Der auf fossilen Energieträgen basierende Kapitalismus zerstört seine eigenen Existenzbedingungen, weil er strukturell darauf ausgelegt ist, ohne Rücksicht auf die ökologischen Folgen natürliche und menschliche Ressourcen auszubeuten.

Die Maschinerie ist komplett unfähig, diesen Prozess aufzuhalten. Die katastrophalen Folgen für die Menschen sind bereits absehbar, doch ist es nicht etwa die Menschheit als Ganzes, die die ökologische Krise verursacht hat, sondern die kapitalistischen Konzerne im Interesse einiger weniger, die daraus Profit schlagen. Die Folgen davon werden aber in erster Linie von jenen getragen, die am wenigsten dazu beigetragen haben und sich am schlechtesten davor schützen können: Den Ländern des globalen Südens und den ökonomisch schlechter gestellten Menschen überall. Darüber hinaus sind Frauen* und marginalisierte Minderheiten überproportional von den bevorstehenden Naturkatastrophen betroffen. Gleichzeitig lässt sich aber auch beobachten, dass gerade Frauen* und People of Colour an vorderster Front der ökologischen Widerstandsbewegungen stehen. Der Kampf gegen den Klimawandel ist daher auch ein Kampf für Klimagerechtigkeit, welcher den Widerstand gegen Patriatchat, Rassismus und Imperialismus miteinschliesst und den Verursacher von Klimawandel und sozialer Ungerechtigkeit klar benennt: Das kapitalistische System.
Die amerikanische Feministin Tithi Bhattacharya wird an diesem Abendplenum darlegen, wie die ökologische Krise mit Fragen der sozialen Reproduktion der kapitalistischen Verhältnisse zusammenhängt, und welche Rolle die internationale Frauen*bewegung im Kampf gegen Klimawandel und Kapital spielt. Ein Aktivist der Landlosenbewegung aus Brasilien wird über die Auswirkungen der Politik des rassistischen Präsidenten des Landes auf die Regenwälder im Amazonas und über die Kämpfe der landlosen Bäuer*innen gegen Ausbeutung und Umweltzerstörung berichten. Mit Blick auf die industrialisierten Länder wird der Autoarbeiter Lars Henriksson auf die wichtige Rolle der Arbeiter*innen im Kampf gegen den Klimawandel und die klimaschädlichen Industrien eingehen. Und mit Marijke Colle werden wir schliesslich über die Wurzeln und Perspektiven der ökofeministischen Bewegung sprechen.
Mit
Tithi Bhattacharya, Autorin von Feminismus für die 99%: Ein Manifest, Herausgeberin von Social Reproduction Theoryund Aktivistin des International Women’s Strike in den USA,
Luiz Zarref, ökologischer Aktivist und Leitungsmitglied der Landlosenbewegung Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra (MST) in Brasilien,
Lars Henriksson, Autoarbeiter bei Volvo in Göteborg und Aktivist von Socialistisk Politik,
Marijke Colle, Ökofeministin und Aktivistin der Gauche Anticapitaliste aus Belgien.
Samstag, 10:30-13:00 Uhr, Weisser Saal
Ökologische und feministische Kämpfe in Brasilien
Seit Januar 2019 ist der Faschist Jair Bolsonaro Präsident Brasiliens. Seither gibt in Brasilien ein Bündnis aus wirtschaftsliberalen und nationalistischen Kräften den Ton an. Es wurden insbesondere sozialstaatliche Ausgaben gekürzt sowie die körperliche und reproduktive Autonomie der Frauen* angegriffen.
Zudem nimmt die Repression der militarisierten Polizei weiter zu, die im Namen eines „Krieges gegen Drogen und Banden“ ungestraft Staatsterror gegen People of Colour in den Armenvierteln ausübt. Ein drastisches Beispiel dieser staatlichen Gewalt war die Ermordung der sozialistischen Politikerin Marielle Franco im Jahr 2018. Gleichzeitig hofiert Bolsonaro die Agrarkonzerne und ermöglicht es den Grossgrundbesitzer, straflos Brandrodungen durchzuführen, um ihren Landbesitz zu vergrössern. Bolsonaros Politik duldet und entkriminalisiert also die Zerstörung des für das Weltklima unentbehrlichen Amazonasregenwaldes. Dies führte allein im Jahr 2019 beinahe zu einer Verdoppelung der Brände im Amazonas-Gebiet. Die Bilder der Brandherde, die im Sommer 2019 um die Welt gingen, lösten zurecht grosse Protestwellen aus.
