Die Ecopop-Initiative führt die existierenden Umweltprobleme auf die sogenannte „Überbevölkerung“ im globalen Süden zurück und gibt vor, diese Probleme mittels „Entwicklungshilfe” und „Bevölkerungskontrolle“ lösen zu wollen. In Wirklichkeit ist die Initiative aber eine weitere Etappe in der langen Reihe von fremdenfeindlichen und rassistischen Vorstössen der letzten Jahre.
von BFS Jugend Zürich
Die Befürworter*innen der Ecopop-Initiative beziehen sich theoretisch vor allem auf den „Essay on the Principle of Population“ (1798) von Thomas Robert Malthus. Dieser entwickelte ein Bevölkerungsgesetz, welches davon ausgeht, dass die Bevölkerung in einer geometrischen Reihe wächst (1 – 2 – 4 – 8 usw.), während die Nahrungsmittelproduktion mit einem arithmetischen Wachstum (1 – 2 – 3 – 4 usw.) nicht mehr nachkommt.
Die Entwicklung der letzten zweihundert Jahre hat gezeigt, dass Malthus falsch lag. Mit der Veränderung der wirtschaftlichen Bedingungen sind die Lebenserwartung und die Nahrungsmittelproduktion gestiegen, während die Kindersterblichkeit sank. Mit diesen Veränderungen ging ein Rückgang der Geburtenrate einher. In Europa bleibt das Bevölkerungswachstum deshalb seit Jahren relativ stabil und wäre ohne Migration und steigende Lebenserwartung sogar rückläufig. Im globalen Süden findet zum Teil noch immer ein starkes Bevölkerungswachstum statt.
Verhütungsmittel gegen Migrantenströme?
Die Neomalthusianier*innen der Ecopop-Initiative glauben dieses Wachstum durch Bevölkerungskontrolle in Entwicklungsländern, finanziert durch schweizerische Entwicklungshilfe, stoppen zu können. Hierbei werden jedoch nicht die strukturellen Ursachen der Probleme angegangen, sondern nur deren Phänomene kurzfristig bekämpft. Der eigentliche Grund für das starke Bevölkerungswachstum in vielen Regionen der Welt liegt nicht an fehlenden Verhütungsmitteln, sondern am niedrigen Lebensstandard und der fehlenden, sozialen Versorgung der Bevölkerung. Solange Armut herrscht, sind Kinder immer auch eine wirtschaftliche Absicherung. Gäbe es mehr soziale Sicherheit und wirtschaftliche Stabilität in diesen Regionen, würde erstens die Geburtenrate sinken und zweitens weniger Menschen aus Existenznot ihre Heimat verlassen, um überhaupt überleben zu können.
Eine an westlichen Interessen orientierte Bevölkerungskontrolle in Entwicklungsländern kommt diesem Ziel jedoch nicht näher, sondern ist bevormundend, sexistisch und neokolonialistisch. Frauen werden damit auf das Kinderbekommen reduziert und zum Verhüten genötigt. Wenn auch die Initiant*innen von “freiwilliger Familienplanung” reden, schwingen immer auch Aspekte von Eugenik mit: Um die Schweiz als Idylle zu erhalten, soll Migration verhindert werden, indem potentielle Migrant*innen gar nicht erst geboren werden.
Umweltprobleme wegen Bevölkerungswachstum?
Diese Denkweise findet sich auch in Malthus Texten wieder. So schreibt dieser in der zweiten Auflage seines „Essay on the Principle of Population“ (1803), dass ein Mensch, dessen Eltern arm sind und ihn nicht ernähren können und „dessen Arbeit die Gesellschaft nicht will, kein Recht hat, die kleinste Menge an Nahrung zu beanspruchen“ und somit einer menschlichen Existenz unwürdig sei. Diese unsoziale, ja menschenverachtende Einstellung ist also die theoretische Grundlage der Ecopop-Initiative. Ähnlich wie damals leugnen auch die heutigen Malthusianer*innen, dass Armut durch die Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise hervorgerufen wird. Stattdessen behaupten sie, dass soziale Unterschiede quasi Naturgesetze seien, die nichts mit Abhängigkeit und Unterdrückung zu tun hätten.
