SP-Regierungspräsident Mario Fehr ist zurück. Nachdem er sich lange Zeit kaum mehr hat blicken lassen, begann er das vergangene Wochenende mit einer Pressekonferenz, auf der er Hetze im Stil der SVP gegen Algerier*innen betrieb, und beendete es dazu passend mit einem Selfie mit Nathalie Rickli, Christoph Blocher und Konsorten an der SVP-Jubiläumsfeier, welche am Sonntag im Kongresshaus Zürich stattfand. Ein turbulentes Wochenende, mit denkwürdigen Ereignissen, die kurz zu reflektieren wohl guttut.
Freitag 17.3. Eine Pressekonferenz – SVP-würdig hetzerisch
Freitag 15:00: Pressekonferenz im Walchetor. Mario Fehr tritt auf und verteidigt seine Asylpolitik, bzw. seine Reihe von Angriffe auf die Lebensbedingungen von abgewiesenen Asylsuchenden im Kanton Zürich. Er präsentiert «Fakten», von denen sogar ein Grossteil stimmen wird. Wir freuen uns aber über einen Faktencheck, der von den Organisator*innen der Konferenz «Wo Unrecht zu Recht wird» in den nächsten Tagen veröffentlicht wird. Klar ist bereits jetzt: Wenn Fehr behauptet, dass keine Tibeter*innen eingegrenzt sind und der Warmwassermangel in den Notunterkünften wegen gefrorenem Poulet verursacht wurde, dann stimmt das so nicht wirklich.
Betroffen von der Anwesenheitspflicht seien auch nur abgewiesene Asylsuchende, welche in den Notunterkünften wohnen. Niemand anders. Wenig thematisiert wurde aber in den letzten Wochen, dass auch Personen mit dem Aufenthaltsstatus N – also Personen, die den Ausgang ihres Asylgesuches abwarten – auch in den Notunterkünften wohnen müssen. Dies sind besonders aussichtslose Fälle, bei denen das kantonale Sozialamt einen negativen Asylentscheid erwartet, oder Personen, die in einem Wiedererwägungsverfahren sind. Das heisst nicht, dass sich das KSA nicht auch irren kann und falsch einschätzt, ob eine Person Asyl erhält oder nicht und tatsächlich wurden auch Geflüchtete in den NUKs untergebracht, die zu einem späteren Zeitpunkt Asyl erhalten haben.
Es stellt schon eine genügende Schikane dar, dass sie in den NUKs leben müssen. Mit den letzten Verschärfungen sind aber auch sie von der Präsenzpflicht betroffen und müssen zwei Mal am Tag erscheinen, damit sie ihr Geld erhalten.
Fehr betonte gleich zweimal, dass sich diejenigen, welche im Gefängnis verweilen quasi selbst eingegrenzt hätten. Wenn jetzt also eine Person, die seit längerem in der Schweiz ist und nicht zurückgeschafft werden kann von der Polizei erwischt wird, dann kommt diese Person wegen nicht rechtmässigem Aufenthalt ins Gefängnis. Es sind nicht diese Menschen selbst, sondern eigentlich Mario Fehr, der als Sicherheitsdirektor für diese Fälle zuständig ist, dafür verantwortlich, wenn Menschen im Gefängnis landen, egal was Fehr behauptet.
Einige Fakten waren natürlich auch korrekt. Spannend ist die Zahl der Kriminellen abgewiesenen Asylsuchenden: Ganze 54 Menschen sind «Kriminelle», haben also entweder geklaut oder Drogen auf sich gehabt oder sonstige Delikte begangen. Eine solch kleine Anzahl Menschen, die ein Regime gegen die restlichen abgewiesenen Asylsuchenden legitimieren. Und rhetorisch mit einem SVP-würdigen „Sündenbock“-Diskurs. Die Algerier. Die bösen Algerier. Wenn nicht hart gegen sie vorgegangen werde und sie diese schikanösen Massnahmen nicht ertragen müssten, dann kämen nächstes Jahr 400 Algerier nach Zürich.
Fragen wir uns doch mal, weshalb Menschen stehlen. Oder Drogen verkaufen. Das machen die doch bestimmt als Traumberuf und Traumtätigkeit. Welche strukturelle Gegebenheiten werden dazu führen, dass statistisch mehr Betroffene stehlen, trinken, Drogen verkaufen? Wenn die Perspektiven fehlen, wenn die finanziellen Gegebenheiten so katastrophal schlecht sind, wenn das Personal, das für die Betreuung zuständig ist, möglichst ungebildet ist, damit die Personalkosten tief sind. Genau diese Gegebenheiten, welche mit den neusten Verschärfungen nur noch intensiviert werden, werden strukturell zu einer erhöhten «Kriminalisierung» führen.