Gegen die ökologisch desaströse Politik des „Kandidaten der Märkte“ und seinen Generalangriff auf die Rechte der Lohnabhängigen in Brasilien regt sich seither aber auch starker Widerstand. In den letzten Monaten fanden riesige Proteste von Studierenden, Obdachlosen, Indigenen und der aufkeimenden feministischen Bewegung statt. Letztere reiht sich ein in die globalen Massenmobilisierungen, welche reproduktive Selbstbestimmung und ein Ende der sexistischen Gewalt an Frauen und LGBTIQ* fordern. Gleichzeitig führt die starke Bewegung von landlosen Bäuer*innen einen bereits Jahrzehnte andauernde Kampf, um die soziale Verteilung des Bodens sowie dessen Schutz vor der Ausbeutung und Zerstörung durch internationale Konzerne. Sowohl die feministische als auch die ökologische Bewegung eint das Ziel, das radikal-kapitalistische Programm der erstarkten Rechten zu beenden.
Mit Gloría Trogo, feministische Aktivistin und Mitglied des sozialistischen Partido Socialismo e Liberdade (PSOL) und Luiz Zarref, ökologischer Aktivist und Leitungsmitglied der Landlosenbewegung Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra (MST).
Samstag, 10:30-13:00 Uhr, Grüner Saal
Ökofeminismus!
Im letzten Jahr waren zwei soziale Bewegungen unübersehbar: Die Klimastreiks und der Frauen*streik. Es sind Beispiele von massiven Mobilisierungen, wie wir sie in der Schweiz seit Jahrzehnten in nicht mehr gesehen haben. Wieso sind sie genau jetzt aktuell und was verbindet diese zwei Kämpfe?
Die Klimakatastrophe hat schon heute solch gravierenden Auswirkungen, dass Menschen in vielen Teilen der Welt direkt an Leib und Leben bedroht sind. Die Erkenntnis, dass Frauen von diesen Problemen, welche mit der voranschreitenden Klimakrise einhergehen, früher und heftiger getroffen werden, führte schon in den 1970er Jahren zu ökofeministischer Organisierung: Damals organisierten sich Frauen in Nordindien gegen die Abholzung von Wäldern, so wie es zurzeit auch wieder tausende Indigena-Frauen in Brasilien tun, um damit gegen die umweltzerstörerische Politik des faschistischen Präsidenten Bolsonaro zu protestieren. Alle diese kämpfenden Frauen waren und sind überproportional von der ökologischen Krise und deren Folgen betroffen, weil sie aufgrund ihrer sozialen Stellung den Grossteil der Reproduktionsarbeit leisten und somit direkt von einem funktionierenden Ökosystem abhängig sind.
Gleichzeitig ist es schon lange kein Geheimnis mehr, dass die Ausbeutung und Zerstörung der Natur eine Notwendigkeit für das Funktionieren des kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems darstellt. Parallel dazu verläuft die Ausbeutung weiblicher Arbeitskraft (sowohl im globalen Süden als auch in den hochindustrialisierten Ländern des Nordens). Ohne die von Frauen geleistete, meist schlecht- oder unbezahlte Arbeit, welche den Hauptteil der sozialen Reproduktion umfasst (also die Care- und Sorgearbeit, die Ausbildung, die emotionale Arbeit etc.), funktioniert der Kapitalismus nicht.
Die Ausbeutung von Frauen und die Zerstörung der Natur stellen also Grundpfeiler des Kapitalismus dar und Frauen sind aufgrund ihrer sozialen Stellung direkter von der Zerstörung der Natur betroffen. Ökofeministische Ansätze bringen den feministischen und den ökologischen Kampf zusammen und haben somit das Potential, das gängige Herrschaftssystem zu sprengen.