Die Ecopop-Initiative hat demnach das Ziel, den Wohlstand der herrschenden Klasse durch die Diskriminierung der Armen zu sichern. Obwohl es wissenschaftlich gesehen allgemein für Unsinn gehalten wird, behaupten die Neomalthusianer*innen dennoch, dass das hohe Bevölkerungswachstum im globalen Süden für Umweltprobleme verantwortlich sei. In Wirklichkeit ist ein Großteil des weltweiten ökologischen Fussabdruckes auf die kapitalistische Industrieproduktion der westlichen Länder zurückzuführen. So haben die Schweiz, zahlreiche europäische Länder und die Vereinigten Staaten 2008 über viermal mehr Ressourcen verbraucht, als die Biokapazität des Planeten in dieser Zeit pro Person erneuern kann. Hingegen liegt der Verbrauch in vielen Ländern Afrikas deutlich unter dem weltweiten Durchschnitt. Sogar das statistische Bundesamt der Schweiz meint, dass die hiesige Bevölkerung diesbezüglich „auf Kosten anderer Erdteile und künftiger Generationen“ lebt.
Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, Wohlstandsschwund sind kapitalistische Phänomene!
Die irrationale Furcht vor Überbevölkerung tritt stets in Perioden auf, in denen der bestehende Sozialzustand einer Gesellschaft im Zerfall begriffen ist. Aufgrund der weltweiten kapitalistischen Krise greifen die herrschenden Klassen auch in der Schweiz die sozialen Sicherungssysteme der Gesellschaft systematisch an. Sozialabbau und steigende Kosten für Gesundheit und Bildung gehören seit Jahren zum politischen Alltag in der Schweiz und führen zu einer spürbaren Verschlechterung des Lebensstandards. Der Wohnraum wird durch Aufwertung und Spekulation verknappt und verteuert. Die ungenügende Absicherung auf dem Arbeitsmarkt vergrössert zudem den Konkurrenzdruck auf dem Arbeitsmarkt. Unter solchen Umständen fällt es leicht den real existierenden Unmut der Bevölkerung von den eigentlichen Ursachen weg, hin zu einem fiktiven Feindbild zu lenken und die Migranten*innen als Sündenböcke darzustellen. Dass der hiesige Wohlstand aber zu einem gewichtigen Teil auf der Ausbeutung der Arbeitskraft von Migrant*innen basiert, bleibt dabei unerwähnt.
Internationalistische Perspektiven entwickeln!
Um eine nachhaltige, selbstbestimmte Entwicklung der Länder im globalen Süden und überall – frei von Mangel, Ausbeutung und Unterdrückung – zu realisieren, müssen wir gemeinsam die imperialistischen Abhängigkeitsverhältnisse enttarnen und das auf Ausbeutung beruhende globale Wirtschaftssystem von Grund auf ändern. Solange die kapitalistischen Konzerne und deren Regierungen die „unterentwickelten“ Länder systematisch klein halten, deren natürlichen Reichtum und die Menschen ausbeuten, wird es sowohl Armut auch Migrationsbewegungen in Richtung globalen Norden geben.
Unter einem „ökologischen“ und gar „sozialen“ Deckmantel verbirgt die Ecopop-Initiative ihre fremdenfeindliche, neokolonialistische, sexistische unsoziale und unökologische Politik. Auf globale Probleme gilt es globale Lösungen zu finden und sich gegen kleinkarierten Rassismus und ökologischen Stumpfsinn entschieden zur Wehr zu setzen.
Durchbrechen wir die Endlosschlaufe von fremdenfeindlichen Initiativen und rassistischer Hetze! Entwickeln wir gemeinsam mit den lohnabhängigen des Südens Themen und solidarische Formen des Kampfes, um internationalistischen Perspektiven wieder neuen Geist einzuhauchen!
Alle an die Demo am Samstag, 29. November 2014 um 14:00 Uhr auf dem Helvetiaplatz! Mehr Infos gibts hier.