Die Asylpolitik der Schweiz zielt neuerdings darauf ab, die Asylverfahren in grossen Bundeslagern zu zentralisieren. Die Asylsuchenden sollen dabei zusammengepfercht auf engstem Raum interniert werden. Ein Kollektiv aus Asylsuchenden, Sans-Papiers, politischen Organisationen und Aktivist_innen organisiert Widerstand gegen diese rassistischen Pläne und wird das Duttweiler-Areal, auf dem ein solches Bundeslager errichtet werden soll, besetzen. Wir veröffentlichen nachstehend das Argumentarium gegen den Bau von solchen Bundeslagern, welches das Kollektiv erarbeitet hat. (Red.)
Bundeslager als Teil des postkolonialen Grenzregimes
Bundeslager dienen offiziell zur Abschreckung von Migrant_innen. Sie reihen sich damit in die Massnahmen zur migrationspolitischen Abschottung Europas ein und zementieren damit postkoloniale Machtverhältnisse. Seit den 1970er Jahren findet eine Globalisierung der Produktion und des Handels statt. Märkte werden liberalisiert und grosse Teile der westlichen Industrie in ehemals kolonialisierte Niedriglohnländer verlagert. Damit sind Landenteignungen von Millionen subsistenzwirtschaftender Landwirt_innen sowie die Zerstörung lokaler Märkte und Sozialstrukturen verbunden. Als Folge dieser Ausbeutung und in der Hoffnung auf eine bessere Lebensperspektive migrieren viele Personen nach Europa. Die europäischen Unternehmen sind jedoch aufgrund des wachsenden Tertiärsektors immer weniger auf niedrigqualifizierte Lohnabhängige aus dem Süden angewiesen. Innerhalb des Schengenraumes herrscht Personenfreizügigkeit. Sie wird als kultureller Erfolg der europäischen Einheit gefeiert, führt jedoch mangels Schutzbestimmungen der Arbeitsbedingungen zu Konkurrenz und Lohndruck. Die Einwanderung nach Europa wird durch kontingentierte Aufnahmen von Hochqualifizierten, verstärkte Kontrollen der Aussengrenze und systematische Ausschaffungen reguliert. Mit den Bundeslagern wird die Schweiz über eine weitere Massnahme verfügen, um die postkolonialen Machtverhältnisse zu verteidigen.
Bundeslager als Teil des kapitalistischen Ausbeutungsregimes
Falls Migrant_innen trotz lebensbedrohlichen Grenzregimes in die Schweiz gelangen, sollen sie in Zukunft in Bundeslagern gesteckt werden. Diese sind wie Lager im Allgemeinen ein Ort der Entrechtung, der Isolation und der Stigmatisierung. In Bundeslagern werden die Flüchtlinge in „Richtige“ und „Falsche“ unterteilt. Illegalisierte Migrant_innen werden der Ausschaffungsmaschinerie zugeführt oder müssen untertauchen und sich mit Schwarzarbeit durchschlagen. Niedriglohnbranchen wie Bau, Gastronomie, Landwirtschaft oder der care-Bereich setzen auf einen ethnisch hierarchisierten Arbeitsmarkt und die Ausbeutung dieser illegalisierter Migrant_innen. In bestimmten Sektoren benötigt das Kapital solche entrechteten Arbeitskräfte, um archaische Ausbeutungsformen aufrechtzuerhalten. Die blosse Anwesenheit stigmatisierter Arbeitskräfte dient dazu, Teile der Arbeitswelt gegeneinander auszuspielen. Illegalisierte Migrant_innen sind idealtypische Angestellte des neoliberalen Akkumulationsregimes und führen zur Anpassungen der Lohn- und Anstellungsbedingungen nach unten. Die Bundeslager tragen dazu bei, dass das Kapital zu den benötigten ausbeutbaren Arbeitskräften kommt.
Bundeslager als Teil des neoliberalen Asylregimes
Die laufende Asylgesetzrevision hat wie die bisherigen einen ausgeprägten unternehmerischen Managementcharakter. Die effizientere Gestaltung des Asylverfahrens und der effektivere Vollzug von Wegweisungen standen häufig im Mittelpunkt der Revisionen. Effizienz und Effektivität stellen Kriterien in einem betriebswirtschaftlichen Unternehmen dar, um die Abläufe zu optimieren. Die Bundeslager sollen die Abläufe ebenfalls „beschleunigen“. Asylsuchende, BFM, Rechtsvertretung, Rückkehrhilfe, Dokumentenprüfende, Polizei, u.s.w. werden zu diesen Zweck künftig am gleichen Ort konzentriert. Hierzu werden in der Umgebung der fünf Empfangszentren je vier Lager an bis zu 400 Plätzen und zu den 430 bestehenden Haftplätzen weitere 700 für Ausschaffungs- oder Beugehaft geschaffen. Diese Beschleunigung wird im Sinne der Asylsuchenden dargelegt, da diese ein Recht auf einen raschen Entscheid hätten. Tatsächlich geht es um die effiziente und effektive Lenkung der Migration. Die neuen Bundeslager gehen deshalb mit einer massiven Erhöhung des Repressionsapparates einher. Das Ziel ist die Zahl der Asylgesuche bzw. Kosten zu senken und „echte“ von „falschen“ Flüchtlingen zu trennen. Das sind die Qualitätsmerkmale eines neoliberalen Asylregimes, welches Flüchtlinge stigmatisiert, degradiert und wie Waren in einer Fliessbandproduktion verarbeitet.