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Petition gegen prekäre Anstellungen an den Hochschulen

Die Bewegung für den Sozialismus (BFS/MPS) solidarisiert sich mit dem Kampf der Postdoktorand*innen an den Schweizer Universitäten, die sich für bessere Forschungs-, Lehr- und Arbeitsbedingungen in der akademischen Welt einsetzen. Wir laden alle ein, die nationale Petition zur Beendigung der Prekarität an den Schweizer Universitäten zu unterzeichnen und zu teilen. Die Petition wurde von einem Kollektiv von Forschenden und mehreren Vereinigungen des Mittelbaus an Schweizer Universitäten initiiert und richtet sich an die Bundesversammlung.

von BFS/MPS

In den Universitäten und Fachhochschulen haben sich die Prinzipien des Neoliberalismus mit großer Geschwindigkeit verbreitet. Forscher*innen werden gegeneinander ausgespielt und vor allem nach der Promotion in den Status von „Selbstunternehmer*innen“ gedrängt. Die durchgeführten Forschungsprojekte kommen vor allem Forschungsleiter*innen (oft Männern) oder Professor*innen (ebenfalls meist Männern) zugute und werden in einem prekären Rahmen befristeter Anstellungen durchgeführt. Das Forschungs- und Lehrpersonal ist daher gezwungen, dauerhaft Arbeit zu suchen, um zu große Einkommensverluste zwischen zwei Forschungsaufträgen zu vermeiden. Die Suche nach der notwendigen Finanzierung ist mit regelmäßigen Perioden der Arbeitslosigkeit zwischen den Forschungsprojekten verbunden. Eine akademische Laufbahn einzuschlagen, kann auch zu Entscheidungen führen, die den eigenen Bestrebungen zuwiderlaufen (Verzicht auf Kinder, Trennung von Beziehungen bei erzwungener Mobilität usw.). Es ist daher nicht überraschend, dass psychische Probleme in diesem Bereich eine bekannte Realität sind. Diese Realität betrifft alle Disziplinen und ist bei Forschenden auf der ganzen Welt zu finden.

Im Zusammenhang mit den in mehreren Kantonen im Zuge der Gesundheits- und Wirtschaftskrise angekündigten Budgetkürzungen erhält diese Mobilisierung ihre volle Bedeutung, da es sich um eine direkte Initiative von Angestellten des öffentlichen Sektors handelt. Deshalb veröffentlichen wir nachstehend den Text der Petition der am Dienstag, dem 6. Oktober 2020 veröffentlicht wurde.


Petition gegen prekäre Anstellungsbedingungen an Schweizer Hochschulen

Forschende unter Leidensdruck

Die wissenschaftliche Qualität der Schweizer Hochschulen ist weltweit anerkannt und trägt zum exzellenten internationalen Ruf des Landes bei. So betont das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) in seinen Berichten zur Innovation wiederholt, dass die Schweiz zu den Ländern mit den meisten wissenschaftlichen Veröffentlichungen pro Einwohner gehört. Allerdings arbeitet die überwältigende Mehrheit der Forschenden, welche diese Publikationen generieren, unter immer schwierigeren Bedingungen: Mehrfach befristete Arbeitsverträge, schwierige und unsichere Arbeitsverhältnisse, zunehmende Abhängigkeit von Vorgesetzten in einem schädlichen Kontext übermässig harter Konkurrenz. Diese Prekarisierung ist für die Betroffenen und die wissenschaftliche Gemeinschaft mit einem hohen Preis verbunden: Verzicht auf Familienleben und/oder Elternschaft, tiefes Einkommen, negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit (Stress, Existenzangst, Burnout), Anfälligkeit für Mobbing und sexuelle Belästigung, sowie ein Verlust an Qualität in der wissenschaftlichen Forschung.

Die zunehmende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in der universitären Lehre und Forschung ist seit Jahren international bekannt. Sie wird sowohl in der Wissenschaft als auch in der Öffentlichkeit diskutiert und gab Anlass zu Streiks und Protesten im In- und Ausland. Anfang 2020 berichteten Schweizer Medien über die äusserst schwierige Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses in der Schweiz. Zuvor hatte ein Bericht der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) die harte Realität im Schweizer Wissenschaftssystem aufgezeigt, in dem mit wenigen Ausnahmen nur Professorinnen und Professoren in den Genuss von Festanstellungen kommen, während 80% des wissenschaftlichen Personals mit prekären Arbeitsverhältnissen Vorlieb nehmen muss.[1] Dies entspricht über 40’000 Personen, welchen dem “Mittelbau” angehören und als Doktorierende, Postdoktorierende, Lehrbeauftragte, oder wissenschaftliche Mitarbeitende mit befristeten, zumeist Teilzeit-Verträgen angestellt sind.

