Am Mittwoch, den 16. März 2022, bezeichnete SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi in der Nationalratsdebatte Nigerianer und Iraker pauschal als Vergewaltiger und schürt damit Hass gegen Schwarze Menschen und People of Color. Seine Äusserungen verstossen zudem gegen Menschenrechte. (Red.)
von Netzwerk Exit Racism Now!
BiPoC Gruppen und Zivilgesellschaft fordern Aeschis Rücktritt
„Das ein Schweizer Nationalrat öffentlich sich rassistisch äussern kann ohne jegliche Konsequenz ist unhaltbar“ empört sich Mandu dos Santos Pinto Ko-Koordinator von Exit-Racism-Now „Dies ermöglicht es anderen es gleich zu tun und fördert den Hassdiskurs und mögliche Gewalt gegen nicht-weisse Menschen und eine Spaltung der Schweizer Gesellschaft. Wir fordern seinen Rücktritt und sofortige Aufhebung seiner Immunität“.
Thomas Aeschi bezeichnete Nigerianer und Iraker mit ukrainischem Pass in einer Nationalratsdebatte als potenzielle Vergewaltiger junger Ukrainerinnen. Dieser offene Rassismus von einem Schweizer Parlamentarier ist für eine Demokratie wie die Schweiz komplett unhaltbar. „Was Aeschi mit seinen verleumderischen, hetzerischen, erfundenen Zuschreibungen macht, ist geradezu eine Karikatur von Rassismus“ findet Sary vom Kollektiv Tour de Lorraine „Empörend. Beschämend. jedoch leider nicht überraschend“, meint sie und fuhr fort, „Seriöse und öffentlich Medien sollten ihn ab sofort boykottieren.“ Aeschi folgt einer langjährigen Tradition von Rassismus in der Schweiz, die dringend aufgearbeitet werden muss. Einer Geschichte, die einer Grosszahl der Bevölkerung in der Schweiz schadet, sie von der Gesellschaft ausschliesst und in ihrem täglichen Leben benachteiligt.
In seiner Rede, durchsetzt von völkischem und rassistischem Nationalismus, spricht Aeschi Ukrainer:innen, die nicht weiss sind, ab, Ukrainer:innen zu sein, und verlangt implizit eine Untersuchung, von Menschen mit ukrainischem Pass nach ‚race‘ aufgrund ihres Aussehens, ihrer Hautfarbe, ihrer vermeintlichen Herkunft, wobei er dafür eine tief rassistische Darstellung nicht-weisser Männer als Vergewaltiger zur ideologischen Rechtfertigung heranzieht.
„Er soll nicht nur zurücktreten, sondern eine Strafe zahlen, eine Wiedergutmachung. Am besten an die nigerianische und irakische Gemeinschaft. 365 Tagessätze à 500 CHF“, erklärt Elisa da Costa, Ko-Koordinatorin von Exit Racism Now!
Dabei ist Thomas Aeschi nur die Spitze des Eisbergs einer Stimmung, die Geflüchteten – damit auch Geflüchteten aus der Ukraine, mit oder ohne ukrainischer Staatsangehörigkeit – aber auch Geflüchteten der Kriege in Syrien, Kurdistan, Äthiopien, Eritrea, Afghanistan und vielen weiteren – nur dann Unterstützung zuspricht, wenn sie weiss sind. „Dies ist Rassismus und muss beim Namen benannt werden“, so die Meinung innerhalb des Netzwerks von über 30 schweizerischen Organisationen von Exit Racism Now!.
Symptomatisch dafür ist auch, dass auf die ungeheuerlichen Äusserungen Aeschis im Nationalrat keine unmittelbare Reaktion der anderen Parlamentarier:innen erfolgte. Fadenscheinige Entschuldigungen gegenüber der Presse helfen da wenig.
Wir Schwarze Menschen, People of Color schauen nicht mehr zu, beobachten oder lassen diese Situationen über uns hinweggehen. Nur allzu oft werden wir in der Schweiz stark stereotypisiert, als Kriminelle bezeichnet und als Menschen zweiter Klasse, die es eben nicht ‚verdient‚ hätten, hier zu leben, behandelt. Diesem öffentlichen Alltagsrassismus und der Reproduktion von rassistischen Bildern, die aus dem kolonialen und imperialen Erbe hervorgehen, muss endlich ein Riegel geschoben werden. Es muss allen klar sein, dass niemand das Recht hat, uns BIPOCs (Black, Indigenous and People of Color, Anm. der Red.) weiterhin als die Wilden, Ungebildeten und Unzivilisierten darstellen! Das war bereits im 17 Jh. nicht tolerierbar und heute erst recht nicht.