Im Workshop werden wir darauf eingehen, was die Unterdrückung von Frauen und die Zerstörung der Natur gemeinsam haben und was die Kämpfe dagegen verbindet. Wir werden uns ebenso der Frage widmen, wie wir die momentan erstarkenden Bewegungen der Klima- und Frauen*streiks konkret in unserem Aktivismus verbinden können.
Mit Marijke Colle, Aktivistin der Gauche Anticapitaliste aus Belgien.
Samstag, 10:30- 13:00 Uhr, Zimmer 20
Fridays for Future und Klimastreiks: Wie geht es weiter?
Seit über einem Jahr sorgt die Klima-Bewegung weltweit für Furore. In unzähligen Ländern und Städten strömen wöchentlich tausende junger Menschen aus den Schulen und Universitäten auf die Strassen, um resolut Klimaschutz einzufordern. International unter dem Namen «Fridays for Future» bekannt, ist die Bewegung in der Schweiz als «Klimastreik» im öffentlichen Raum sichtbar und verlangt von den Regierungen und Konzernen endlich alles Notwendige zu unternehmen, um die Klimakatastrophe zu stoppen.
Doch darüber, wie das Ziel einer lebenswerten Zukunft für alle auf einem intakten Planeten erreicht werden kann, herrscht in der Bewegung und über diese hinaus Uneinigkeit. Insbesondere die Forderung nach einem «System Change» wird kontrovers diskutiert: Was ist das überhaupt, ein «System Change»? Wie wird ein solcher erreicht? Und was hat das mit Kapitalismus zu tun?
Nach Jahrzehnten, in denen der Kapitalismus als alternativlos galt (und eine kapitalismuskritische Haltung ein Randphänomen war), wird das dominante Wirtschaftssystem nun wieder hinterfragt. Es wird diskutiert, ob und wie viel Wachstum nötig ist und ob ein System, das immer wachsen muss, überhaupt umweltfreundlich gestaltet werden kann.
In Bezug auf diese Fragen zeigt sich die Klima-Bewegung in Europa ziemlich heterogen. Sehr häufig sind bei Demonstrationen kapitalismuskritische Parolen zu hören. Gleichzeitig betonen beträchtliche Teile des Klimastreiks aber immer wieder, dass kein systemischer, sondern vor allem ein individueller Wandel nötig sei. Individuelle Verhaltensänderungen und Einschränkungen beim Konsum seien der Schlüssel zum Erfolg.
Zum ersten Mal seit vielen Jahren erleben wir auf den Strassen ganz Europas und darüber hinaus eine grosse und dynamische Jugendbewegung. Linke Organisationen und Aktivist*innen waren von Anfang an ein wichtiger Teil davon. Welche Erfahrungen haben wir dabei gesammelt? Wie können wir mit der Heterogenität der Bewegung umgehen? Weshalb ist es wichtig, antikapitalistische Inhalte einzubringen?
Diese und hoffentlich viele weitere Fragen möchten wir mit Klimastreikenden aus mehreren europäischen Ländern diskutieren. Wir möchten auf die regionalen und nationalen Unterschiede eingehen und uns überlegen, wie wir den internationalen Charakter und unsere Zusammenarbeit über Landesgrenzen hinweg stärken können.
Mit Aktivist*innen von Fridays For Future aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Belgien und der Schweiz.
Samstag, 10:30-13:00 Uhr, Zimmer 22
Grüner Kapitalismus? Ökosozialistischer Umbau!
Inzwischen ist auch im politischen Mainstream angekommen, dass die ökologische Krise kein Hirngespinst ist, sondern eine Realität darstellt. Dies zeigt sich etwa dadurch, dass sich die internationale Staatengemeinschaft 2015 das Ziel gesetzt hat, die Temperaturerhöhung der Erde bis Ende des Jahrhunderts auf 2 Grad zu begrenzen.