Keine Lösung in Sicht

Seit Jahren versuchen verschiedene Mittelbauorganisationen, die Universitäten auf die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen hinzuweisen. Im Jahr 2018 schloss die SAGW ihren Bericht mit der Forderung, “dass an den Schweizerischen Universitäten die unbefristeten Stellen für höher qualifizierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermehrt werden.”[2] Diese Appelle verhallten ungehört. Auf politischer Ebene hat Nationalrat Fabien Fivaz in einer Interpellation vom März dieses Jahres den Bundesrat aufgefordert, über die vom Bund getroffenen Massnahmen gegen die Prekarisierung des Schweizer Mittelbaus Bericht zu erstatten.[3] In seiner mehr als enttäuschenden Antwort spielt der Bundesrat den Ball an die Hochschulen und ihre Träger zurück und weist darauf hin, dass er diese stets in ihren Bemühungen zur Nachwuchsförderung unterstützt habe.

Zwar wird die schwierige Lage der Forschenden von den zuständigen Behörden anerkannt, dennoch zeichnet sich keine Lösung für die daraus entstehenden Probleme ab. Im Gegenteil wurden diese durch die Coronakrise noch verstärkt, was die Unsicherheiten der akademischen Karriere und die prekäre Lage der Forschenden einmal mehr schonungslos offenlegt. Obwohl die Schweiz über die nächsten vier Jahre 28 Milliarden Franken in Bildung, Forschung und Innovation investieren will [4], ist keine Lösung für diesen unhaltbaren Zustand in Sicht. Die Verantwortungsträger im Schweizer Wissenschaftssystem scheinen sich bewusst oder unbewusst damit abgefunden zu haben, dass die grosse Mehrheit der Mitarbeitenden an den Hochschulen weiterhin zum Sesseltanz um unsichere Stellen gezwungen ist, mit allen damit verbundenen beruflichen und privaten Nachteilen.

Schweizweite Mobilisierung des Mittelbaus

Als Reaktion auf diese schädliche und inakzeptable Situation hat eine Gruppe von Schweizerischen Mittelbauorganisationen die Petition für die vermehrte Schaffung von festen Stellen für Forschende und Lehrende nach dem Doktorat lanciert. Die Unterzeichnenden rufen die Bundesversammlung dazu auf, mittels konkreter Massnahmen die Arbeitsbedingungen des Mittelbaus zu verbessern, die wissenschaftliche Qualität seiner Arbeit zu sichern, die Gesundheit der Forschenden zu schützen und ihnen ein Familienleben zu ermöglichen. Die Petition fordert einen grundsätzlichen Kurswechsel in der Anstellungspolitik und Nachwuchsförderung mit dem Ziel, zügig eine signifikante Zahl von festen Stellen zu schaffen, welche kurz nach dem Doktorat erlangt werden können. Ziel dieser Reform ist die Verstetigung der Arbeitsverhältnisse im Mittelbau durch unbefristete Arbeitsverhältnisse und die Beseitigung der strukturellen Arbeitsplatzunsicherheit, welche bis anhin für die Schweizer Hochschullandschaft charakteristisch ist. So würde den Forschenden und Lehrenden ermöglicht, auf eigenständige und nachhaltige Weise Wissen zu schaffen und weiterzugeben, kurz, unter fairen und würdigen Bedingungen ihrer Arbeit nachzugehen.

Das Petitionskommittee
www.petition-academia.ch


[1] Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (2018). Next Generation: Für eine wirksame Nachwuchsförderung. Swiss Academics Report 13 (2), S. 15

[2] Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (2018). Next Generation: Für eine wirksame Nachwuchsförderung. Swiss Academics Report 13 (2), S. 49

[3] Interpellation eingereicht am 12. März 2020: https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20203121

[4] “Förderung von Bildung, Forschung und Innovation in den Jahren 2021-2024”, Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI (https://www.sbfi.admin.ch/sbfi/de/home/bfi-politik/bfi-2021-2024.html)

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1 Kommentar

  1. Pingback:MPS: Una petizione per porre fine alla precarietà nel settore accademico svizzero e negli istituti di ricerca - Informations on the petition to the federal assembly

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