18.3. Konferenz an der ASZ – ohne Teilnahmemöglichkeit der Betroffenen
Am Freitagabend kam dann der Entscheid des Migrationsamtes, dass es keine Ausnahmebewilligung für Eingegrenzte geben würde, die gerne an der Konferenz «Wo Unrecht zu Recht wird» teilnehmen wollten. Eine Konferenz, die sich gänzlich mit der Thematik der Eingrenzung auseinandersetzte. Dieser Entscheid reflektiert besonders gut die offensichtliche Grundhaltung des Migrationsamtes: Wer einen negativen Asylentscheid erhält, der verliert seinen Zugang zu den Grundrechten. Das Recht sich zu versammeln und das Recht die Meinung zu äussern wurden an diesem Samstag den Betroffenen der letzten Angriffe nicht gewährt. Wer als eingegrenzte Person trotzdem an der Konferenz teilnehmen wollte, musste das Risiko eingehen in eine Polizeikontrolle zu geraten und für einen Verstoss gegen die Eingrenzung bis zu sechs Monaten Gefängnisstrafe zu kassieren.
Es geht nicht nur um das Versammlungsrecht oder um die freie Meinungsäusserung, sondern um jegliche Teilnahme an einem sozialen Leben, das Recht auf juristische Beratung, das Recht eine Religion auszuüben. Die Eingrenzungen und Präsenzpflichten sind für keine einzige Person haltbar. So geht es nun darum die Solidarität mit den Betroffenen auszubauen und sich gegen die Angriffe zu wehren. Gemeinsam müssen wir dafür einstehen, dass diese Rechte wieder von allen – auch von abgewiesenen Asylsuchenden – wahrgenommen werden können.
18.3. Der Woman’s March – ein starkes Zeichen in beengten Verhältnissen
Natürlich konnte auch niemand der Eingegrenzten an der grössten Demo der letzten Zeit teilnehmen, dem Women’s March in Zürich. Das war schade, sind die Themen des Feminismus und des Antirassismus doch unbedingt zusammen zu denken und die notwendigen Kämpfe möglichst aus einer Perspektive der beiden Stossrichtungen zu führen.
Dass die Demonstration so gross und ruhig war, jedoch insgesamt dann doch eher wenig Inhalte transportiert wurden, führte schlussendlich dazu, dass die Medienberichte sehr spärlich ausfielen. Das ist schade, waren doch auch wichtige Positionen vertreten und zeigten sich viele der rund 20’000 Menschen sehr kämpferisch. Wenn die Reaktionen von rechter Seite und in den Kommentarspalten auf den Erfolg des Women’s Marches angeschaut werden, dann zeigt sich auch in der Nachbetrachtung ganz deutlich: Ein kämpferischer Feminismus ist so dringend notwendig wie eh und je.
Ruhig etwas dezidierter hätten die Reaktionen bezüglich der Route der Women’s Marches ausfallen können. Dass so grosse Menschenmassen durch verschiedene Nadelöhre geführt wurden, teilweise an Stacheldraht-Absperrungen vorbei, manchmal sogar nur auf der halben Strasse, wobei auf der anderen Hälfte der Gegenverkehr weiterlief, das ist eigentlich skandalös. Hier versagte Fehr auch als Sicherheitsdirektor des Kantons, zusammen mit dem Sicherheitsvorsteher der Stadt, Richard Wolff von der AL. Die Polizei war wohl schon ihren massiven Einsatz von nächsten Tag am vorbereiten, der dann umso unverhältnismässiger ausgestaltet wurde.
19.3. 100 Jahre SVP Jubiläum – Fehr da wo er hingehört
Nun aber noch einmal zurück zur Party der SVP zu ihrem angeblichen 100-jährigen Bestehen. Was macht ein Fehr überhaupt dort? Diese Frage führt einem direkt zu der eigentlich viel wichtigeren: Was unterscheidet denn einen SP-Regierungsrat Fehr von der SVP? Er wird zurzeit von der SVP gelobt für seine konsequente Umsetzung des Asylrechts. Er wird parteiintern kritisiert und weiss nicht, wie mit dieser Kritik umzugehen. Deshalb überrascht es nicht, dass er sich momentan bei einer SVP Jubiläumsfeier im Kongresshaus wohler fühlt, als bei parteiinternen Diskussionen.
An dieser Jubiläumsfeier bedankte sich Mario Fehr in einer Rede ausdrücklich für den Polizeieinsatz gegen die linken «Extremisten», begrüsste die Anwesenden in Blocherstyle („Liebi Manne und Fraue“), bot den SVPlern Nachhilfe im Schiessen an und beendete seinen Tag mit einem Gruppenselfie mit Blocher, Ricklin und co. Nicht das erste Mal fragt man sich, weshalb Mario Fehr noch bei der SP ist.
Herr Fehr, solidarisieren Sie sich ruhig mit dem Personal der ORS (Aussage an der Pressekonferenz), welche zu Niedrigstlöhnen in den NUKs arbeiten und bieten Sie ihnen einen höheren Lohn und angemessene Weiterbildungsmöglichkeiten an. Wenn Sie aber den Respekt aussprechen für ein Privatunternehmen, das für die Gewinnmaximierung ihre Betreuung von Geflüchteten so tief hält wie nur möglich, dann wechseln Sie doch lieber gleich zur FDP oder SVP. Und vielleicht können Sie gleich Frau Sommaruga überzeugen mitzuwechseln, denn niemand wie Sie Herr Fehr hat bisher besser aufgezeigt, dass es sich bei der letzten Asylgesetzrevision des Bundes im Kern vor allem um weitere Verschärfungen und um weitere Angriffe auf die Grundrechte der Geflüchteten handelt.