Wir nutzen unsere Stimmen. Sagen Nein! Wir handeln, da im Nationalrat anscheinend keine:r fähig ist, solche Aggressionen und Straftaten sofort zu unterbinden. „Nein, vielmehr wird im Parlament geschlafen, sich rausgeredet oder dieser rassistische Vorfall wie so oft runtergeredet oder ignoriert. Eine Schande! Wir als Schweizer:innen wollen der Welt ein Vorbild sein?“, so da Costa.
Erschreckend – der diesjährige Bericht der UN Working Group of Experts on People of African Descent weist genau auf dieses Fehlverhalten von Schweizer Politiker:innen hin:
„[…] die Arbeitsgruppe [ist] besorgt über die weit verbreitete Rassendiskriminierung und die Menschenrechtssituation von Menschen afrikanischer Abstammung in der Schweiz.“ Das Fazit der Untersuchungskommission in der offiziellen Medienmitteilung vom 26. Januar 2022: „Die Verwendung von rassistischen Hassreden in der politischen Rhetorik ist eine besonders giftige Form des Rassismus. Die Zivilgesellschaft lieferte Beispiele, darunter die politische Schäfchenplakat- Kampagne, die von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) im Jahr 2007 geführt wurde. Viele Kampagnen fördern die Verschärfung der Migrationspolitik, indem sie herabsetzende Bilder oder Rhetorik gegen Schwarze Menschen in der Schweiz verwenden.“
Diese Mitteilung ist erst knapp 2 Monate alt. Dennoch scheint noch kein grüner
Zweig in Sicht. Statt dieses Fehlverhalten rasant zu ändern, macht die SVP,
sprich Fraktionschef Aeschi, genau gleich weiter. Wir fragen uns, hat er, als
Fraktionschef der SVP, von der UN noch nie etwas gehört? Hat er das Gefühl, die Menschenrechte würden ihn nicht tangieren? Oder setzt er dies gezielt ein, um gegenüber Schwarzen Menschen und POC populistisch Missgunst zu säen? Denkt er, er könne sich als weisser Mann einfach darüber hinwegsetzen? Falls er die Gesetzeslage nicht kennt, hier eine kurze Nachhilfestunde:
Gerne verweisen wir hier auf das Diskriminierungsverbot der Bundesverfassung und Europäische Menschenrechtskonvention, BV 8 Abs. 2/Art. 14 EMRK: „Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.“
Auch Artikel 261 des StGB verweist auf Aesch’s Gesetzesverstoss und die Straftat klar hin: „Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft, […] wer eine von ihm angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung verweigert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.“
Gerade unter der Berücksichtigung des Schweizer Gesetzes fordern wir daher:
- die Enthebung Thomas Aeschis von allen Ämtern
- die Aufhebung seiner politischen Immunität
- die Anklage wegen Verstosses gegen das Diskriminierungs- und das Antirassismusgesetz
- die sofortige Aufnahme von Flüchtlingen, besonders aus sogenannten *Drittstatten, dieaufgrund des Krieges nun aus der Ukraine flüchten.
- eine Geldstrafe zur Wiedergutmachung zugunsten der irakischen und nigerianischenGemeinschaft
- eine öffentliche Entschuldigung gegenüber der BiPoC Gesellschaft allgemein
- alle notwendigen Massnahmen für ein Ende von Rassismus in der Schweiz
- einen Workshop für sämtliche Nationalrät:innen bezüglich Anti-Rassismus unddiskriminierungsfreiem Kommunizierens
Nach dem zweiten Weltkrieg gab es auf einmal keinen einzigen Nazi mehr. Niemand gab zu, damals ein Nazi gewesen zu sein. Beim Rassismus ist es ähnlich. Niemand will zugeben, ein Rassist zu sein obwohl man davon ausgehen kann, dass es 15%-20% sind. Aeschi spielt mit denen, indem er ihnen mit einer solchen Rede Signale sendet. Schaut her, ich bin einer von Euch aber darf das öffentlich nicht ausprechen. So holt eer sich seine Wählerstimmen.