Nur: Diese Absichtserklärung wird genauso wenig reale Konsequenzen haben, wie diejenigen vergangener Klimakonferenzen. Dies ist kein Zufall, denn einem wirklichen Handeln stehen strukturelle Widerstände im Weg. Im Kapitalismus ist der Profit der Besitzenden die Triebfeder der Produktion, und um die Profite zu erhöhen, muss die Wirtschaft kontinuierlich wachsen. Da jedoch Arbeit und Natur die Quelle allen Reichtums sind, ist wirtschaftliches Wachstum zwangsläufig mit einem erhöhten Ressourcenverbrauch verbunden.
Dieser Realität wird in den meisten Lösungsvorschlägen keine Rechnung getragen. Politiker*innen träumen vom «grünen Kapitalismus» und sind versucht, der Natur einen Preis zu geben, um so Anreize zur Verminderung von Umweltschäden zu schaffen. Es wird darauf gehofft, dass der grüne Umbau der Wirtschaft aus Gründen der Profitabilität von selbst geschieht und das neue Technologien entwickelt würden, die den Klimawandel von selbst lösen.
Zunehmend wird jedoch klar, dass das 2-Grad-Ziel nicht reicht, um schwerwiegende Folgen für Mensch und Umwelt zu verhindern. Dafür müsste die Erwärmung auf 1.5 Grad begrenzt werden, wofür der globale CO2-Ausstoss bis 2030 auf null absinken müsste, wenn der Atmosphäre nicht im grossen Stil CO2 entzogen werden soll. Weiten Teilen der Öffentlichkeit ist die Diskrepanz dieses Zieles und des realen Handelns der Politiker*innen klar. Es ist mehr als fraglich, ob sich das 1.5-Grad-Ziel unter kapitalistischen Bedingungen realisieren lässt, oder ob nicht viel mehr ein Systemwandel benötigt wird.
Ein grüner Umbau muss daher ein Umbau der Wirtschaft weg vom Zweck des Profits der Besitzenden hin zum Zweck der Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse sein und eine rationale und bewusste Regulierung des Stoffwechsels des Menschen mit der Natur zum Ziel haben.
Dieser ambitioniertere Ansatz stellt die Frage nach einer ökosozialistischen Strategie. Wie kann der Umbau der Wirtschaft vollzogen werden und wie soll sich der radikale Teil der Klimabewegung organisieren?
Mit Gareth Dale, Politikwissenschaftler in London und Autor von Green Growth, und Christian Zeller, Wirtschaftsgeograf in Salzburg und Aktivist von Aufbruch für eine ökosozialistische Alternative.
Mittagspause
Samstag, 14:30-17:00 Uhr, Weisser Saal
Feminismus für die 99 Prozent
Von den Protesten gegen das Abtreibungsverbot in Polen über die Kämpfe gegen Gewalt an Frauen* in Argentinien bis zum Women’s March in den USA: die feministische Bewegung erstarkt weltweit. Neben Diskriminierung und Gewalt an Frauen* stehen Arbeitsbedingungen und Fragen der sozialen Reproduktion im Zentrum. Die Bewegung orientiert sich nicht an den Bedürfnissen einer privilegierten Schicht einzelner Frauen, die Führungspositionen in Wirtschaft und Politik innehaben, sondern geht von den konkreten Lebensbedingungen der grossen Mehrheit aus. Im Gegensatz zum (neo-)liberalen Feminismus, der Frauen dazu anhält, Karriere zu machen, fordern die Aktivist*innen eine Gesellschaft, in der alle Frauen* ein selbstbestimmtes Leben führen können.
Ein zentrales Mittel der Bewegung ist der Streik: Produktive und reproduktive Arbeit werden niedergelegt, um auf die doppelte Belastung von Frauen* aufmerksam zu machen. Am feministischen Streik im Spanischen Staat am 8. März 2018 nahmen rund 6 Millionen Frauen* teil, in der Schweiz waren es am 14. Juni 2019 eine halbe Million und auch in Arbeitskämpfen wie den Lehrer*innenstreiks in den USA stehen Frauen* an vorderster Front. Die Streiks führen zu einer Radikalisierung der feministischen Bewegung: Sie politisieren eine ganze Generation junger Frauen* und repolitisieren ältere Generationen.
