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Wieso Pegida in der Schweiz keinen Erfolg hat

Die linke Tageszeitung junge Welt aus Deutschland führte mit einem Aktivisten der Bewegung für den Sozialismus ein Interview über Pegida-Schweiz [Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes]. Letztere habe hierzulande keinen Erfolg, weil die SVP mit ihren Initiativen bereits das durchgesetzt hat, was sich Pegida für Deutschland wünscht. (Red.)

aus junge Welt

Am Mittwoch, 3. Februar 2016 scheiterte auch der 16. Versuch von Pegida-Schweiz, eine Demonstration durchzuführen – sie wurde kurzfristig abgesagt. Diese rechte Bewegung bemüht sich schon seit längerem darum, auf der Straße Präsenz zu zeigen – wieso klappt das nicht?

Die Schweizer Pegida hat es jetzt zum 16. Mal versucht, die Erlaubnis für eine Kundgebung zu bekommen. Jedes Mal ist sie gescheitert, oft an Formfehlern. Dieses Mal sah es so aus, als hätten sie Erfolg: Die Stadt Basel hatte für den 3. Februar eine Bewilligung erteilt – unter dem Druck der empörten Öffentlichkeit wurde sie aber wieder zurückgezogen. Pegida wollte sich davon nicht beeindrucken lassen und hat dafür getrommelt, notfalls ohne Genehmigung zu demonstrieren – gestern haben die Organisatoren dann doch aufgegeben. Diese Bewegung hat nun mal in der Schweiz wenig Rückhalt in der Bevölkerung.

Warum das?

Rechte Aktivitäten findet man bei uns weniger auf der Straße als im Parlament. Die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei, SVP, ist dort mit 29,4 Prozent der Wählerstimmen die größte Kraft. Sie inszeniert sich gerne als »Anti-Establishment«, obwohl sie seit Jahren Teil genau dieses Establishments ist. Oder als »Anwalt des kleinen Mannes«, obwohl ein großer Teil der Schweizer Bourgeoisie hinter ihr steht. Deswegen ist die SVP immer vorne dabei, wenn es um Sparpakete geht.
In den vergangenen Jahren ist die Rechtsentwicklung in der Schweiz drastischer verlaufen als in den meisten anderen europäischen Staaten. Es verwundert deshalb kaum, dass die Schweiz im Positionspapier der deutschen Pegida vom Februar 2015 in vier von 19 Punkten als Vorbild genannt wird.

Welche Maßnahmen machen die Schweiz denn zu einem Vorbild für Rechte und Rassisten?

Die Annahme der rassistischen »Anti-Minarett-Initiative« am 29. November 2009 war so etwas wie ein Dammbruch. Dann hat das Stimmvolk 2010 die sogenannte »Ausschaffungsinitiative« angenommen. Die schreibt verbindlich fest, dass straffällig gewordene Personen ohne Schweizer Pass ausgewiesen werden müssen, wenn sie bestimmte Delikte begehen. Und erst 2014 hat die SVP die Initiative »Gegen Masseneinwanderung« durchgebracht. Damit sollte die angeblich unkontrollierte Zuwanderung gestoppt werden.

Was fordert die Rechte in der Schweiz zur Zeit?

Weil die »Ausschaffungsinitiative« nach Ansicht dieser Rechten zu lasch umgesetzt wird, soll am 28. Februar eine »Durchsetzungsinitiative«, DSI, zur Abstimmung gestellt werden. Dadurch würde die Verfassung der Eidgenossenschaft um einen Artikel ergänzt, der Straftaten wie Körperverletzung, Hausfriedensbruch, öffentliche Aufforderung zur Gewalt, aber auch Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz mit Landesverweis und Einreiseverbot bestraft.
Damit würde das Justizsystem in gewisser Weise automatisiert: Ein bestimmtes Vergehen zieht eine bereits feststehende Strafe nach sich. Das aber ist selbst für Verfechter des bürgerlichen Staates ein drastischer Angriff auf die Gewaltenteilung.

In der Weltöffentlichkeit stellt sich die Schweiz gerne als kosmopolitisch und weltoffen dar – woher kommt dann diese rassistische Stimmung?

Die Schweiz ist in der Tat internationalisiert. Besonders für Unternehmen, speziell die Finanzindustrie. Diejenigen, die aus rassistischen Einstellungen heraus die SVP wählen, gehören wohl eher zu den Verlierern der Globalisierung: Es sind auffällig viele Arbeiter und Gewerbetreibende.
Die wirtschaftlichen Mächte, die hinter dieser Partei stehen, profitieren auf der einen Seite von der rassistischen Hetze gegen Migranten. Auf der anderen brauchen sie sie aber auch als Arbeitskräfte. So erklärt es sich, dass die SVP unmittelbar nach der »Ausschaffungsinitiative« erklärte, dass Migranten weiterhin in Kontingenten zum Arbeiten kommen könnten.
Wenn Pediga irgendwann tatsächlich aufmarschieren würde, gäbe es einen ziemlich breiten Widerstand. Zahlreiche Gruppen hatten die unterschiedlichsten Aktivitäten dagegen angekündigt, das Spektrum reicht von den Sozialdemokraten bis zum autonomen Umfeld.

Das Interview führte Wladek Flakin. Veröffentlicht wurde es am 2. Februar 2016.

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