Die Theorie der sozialen Reproduktion erkennt die Ursache der Unterdrückung der Frauen* in der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung: Produktive Arbeit wird in der kapitalistisch-patriarchalen Gesellschaft Männern* zugewiesen, reproduktive Arbeit Frauen*. Soziale Reproduktion umfasst alle Arbeit, die es alltäglich braucht, damit Arbeiter*innen weiterhin produktive Arbeit leisten, also zum Beispiel Dinge wie Ernährung oder Wohnraum, aber auch Erziehung von Kindern oder Freundschaft. Diese Dinge ermöglichen konkret die (Wieder-)Herstellung des Lebens, der Menschen an sich. Soziale Kategorien wie Klasse, Geschlecht und Ethnizität interagieren dabei und sind ein Ausdruck der gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse.
Im Kapitalismus ist die soziale Reproduktion notwendigerweise der Produktion untergeordnet, da der Zweck des kapitalistischen Wirtschaftens die Profitmaximierung und nicht die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse ist. Das Verhältnis von Produktion und Reproduktion ist jedoch ein widersprüchliches: Zwar ist der Kapitalismus auf die Arbeitskraft und somit auf die soziale Reproduktion angewiesen, zugleich sollen aber die Kosten dafür möglichst tief gehalten werden. Die Reproduktionsarbeit wird deshalb abgewertet und un- oder unterbezahlt. Entgegen der Haltung von (neo-)liberalen Feminist*innen wird die Emanzipation also nicht im Schulterschluss mit den Unternehmen, sondern im antikapitalistischen Kampf gegen sie gewonnen.
Die Forderung nach einem Systemwandel muss also auch die Forderung nach einer Aufwertung und Neuverteilung der Reproduktionsarbeit beinhalten. Anstelle des Profits müssen die menschlichen Bedürfnisse unter Berücksichtigung der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit ins Zentrum gestellt werden.
Mit Tithi Bhattacharya, Autorin von Feminismus für die 99%: Ein Manifest, Herausgeberin von Social Reproduction Theory und Aktivistin des International Women’s Strike in den USA.
Samstag, 14:30-17:00 Uhr, Grüner Saal
Was ist Ökosozialismus?
Der Slogan «System Change Not Climate Change» ist mittlerweile überall an Klimademonstrationen zu hören. Er trifft die Sache auf den Punkt: Je akuter die Gefahr der Klimakatastrophe wird, umso deutlicher zeigt sich, dass das kapitalistische System mit einem nachhaltigen Wirtschaften nicht vereinbar ist. Um den Klimawandel zu stoppen, braucht es einen Bruch mit der Logik des Wachstums; es braucht eine Produktionsform, welche die Menschen und die Natur und nicht den Profit der Herrschenden ins Zentrum stellt.
Wie aber könnte ein derartiger Systemwandel aussehen? Wie können wir nachhaltig produzieren und dabei für Solidarität und eine radikale Demokratisierung aller Lebensbereiche sorgen? Und vor allem: Wie können wir solche grundlegenden Umwälzungen gegen die mächtigen Interessen von Regierungen, Ölfirmen, Agrarkonzernen, Autoindustrie und Finanzbranche durchsetzen?
Seit vielen Jahren suchen Ökosozialist*innen Antworten auf diese Fragen. Dabei verfolgen sie nicht nur das Ziel, die Natur zu schützen und nachhaltig mit unseren Ressourcen umzugehen. Mit einer antikapitalistischen, feministischen, internationalistischen und antirassistischen Perspektive soll gleichzeitig allen Menschen auf dieser Welt ein würdiges Leben ermöglicht werden.
Gemeinsam mit Daniel Tanuro, u.a. Autor verschiedener Bücher zur Klimakrise und den Zusammenhängen zum Kapitalismus, diskutieren wir über ökosozialistische Alternativen und Strategien, mit denen wir eine lebenswerte Zukunft erobern können. Wie können wir in einer sich erhitzenden Welt an die Traditionen des Sozialismus und der Arbeiter*innenbewegung anknüpfen?
Mit Daniel Tanuro, Agrarwissenschaftler, ökosozialistischer Theoretiker und Aktivist der Gauche Anticapitaliste in Belgien.
Samstag, 14:30-17:00 Uhr, Zimmer 20
Um- und Rückbau der Industrie: eine ökologische Notwendigkeit
Die kapitalistische Produktions- und Konsumweise führt direkt in die ökologische Katastrophe. Alle Versuche, die grossen Konzerne als Hauptverantwortliche für die Zerstörung der Umwelt zur «Vernunft» zu bringen, scheitern. Ebenso wenig haben die Initiativen, mittels Ökolabels, Nachhaltigkeitszertifikaten und fairem Handel unseren Konsum bewusster und ökologischer zu gestalten, zu einer Verringerung des weltweiten CO2-Ausstosses geführt. Die ökologischen Herausforderungen verlangen offensichtlich nach anderen, drastischeren Mitteln: dem radikalen Um- und Rückbau aller umweltschädlichen Industrien und einer grundlegend anderen Produktionsweise.
In Europa kommt dabei der Autoindustrie, von der Millionen Arbeitsplätze abhängen, eine ganz zentrale Bedeutung zu. Die Konversion der kriselnden Autoproduktion ist eine ökologische Notwendigkeit. Sie wird aber riesigen Widerstand der Autokonzerne, die auf ihrem Privateigentum (und über dessen Verfügung) beharren werden, sowie der Beschäftigten hervorrufen.
Ohne die Arbeiter*innen in diesen Industrien für eine ökologische, solidarische Zukunft zu gewinnen, wird der Um- und Rückbau daher nicht funktionieren. Er wird nur gelingen, wenn die Konversion der Industrien den Beschäftigten andere Arbeits- und Lebensperspektiven bieten kann. Und dafür ist Autoindustrie quasi prädestiniert: Autofabriken sind hochtechnologisierte Massenproduktionsstätten, in denen sich alles andere als (Elektro-) Autos für den Individualverkehr produzieren lässt (z.B. öffentliche Verkehrsmittel). Der Einbezug der Beschäftigten und ihres Knowhows wird für eine ökologisch sinnvolle und sozial nachhaltige Umstellung der Produktion entscheidend sein.
Im Workshop wollen wir auf drei ökologische Notwendigkeiten eingehen: die Konversion der (Auto-)Industrie, die Gewinnung der Arbeiter*innen in den betroffenen Industrien für diese Pläne, sowie die Zusammenführung der Gewerkschafts- mit der Klimabewegung.
Mit Lars Henriksson, Autoarbeiter bei Volvo in Göteborg und Aktivist der Socialistisk Politik, und Bea Sassermann, ehemalige Betriebsrätin beim Pharmariesen Bayer in Wuppertal und Mitinitiatorin von «Gewerkschafter*innen für Klimaschutz».
Samstag, 14:30-17:00 Uhr, Zimmer 22
Schweizer Konzerne vs. Klimabewegung
Seit einigen Monaten wird in der Schweiz für den Klimastreik mobilisiert. Die Bewegung hat es erfolgreich geschafft nebst zehntausenden Schüler*innen auch vermehrt Studierende und Lohnabhängige fürs Klima auf die Strasse zu bringen. Die willentliche Untätigkeit der Unternehmen und Politiker*innen lösten auch in der Schweiz Frustration, Empörung und Tatendrang unter den Schüler*innen aus. Es entstand die grösste Jugendbewegung seit Jahren.Nicht nur der schweizerische Finanzplatz ist ein wichtiger Akteur, wenn es darum geht, in umweltschädliche und menschenfeindliche Technologien zu investieren. Auch zahlreiche Rohstoffhändler und Industriekonzerne in der Schweiz verdienen ihr Geld mit Technologien und Produkten, die es so längst nicht mehr geben dürfte.
Mit dem Collective Climate Justice existiert in der Schweiz seit vier Jahren ein Kollektiv, welches mit der Strategie des zivilen Ungehorsams auf diese Missstände aufmerksam macht und die Rolle von Unternehmen wie der Credit Suisse, der UBS oder Glencore thematisiert.
Vor kurzem wurde hierzulande ausserdem die internationale Bewegung Extinction Rebellion aktiv. Sie bringt dank neuartigen Organisationsformen immer wieder erfolgreich Menschen auf die Strasse und macht so auf ihre Anliegen aufmerksam.
Im Workshop zur Rolle der Schweizer Konzerne bei der Zerstörung der Umwelt thematisieren Aktivist*innen verschiedener Kollektive über den aktuellen Zustand der hiesigen Klimabewegung. Sie benennen Perspektiven und Verdienste, jedoch auch die Schwächen der Bewegung und welche Gefahren auf sie lauern. Weiter wollen wir diskutieren, wie der Widerstand gegen die Macht umweltschädlicher Konzerne organisiert werden kann und welche Protestformen dabei sinnvoll sind.
Mit Aktivist*innen von Multiwatch Basel, des Collective Climate Justice, der Winterwanderung «Strike WEF» und der Bewegung für den Sozialismus.
Samstag, 18-20 Uhr, Weisser Saal
Plenum: System Change not Climate Change! Eine andere Welt ist nötig
Der Kapitalismus zeigt immer deutlicher, dass er unfähig ist, die soziale Reproduktion des Lebens auf dem Planeten zu gewährleisten. Die globale Klimastreikbewegung, die im Dezember 2018 ihren Anfang nahm, zeigt die Entschlossenheit von Millionen von Menschen, die Zerstörung der Umwelt durch die kapitalistischen Konzerne nicht mehr widerstandslos hinzunehmen. Die selbstorganisierte Bewegung trägt nicht nur die Konturen einer anderen Welt in sich und zeigt Alternativen zum kapitalistischen System auf, sondern beeinflusst auch tatsächlich den politischen Diskurs weltweit. Sie ist Ausdruck der berechtigen Hoffnung, das reale Kräfteverhältnis auf der Welt längerfristig zu beeinflussen.

Ohne in blinde Hoffnung zu verfallen und die gegenwärtig so beängstigende Lage in Europa, im Nahen Osten und anderswo zu verkennen, bestätigen die Ausbrüche kollektiven Unmutes jedoch unsere Überzeugung, dass sich das Bewusstsein der Lohnabhängigen während gemeinsamen Aktionen sprunghaft verändern und radikalisieren kann. Solidarität tritt an die Stelle von Individualismus und Fremdenfeindlichkeit. In diesem Sinne ist die Klimastreikbewegung auch eine effektive und nachhaltige Antwort auf den Aufstieg rechtsextremer und faschistischer Parteien.
Was es heisst, sich in einem Land mit einem faschistischen Präsidenten für eine andere, ökologische und solidarische Welt zu engagieren, wird an diesem Abendplenum die feministische Aktivistin Gloria Trogo aus São Paulo ausführen. Mit dem bekannten ökosozialistischen Theoretiker Daniel Tanuro wollen wir diskutieren, warum es keinen grünen Kapitalismus geben kann und wir deshalb einen «System Change» brauchen und wie eine ökosozialistische Alternative zum Kapitalismus aussehen könnte. Den Wirtschaftsgeografen Christian Zeller fragen wir, welche Strategien wir benötigen, um dieser Alternative näher zu kommen. Und schliesslich wird die Aktivistin Lisi Kalera darauf eingehen, wie wir uns in der Schweiz politisch organisieren und engagieren können, um der laufenden Zerstörung unserer Umwelt und unserer Lebensbedingungen Einhalt zu gebieten.
Mit
Gloria Trogo, feministische Aktivistin und Mitglied des sozialistischen Partido Socialismo e Liberdade (PSOL) in Brasilien,
Daniel Tanuro, Agrarwissenschaftler, ökosozialistischer Theoretiker und Aktivist der Gauche Anticapitaliste in Belgien,
Christian Zeller, Wirtschaftsgeograf und Aktivist von Aufbruch für eine ökosozialistische Alternative in Österreich,
Lisi Kalera, Aktivistin von Collective Climate Justice (CCJ) und der Bewegung für den Sozialismus (BFS).